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He, Sprachbloggeur, warum gibt es so viele Sprachen auf der Welt?

Ich saß in dem „49igen“ (Straßenbahn, versteht sich) , der von Hütteldorf über die Märzstraße zur Wiener Ringstraße fährt, und schaute seelenruhig aus der Fensterscheibe auf die hübschen Gassen.

Achtung! Ist jemandem im obigen Satz ein Fehler aufgefallen? Ja, natürlich. Wieso schreibt der Sprachbloggeur „in dem 49igen“, wenn es „in der 49igen“ heißen muss?

Nicht in Wien. Dort ist die 49ige tatsächlich der 49ige.
Und zwar deshalb, weil die Wiener an „Wagen“ und nicht an „Straßenbahn“ denken, wenn sie von ihren Öffis“ reden.

Doch zurück zum 49igen. Während der Wagen um eine Kurve quietschte, tönte plötzlich eine Ansage: „Bitte seien Sie achtsam: Überlassen Sie Ihren Sitzplatz Behinderten, Schwangeren…“

„Bitte seien Sie achtsam“. Niedlich, dachte ich. Und dann las ich auf einer kleinen, bunten Anzeige neben der Fensterscheibe: „Bitte sich festzuhalten“ und daneben erspähte ich wieder eine Anzeige. Den Wortlaut hab ich leider vergessen. Es ging darum, dass Hunde „Beißkörbe“ zu tragen hätten.

Alles nur Kleinigkeiten. Vielleicht deshalb fallen sie auf. Oder Im Eingangsbereich unseres Hauses hing ein Anschlag von der Hausverwaltung: „Wir ersuchen Sie, die Kellertür zuzuschließen“. Ersuchen. Wow. Auf einem zweiten erfuhr ich, dass der „Rauchfangkehrer“ für nächste Woche bestellt sei. Zum Glück gibt es im Haus einen Lift, dachte ich, sonst muss er die „Stiege“ bis nach ganz oben erklettern.

In der Apotheke händigte ich der Apothekerin meinen „Besorgerschein“ für das Medikament, das ich abzuholen hatte. Dann erhielt ich samt Arznei den „Kassabon“.

Doch man versteht immer, was gemeint ist. Und die paar wirklich fremde Vokabeln, etwa „Powidl“ (Pflaumen), „Ribisl“ (Johannisbären), „Paradeiser“ (Tomaten), „Erdäpfel“ (Kartoffeln), „Kren“ (Meerrettich) verinnerlicht man schnell.

Lediglich wenn einer mit seinem Wiener Dialekt loslegt, kann es mit der Verständigung mal happig werden (weniger allerdings für den Bayer). Gleiches Phänomen gilt natürlich für die Schweiz und für Luxemburg (ebenso für Bayern oder fürs Schwabenland). Die Lokalsprache ist oft unverständlich für den deutschsprachigen Besucher. Trotzdem sind alle der Meinung, sie sprechen Deutsch. Und es stimmt. Denn alle teilen neben ihrer Lokalsprache eine überregionale Schriftsprache, die überall denselben Sprachregeln unterliegt und von daher vereinigt.

Es kann auch anders werden. Urdu und Hindi, zum Beispiel. Eigentlich ist das dieselbe Sprache. Nur: Urdu wird in Pakistan gesprochen, wo die meisten Menschen Muslime sind, während Hindi in Indien, wo die Mehrheit hinduistisch ist. Mittlerweile hat Urdu viele Wörter aus dem Arabischen und dem Persischen übernommen, die es im Hindi nicht gibt. Hindi Sprechende hingegen benutzen Begriffe aus dem Sanskrit. Diese verstehen die Urdu Sprecher nicht. Um die Sache weiter zu verkomplizieren: Hindi und Urdu werden mit sehr unterschiedlichen Schriften geschrieben.

Oder Serbisch und Kroatisch. Auch in diesem Fall handelt es sich um dieselbe Sprache. Nur: Die Serben gehören größtenteils der Ostkirche, während die Kroaten katholisch sind. Dazu erschwerend: Serben und Kroaten sind sich leider spinnefeind (zum Glück nicht alle). Man gibt sich dennoch Mühe, unterschiedliche Vokabeln zu verwenden, damit die Sprachen zunehmend auseinanderwachsen.

Oder Tschechisch und Slowakisch. Diese waren schon immer zwei nahverwandte Dialekte – wie’s Ober- und Niederbayrische. Jede wird trotzdem als getrennte Sprache gehandhabt. Die gleichen Wörter werden sogar unterschiedlich buchstabiert – um die Unterschiede zu betonen. Solange Tschechen und Slowaken in einem Land namens Tschechoslowakei lebten, haben sie sich gegenseitig sprachlich verstanden. Nun sind sie zwei Länder geworden und wirklich zwei Sprachen. Ich habe neulich gelesen, dass junge Tschechen und Slowaken es mittlerweile mit der gegenseitigen Verständigung viel schwerer haben als ihre Eltern.

Nun wissen Sie, warum es so viele Sprachen auf der Welt gibt.

Gesucht: pfiffige Wortschöpfer um evtl. Euro-Abgängen Namen zu schenken

Manche haben Glück. Zum Beispiel der Nationalökonom Ebrahim Rahbari. 2011 hat er ein Wort geprägt, das nun in aller Munde ist: „Grexit“.

Ein lustiger Begriff, der aus zwei miteinander fusionierten Wörtern, „Greek“ + „exit“ = „Grexit“, besteht. Sprachforscher bezeichnen eine solche Formulierung als „Kofferwort“. Auf Englisch heißt es „portmanteau“ – als würden zwei Wörter in einem einzigen Mantel verhüllt werden. Andere Beispiele sind „smog“ („smoke“ plus „fog“), „Bollywood“ („Bombay“ plus „Hollywood“), „Denglisch“ usw.

