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Achtung: Schlechtes Benehmen kann gesundheitsschädigend werden

Sind auch Sie manchmal so überempfindlich wie ich? Falls nicht, hab ich den folgenden Text für Sie geschrieben.

Es geht um die Benimmregeln.

Wissen Sie, was geschehen kann, wenn einer die Benimmregeln missachtet? Es kann nämlich passieren, dass ein Missachteter deshalb die Hoffnung verliert. Leser von Dantes Göttlichen Komödie wissen, was dies für Folgen hat. Denn auf dem Tor zur Hölle, steht geschrieben, so Dante, der Spruch: „Lasst alle Hoffnung zurück, ihr, die eintreten.“

Will sagen: Die Hoffnung zu verlieren ist gleichsam ein Aufenthalt in der Hölle.

Ein Leben ohne Hoffnung wünsch ich niemandem. Es gibt aber Menschen, die dies besonders intensiv erleben bzw. erlebt haben. Neulich habe ich einen düsteren Text des amerikanischen Schriftstellers David Foster Wallace mit dem Titel: „The Planet Trillaphon as it stands in relation to the bad thing“ gelesen. In diesem beinahe unerträglichen Essay schreibt der Autor über seine Depressionen. Wallace litt nämlich an einer sog. „klinischen Depression“. Im Text beschreibt er, wie es ist, wenn du stets unter Wasser lebst, im Wissen, dass du die Oberfläche nie erreichen wirst. Der Autor schaffte es dennoch Jahre lang, dank Antidepressiven sich über Wasser zu halten. Erst nach zwanzig Jahren verloren diese Medikamente ihre Wirkung
.
Er nahm sich das Leben.

Zum Glück werden nur wenige Menschen von einer waschechten klinischen Depression heimgesucht – darunter übrigens auch König Saul in der Bibel. Die meisten von uns kennen lediglich die sog. „depressive Verstimmung“. Auch ich. Sie hat aber immer einen konkreten Anlass, z.B. eine Trennung oder der Tod eines geliebten Menschen, oder wenn rücksichtslose Vorgesetzte einen gern fertig machen (wollen).

Auch schlechtes Benehmen kann einen anderen eintrüben. Und jetzt sind wir wieder beim Thema.

Die gute Nachricht: Man erholt sich. Jeder Geplagte verdaut nach und nach die Giftpille seines Leidens. Zack! Die depressive Verstimmung ist weg, und das Tor zur Hölle rückt dann wieder weit in die Ferne. Man ist, wie Goethe sagt, „gerettet!“

Nebenbei: Der geniale deutsche Literaturwissenschaftler Erich Auerbach stellte in seinem Buch „Mimesis“ (entstanden während des 2. Weltkrieges in türkischem Exil) Folgendes über die Bewohner von Dantes Hölle fest: Sie leben ausschließlich in der Vergangenheit und der Zukunft, haben keinen Zugang zur Gegenwart.

Und jetzt zu Ihnen, liebe Leute, die die Benimmregeln missachten. Sie ahnen nicht, wie sehr sie überempfindliche Menschen (wie mich, z.B.) verletzen bzw. betrüben, wenn Sie, z.B., eine Email nicht beantworten.

Aber warum schreib ich die ganze Zeit „überempfindlich“, wenn ich eigentlich nur „empfindlich“ meine? Und was ist so schlimm dabei, wenn man ein „empfindlicher“ Mensch ist?

Vielleicht lesen auch Sie mal zufällig diesen Blog, Frau R*** in Berlin. Wenn ja, sollen Sie wissen, dass der Text Ihnen (Identität verpixelt) gewidmet ist. Wobei ich eigentlich nur sagen wollte: Thanks for nothing.

Sprachproblem Homo-Ehe: Darf ich meinen Mann/meine Frau vorstellen?

Fangen wir mit einer neuen englischsprachigen Vokabel an, deren Gebrauch gute Englischkenntnisse bescheinigen wird.

Ich selbst habe sie erst letzte Woche zur Kenntnis genommen. Sie lautet: „mansplaining“.

Es handelt sich um ein „Portmanteau“, d.h. ein Wort, das aus zwei bereits existierenden Begriffen formiert wird – wie das englische „smog“, aus „smoke“ und „fog“. Oder „Blog“ (nur Zufall, dass sich diese Wörter reimen), dass 1999 aus „web“ und „log“ (wie „Logbuch“) entstanden ist.

