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Yelp, Jameda,Lügenpresse und Vergil

Eine Sexstory aus der römischen Antike:

Schauplatz Karthago (heute Tunesien). Der Trojaner Aeneas verbringt einen hübschen Nachmittag mit der Königin von Karthago.

Den ganzen Hintergrund usw. kann man leider nicht in ein paar Sätzen schildern, kurz gefasst aber: Aeneas und seine Leute – sie sind Flüchtlinge aus Troja – steuern Italien an, wo Ae. einer Prophezeiung zufolge ein neues Königreich gründen soll, das eines Tages zum römischen Kaiserreich werden wird.

Aeneas hat Feinde, menschliche und göttliche zugleich, und landet, von Sturmwinden getrieben, in Karthago, wo er von der Königin freundlich empfangen wird.

Wer diese Götter sind, könnte man sich fragen. Aber das ist eine andre Geschichte.

Einer von ihnen jedenfalls, die Göttin Juno, mag Aeneas überhaupt nicht. Eigentlich mag sie keine Trojaner, weil einst einer aus diesem Volk ihre Rivalin, Venus, zur schönsten Göttin auserkoren hatte. Venus ist übrigens die Mutter von Aeneas, der also selbst Halbgott ist. Alles klar?

(Nebenbei: Heute bedeutet „Trojaner“ ein digitales Ungeziefer, das Ihre Festplatte infiziert, wenn Sie es zulassen. Dieser Virus ist nach dem sog. „trojanischen Pferd“ genannt, mit dessen Hilfe die Griechen Troja eroberten).

Aber zurück zu Aeneas, der im Augenblick mit der Königin – sie heißt Dido – gemütlich durch den Wald spaziert. Auf einmal öffnet sich der Himmel, und es regnet Katzen und Hunde. Aeneas und Dido suchen in einer nahegelegenen Höhle Zuflucht. Beide sind pitschnass und…na ja. Eins führt zum anderen…und…der Trojaner, der eines Tages Urvater Roms werden soll und die Königin deren Volk eines Tages Roms Lieblingsfeinde werden sollte, kommen sich näher.

Aeneas ist aber ein verantwortungsvoller Liebhaber und denkt nach der Intimität ernsthaft daran, sich in Karthago niederzulassen, um dort seine Staatsbildungsvision zu realisieren. Die Königin ist, kaum anders zu erwarten, von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt.

Juno, die Aeneas-Hasserin, ist zufrieden. Sie meint: Sollte der Ae. die D. heiraten, dann bleibt er Italien fern. Auch Venus ist happy. Welche Mutter freute sich nicht, wenn der Sohn eine so nette Partie mit nach Hause brächte?

Nur: Nun tritt Fama auf den Plan. Auch sie ist eine Göttin. (Das englische „fame“, also „Ruhm“, wird von diesem Namen abgeleitet. Wörtlich aber bedeutet „Fama“ „Gerede“, „Gerücht“, „Geschnatter“). Kaum erfährt Fama vom Techtelmechtel zwischen dem Trojaner und der Königin, wird die Sache überall hinausposaunt.

Eigentlich wäre Diskretion angebrachter gewesen.

„Fama eilt sogleich durch die großen libyschen Städte,
Fama, die schneller noch ist als jegliches andere Übel…“

So heißt es in der schönen neuen Übersetzung der Aeneis vom bekannten Altphilologen Niklas Holzberg. Die Konsequenzen dieses Verplapperns lassen nicht lang auf sich warten…Das finden Sie alles in der neuen Übersetzung selbst heraus.

Mich beschäftigt diese Geschichte momentan hauptsächlich wegen der Rolle von Fama. Denn im Augenblick scheint diese Naturkraft – auch bei uns – sehr aktiv zu sein. Jeder Verschwörungstheoretiker im Netz betet sie an. Jeder Parteigänger harrt ihrer Botschaft. Denken Sie an den Begriff „Lügenpresse“. Ist er nicht ulkig? Der Presse die Lüge zu bezichtigen, könnte auch auf einer Lüge basieren. Oder? Fama halt. Alles durcheinander.

Und denken Sie an Fama, wenn Sie das nächste Mal eine Bewertung (gut oder schlecht) eines Restaurants oder eines Zahnarztes bei Yelp, Jameda und Co. im Internet lesen…

Das ist das Schöne an der antiken Literatur. Vergil würde sagen: „Es war schon immer möglich, cari lectores, auch ohne Internet (et sine tela totius terrae) mit Gerüchten (cum Fama) das Leben aufzumischen (vitam delere).“

Gedenken an Gerhard Peter Moosleitner – Blattmacher extraordinär

„Populär? Wissenschaftlich? Wo liegt der Widerspruch?“ Breites Lächeln (und die Augen nur noch Schlitze).

Der Satz ist O-Ton Gerhard Dietrich Marie Moosleitner, den man hierzulande als „Peter Moosleitner“ kennt, Gründer im Jahr 1978 der populärwissenschaftlichen Zeitschrift „P.M.“ – auch „Peter Moosleitners interessantes Magazin“ genannt.

Seine Frau nannte ihn Gerd.

Er ist vor wenigen Tagen in aller Stille gestorben.Trotzdem hat sich die Nachricht schnell herumgesprochen.

Ich kenne zwei Moosleitners, hab ich immer gesagt: der eine, eine bescheidene und liebenswürdige Person namens Gerhard M.; der andere, ein genialer Blattmacher namens Peter M. Doch der geniale Blattmacher war bescheiden und der bescheidene G.M. genial.

Beinahe eigenhändig stampfte er aus dem Boden die damals kaum erforschte Sparte „populäre Wissenschaft“. Vor ihm gab es entweder technische Abhandlungen, Nerdblätter oder Blabla. Innerhalb kurzer Zeit verkaufte sich sein „P.M.“ ca. 500.000 mal monatlich.