Neben dem „Grexit“ stößt man auch gelegentlich auf den (das?) „Grexident“, bzw. „Graccident“ –vom englischen „Greek“ + „accident“ (hier wohl: „Zufallsereignis“). Damit meint man, dass ein Ausscheiden der Griechen aus der Eurozone versehentlich geschehen könnte.

Würde Herr Rahbari lediglich ein Cent Benutzungsgebühr jedesmal erhalten, wenn jemand seinen Neologismus zitierte, hätte er bisher sicherlich, so viel Geld verdient, dass er selbst Griechenland vor einer Staatspleite retten könnte.

Doch hier soll keine Doktorarbeit über den Begriff „Grexit“ entstehen. Lieber frage ich mich, was geschieht, würden andere EU-Länder zum Euro-Wackelkandidaten werden oder gar aus der EU scheiden? Auch diese Länder bräuchten einen pfiffigen Slogan für die Medien.

Immerhin gibt es bereits, analog zum „Grexit“, den „Brexit“ für den Fall, dass Großbritannien die EU verlässt. Keine Ahnung, wer der Urheber dieses Wortes war. Herr Rahbari? Anyway, ist nicht wichtig.

Hier jedenfalls sind die Herrn und Frauen Journalisten gefragt. Thinking caps aufsetzen, liebe Leute. Auch kreative Laien dürfen an diesem Wettbewerb teilnehmen.

Vom Sprachbloggeur jetzt bloß ein bisschen Starthilfe…

Frankreich als ausscheidendes Land mit einem pfiffigen Slogan zu versehen, wäre ganz easy. Da ist man mit „Frexit“ bestens bedient, obschon dieses Wort – zumindest fürs dt. Ohr vielleicht ein bisschen niedlich klingen könnte (man denkt an „Frettchen“). Auch für Spanien gäbe es eine einfache Lösung: der „Spexit“. Lediglich würden sich vielleicht ein paar Lateiner aufregen. Sie hören nämlich bei diesem Wort die 3. Person singulär im Perfekt des Verbs „specere“ („beobachten“) – also „er/sie/es beobachtete“ heraus. Es sind aber nur ein paar Fuzzis.

Ein „Porexit“ für Portugal? Vielleicht bin ich es nur. Doch mir kommt dieses Wort irgendwie unanständig vor. Ich weiß nicht, warum. Wobei noch unanständiger mutet mir ein irischer Ausscheiden an. Mit einem „Irexit“ denkt man schnell an die Aufwärtsbewegung eines bekannten männlichen Körperteils – und im lateinischen Perfektum sogar.

Und wie wäre es mit einem „Bulexit“ für Bulgarien? Ist das aber nicht eine Essstörung? Oder für Italien, ein „Itexit“? Angelsachsen denken wohl ans SMSschreiben.

Man muss aber die diversen Sprachenunterschiede in Acht nehmen. Schließlich gibt es einige in der EU. Fürs dt. Ohr wäre, z.B., das Ausscheiden von Litauen und Lettland ein „Litexit“ und ein „Lettexit“. Englischsprechende hätten lieber einen „Lithexit“ (mit „th“) und „Lattexit“. Letzteres lässt an Gummihandschuhe denken.

Ich hab aber keine Lust, dieses Spielchen weiter zu treiben. Schließlich handelt es sich um 28 Länder, wovon 19 in der Eurozone sind. Dennoch eine letzte Frage: Wie hieße es, wenn Deutschland die EU bzw. die Eurozone verlassen würde?

„Gerexit“? Nein, das erinnert viel zu stark an „Grexit“. „Deuxit“? Nicht besonders pretty.

Sicherlich hätte Herr Rahbari eine pfiffigere Lösung. Oder vielleicht auch Sie, liebe Lesende, liebe Journalisten. Jeder darf mitmachen. Schließlich möchten alle unsere schöne Sprache auf Vordermann halten. Oder?

PS: Nächste Woche kein Beitrag. Ich mache einen kurzen Deuxit.

Achtung! Neue Redewendung im Anlauf: das„Angähnen“!

Ich gehe davon aus, dass Fritz Grob vom Schweizer Regensdorf diese Glosse nie zu Augen bekommen wird. Aber wer weiß?

Ebenso möglich ist, dass er seine Rolle als Sprachschöpfer niemals wahrnehmen wird. Auch das kann ich aber nicht wissen.

Wer ist Fritz Grob? Und was hat ihm Deutsch Sprechende zu verdanken?
Zufällig stieß ich in der Schweizer „Weltwoche“ (Nr. 25.15) auf einen Leserbrief, den besagter F.G. zum Thema „Fifa“ eingeschickt hatte.

Ich zitiere: „Trotz Ihrer vorzüglichen Berichterstattung über Blatter [gemeint ist Sepp B.] gähnt mich das Thema langsam an….“

„Sag mal“, fragte ich meine Frau, die Native-Speakerin in der Familie, „Kennst Du diesen Ausdruck ‚angähnen‘?“, und ich las ihr den Grob’schen Satz vor.

„Nein, noch nie gehört.“

Immerhin, wäre ja möglich, dass es sich um eine Redewendung handelte, die nur mir unbekannt war. Kommt manchmal vor. Zum Beispiel, als ich meine Frau mal über „in die Puschen kommen“ fragte. „Natürlich“, antwortete sie. „Das sagen wir bei der Arbeit immer, wenn wir uns abermals ein Kaffee holen müssen.“

Was Herr Grob mit „angähnen“ meinte, ist jedenfalls aus dem Zusammenhang klar – etwas wie „anöden“. Mir war nur nicht sicher, ob es sich um einen stehenden Begriff handelte.