„Mansplaining“ (es gibt den Begriff seit etwa 5-6 Jahren) hat die Bestandteile „man“ und „explain“. Wenn ein Mann einer Frau etwas erklären will, wird er gleich zum „Mansplainer“. „Betulich erklären“ wäre vielleicht eine passende Übersetzung.

Aber jetzt zum Hauptthema: Heute geht es um die „Homo-Ehe“. Nirgends hat es in der ganzen Menschheitsgeschichte Ähnliches auf juristischer Ebene gegeben – nicht einmal bei den Apachen. Chapeau, denke ich. Es war bis hin ein harter Kampf – und wird gewissermaßen noch lange einer bleiben. Dennoch stört mich eines an der Homo-Ehe, und zwar etwas Sprachliches: nämlich die Begriffe, die heute verwendet werden, um gleichgeschlechtliche Ehepartner zu kennzeichnen.

Kann sein, dass ich hier nur die Situation im anglo-sächsischen Bereich beschreibe. Ich bin mir ganz ehrlich nicht sicher, ob diese Sache im deutschen Sprachraum anders gehandhabt wird. Wahrscheinlich weil ich zu wenig Reality-TV gucke.

In Amerika jedenfalls – und wohl auch in England – bezeichnet ein Mann, wenn er einen Mann heiratet, seinen Auserwählten als „my husband“, also Ehemann; Frauen stellen ihre bessere Hälfte als „my wife“ vor. Juristisch ist hier nichts auszusetzen. Ich finde es trotzdem unmöglich. Und zwar deshalb, weil die Vokabeln „husband“ und „wife“, eine sehr lange Vorgeschichte haben, die man nicht ungeschehen machen kann. „Husband“ bedeutete einst „Hauswart“. Wenn ein Mann früher heiratete, dann „waltete“ er über ein „Weib“, also „wife“. Kann es eine Ehe mit zwei „Hauswarten“ geben? Ich denke hier freilich rein historisch. Und die „wife“. Sie war einst Untertan. Wenn eine „wife“ eine „wife“ hat, wer ist wem untertan?

Sorry. Für meine Ohren klingen diese Wörter, wenn man sie für die Homo-Ehe übernimmt, beinahe wie Parodie.

Und wie ist es im Deutschen? Wie schon gesagt: Ich schaue zu wenig Reality-TV, um die Frage befriedigend zu beantworten. Nennt ein Mann, der mit einem Mann verheiratet ist, den Angebeteten „meinen Mann“ und eine mit einer Frau verheiratete Frau ihren Liebling „meine Frau“? Ich hoffe nicht. Ich höre jedesmal nur den ganzen Ballast der Geschichte.

Daher plädiere ich für eine andere Lösung, um gleichgeschlechtliche Paare von diesem Ballast zu befreien.

Am schlichtesten fände ich die Vokabeln „Partner“ und „Partnerin“, und für Englischsprachige „partner“. Klingt intim und deutet außerdem auf die Wirtschaftlichkeit der Ehe. Denn nicht zu vergessen: Die Ehe war schon immer eine wirtschaftliche Angelegenheit. Die Liebe spielte schon immer die zweitrangige Rolle.

Mir fällt jedenfalls nix Passenderes ein – weder auf Englisch noch auf Deutsch, ohne dass ich ein idiotisches neues Wort erfinden würde – etwa „Frann“ und „Mau“. Vielleicht fällt Ihnen etwas Besseres ein.

Falls ich mit diesen Gedanken Gefühle verletze, entschuldige ich mich im Voraus. Ich will natürlich niemandem auf den Schlips treten.

Und wenn ich hier meine Meinung kundgebe, bin ich trotzdem kein Mansplainer.

E-Bücher: Der Leser als Sklave?

Und? Wie stehen Sie jetzt zum E-Buch? Denken Sie etwa: Die Bäume sollen leben – Bücher ade? Oder ist auch bei Ihnen eine Ernüchterungsphase eingetreten?

Ich, zum Beispiel, habe inzwischen viele Einzelwerke und unzählige Gesamtwerke der Weltliteratur auf meinem längst veralteten Lesergerät gehamstert. Unwichtig die Marke oder das Format. Alle irgendwie ähnlich, ob Kindle, Tolino, Sony, Kobo; ob Epub oder Mobi.

Nebenbei: Freund Fritz spricht den Namen seines Geräts als „KINN-d‘-le“ aus. Zugegeben, er ist geborener Schwabe. Das Ding heißt aber „KINN-d‘ll“. Die meisten Deutsche sagen ebenfalls „EX-ell“, Englisch Sprechende hingegen „ex-SSELL“.