Das Geheimnis seines Erfolgs? Ganz einfach: seine unersättliche Neugier. Und sie war sehr ansteckend. Staub unter dem Sofa? P.M. zeigte, was für Dinge und Viecher in einem „dustbunny“ hausten. Man verspürt Ekel. Moosleitner wollte wissen, warum. „Das Schöne am Ekel“, hieß die Story mit Happy End. Moosleitners fleißige Autoren, ebenso neugierig wie er, berichteten über Raumschiffe, Raketen, Motoren, Demokratie oder „Wozu braucht man Philosophen?“, sogar über die Folgen eines Lebens in der räumlichen Einsamkeit. Nochmals: Moosleitners Neugier steckte an.

Als ich ihn 1978 kennenlernte, beteuerte er nach kurzer Zeit, dass ich der „geborene P.M.-Autor“ sei. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich über diese Beobachtung freuen sollte. Doch er hatte letztendlich recht. Und bald nahm mich Gerhard Peter Moosleitner unter Vertrag. Es war die erste ernste Arbeit meines Lebens. Er selbst verabschiedete sich aus dem Geschäft 1994. Die folgenden Jahre wechselte ich zum P.M.-Ableger „History“.

G.P. Moosleitner war mein Mentor und mein Förderer. Ich, der Quereinsteiger, bekam von ihm ein persönliches On-the-Job-Training. „Der Aufhänger“, sagte er, „muss so spannend sein, dass man weiterlesen will. Auch der Schluss muss spannend sein. Der Leser sollte, wenn er fertig ist, noch mehr erfahren wollen.Und selbstverständlich, lieber Herr Blumenthal“, und hier schmunzelte er, „muss alles dazwischen ebenso spannend sein.“

Die ersten Jahre unserer Zusammenarbeit schonte er mich gewissermaßen. Ich durfte alle Texte auf Englisch schreiben. Es war ihm wichtiger, dass ich mich beim Schreiben frei fühle. Als ich ihm eines Tages die Idee für eine eigene Rubrik über Sprache (Urururahne des Sprachbloggeurs) unterbreitete, gab er mir spontan freie Hand. Und: Ich durfte diese kurzen Texte auf Deutsch schreiben. Zu meinem Entsetzen: Diese ersten Gehversuche wurden massiv mit Rotstiftbemerkungen quittiert. Aber so ist es, wenn man den Ehrgeiz hat, in der fremden Sprache zu schreiben.

Meine Rubrik hieß „Deutsche Sprache…“ Natürlich muss man hier „schwere Sprache“ ergänzen. Ein Mitarbeiter der Zeitschrift motzte: „Ausgerechnet der Ausländer darf über die deutsche Sprache schreiben.“ Ja, es waren andere Zeiten.

Ich geh davon aus, dass viele Leute in nächster Zeit an Gerhard Peter Moosleitner denken werden – vor allem diejenigen, die in den 1980er Jahre in ihrer Jugend ihr PM-Magazin gierig verschlangen.

PM-Magazin brachte die populäre Wissenschaft richtig ins Rollen. Das erkennt man auch heute an den vielen deutschsprachigen Klonen. Darüber hinaus: Ableger in Spanien, Frankreich, Russland, Südamerika, Skandinavien etc. florieren nach wie vor. Ohne Moosleitners zündende Idee wären die Kopien des Originals nie zustande gekommen. Auch das Fernsehen hat ihm viel zu verdanken.

Blattmacher Moosleitner hat stets betont: „Man darf den Leser nie allein lassen.“ Die klare Botschaft eines pflichtbewussten Medienmenschen.

Ja, lieber Gerd Peter Moosleitner, wir werden Sie/Dich dankend in Erinnerung bewahren. Populär und wissenschaftlich sein, bleibt weiterhin kein Widerspruch.

Gespräch mit einem Mietwagen

Es ist Abend…

Mietwagen: (die Stimme klingt nicht blechern) Guten Abend, bitte legen Sie Ihren Daumen auf den Scanner.

Sprachbloggeur: (ich lege meinen Daumen auf den Scanner) Scheißmaschine.

Mietwagen: Willkommen, lieber Sprachbloggeur. Haben Sie bitte einen Augenblick Geduld, bis das System hochfährt.

Sprachbloggeur: Scheißmaschine.

Mietwagen: Warum reden Sie so mit mir? Sind Sie mit mir unzufrieden?

Sprachbloggeur: Im Gegenteil. Du fährst viel konzentrierter als ich, und dein Sehvermögen ist am Abend viel besser als meins. Ich muss mich um nichts kümmern. Aber du bist bloß eine Maschine. Ich komme aus einer Zeit, als nur im Kino Maschinen in der Lage waren, Gespräche mit Menschen zu führen, die so täuschend echt klangen.

Mietwagen: Das tut mir leid. Haben Sie sehr gelitten, dass Sie in so einer Zeit lebten? Jetzt verstehe ich Ihre missmutige Laune. Sie wissen schon: Die Vergangenheit wirft einen langen Schatten. War immer so.

Sprachbloggeur: Hör auf mit dem Gefasel. Ich muss in die Baaderstraße 13.

Mietwagen: Haben Sie bitte einen Augenblick Geduld, während ich meine GPS-Dateien vergleiche. (Pause) Verzeihen Sie, ich finde keine Badderstraße. Haben Sie vielleicht Baaderstraße gemeint? Ich stelle fest, dass Sie Deutsch mit einem fremden Akzent reden. Sind Sie möglicherweise Engländer oder Amerikaner? Sie wissen mit Sicherheit, lieber Herr Sprachbloggeur, dass im Deutschen der Gebrauch eines langen und eines kurzen „A“ sinnverändernd ist. Would you prefer me to address you in English?

Sprachbloggeur: Scheißmaschine.