Also holte ich, um die Sache auf die Spur zu kommen, meinen sechsbändigen Duden, den mir vor vielen Jahren mein seliger Sprachguru Ernst-Theo-Rohnert geschenkt hatte. Dieses wuchtige Nachschlagwerk bietet eine Bestandsaufnahme der deutschen Sprache bis ca. 1978. Unter Stichwort „angähnen“ fand ich Folgendes: „In Richtung auf jmdn, etw. gähnen“, gefolgt vom Beispiel: „Mein Gegenüber gähnte mich fortwährend an.“ War mir irgendwie klar. Als ich letztes Jahr auf einer Hochschule als Dozent tätig war, wurde ich von meinen Studenten täglich angegähnt. So was nimmt man aber in Kauf und möchte dieses Gähnen mangelndem Sauerstoff zuschreiben.

Doch der Duden kannte auch eine zweite, übertragene Bedeutung für dieses Wort und brachte sie in Form von einem Zitat: „unendliche Öde gähnt mich an“. Als Quelle wird der Roman „Mitte des Lebens“ von Luise Rinser, 16. Kapitel, angegeben.

Zugegeben, ein schöner Satz. Nur: bei Rinser wird das „Angähnen“ unmittelbar mit einer „Öde“ in Zusammenhang gebracht – was irgendwie logisch ist, weil „Öde“ und „Gähnen“ eine gewisse Ähnlichkeit haben. Umso mehr war ich nun überzeugt: Herr Grobs „angähnen“ ist gewagter als das von Fr. Rinser. Ihm zufolge gähnt ein Thema an. Das ist schon etwas anders als von einer Öde angegähnt zu werden.

Was ich aber noch immer nicht wusste: Ist dieses neu nuancierte Angähnen wirklich eine Erfindung von Herrn Grob?

Das war die Frage. Und um sie zu beantworten, googelte ich das Wort. Sofort erhielt ich 3280 Treffer. Diese Zahl ist freilich wie immer bei Google eine Fiktion. Anyway, Die Seiten, die ich unter „angähnen“ fanden, waren fast ausnahmslos belanglos: Übersetzungen des Wortes ins Afghani oder Suahili etwa. Über die Grob’sche Variante war nichts zu lesen. Schauen Sie selber hin.

Mein Fazit: Fritz Grob zählt eindeutig zu den Schöpfern der deutschen Sprache, einem Verein, dessen Mitglieder meistens anonym bleiben. Man freut sich, wenn man einen zufällig entdeckt.

Herr Grob aus Regensdorf in der Schweiz hat ein neues Wort gesät. Jetzt warten wir die Ernte ab.

Wobei wir ihm eigentlich behilflich sein könnten. Mein Vorschlag: Benutzen Sie dieses Wort so oft wie möglich. In einem Jahr kann man es dann wieder angoogeln. Seien Sie dann auf eine Überraschung gefasst…

Wie schreibt man einen Bestseller? Oder: Die älteste Geschichte der Welt

Haben Sie Lust, ein spannendes Buch oder Drehbuch zu schreiben, das das Zeug zum Bestseller oder Blockbuster hat? Dann sind Sie hier richtig. Heute erfahren Sie das Wichtigste zum Thema – kostenlos und compliments of the Sprachbloggeur.

Zuerst aber eine kurze Anekdote über einen Film, den ich, als ich vor vielen Jahren noch ein Frischling in Deutschland war, kennengelernte.

Er hieß „Fasching“ und wurde 1939 in Deutschland S/W gedreht. Die Geschichte ist äußerst simpel: Zwei Menschen, ein sympathischer junger Mann und ein hübsches Fräulein, lernen sich im Zug nach München kennen.

Es funkt heftig zwischen ihnen, und sie führen anfangs schüchterne Gespräche miteinander. Da sie beide „Preißn“ sind, kennen sie sich in München nicht aus. Das wird erhebliche Konsequenzen haben. Denn kurz vor der Ankunft in der „Hauptstadt der Bewegung“ drücken sie den Wunsch aus, sich wiederzusehen. (Von „Hauptstadt der Bewegung“ erfährt man im Film übrigens nichts. Die damaligen Unterhaltungsfilme haben es tunlichst vermieden, Hakenkreuze und dergleichen darzustellen. Das hätte wollen das große Kotzen zur Folge gehabt).

Doch zurück zu den Frischverliebten. Wo sollen sie sich verabreden? Nun erspähen sie im Zug ein nettes Lichtbild der Mariensäule am Marienplatz. Am folgenden Tag wollen sie sich dort treffen. Soweit so gut. Gell?

Leider nicht. Denn morgen ist ausgerechnet Faschingsdienstag, und am Marienplatz wird die Hölle los sein. Tausende werden rumjauchzen und umeinanderhopsen. Wir Zuschauer sehen die hübschen Verliebten, wie sie am Faschingsdienstag am Marienplatz vergeblich nach einander suchen, bis sie endlich von der Menge rumgeschoben und trotz aller Bemühungen in verkehrte Richtungen weggeschwemmt werden. Alles sehr traurig.

Nun wird’s brenzlig: Der nette junge Mann und das holde Fräulein erleben allerlei gefährliche Abenteuer – inklusive versuchte Verführungen durch herzlose Don Juans und liederliche Weibsbilder. Allem zum Trotz halten sie sich aber weiterhin wacker und keusch. Vom jeweils anderen aber: keine Spur. Trotzdem meinen es die Götter gut mit ihnen. Im Wirrwarr des Münchener Fasching verirren sie sich ins Künstlerviertel Schwabing und befinden sich beide – welch Zufall! – auf derselben wilden Feier. Dann passiert es: Kurz vor dem Kehraus (oder war es kurz danach?) finden sie sich wieder. Ein Kuss, die Liebe und natürlich Happy End.