Aber zurück zum Thema. Manche E-Bookleser besitzen kein dediziertes Gerät. Sie lesen ihre E-Books auf Tablet oder Smartphone oder Notebook. Auch das ist möglich. Und man kann auch viel Geld sparen.

Ich hab für meine beachtliche, platzsparende Bibliothek der Weltliteratur fast immer höchstens zwei oder drei Euro, meistens weniger ausgegeben. Nur für mein Gesamtwerk Wallace Stevens (amer. Lyriker), Gesamtwerk T.S. Eliot und Gesamtwerk Allen Ginsberg blechte ich jeweils um die 12 Euro. Für die papierne Ausgabe hätte ich wahrscheinlich einen ähnlichen Preis bezahlt – wenn ich sie gebraucht ergattert hätte.

Aber: Wenn ich will, kann ich jedes Buch, das ich besitze, jederzeit verschenken, verleihen, verkaufen (zumindest theoretisch) oder entsorgen. Kaufe ich mir hingegen ein E-Buch und halt ich mich an den Regeln, dann darf ich mein elektronisches Buch weder verschenken, verleihen (ohne dass ich jemandem mein dediziertes Lesegerät mit ausleihe) noch verkaufen. Denn ein E-Buch wird ausschließlich für meine persönlichen elektronischen Geräte zugelassen. Ich bekomme letztendlich eine Lizenz. Bin ich also Eigentümer meiner E-Bücher? Eigentlich nicht. Ich hab lediglich eine auf Lebenszeit ausgestellte Zulassung so wie wenn ich gewisse Software kaufe. Mehr nicht. Ich kann meine E-Bücher nicht einmal richtig entsorgen – auch wenn ich sie lösche. Denn so lange die Firma, von der ich die Datei lizenziert habe, noch existiert, bekomm ich jederzeit Ersatz. Mein Buch lebt nämlich auf der „Cloud“.

So jedenfalls die Theorie. Wer gewillt ist, der kann freilich jedes E-Buch weitergeben. Er braucht lediglich die Copysperre zu knacken. Dafür gibt es Anleitungen noch und nöcher im Internet. So gesehen, könnte er seine Bücher, wenn er wollte, auch weiterverkaufen – ohne dass er auf das eigene Exemplar verzichten müsste. Das kann man mit einem Buch freilich nicht.

E-Bucher sind äußerst praktisch. Wenn ich verreise, nehm ich mein Lesegerät einfach mit und kann mich beliebig in Kafka, Goethe, Poe, Rimbaud usw. vertiefen. Komischerweise habe ich aber meistens auch ein richtiges Buch und ein paar Zeitschriften dabei, und die lese ich eher. Vielleicht eine Sache der Gewohnheit oder des Alters. Wer weiß.

Neulich hab ich es aber doch noch endlich geschafft, einen Roman digital zu konsumieren. Es war okay das Erlebnis, aber zum ersten Mal fielen mir fürwahr die Unterschiede zwischen Buch und E-Buch auf. Beispiel: Wenn ich ein Buch lese, kann ich mitten im Kapitel blitzschnell bestimmen, wie viele Seiten der Kapitel noch hat. Das kann man auch mit einem E-Buch, werden Sie vielleicht erwidern. Es zu tun aber, ist oft sehr umständlich. Erst muss ich auf eine Taste drücken, um ins Verzeichnis zu geraten. Dort muss ich nach den Seitenzahlen suchen. Wenn ich Glück habe, werden sie dargestellt. Manchmal werden sie aber nicht aufgelistet. In dem Fall, bleibt mir nichts andres übrig, als mit dem „Wischfinger“ Seite um Seite zu „scrollen“, bis ich das Ende des Kapitels gefunden habe. Bisserl zeitaufwendig ist’s schon.

Das andere, was mich stört – aber vielleicht handelt es sich meinerseits um einen Mangel an Angewöhnung – , ist das „Schicksal“ der Seiten, die ich fertiggelesen habe. Ich wische mit dem Finger über das Display und zack! Eine neue Seite tritt in Erscheinung. Doch wo ist die eben fertiggelesene Seite geblieben? Das frage ich mich oft. Natürlich weiß ich, dass ich lediglich in die verkehrte Richtung wischen muss, um sie zu sehen. Trotzdem ist es anders, als wenn man ein Buch liest. Die gelesenen Seiten bleiben, wenn man will, stets sichtbar.