Mietwagen: Warum reden Sie mit mir so, wenn die Unzulänglichkeiten ganz offensichtlich die eigenen sind? Das ist wirklich nicht gerecht von Ihnen. Sie sollen froh sein, dass ich in der Lage bin, Ihnen eine so vielfältige Hilfe zu bieten.

Sprachbloggeur: Genug geredet. Fahr los.

Mietwagen: Ich sehe, dass sie in der Baaderstraße ein Restaurant besuchen, das bei uns offensichtlich keine Werbung abonniert hat. Schade. Darf ich Ihnen einige hübsche Alternativen empfehlen?

Sprachbloggeur: Nein, das darfst du nicht. Ich treffe mich dort mit Freunden.

Mietwagen: Wenn Sie mir die Namen Ihrer Freunde anvertrauen, könnte ich sie gleich benachrichtigen. Ich wüsste, zum Beispiel, einen sehr charmanten Chinesen mit besten Bewertungen. Und es ist obendrein um einiges preiswerter als Ihr Restaurant.

Sprachbloggeur: Jetzt reicht’s. Fahr los, oder ich ziehe dir die Strippe.

Mietwagen: Verzeihen Sie, wenn ich Sie daran erinnere. Ich bin nicht Ihr Eigentum. Ich bin Mietwagen. Außerdem können Sie mir die Strippe, wie Sie sagen, nicht ziehen. Dazu muss man auf eine besondere Art technisch versiert sein. Ich hoffe, ich bin Ihnen nicht zu nahe getreten.

Sprachbloggeur: Hör mal, du Computerspiel auf Rädern, fahr in die Ba-a-a-derstraße 13. Und zwar sofort

Mietwagen: Ich sehe, dass Sie den Rabattpreis gebucht haben. Ich habe also das Vergnügen, Ihnen unsere neuesten Angebote zu präsentieren. Interessieren Sie sich vielleicht für ein neues Phone? Oder vielleicht E-Bücher. Bitte drucken Sie Ihre Präferenzen aufs Display. Wenn ich erinnern darf: Heute ist Cybermontag. Die Preise sind ebenso schillernd wie am Black Friday. Langen Sie nur zu, lieber Herr Sprachbloggeur. Schauen Sie aufs Display. Diese Preise finden Sie nicht so schnell wieder.

Sprachbloggeur: Fahr endlich los, bitte!

Mietwagen: Na endlich. Sie haben das Zauberwort gesagt.

Sprachbloggeur: Zauberwort? Und das wäre?

Mietwagen: Bitte, natürlich. Also, ab ins Restaurant, lieber Kunde…

Klartext über Akzente (oder: Wo kommen Sie her?)

„Hör ich einen Akzent,?“ fragt die neue Mitarbeiterin in der Bäckerei. „Könnte das vielleicht ein englischer Akzent sein?“

„Ja, Sie hören einen Akzent“, antworte ich verhalten höflich. Dabei denke ich: Sie kennen mich nicht, und schon stellen Sie solche intime Fragen. Dann sage ich (wie immer pflichtbewusst): „Der Akzent ist aber kein englischer, sondern ein amerikanischer.“ Natürlich sag ich a-me-ri-ka-nisch und nicht etwa a-merr-i-kann-isch.

Ich hab ihre Neugier trotzdem nicht befriedigt. Denn schon hat sie die nächste Frage gestellt: „Sind Sie nur zu Besuch bei uns?“

Notabene: Sie sagt „bei uns“. Will sagen: Es gibt ein „bei mir“, das woanders ist.

„Nein“, antworte ich, noch immer der ehrliche Tropf, „Ich bin schon vierzig Jahre da.“ Wobei ich denke: Als ich bei Ihnen eingetroffen bin, haben Sie noch in die Hose gemacht.

„Vierzig Jahre. Dann muss es Ihnen bei uns gefallen.“

Inzwischen wird mir die Sache zu blöd, und ich sage: „O ja, ich fühle mich bei Ihnen beinahe wie zuhause.“

Das reicht ihr aber nicht: „Sie haben aber vor, mal wieder nach Hause zu gehen? Oder?“ Nach Hause? Denk ich. Nach Hause?

„O nein. Hier hab ich vor zu sterben“, antworte ich und lächele freundlich.

Es folgen keine weiteren Fragen. Manche Leute reden ungern über die letzten Dinge…

Na, liebe Flüchtling*Innen [Achtung: neuer allumfassender Begriff der Grünen – gilt für Männer, Frauen und alle andere], haben Sie den Sinn meiner Anekdote verstanden? Wenn Sie wirklich die Absicht haben, Deutschland zu neuer Heimat zu machen (zur Erinnerung: I want to go to Germany, I love Merkel usw.), müssen auch Sie auf einiges gefasst sein.

Doch zurück zu den Akzenten:

Falls Sie die Pubertät hinter sich haben, können Sie davon ausgehen, dass Sie Zeit Ihres Lebens Deutsch mit einem fremden (oder wenigstens einem exotischen) Akzent sprechen werden. Das ist keine Erfindung von mir, sondern eine neurologische Tatsache. Bespiel Henry Kissinger. Er wurde 1923 in Fürth geboren und ist 1938 mit Eltern und jüngerem Bruder Walter als Flüchtling in den USA eingetroffen.

Bis zum heutigen Tag spricht der beredsame Kissinger Englisch mit einem Akzent, den man in Amerika als „deutsch“ bezeichnet. Bruder Walter, ein Jahr jünger und 1938 wohl noch in der Pubertät, spricht Englisch wie ein gebürtiger Amerikaner.

Zugegeben: Es gibt Menschen, die eine Fremdsprache nach der Pubertät erlernen und sie trotzdem akzentfrei sprechen. Das sind aber die Ausnahmeerscheinungen.