Eine rührselige Geschichte. In Hollywood heißt sie: „boy meets girl, boy loses girl, boy finds girl.“ Nebenbei: Schon die Griechen und die Römer kannten diese Handlung. Noch heute kann man sie in lauter spannenden Romanen der Antike, z.B. „Daphne und Chloe“, „Die Waffen des Eros“ oder die „Äthiopika“, lesen. Die Geschichte geht immer gut aus, trotzdem liest man bis zum Schluss – wie gebannt. Für happy Ends sind wir wohl vorprogrammiert.

Ihr Blockbuster oder Bestseller soll aber trotzdem eine andere Basis haben, die noch spannender sein wird als boy meets girl usw. Ihr Buch soll die älteste Geschichte überhaupt erzählen: den Heldenmythos.

Was ist ein Held? Jeder ist ein Held, der in der Kindheit in irgendeiner Form gelitten hat, der auch maßgeschnittene Qualitäten hat, der diverse Widrigkeiten und Herausforderungen zu überwinden hat und der irgendwie am Ende siegt – auch wenn der Schluss traurig wird. Der Heldenmythos ist nämlich die Geschichte eines jeden Menschen. Deshalb ist er so beliebt. Übrigens: „Boy meets girl“ ist nur ein Teil des Heldenmythos.

In den 1930er Jahren nahm der englische Gelehrte Lord Raglan in einem Buch mit dem Titel „The Hero“ verschiedene Figuren aus der Mythologie und der Geschichtsbücher unter die Lupe, um ihre Qualitäten als Helden zu erforschen. Ödipus, Theseus, Joseph, Mose, Siegfried, König Arthur, sogar Jesus zählten zu ihnen, und alle bestanden die Prüfung. Wohl deshalb lesen wir sie so gern über sie! Auch Computeraktionspiele geben Heldenmythen wieder. Und denken Sie an Filme wie „Herr der Ringe“, „Superman“, „Harry Potter“, „Lara Croft“ und „Mad Max“ – alles Heldengeschichten. Verstehen Sie, was ich meine?

Nein, ich will hier keine Doktorarbeit schreiben, lediglich Ihnen ein paar Tipps geben, wie man Bestseller und Blockbuster schreibt. Weitere Details vielleicht ein anderes Mal.

Übrigens: Es gibt auch Geschichten, die nicht von Helden erzählen. Sie werden aber meistens von armen Schluckern, Idealisten und Humoristen geschrieben und werden nur selten Beststeller. A word to the wise.

Eine kurze Grammatik der Pornographie

Vielleicht haben Sie sich verirrt und lesen diese Zeilen, weil Sie sich etwas Anderes erhofft haben als das, was ich anzubieten vorhabe.

Ihnen, liebe Verirrte, drücke ich, falls ich Sie unabsichtlich in die Irre geführt habe, mein aufrichtiges Bedauern aus. Hier finden Sie weder anzügliche Bilder noch Worte, deren Ziel es ist, gewisse Fantasien anzuheizen.

Im Gegenteil. Hier bekommen Sie genau das, was im Titel versprochen wird: eine Grammatik – oder zumindest die Einleitung zu einer solchen Grammatik. What you see is what you get.

Ich betrachte Pornographie nämlich als eine Sprache – genauer gesagt: als eine Fachsprache, als ein geschlossenes System, das gewisse Inhalte symbolisch mitteilen will.

Vielleicht fragen Sie sich, was genau die Pornographie mitteilen will?
Wollten sie „Sex“ antworten? Sorry. Das ist leider falsch. Die richtige Antwort lautet: Pornographie will Sehnsüchte verständlich machen – Sehnsüchte nach einer Intimität, die man weder durch Worte noch in Bildern darstellen kann, sondern nur anhand von eigenem Erleben. Eine schwere Aufgabe also.

O o. Ich merke schon, wie kompliziert diese Sache wird. Hoffentlich hab ich mich nicht (wie so oft der Fall) übernommen. Vielleicht hilft folgende Anekdote: Ich war mit Anfang 20 unglücklich verliebt. zugleich träumte ich davon, ein unwiderstehlicher Don Juan zu werden. Um diesen Widerspruch zu überwinden, besuchte ich damals einen Seelenarzt, einen erfahrenen und väterlichen Menschen ca. Mitte 60. Eines Tages fragte er mich, nachdem ich ihm eine Weile was vorgejammert hatte: „Soll ich dir beibringen, wie man wirksam rumbumst oder lieber wie man wirksam liebt? Ich kann nämlich beides, aber ich überlasse dir die Wahl.“

Ich zögerte kurz und überlegte sehr ernsthaft. Schließlich entschied ich mich für die zweite Möglichkeit.

Heute weiß ich, dass er mir eine Fangfrage gestellt hatte. Clever, Dr. L., wherever you are.

Hätte ich mich für die erste Wahl entschieden, dann wäre es ihm nur möglich gewesen, mir eine Grammatik der Pornographie vorzulegen. Ich hätte von ihm also nur den theoretischen Ablauf des Anbaggerns erfahren, was mir mit Sicherheit nicht weiter geholfen hätte. Das ist nicht viel anders als wenn man die theoretische Struktur einer Sprache lernt.