Und dann ist die Sache mit dem Strom. Der Umgang damit erfordert wahrlich ein großes Umdenken. Es fängt damit an, dass jemand, will er lesen, erst die entsprechende Maschine einschalten – sprich „booten“ – muss. Diese Initialisierung dauert immer. Nix Spontanes. Man muss warten – wie beim Rechner – bis die Maschine uns erlaubt, selbst tätig zu werden. Die Maschine hält stets die besseren Karten, sie bestimmt und nicht wir. Zudem: Wenn man „elektronisch“ liest, geschieht das im Bewusstsein, dass sich der Akku peu à peu entleert. Dieses Entleeren geht noch dramatischer vonstatten, wenn man am Tablet oder Smartphone liest. Das heißt: Die Uhr tickt immer, wenn man liest, und das Lesen bleibt unerbittlich mit der Vorstellung eines Verlustes, einer Abschwächung verbunden. Während ein E-Buch die Rolle des willkürlichen Herrschers spielt, bleibt ein Buch aus Papier stets ein treuer Sklave.

Viel Spaß beim elektronischen Schmökern, liebe E-Leser.

Wann darf ich das engl. Wort „f**k“ verwenden?

Zum Anfang ein bisschen Autobiographie. Ich war 19 Jahre alt, Student der Altphilologie. Mein Lieblingsdichter aus der römischen Literatur hieß Catull. Insbesondere liebte ich seine Derbheit, zumal ich dabei war, die eigene zu entdecken. Catulls Lyrik brachte mir beinahe jede Schweinerei der lateinischen Sprache bei, und bald fühlte ich mich, jungen Lyriker, inspiriert eigenes zu produzieren...

Ich verfasste einen Lyrikzyklus mit dem Titel „Fragments of M. Furius Bibaculus“. Das Werk beinhaltete ca. 100 Fragmente des (von mir erfundenen) verschollenen Werkes des Lyrikers Marcus Furius Bibaculus, eines Zeitgenossen aus dem Kreis um Catull. Viele meiner „Fragmente“ waren ausgsprochen vulgär. Ich besitze das Manuskript leider nicht mehr.

Immerhin gewann ich mit diesem Werk einen Lyrikwettbewerb und bekam für meine schöpferische Mühe 25 Dollar – damals eine nette Summe.

Bald aber traten die Kritiker auf den Plan: 1.) der Stifter des Preises. Er war entsetzt über mein Werk und beteuerte, er würde künftig den Preis einstellen; 2.) mein weiser Professor, der Altphilologe Samuel Lieberman. Er sprach mich eines Tages nüchtern an: „Weißt du, was du mit deinen „Fragments“ angerichtet hast?“ Ich schaute ihn etwas verständnislos an. „Dir ist es gelungen, den einzigen wirklichen Zauber, der in unserer kostbaren englischen Sprache noch existiert, durch Inflation zu entzaubern.“
Das hat geschmerzt.

An Professor Lieberman hab ich gedacht, als ich neulich den „deutschen“ Buchtitel „Who the fuck is Kafka“ und den Filmtitel „Fack ju Goethe“ zur Kenntnis nahm.

„Deutsche verstehen nicht, wie unmöglich diese Titel klingen“, sagte ich zu R., einer jungen amer. Buchhändlerin, die ich in München kenne. Denn längst hatte ich verstanden, wie sehr Professor Lieberman recht hatte.

R., obwohl sie einer anderen Generation gehört als ich, stimmte sofort zu. Und glauben Sie mir: Weder R. noch ich sind prüde Menschen. Lediglich verstehen wir die Regeln unserer Muttersprache.

Doch nun wurde ich neugierig. Ich gab beim dt. Amazon den Suchbegriff „fuck“ ein. Und siehe da! Im Nu meldete Amazon 20 Seiten Ergebnisse. Zugegeben, die meisten zeigten bloß Angebote für T-Shirts, Sex-Spielzeuge, CDs usw. Doch dt. Bücher gab es darunter auch. Zum Beispiel: „Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus“ von Barbara Ruscher. Oder „Fuck you, Kita – eine unglaublich wahre Geschichte“ von Anne und Daniel Wiedmann. Ich kenne die Bücher nicht, und jetzt will ich sie erst recht nicht näher kennenlernen.

„Die haben einfach kein Gefühl für die englische Sprache“, grantelte ich zu R.

„Die Titel klingen ja schrecklich“, erwiderte sie.