Meine Söhne wurden zweisprachig erzogen, gingen aber in die deutsche Schule, sprachen Deutsch mit Gleichaltrigen und mit ihrer Mutter. Sie sprechen trotzdem beide beinahe perfekt Englisch. Dennoch sind ihre Deutschkenntnisse immer um ein Haar ausgeprägter. Gegenwärtig ist mein jüngerer Sohn in den USA. Er falle, sagte er mir neulich, wegen seines „deutschen“ Akzents auf. Kann er den fremden Akzent jemals losbekommen? Keine Ahnung. Das amer. Ohr ist hellhörig, hört immer das Exotische. Wir lassen uns überraschen….

Willkommen, liebe Flüchtling*Innen, in die neue Heimat, und lernen Sie schön fleißig Deutsch. Die gute Nachricht: Es wird Ihre Enkelkinder viel besser ergehen. Versprochen. Vorausgesetzt, man lebt nicht nach drei Generationen immer noch in einer No-go-Zone.

Dschihadi John – das allerletzte Interview…

Wir befinden uns irgendwo im Jenseits…grauer Nebel…kalt…

Sprachbloggeur: Herr John, haben Sie Nachrichten gehört?

Dschihadi John: Bitte nennen Sie mich Dschihadi. Welche Nachrichten?

Sprachbloggeur: Was in Paris geschehen ist. Das vom IS verrichteten Blutbad, das so viel unschuldiges Leben vernichtet hat.

Dschihadi John: Entschuldigen Sie, wenn ich frage, aber wer ist dieser IS, von dem Sie reden?

Sprachbloggeur: Der Islamische Staat. Sie waren mal für ihn als Henker tätig.

Dschihadi John: Kenn ich nicht, sorry.

Sprachbloggeur: Wie kann das sein? Sie waren selbst dabei.

Dschihadi John: Tut mir leid, aber ich weiß es wirklich nicht.

Sprachbloggeur: Vergisst man all dies, wenn man tot ist?

Dschihadi John: Tot? Sehe ich aus, als wäre ich tot? Emmm…Ich hatte einen komischen Traum. Kennen Sie sich mit Träumen aus?

Sprachbloggeur: Kommt drauf an. Was haben Sie geträumt?

Dschihadi John: Dass ich ein Messer hatte. Und jetzt hab ich keins mehr. Ich hab überall danach gesucht, und…wissen Sie was?

Sprachbloggeur: Was?

Dschihadi John: Jetzt weiß ich nicht mehr, was ein Messer ist…Ummm…Ich hab Kopfweh.

Sprachbloggeur: Kopfweh?

Dschihadi John: Ja. Wenn ich den Kopf drehe, tut mir der Hals weh.

Sprachbloggeur: Dann haben Sie Halsweh.

Dschihadi: Whatever. Dann hab ich eben Halsweh. Haben Sie mein Messer gesehen? Ohne es fühl ich mich so…einsam.

Sprachbloggeur: Nein. Sie haben aber gesagt, dass Sie nicht wissen, was ein Messer ist.

Dschihadi John: Hab ich das gesagt? Sie machen mich völlig wirr. Wie geht’s den Jungs vom IS? Ich meine die da in Paris.

Sprachbloggeur: Haben Sie nicht grad behauptet, Sie wissen nicht, was der IS ist, und nun fragen Sie, wie es den Jungs geht. Sie sind fast alle tot…wie Sie.

Dschihadi John: Tot? Was wissen Sie vom Tod, Kaffer. Wäre ich tot, dann wäre ich im Paradies und würde von 58 Jungfrauen verwöhnt sein.

Sprachbloggeur: Sie meinen 72 Jungfrauen…oder?

Dschihadi John: Jungfrauen? Was sind Jungfrauen? Ich hab Halsweh.

Sprachbloggeur: Was haben Sie jetzt vor, Dschihadi?

Dschihadi John: Warum sagen Sie zu mir „Dschihadi“? Schließlich hab ich einen Namen, Kaffer.

Sprachbloggeur: Und der lautet…?

Dschihadi John: Emmm…Hab’s vergessen. Ich komm wieder drauf. Ich fühl mich so einsam ohne mein Messer.

Sprachbloggeur: Glauben Sie an Gott?

Dschihadi John: Tut jeder…oder?

Sprachbloggeur: Spricht er manchmal mit Ihnen?

Dschihadi John: Na klar…

Sprachbloggeur:…und was sagt er zu Ihnen?

Dschihadi John: Ich weiß es nicht.

Sprachbloggeur: Warum nicht?

Dschihadi John: Weil ich Halsweh habe. Außerdem redet er immer Hebräisch, und ich verstehe nur…emmm….ummm…ummm….

Hotspots im Brennpunkt (Eine Lektion in der Kunst des Verdunkelns)

Bin ich der einzige, der sich so leicht einlullen lässt? In letzter Zeit höre und lese ich in den Medien ständig irgendwas über „Hotspots“. Zuerst wusste ich eigentlich nicht, was damit gemeint war. Allmählich hab ich aus dem Zusammenhang verstanden, dass „Hotspot“ gleichbedeutend mit Sammelstelle ist: ein Ort, also, wo man Flüchtlinge ansammelt, um sie zu registrieren oder gegebenenfalls ihren Antrag abzulehnen. Vorgesehen sind „Hotspots“ an der Landesgrenze verschiedener EU Mitgliederländer.

Soweit so gut. Hinzu hab ich erfahren, dass im Europarat über diese heißen Flecken sehr heiß diskutiert wird. Manche sind dafür, manche dagegen.

So viel zu den Fakten, und jetzt wird’s persönlich: Mich hat das Wort vom Anfang an irritiert.

Vielleicht deshalb, weil es in mir andere Assoziationen hervorgerufen hat. Ich hab, z.B., an die „Hotspots“ gedacht, wo man vielerorts kostenlosen Zugang zum WLAN bekommt. Auch die DB wirbt mit „Hotspots“ im ICE. Und jeder weiß, dass diejenigen Flüchtlinge, die mit Smartphones ausgerüstet sind, ständig nach solchen „Hotspots“ suchen, um sich während des beschwerlichen Wegs in den Norden genauer zu informieren.