An dieser Stelle möchte ich eingestehen, dass ich, was die Pornographie betrifft, eigentlich kein Muttersprachler bin. Meine Kenntnisse bleiben im Grunde recht theoretisch. Ich bin nämlich kein so großer Konsument von Pornographie, obwohl ich sie seit Jahrzehnten kenne und die Möglichkeit im Internetzeitalter mehr als gegeben wäre, sie noch genauer zu studieren. Wenn ich sie aber zu Sicht bekomme, dann beobachte ich ganz genau, was ich sehe. Dieses Beobachtungsvermögen hat dazu geführt, dass ich gewisse Gesetzmäßigkeiten entdeckt habe. Deshalb glaube ich, dass ich mit dem Begriff „Grammatik“ hier nicht falsch liege…

1.) Verben: Die Darsteller/innen fackeln nicht lange. Jede(r) weiß, worum es geht und macht ziemlich schnell Kontakt mit den wesentlichen Körperteilen. Nebenbei: Es gibt hier nur Gegenwart und Zukunft.

2.) Nomen: Die Agierenden werden in Zeit und Raum eingerahmt. In der Version, die ich zuletzt studiert habe, wird auf Körperhaar – weiblich und männlich – verzichtet. Die Intimrasur ist momentan „in“. Dies kann sich jederzeit ändern.

3.) Adjektiven: Mimik, Hecheln, Grunzen und dergleichen spielen wichtige Rollen: Durch sie werden die Darsteller/innen stets näher beschrieben.

4.) Adverbien: Kamerawinkel ist unabdingbar – vor allem, was die Vereinigung der primären Geschlechtsteile betrifft. Diese befinden sich stets in Aktion. Dank dem Blickwinkel wird die Vorstellung vermittelt: „Ich bin dabei“.

5.) Wortstellung I: Von Zeit zu Zeit verabreicht der männliche Darsteller seinem weiblichen Kontrapart einen Klaps auf den Sitzfleisch. Leider habe ich bisher noch keine Erklärung für diese Geste gefunden, ist sicherlich ein unregelmäßiges Verb.

6.) Wortstellung II: Höhepunkte kommen immer am Schluss! Der der Frau wird stets durch Adjektiven (s. oben) vermittelt. Über Glaubwürdigkeit darf ruhig gefragt werden. Der des Mannes (im wahren Leben üblicherweise unsichtbar) wird in voller Länge und Umfang gezeigt und reichlich von Adjektiven begleitet. Gegebenenfalls wird er mit Hilfe von Adverbien wiederholt…

Ursprünglich wollte ich dieses Thema viel detaillierter und als wissenschaftlich begründetes philosophisches Werk publizieren. Vielleicht kommt das noch. Aus Platzgründen halte ich mich heute kurz. Es gäbe viel mehr zu beschreiben und zu erklären, will man diese Grammatik noch nützlicher gestalten. Ich denke aber: Auch obige Ausführung reiche vollkommen – zumindest für den Anfang.

Das Nasher Sculpture Center – Heute buchen, morgen besuchen!

Original oder Übersetzung? Welcher ist Ihnen lieber, liebe Kulturkonsumenten?

Nie hätte ich gedacht, dass ich eine solche Frage stellen würde. Doch dann erhielt ich liebenswürdigerweise eine Einladung zu einem Konzert am Nasher.

Ein bisschen Hintergrund:

Einmal im Jahr fliege ich aus privaten und beruflichen Gründen nach Dallas, Texas. Den Namen dieser Stadt kennen Sie ganz sicher. Leser, die ein gewisses Alter erreicht haben, erinnern sich an das „Ekel“ JR, der in der Zeit von 1978 bis 1991 in der Fernsehserie „Dallas“ für Unmut sorgte. Manche junge Streaming-Junkies kennen das fesselnde Familiendrama auch heute im Netz.

Dallas ist wie viele amer. Städte. Die Wolkenkratzer ragen am Stadtkern in die Höhe. Ringsherum liegt ein Meer von Wohngegenden, Verkehrsadern (oft verstopft) und Shopping Centers.

Zum Glück aber hat Dallas – und die Nachbarstadt Fort Worth –auch anderes zu bieten: lauter Museen, die einfach Weltklasse sind. Eins davon ist das Nasher Sculpture Center.

Doch nun wieder zu der Frage: Original oder Übersetzung?

Lucia Simek, PR-Dame vom Nasher, hat uns, meine Frau und mich, während unseres Aufenthalts in Dallas zu einem Abendkonzert am Sculpture Center eingeladen. Nebenbei: Die Skulptursammlung am Nasher ist atemberaubend schön: Picasso, Moore, Gauguin, Matisse, Giacometti, Chamberlain, Judd, Stella etc. etc. Dazu immer eine höchst aktuelle Sonderausstellung. Und als besonderer Bonbon gibt es den Skulpturgarten: einen Lustgarten am Fuß des Hochhäuserdschungels mitten im Downtown.

Das Abendkonzert war ein Zweiteiler. Im ersten Teil wurde der bahnbrechende zwölftönerne Sprechgesang „Pierrot Lunaire“ von Arnold Schönberg vorgeführt – und zwar auf Deutsch. Teil zwei lockte mit einem bunten Medley Kurt Weill-Lieder – ein Teil davon aus der Zeit seiner Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht.

Ich hab mich wahnsinnig auf diesen deutschsprachigen. Liederabend mitten in Dallas gefreut. „Pierrot Lunaire“ kannte ich bisher nur namentlich. Die skurrilen Brecht-Weill-Lieder beherrsche ich gut und liebe sie leidenschaftlich. Doch nun erfuhr ich, dass manche der Brecht-Lieder auf Englisch vorgetragen werden sollten. Ein leichtes Gefühl der Enttäuschung drohte meine Vorfreude einzutrüben. Brecht galt für mich nur auf Deutsch. Aber nun zum Konzert…

Teil eins: Pierrot Lunaire. Die Darstellerin, Lucy Shelton hieß sie, war zwar Amerikanerin, hatte aber die Nuancen dieses witzigen deutschsprachigen Gesangzyklus derart perfekt und souverän beherrscht, dass ich sie für eine deutsche Muttersprachlerin hielt. Bravo.