Das sind aber nur zwei von vielen Titeln. Den großen Preis für Geschmacklosigkeit und fehlendes Sprachgefühl bekommt mit Abstand der dtv-Verlag. Er hat nämlich einen Titel „Fuck you, Leben“ veröffentlicht. Wobei es sich um eine Übersetzung aus dem Amerikanischen handelt. Nun fragte ich mich, wie der Autor, N. Pratt, sein Buch im Original nannte. „Fuck you, life“ etwa? Von wegen. Der schlichte Titel lautete „Trouble“. Jawohl, „Trouble“.

Als Service dieser Seite erlaube ich mir Ihnen, liebe Lesende, eine kurze Fibel über den korrekten Umgang mit dieser sehr wichtigen englischsprachigen Vokabel zu bieten in der Hoffnung, dass sie Ihnen nützt:

1.) Der Gebrauch dieses Wortes setzt immer eine gewisse Intimität der jeweiligen Gesprächspartner voraus. Wird das Wort verwendet, ist dies stets ein sicheres Zeichen, dass man sich „duzt“.

2.) Das Wort kann auch als verbales Zeichen für einen Übergriff verstanden werden. Wenn sich zwei (oder mehr) Menschen nicht verstehen, greifen sie zuerst mit diesem Wort an.

3.) Das Wort wird üblicherweise Männern vorenthalten. Ja, auch heute im Zeitalter der Gleichberechtigung der Geschlechter gibt es so was. Freilich sind Ausnahmen möglich, aber sie kommen seltener vor als Deutsch Sprechende vermuten.

4.) Ein erwachsener Sohn darf dieses Wort im Gespräch mit dem Vater benutzen. Auch hier als Zeichen einer männlichen Intimität. Es darf aber nicht in der Gegenwart der Mutter zum Einsatz kommen. In dem Fall klingt es vulgär und unhöflich.

5.) Frauen dürfen es unter sich als Sprachgewürz hinpfeffern. Sie tun dies trotzdem nur selten. Denken Sie an Schlachtenbummler. Auch Frauen dürfen mitumherziehen; dennoch bleibt das Schlachtenbummlertum meistens Männerbereich.

Nun, liebe Leser, sind Sie bestens gewappnet, um verantwortungsvoll mit einem der wichtigsten englischen Wörter umzugehen. Viel Erfolg wünscht Ihnen Ihr Sprachbloggeur.

Achtung Erde! Hier sprechen die Außerirdischen

Menschen der Erde. Seien Sie herzlich gegrüßt. Wir haben Ihre Botschaften empfangen und sind jetzt auf den Weg zu Ihnen. Wenn ich mich richtig entsinne, messen Sie große Entfernungen nach „Lichtjahren“.

Als ich das erste Mal von diesem Begriff erfuhr, war ich, um ehrlich zu sein, ein bisschen verblüfft. „Lichtjahre“?, dachte ich. Was meinen die damit? Für uns klingt dieses Wort überaus poetisch. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, Licht als Zeitmaß zu verwenden. Ist aber hübsch.

Bei uns gibt es keine Lichtjahre, nur Augenblicke. Und Augenblicke vergehen immer sehr schnell.

Wir hätten uns früher gemeldet. Es hat aber ein paar Augenblicke gedauert, bis wir den großen Datenbatzen, den Sie uns geschickt haben, beackern konnten. Es heißt, dass Sie uns den gesamten Inhalt Ihres „Internets“ via „Laser“ – Verzeihung, wenn ich Ihre Begriffe nicht immer ganz nachvollziehen kann – übermittelt haben. Habe ich das richtig dargestellt?

Viel war es eigentlich nicht. Wir haben alles in ein paar Augenblicken bearbeitet, wobei ich leider erfahren musste, dass es die „Beatles“ nicht mehr gibt und dass John durch Gewaltanwendung entkörpert wurde.
Schade. Sie fragen sich vielleicht, wie ich ausgerechnet auf die „Beatles“ komme? Haben Sie schon vergessen, dass Sie uns vor ein paar Augenblicken eine kurze Botschaft via „Rundfunksignale“ zukommen ließen? Da war allerdings nur sehr wenig zu bearbeiten, aber darunter die „Beatles“.