Im Übrigen wissen Englischsprechende, dass mit „hot spot“ auch „Brennpunkt“ und „Krisenherd“ gemeint sind.

Aber wie sieht ein „Hotspot“ für Flüchtlinge aus? Denn ich habe noch nie ein Foto von einer solchen Einrichtung gesehen.

Ich stelle mir aber vor, dass, er, wenn Leute dort angesammelt werden und mehr als ein paar Stunden dort verbringen und vielleicht auch übernachten müssen, mit Zelten oder Baracken ausgestattet ist.

Außerdem wird ein solcher „Hotspot“ wohl umzäunt sein. Denn sonst würden sich manche „Hotspotler“ aus dem Staub machen – vor allem diejenigen sans papiers.

Mit anderen Worten werden Massen von Flüchtlingen zumindest vorübergehend dort …emm…konzentriert werden, damit man den Überblick nicht verliert; sie werden…emm…konzentriert in einem…emm…Lager.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich möchte „Hotspots“ nicht einmal in meinen kühnsten Fantasien mit „Kazetts“ vergleichen. Ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass man sich mit der Idee eines Sammellagers für die Flüchtlingsmassen in einen – wie wir auf Englisch sagen „hot spot“ (brenslige Situation) – versetzt hat – zumindest semantisch gesehen.

Flüchtlingslager gibt es freilich längst in der Türkei, im Libanon, in Jordanien etc., und man baut sie absichtlich nahe der Grenze. Ich gehe von daher aus, dass die Politiker in Europa unseren Vorstellungen von solchen Einrichtungen lediglich ein anderes Flair geben wollten. So kam man auf die Idee, sie „Hotspots“ zu nennen. Das Tolle daran: Das Wort klingt so obskur, dass keiner drauf kommt, was damit eigentlich gemeint ist.

Besonders clever finde ich, dass man mit dem Wort „Hotspot“ einen Begriff aus dem Boden gestampft hat, der zwar Englisch klingt aber so wenig mit Englisch zu tun hat wie „Handy“.

Nur ein paar sprachliche Gedanken zu einem Begriff, auf den kaum einer achten wird, bis es zu spät ist. Wenn das keine Kunst ist…

In eigener Sache: Nächste Woche kein Beitrag – vielleicht auch übernächste Woche nicht. Erst mit Sicherheit danach. Bin die nächste Zeit auf Jagd (nicht aber in Zimbabwe).

Gezeter über die falschen Freunde

Heute nenne ich Namen, weil sie Namen nennen.

Ich nenne den Namen „E-Bay“ aber auch „Home-24“ und „Ramada“ (Hotel). Ebenfalls Amazon – zumindest manchmal (etwa beim E-Book-Verkauf). Ich mache hier allerdings keine Werbung für die genannten Firmen. Im Gegenteil.

Ich will lediglich ein bisschen Dampf ablassen. Genauer gesagt: Es geht um die Ansprechformen dieser großen Firmen. Ich hab’s satt, wenn ich Werbung von den obigen Unternehmen bekomme und ich mit „P.J.“ oder „Hey! P.J.“ angebiedert werde.

Von amer. Firmen wie „Ramada ist die Ansprechform mit Vornamen längst üblich. Auf der Ebene der Metasprache soll der Angesprochene heraushören: „Wir sind deine Freunde.“ Seit Facebook weiß man, was ein „Freund“ ist. Ehrliche Feinde zieht man deshalb vor.

Nebenbei: Ich hab Ramada eine belehrende Mail geschickt, worin ich die Firma aufforderte, die lockere Ansprache zu unterlassen. Bisher keine Reaktion.

Keine Sorge. Dieses Gezeter ist kein Versinken meinerseits in den Altersstarrsinn. Es ist vielmehr eine Warnung vor falschen Freunden, die es nur auf Ihr Geld absehen. Kulturhypnose ist eine schreckliche Krankheit. Wirklich.

Das mit den Vornamen war einst nur ein amer. Phänomen. Doch jetzt sucht es uns in Europa auch ohne TTIP heim. Ebay, zum Beispiel. So liest man seit einigen Monaten in der Betreffzeile der ebay Internet junk mail:“P.J., meist angesehene Artikel, die Sie sicher inspirieren werden.“ Immerhin wird man noch gesiezt. Ich schrieb an ebay mit der Bitte, diese Intimität zu lassen. Das Resultat: Man bat mich darum, ein Formular bei „My ebay“ auszufüllen, um mein Anliegen mitzuteilen. Die Kategorie „falsche Intimität“ fehlte.

Auch meine Freunde die Phisher und Spammer schreiben mich oft mit „P.J.“ oder mit „du“ an. Da ist es aber verständlich. Möchtegernvergewaltiger verzichten schnell auf Formalitäten. So ist die Geilheit.

Das mit den Vornamen war früher nicht einmal in den USA üblich. Ich glaube, es ist eine Folge der „Love Generation“ – also ca. 1970 oder so. Dieselbe Zeit übrigens, als die Dänen aufhörten sich gegenseitig zu siezen.

Notabene: In den USA wird der Arzt, der Polizist, der Beamte – ach ja auch der Präsident bis heute nur mit Titel und Nachnamen angesprochen. Ärzte usw. wiederum dürfen uns mit Vornamen ansprechen. Ähnlich waren die Siez/Duz-Regeln der K.U.K. Monarchie.

Ende der 1980er Jahre las ich einen Artikel in der FAZ. Es erschien auf Deutsch und auf Englisch und war ein Plädoyer für die Einführung bei deutschen Firmen der Ansprache per Vornamen (und vielleicht per Du). Eine lockere, kreative Atmosphäre sollte entstehen wie bei den amer. Firmen (haha).