Teil zwei: Die Weill-Lieder. Nun erwartete ich die gleiche bravuröse Leistung. Lights out. Dann erstrahlte ein Scheinwerfer den englischen Schauspieler Walter Van Dyk, der nun sang: „Und der Haifisch, der hat Zähne…“ Hmm. Leichten britischen Akzent aber so what. Doch dann passierte es. Er sang „An ‘nem schönen blauen Sonntag/liegt ein toter Mann am Strand…“ Nur: Es hieß bei ihm nicht „Strand“, sondern „Stränd“. Aua.

Als Engländerin Liza Sadovy „Ach, bedenken Sie, Herr Jakob Schmidt!/Ach, bedenken Sie, was man für dreißig Dollar kriegt…“ tönte, war ich vollends irritiert. Wieder ging es um eine Kleinigkeit. Sie sprach das Wort „Dollar“ nach englischer Art aus, also „Daller“. Damit war die witzige Stimmung futsch.

Inzwischen hatte ich mich auf eine vollkommene Enttäuschung eingestellt. Stattdessen geschah ein Wunder: Die Darsteller trugen fortan alle Brecht-Lieder in engl. Übersetzung vor. Und es hat großartig geklappt!

Ich gebe zu. Ich liebe es, wenn Lotte Lenya mault: „Nimm die Pfeife aus dem Maul, du Hund.“ Doch es klingt nicht weniger überzeugend, wenn eine engl. Muttersprachlerin, die gut schauspielt, „Take that damn pipe out of your mouth, you rat“ rezitiert. Oder wenn Seeräuberin Jenny lapidar deklariert “So I say: Shoot them all!” anstatt, “Und ich sage: Alle!”.
Van Dyk und Sadovy brillierten in Übersetzung, zogen alle Register gekonnt. Hut ab!

Fazit: Lieber eine schöne Übersetzung als ein lahmes Original.

Und vergessen Sie nicht: Auch das Museum ist ein Traum. Heute Buchen, morgen besuchen…

Tag der deutschen Sprache – Feiern Sie mit!

He! Deutsche Muttersprachler! Heute feiere ich Ihre Sprache. Ja, Ihre nicht meine Sprache. Wissen Sie: Es ist einerlei, wie viele Jahrzehnte ich bei Ihnen Weile. Deutsch wird nie meine Sprache werden.

Man ist stets nur das, was die eigene Mutter mit einem spricht.

Nur deshalb kommt mein Gegenüber manchmal auf die Idee zu fragen: „Sagen Sie, woher kommen Sie?“ Oder: „Hut ab! Sie sprechen ein sehr feines Deutsch…für einen Ausländer.“ Upps. Nein. Heute sagt man nicht „Ausländer“. Klingt mittlerweile ein bisschen unanständig.“ Längst bin ich „Zuwanderer“ oder vielleicht „Deutsche Mitbürger mit Migrationshintergrund“ oder „Migrant“ geworden.

Nein, geht auch nicht. Würde ich mich als „Migrant“ bezeichnen, so könnte einer meinen, ich bin grad vermittels einer Schleuserbande im Schlauchboot aus Libyen rübergefrachtet worden.

„Migrant“ mutet momentan igittigitt an.

Ist egal. Heute will ich nicht übers Ausländerdasein schwadronieren, sondern lediglich die deutsche Sprache feiern. Ihretwegen mach ich das – damit Sie über den eigenen Wortschatz nicht nur einschlafen. Zur Ehre des Tages nehm ich hier ein paar nette dt. Vokabeln kurz unter die Lupe. Nur die Spitze des Eisberges freilich.

Zum Beispiel „Zaungast“, so ein hübsches Wort, nicht wahr? Eigentlich ein Begriff aus dem 19. Jt. Mir schwebt das Bild eines Menschen vor, der die Bauarbeiter bei der Arbeit begutachtet. Übrigens: Solche Experten nennen wir in New York „sidewalk engineers“. Auch ein schöner Begriff. Kein Mensch weiß, wer der Urheber dieses Wortes war. Er – oder sie – bleibt für immer ein(e) unbekannter/e Sprachenheld(in).

Oder „Trittbrettfahrer“. Ich bin so lange in Deutschland, das ich beinahe vergessen habe, wie man „Trittbrett“ auf Englisch sagt. Das ist sehr frustrierend. Heißt übrigens „running board“. Einen „running board driver“ (oder besser: „passenger“) gibt es bei uns nicht. Der „Trittbrettfahrer“ ist eine pure dt. Erfindung, entstanden ca. 1935, obgleich keine Nazivokabel. Ursprünglich bezeichnete man damit ein „Schwarzfahrer“, der am Trittbrett der Tram kostenlos mitfährt. Diese Bedeutung ist inzwischen veraltet. Heute bezeichnen Kriminalisten einen als „Trittbrettfahrer“, wenn er ein Verbrechen nachahmt – um entweder einen Gewinn zu erzielen oder um ein bisschen Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Auf Englisch nennen wir solche Menschen „copy cats“. „Trittbrettfahrer“ finde ich allemal lustiger.

Grantelnde Literaturkritiker regen sich manchmal auf, wenn ein Schriftsteller mit der eigenen Sprache spielt. C. Bernd Sucher, zum Beispiel. In einer gewichtigen Aufsatzsammlung, die mir neulich in die Hände fiel, mit dem Titel „Suchers Leidenschaften“ meckert der Kritiker über Wortspiele Elfriede Jelineks, aus ihrem Theaterstück „Sportstück“. Es seien Formulierungen, so meint er, „die ein Lektor hätte verhindern müssen“.

Beispiel: Ein Junge habe sich „den neuesten Haarschnitt verpassen lassen, den er natürlich nicht verpassen durfte.“ Oder: Die Autorin beschreibt einen, der sich ein „Handbuch“ kauft, wenn er besser ein „Fußbuch“ gebraucht hätte. Als „Ausrutscher“ bezeichnet Sucher diese Kalauer, die, so stell ich mir vor, auf der Bühne für viel Freude sorgten.

Ich träume, liebe Leser und will eigentlich nur sagen: Genießen Sie Ihre Sprache. Meistens hat man nur die eine Muttersprache…

PS Bin zwei Wochen unterwegs – weit weit weg. Nächster Beitrag spätestens im frühen Juni.

Mann-Talk - Frau-Talk: Die Halbierung der Butterbreze

Mann: ( Er liest in der Zeitung – oder wenn er jünger ist am Tablet)

Frau: Wie sind deren Butterbrezen?

Mann: (liest weiter, dann…) Wie?

Frau: Sind da die Butterbrezen in Ordnung?

Mann: Welche Butterbrezen? Meinst du, die von der Bäckerei?

Frau: Ja, die.

Mann: Ja, die sind in Ordnung. Wolltest du eine kaufen?

Frau: Wenn ja, dann lieber zwei.

Mann: Hattest du nicht deine Brotzeit schon gestern Abend vorbereitet?

Frau: Schneiden sie sie für einen?

Mann: Schneiden? Natürlich schneiden sie sie. Wie soll man die Butter sonst auftragen?

Frau: Nein, du verstehst nicht. Ob sie die Brezen auch halbieren?

Mann: Man muss eine Breze halbieren, um die Butter aufzutragen.

Frau: Ich meine, wie?

Mann: Normalerweise wird die Breze querdurch geschnitten.

Frau: Das weiß ich. Ob man sie auch halbieren kann, so dass man zwei Stücke hat, will ich wissen.

Mann: Die werden dir die bestrichene Breze so oft durchschneiden, wie du willst. Warum fragst du so?

Frau: Weil heute Herr Wendell aus Berlin ins Büro kommt, und er trifft direkt vom Flughafen ein. Er wird wohl Hunger haben, denk ich.

Mann: Ach so. Ja, dann versteh ich, warum du zwei Brezen brauchst. Um wie viel Uhr erwartest du ihn?

Frau: Gegen halb elf. Meinst Du, die halten so lang?

Mann: Ich denke schon.

Frau: Aber vielleicht kommt er, wenn es viel Verkehr gibt, erst gegen elf oder halb zwölf an.

Mann: Die sind bestimmt noch in bester Ordnung.

Frau: Vielleicht wäre es besser, wenn ich die in der Bäckerei bei der Arbeit kaufe, weißt du, da, wo ich immer mein süßes Stückchen kaufe. Dann sind sie mit Sicherheit noch frischer. Und sie werden sie auch halbieren können, denk ich.

Mann: Warum halbieren?

Frau: Ich kann ihm keine ganze Breze anbieten.

Mann: Wieso nicht? Du denkst wie eine Frau. Er ist Mann. Er wird bestimmt die Breze gern essen, auch wenn sie noch ganz ist.

Frau: (schweigt)

Mann: (schweigt – langes Schweigen sogar)

Frau: Ja, aber, wenn er aber etwas in die Tastatur schreiben muss, dann ist es mit einer ganzen Breze viel umständlicher. Das will ich ihm nicht antun…

Mann: (schweigt)

Achtung: Schlechtes Benehmen kann gesundheitsschädigend werden

Sind auch Sie manchmal so überempfindlich wie ich? Falls nicht, hab ich den folgenden Text für Sie geschrieben.

Es geht um die Benimmregeln.

Wissen Sie, was geschehen kann, wenn einer die Benimmregeln missachtet? Es kann nämlich passieren, dass ein Missachteter deshalb die Hoffnung verliert. Leser von Dantes Göttlichen Komödie wissen, was dies für Folgen hat. Denn auf dem Tor zur Hölle, steht geschrieben, so Dante, der Spruch: „Lasst alle Hoffnung zurück, ihr, die eintreten.“

Will sagen: Die Hoffnung zu verlieren ist gleichsam ein Aufenthalt in der Hölle.

Ein Leben ohne Hoffnung wünsch ich niemandem. Es gibt aber Menschen, die dies besonders intensiv erleben bzw. erlebt haben. Neulich habe ich einen düsteren Text des amerikanischen Schriftstellers David Foster Wallace mit dem Titel: „The Planet Trillaphon as it stands in relation to the bad thing“ gelesen. In diesem beinahe unerträglichen Essay schreibt der Autor über seine Depressionen. Wallace litt nämlich an einer sog. „klinischen Depression“. Im Text beschreibt er, wie es ist, wenn du stets unter Wasser lebst, im Wissen, dass du die Oberfläche nie erreichen wirst. Der Autor schaffte es dennoch Jahre lang, dank Antidepressiven sich über Wasser zu halten. Erst nach zwanzig Jahren verloren diese Medikamente ihre Wirkung
.
Er nahm sich das Leben.

Zum Glück werden nur wenige Menschen von einer waschechten klinischen Depression heimgesucht – darunter übrigens auch König Saul in der Bibel. Die meisten von uns kennen lediglich die sog. „depressive Verstimmung“. Auch ich. Sie hat aber immer einen konkreten Anlass, z.B. eine Trennung oder der Tod eines geliebten Menschen, oder wenn rücksichtslose Vorgesetzte einen gern fertig machen (wollen).

Auch schlechtes Benehmen kann einen anderen eintrüben. Und jetzt sind wir wieder beim Thema.