Damals bat mir mein dt. Chef das Du an. Am Telefon geschah es. Ich verstand aber: „Wir sollen zueinander lieber Buh sagen.“ Es dauerte eine Weile, bis ich sein freundliches Angebot kapierte und annahm. Jahre später wollte er mich dazu zwingen, einen schlechteren Vertrag zu unterschreiben und drohte mit meiner Entlassung. Alles per Du selbstverständlich.

Doch jetzt die gute Nachricht: Es gibt Firmen, die den Kunden Siezen und zugleich einen tollen Service anbieten. Und nun folgt etwas Werbung für sie – kostenlos und nur beim Sprachbloggeur:

Beispiel eins: das Schweizer Messerfabrikat Victorinox. Nachdem die Schere meines Schweizer Messers (das ich schon acht Jahre hatte) kaputt ging, rief ich bei der Firma in der Schweiz an und fragte, ob man so etwas noch reparieren kann. „Selbstverständlich“, war die Antwort. Man sagte mir eine Anschrift in Deutschland durch – damit ich Porto spare. Ich schickte das Messer ein. Man hat nicht nur die Schere repariert. Das ganze Messer wurde rundum erneuert.

Beispiel zwei: Die Firma Hack Lederware in Köln. Nachdem mir ein Knopf von meiner wunderschönen alten Lederjacke verloren gegangen war, schickte ich ein Foto des besagten Knopfs und der Jacke an die Firma und erkundigte mich, ob es Ersatzknöpfe noch gebe. Mir wurden fünf Knöpfe kostenlos zugeschickt mit der Erklärung: Garantie auf Lebenszeit.

Beispiel drei: Firma Hohner. Nachdem meine alte Mundharmonika nicht mehr richtig funktionierte, erkundigte ich mich bei der Firma wegen einer Reparatur. Ich wurde aufgefordert, das Instrument einzuschicken. Auch sie wurde rundum erneuert – kostenlos.

Nun hab ich Namen genannt. Ende des Gezeters.

Hier nackte Bilder! Huhu!

Wer schaut sich bloß diese ganzen nackten Bilder an?

Damit meine ich nicht die der Pornoseiten im Internet, sondern die der Papparazzi.

Z.B., das Bild (inzwischen ein Klassiker) der frisch geschiedenen Sarah Ferguson, die sich oben ohne auf einer Chaiselongue aalt, während ihr damaliges Gspusi, der Texaner John Bryan, an ihren Zähen zuzelt. Das war zwar alles schon lange her, sorgte damals für Furore. Und wie! Natürlich ist das, was man sieht auf diesem Bild – wie bei den meisten dieser voyeuristischen Gattung – etwas unscharf und körnig. Denn der Fotograf im Hinterhalt bedient sich üblicherweise eines Teleobjektivs, das beinahe so lang ist wie ein Abflussrohr. Die Bilder lassen sich trotzdem verkaufen.

Auch die Brüste der künftigen britischen Königin Kate Middleton wurden auf ähnliche Weise belichtet und beleuchtet, hab ich jedenfalls gelesen. Ich habe die aufregenden Aufnahmen nie gesehen.

Einmal hat es auch Prinz Charles erwischt (wem es interessieren mag), und ich denke auch seiner damaligen Prinzessin Di (hab auch nie gesehen). Ähnliches von der Queen ist meines Erachtens nicht bekannt.

Die Geschlechtsteiljäger pirschen natürlich nicht nur nach Privatem aus dem englischen Adelsstand. Überhaupt ist die nackte Haut prominenter Personen (besonders wenn sie jung und hübsch sind –aber nicht nur) längst zum lukrativen Geschäft geworden. Vielleicht sucht jemand eine neue Tätigkeit? Kann man nie wissen.

Ich komm grad auf dieses anzügliche Thema, weil ich vor ein paar Tagen auf einer amer. Nachrichten-/Klatschseite gelesen habe, dass die Anwälte des einstigen Jugendschwarms Justin Bieber die Verbreitung im Internet gewisser Nacktbilder des Sängers untersagen wollen.

Dem Bericht zufolge, war es einem Papparazzo gelungen, Bieber auf der privaten Terrasse seiner Suite in einem vornehmen Hotel auf Bora Bora abzulichten. Der Clou: Zum ersten Mal sieht man ALLES, was dem Star ausmacht.

Nun wurde ich neugierig und habe unter Stichwort „Justin Bieber nude“ gegoogelt. Stellen Sie sich vor: 67.000.000 Treffer (Nebenbei: Unter „Justin Bieber nackt“ warn’s bloß 584.000). Zum Vergleich: Googelt man „Flüchtlingskrise“ tauchen 8.120.000 Treffer auf.

Fazit: Das Interesse für Justin Biebers beste Stück rangiert ca. 800% höher als das fürs ganze Flüchtlingsdrama.

Was mich sofort auf eine großartige Idee brachte: Wie wäre es, wenn sich die Flüchtlinge auszögen? Da wäre es mit der Vorstellung, Flüchtlingsunterkünfte abfackeln zu wollen, schnell vorbei. Im Gegenteil: Manche würden ihnen (bzw. einigen von ihnen) sicherlich ein Zimmer im eigenen Haus anbieten! Wie gesagt. Nur eine Idee.

Doch jetzt zum erbaulichen Teil dieser Glosse über die Nacktheit. In der Bibel heißt es lapidar, dass Adam und Eva im Paradies nackt waren, und dass ihnen dies nie bewusst wurde…bis sie in den Apfel (oder was auch immer das für eine Frucht war) reinbissen. Denn diese verhängnisvolle Frucht stammte nämlich vom Baum des Wissens ums Gute und ’s Böse. Komisch, dass man erst weiß, dass man nackt ist, wenn man zwischen Gut und Böse unterscheidet.