Die gute Nachricht: Man erholt sich. Jeder Geplagte verdaut nach und nach die Giftpille seines Leidens. Zack! Die depressive Verstimmung ist weg, und das Tor zur Hölle rückt dann wieder weit in die Ferne. Man ist, wie Goethe sagt, „gerettet!“

Nebenbei: Der geniale deutsche Literaturwissenschaftler Erich Auerbach stellte in seinem Buch „Mimesis“ (entstanden während des 2. Weltkrieges in türkischem Exil) Folgendes über die Bewohner von Dantes Hölle fest: Sie leben ausschließlich in der Vergangenheit und der Zukunft, haben keinen Zugang zur Gegenwart.

Und jetzt zu Ihnen, liebe Leute, die die Benimmregeln missachten. Sie ahnen nicht, wie sehr sie überempfindliche Menschen (wie mich, z.B.) verletzen bzw. betrüben, wenn Sie, z.B., eine Email nicht beantworten.

Aber warum schreib ich die ganze Zeit „überempfindlich“, wenn ich eigentlich nur „empfindlich“ meine? Und was ist so schlimm dabei, wenn man ein „empfindlicher“ Mensch ist?

Vielleicht lesen auch Sie mal zufällig diesen Blog, Frau R*** in Berlin. Wenn ja, sollen Sie wissen, dass der Text Ihnen (Identität verpixelt) gewidmet ist. Wobei ich eigentlich nur sagen wollte: Thanks for nothing.

Sprachproblem Homo-Ehe: Darf ich meinen Mann/meine Frau vorstellen?

Fangen wir mit einer neuen englischsprachigen Vokabel an, deren Gebrauch gute Englischkenntnisse bescheinigen wird.

Ich selbst habe sie erst letzte Woche zur Kenntnis genommen. Sie lautet: „mansplaining“.

Es handelt sich um ein „Portmanteau“, d.h. ein Wort, das aus zwei bereits existierenden Begriffen formiert wird – wie das englische „smog“, aus „smoke“ und „fog“. Oder „Blog“ (nur Zufall, dass sich diese Wörter reimen), dass 1999 aus „web“ und „log“ (wie „Logbuch“) entstanden ist.

„Mansplaining“ (es gibt den Begriff seit etwa 5-6 Jahren) hat die Bestandteile „man“ und „explain“. Wenn ein Mann einer Frau etwas erklären will, wird er gleich zum „Mansplainer“. „Betulich erklären“ wäre vielleicht eine passende Übersetzung.

Aber jetzt zum Hauptthema: Heute geht es um die „Homo-Ehe“. Nirgends hat es in der ganzen Menschheitsgeschichte Ähnliches auf juristischer Ebene gegeben – nicht einmal bei den Apachen. Chapeau, denke ich. Es war bis hin ein harter Kampf – und wird gewissermaßen noch lange einer bleiben. Dennoch stört mich eines an der Homo-Ehe, und zwar etwas Sprachliches: nämlich die Begriffe, die heute verwendet werden, um gleichgeschlechtliche Ehepartner zu kennzeichnen.

Kann sein, dass ich hier nur die Situation im anglo-sächsischen Bereich beschreibe. Ich bin mir ganz ehrlich nicht sicher, ob diese Sache im deutschen Sprachraum anders gehandhabt wird. Wahrscheinlich weil ich zu wenig Reality-TV gucke.

In Amerika jedenfalls – und wohl auch in England – bezeichnet ein Mann, wenn er einen Mann heiratet, seinen Auserwählten als „my husband“, also Ehemann; Frauen stellen ihre bessere Hälfte als „my wife“ vor. Juristisch ist hier nichts auszusetzen. Ich finde es trotzdem unmöglich. Und zwar deshalb, weil die Vokabeln „husband“ und „wife“, eine sehr lange Vorgeschichte haben, die man nicht ungeschehen machen kann. „Husband“ bedeutete einst „Hauswart“. Wenn ein Mann früher heiratete, dann „waltete“ er über ein „Weib“, also „wife“. Kann es eine Ehe mit zwei „Hauswarten“ geben? Ich denke hier freilich rein historisch. Und die „wife“. Sie war einst Untertan. Wenn eine „wife“ eine „wife“ hat, wer ist wem untertan?

Sorry. Für meine Ohren klingen diese Wörter, wenn man sie für die Homo-Ehe übernimmt, beinahe wie Parodie.

Und wie ist es im Deutschen? Wie schon gesagt: Ich schaue zu wenig Reality-TV, um die Frage befriedigend zu beantworten. Nennt ein Mann, der mit einem Mann verheiratet ist, den Angebeteten „meinen Mann“ und eine mit einer Frau verheiratete Frau ihren Liebling „meine Frau“? Ich hoffe nicht. Ich höre jedesmal nur den ganzen Ballast der Geschichte.

Daher plädiere ich für eine andere Lösung, um gleichgeschlechtliche Paare von diesem Ballast zu befreien.

Am schlichtesten fände ich die Vokabeln „Partner“ und „Partnerin“, und für Englischsprachige „partner“. Klingt intim und deutet außerdem auf die Wirtschaftlichkeit der Ehe. Denn nicht zu vergessen: Die Ehe war schon immer eine wirtschaftliche Angelegenheit. Die Liebe spielte schon immer die zweitrangige Rolle.

Mir fällt jedenfalls nix Passenderes ein – weder auf Englisch noch auf Deutsch, ohne dass ich ein idiotisches neues Wort erfinden würde – etwa „Frann“ und „Mau“. Vielleicht fällt Ihnen etwas Besseres ein.

Falls ich mit diesen Gedanken Gefühle verletze, entschuldige ich mich im Voraus. Ich will natürlich niemandem auf den Schlips treten.

Und wenn ich hier meine Meinung kundgebe, bin ich trotzdem kein Mansplainer.

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