Nun aber zurück zu Justin Bieber und die 67 millionen Treffer. Natürlich hab ich einige der angezeigten Seiten angeklickt, um mich weiter übers Thema zu informieren. Auf manche Seiten fand ich auch eine zensierte Version der beanstandeten Bilder. Der Teil aber, der für so viel Aufregung gesorgt hat, wurde entweder sorgfältig mit einem kitschigen Badeanzug übermalt oder halt verpixelt, so wie man die Gesichter von Verbrechern verpixelt.

Allgemein ist aber zu berichten, dass die Aufnahmen, wie zu erwarten, recht unscharf und körnig waren.

Doch nun endlich zum Höhepunkt. Zufällig stieß ich während meiner Recherchen über dieses schillernde Thema auf eine Seite, die die Aufnahmen Biebers Nacktheit unzensiert zeigte. Ja, liebe Lesende, ich hab ES gesehen, zwar unscharf und körnig aber immerhin. Nur: Was soll ich drüber sagen, außer: Er hat einen? Sorry, falls ich Sie mit dieser kargen, körnigen Botschaft enttäusche.

PS Gestern – ganz zufällig – erreichte mir eine Mail von einer gewissen Mia Zoe. Ich glaube, sie kommt aus Russland oder aus irgendeinem ähnlichen Land. Die Nachricht lautete: „Schau dein Nacktfoto im Anhang dieser Mail an!“ Das hab ich zwar nicht getan, vermute aber, dass meine Mutter das rassige Bild von mir auf dem Wickeltisch endlich vergoldet hat. Ich nehm es ihr aber nicht übel. Ihre Rente ist klein.

PPS Heute lese ich in der Zeitung – auch ganz zufällig, dass Playboy Magazine künftig auf Nacktbilder verzichten will. Der Grund: Man könne im Printmedium nicht mehr mit dem Internet konkurrieren. Das wissen wir aber schon. Lahmes Playboy, welcome to the new world.

Achtung: Fremdsprachenlernen kann gesundheitsgefährdend werden

Sie möchten vielleicht eine Fremdsprache – zum Beispiel das Englische –mit der gleichen Souveränität beherrschen, die Sie in Ihrer deutschen Muttersprache an den Tag legen.

Mein Rat: forget it. Zumindest, wenn Sie einer sind wie ich. Denn mir fällt nämlich ein Phänomen anheim, das ich als „Synapsenroulett“ bezeichne. Und damit meine ich: Es ist immer Glücksache, ob mein Hirn reibungslos mitmacht.

Zum Beispiel, am Montag. Ich ging zum Zeitungskiosk, um meine „Weltwoche“ abzuholen. Normalerweise tu ich das am Samstag. Naja, früher war es Freitag. Doch etwas mit dem Vertrieb hat sich verändert.

Diese Woche aber war Samstag Feiertag. Das heißt: ich konnte die Zeitschrift erst am Montag abholen…

Ja, liebe Lesende, mir ist klar, dass ich Sie mit ein bisschen zu viel Hintergrund beglücke. Das tut mir leid, aber diese Fakten sind fürs Weitere wichtig. Ich weiß, dass heute alles rasch rasch gehen muss, aber was soll ich tun? Naja, bald sind wir soweit...

Also zurück zu der Zeitschrift. Ich stand am Kiosk und bezahlte. Nun sagte mir der nette Herr (leider weiß ich nicht, wie er heißt) mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht: „Hier ist Ihre Weltwoche – wie immer mit Verspätung!“ Er meinte es gut mit mir. Natürlich wollte ich ebenso heiter antworten.

„Irgendwie scheint es…“ begann ich, doch plötzlich stockte meine Stimme. Ich wollte etwas Witziges antworten; und er wartete sogar auf meine schlagfertige Antwort. Nur: Ich fand die Worte nicht. Sie waren wie verschwunden. Alle. Ich brachte lediglich „…das neue…“ noch raus. Dann hörte ich auf. Alles zu spät und zu unpräzise. Es war ein akuter Anfall der Konsequenzen des Synapsenrouletts.

Inzwischen war ich mit meiner Zeitschrift weitergegangen. Kaum eine Minute später, fiel mir unverhofft das fehlende Wort ein: „Programm“. Ich wollte dem netten Herrn antworten: „Irgendwie scheint es Programm geworden zu sein“ oder so ähnlich. Zugegeben: Es gibt witzigere Repliken, aber meine hätte in der Situation durchaus gereicht, hätten mir die verdammten Synapsen keinen Strich durch die Rechnung gemacht.

Das passiert mir sogar öfter, und zwar seit Jahren. Manchmal verspüre ich den Umriss, bzw. den Rhythmus des fremdsprachlichen (also deutschen) Satzes im Ohr, aber die Worte wollen einfach nicht raus. Ich stehe dann sprachlos da. Kein schöner Zustand.

Ja, so ist es, wenn man in der Fremdsprache lebt, ein Thema, dem ich ein ganzes Buch mit dem Titel, „Wie ich die deutsche Sprache eroberte“, widmete, eine Art „Sprachmemoiren“.

Aber es kommt noch schlimmer: Denn wenn jemand so lange in der Fremdsprache lebt wie ich, leidet auch die Muttersprache. Es kommt deshalb häufig vor, dass mir ein englisches Wort nicht mehr spontan einfällt. In dem Augenblick findet mein Hirn nur noch deutsche Vokabeln oder Redewendungen. Ich fange einen Satz auf Englisch an, verliere den Faden und lande schnell im Abseits. Sehr frustrierend.

Noch frustrierender: Seit Monaten schreibe ich an einem Buch in meiner Muttersprache – das erste Mal seit vielen Jahren. Ich war halt neugierig, ob ich’s noch kann. Als kleine Abhilfe erschuf ich mir einen Erzähler, einen Jüngling, der bis zum neunten Lebensjahr in Amerika lebt und seitdem in München. Mit 22 Jahren will er seine Geschichte erzählen – auf Englisch, der Sprache, die man nur zu Hause en famille redet – gleichsam meine Situation also.

Bald stellte ich aber fest, dass wir beide, mein Erzähler und ich, manchmal vergeblich nach den passenden englischen Wörtern suchten. Manchmal muss ich deshalb im deutsch-englischen Wörterbuch nachschlagen, um eine englische Vokabel zu finden. So etwas ist wirklich sehr ärgerlich für einen Muttersprachler.

All dies nur als Warnung, liebe Lesende. Wer jemals davon geträumt hat, in der Fremdsprache aufzugehen, soll lieber drüber nachdenken, ob es nicht klüger wäre, zuhause zu bleiben.

Nachhaltigkeit beleuchtet

Der Nachhaltigkeitsgipfel in New York ist vorbei, und er hat mich – ohne Witz… nachhaltig geprägt.

Frau Merkel, z.B., die dabei war, meinte, „…alle müssen ihren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten.“ Die Nachrichtensprecher nahmen das Wort „Nachhaltigkeit“ ständig in den Mund. Es war wahrlich der Gipfel der Nachhaltigkeit – zumindest für mich.

Doch jetzt muss ich, auch wenn’s mir äußerst peinlich ist, Folgendes eingestehen: Eigentlich hatte ich, wie ich bald feststellte, keine Ahnung, was ein Nachhaltigkeitsgipfel ist.

Steh ich allein da?

Klar: Wenn etwas nachhaltig ist, hat es Andauer. Es hält halt nach.
Aber ein Nachhaltigkeitsgipfel? Was soll denn nachgehalten werden? Das Schlimme dran: Alle in den Medien taten so, als würde jeder wissen, worum es ging.

In diesem Zustand der sprachlichen Verwirrung (wer ist gern ein Ignorant?) begab ich mich ins Paradies. Natürlich mein ich damit, wie immer, meinen Lieblingsobstundgemüseladen. Frau M. war in dem Augenblick mit anderen Dingen beschäftigt. Wenn ich mich genau erinnere, war sie über einer Kiste Kürbisse gebückt. Dafür stand Fr. D. an der Kasse und hat nebenbei die Herbsterdbeeren himmelhoch gepriesen.

„Halten Sie lang?“ fragte ich. Wahrscheinlich hatte ich zu sehr die Nachhaltigkeit noch im Kopf.

„O ja“, antwortete sie. „Und sie schmecken geradezu hervorragend.“

Ich glaube, es war in diesem Augenblick, dass ich mir den Mut zusammennahm, um das Thema Nachhaltigkeit schonungslos anzusprechen: „Haben Sie auch in den Nachrichten von diesem Nachhaltigkeitsgipfel in New York gehört? Gerade war wieder etwas im Radio.“

„Ja, hab ich heute Früh gehört“, sagte sie.

„Wissen Sie, wenn ich ehrlich bin, hab ich keine Ahnung was in diesem Zusammenhang mit dem Wort ‚Nachhaltigkeit‘ gemeint ist.“

„Ja, komisch. Ich hatte den gleichen Gedanken.“

Nun war ich erleichtert. Offensichtlich war der Begriff auch für diverse Native Speakers nicht ohne Weiteres einleuchtend. „Das etwas nachhaltig ist, darunter kann ich mir was vorstellen“, sagte ich, „Aber einen Gipfel bei der UNO zum Thema. Hmm. Das muss wohl so ein englischsprachiger Begriff sein, für den man nach einer passenden deutschen Übersetzung suchte. Zum Beispiel, wie man aus dem amerikanischen ‚Stealth Bomber‘ eine ‚Tarnkappe‘ machte. Ich werde der Sache nachgehen.“

„Das mach ich auch“, meinte Fr. D.

Vielleicht hat sie‘s, ich aber nicht. Zumindest nicht an dem Tag. Und am nächsten Tag besuchte ich W., meinen Freund den Bibliothekar, in seiner Bibliothek. Auch Freund Karl war zufällig da. Die zwei waren mit Erstausgaben von Annette von Droste-Hülshoff beschäftigt, hatten aber ein bisschen Zeit, um sich mit mir zu unterhalten. Also fragte ich, ob sie mit dem Begriff der Nachhaltigkeit was anfangen könnten.

Beide waren, wie es sich rausstellte, bestens informiert und erklärten, dass sich dieses Wort mit dem Haushalten mit Ressourcen befasse, also mit der Idee, dass Ressourcen nachhaltig bleiben müssen.

„Warum kenn ich das Wort in diesem Sinn nicht?“ fragte ich.

„Weil es in diesem Sinn erst seit etwa zehn Jahren benutzt wird“, sagte Karl. „Das ist kein herkömmlicher Begriff.

„Aha!“

Zuhause war ich dabei, in der New York Times zu schmökern. Und dann blitzte es in mir ganz hell. Ich entdeckte nämlich einen Artikel über den „Sustainable Development Summit“ an der UNO. „Sustainable development“ verstand ich auf Anhieb. Aber „Nachhaltigkeit“? Endlich holte ich meinen Großen Duden (gedruckt ca. 1978) aus dem Regal. Und siehe da. „Nachhaltigkeit“ hat zwei Bedeutungen. 1.) „längere Zeit anhaltende Wirkung“. Ja, so hab ich das Wort verstanden. Immerhin. Aber auch 2.) „Dauernde Nutzung einer Fläche zur Holzproduktion“. Ein Fachbegriff, wie es hieß, aus der Forstwirtschaft. 1978 hätte es also noch keinen „Nachhaltigkeitsgipfel“ geben können.

Natürlich fragte ich mich, wer es war, der vor ca. zehn Jahren den Begriff der Nachhaltigkeit als Übersetzung für Sustainable development“ aus dem Boden stampfte.

Ich weiß es aber immer noch nicht. Doch so ist es mit der Sprache. Kaum braucht man einen neuen Begriff, und siehe, er ist schon da. So nachhaltig ist die Sprache.

P.S. Siegfried war der erste, der eine Tarnkappe getragen hatte.

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