Ich gebe zu: Zuerst konnten wir mit diesen rhythmischen Tonschwankungen wenig anfangen. Doch bald fanden wir sie irgendwie lustig. Sie wohl auch.
Oder? Singen alle auf Ihrem Planeten „She loves me, yeah, yeah, yeah“? Ich muss leider eingestehen, dass ich immer noch nicht verstehe, was „yeah, yeah, yeah“ bedeutet. Neue Sprachen zu lernen, erfordert immer viel Übung. Und Sie müssen bedenken: Wir haben inzwischen alle Sprachen Ihres Planeten beherrscht, um unsere Botschaft verständlich zu machen. Bei uns übrigens gibt es nur eine Sprache.

Uns ist es aber wichtig, dass jeder von Ihnen unsere Botschaft im eigenen sprachlichen Code verarbeitet.

Nein, schwierig war es nicht, so viele Sprachen zu lernen – auch wenn man nicht alle Feinheiten berücksichtigen kann. Alles in allem gerechnet, hat der Prozess bloß ein paar Augenblicke gedauert.

Übrigens: Haben Sie vielen Dank für die oben erwähnten Sendungen – so wohl die „Rundfunksignale“ wie auch den Gesamtinhalt Ihres „Internets“. Das erwähne ich hier, weil ich weiß, dass Sie ständig „danke“ und „bitte“ sagen.

Hätten Sie uns nicht kontaktiert, wäre es gut möglich gewesen, dass wir von Ihnen nichts erfahren hätten. Das „All“ (so nennen Sie es, nicht wahr?) ist nämlich verdammt groß, und man kann sich nicht jeden Fleck, der sich – „am Arsch der Welt“ sagen Sie, nicht war? – befindet, merken, um – wie heißt es bei Ihnen? – „intelligentes Leben“ auszuräuchern. Andererseits erleben wir mal Zeiten, wo wir absolut nichts fangen, egal wie sorgfältig wir unsere Schleppnetze ausbreiten. Sie können sich vorstellen, wie frustrierend das werden kann. Bald fängt der Magen richtig zu knurren an.

Wobei manchmal der Fang eine einzige Enttäuschung ist. Zum Beispiel, wenn wir Planeten einnehmen, wo es nur sprachlose Wesen gibt, die höchstens „Bonk! Bonk!“ oder so ähnlich hinausplärren. Eine armselige Mahlzeit. Welchen Hunger soll man mit ein paar „Bonk! Bonk!-Lauten“ stillen?

Das mit „She loves you, yeah, yeah, yeah“ ließ uns wenigstens hoffen – obgleich zuerst das „yeah, yeah, yeah“ sehr stark an „Bonk! Bonk!“ denken ließ.

Als uns aber der Inhalt Ihres Internets erreichte, war es klar, dass es auf Ihrem Planeten doch ein bisschen was zu holen gibt. Zugegeben, man kennt reichhaltigere Mahlzeiten. Aber wenigstens geht man, wenn man bei Ihnen ist, nicht ganz hungrig vom Tisch. Nicht wahr?

Ohnehin: Die wahrhaft intelligenten Planeten lassen sich, weil sie intelligent sind, schwer einfangen. Wir müssen uns stets etwas einfallen lassen, wollen wir sie dingfest machen. Auch das macht hungrig. Dann ist man froh, gelegentlich eine kleine Zwischenmahlzeit genossen zu haben. Mit ein bisschen Stärkung gewappnet, kann man dann frohen Mutes weiter suchen.

Danke, Erde!

Wie sagt man Justin Bieber und James Blunt auf Bayerisch?

1.: Der Derbleckte

„Haben Sie heute das über Justin Bieber gelesen?“ fragte ich Frau M. im Paradies. Ja, es ist Frühling, und es gibt wieder Erdbeeren in meinem Lieblingsobst- und Gemüseladen. Winter und Rosenkohl ade!

„Nein, Herr Sprachbloggeur, ich bin, um ehrlich zu sein, nicht besonders interessiert an Justin Bieber. Der hat zu viele Tätowierungen für meinen Geschmack. Allmählich sieht er aus wie eine Litfaßsäule…Und was hätte ich über Justin Bieber lesen sollen?“

„Er wurde nämlich vor kurzem im Fernsehen in den USA stundenlang ‚gegrillt‘ – und zwar freiwillig. Irgendeine Realitysendung, nehm ich an.“

„‘Gegrillt‘? Was soll das heißen?“

„So hab ich‘s verdeutscht im Internet gelesen. Auf Englisch sagt man ‚roasting‘. Eigentlich eine formelle Veranstaltung, wo ein Mensch von anderen förmlich auseinandergenommen wird.“

„Man hat ihn sozusagen durch den Kakao gezogen.“

„Ja, so kann man es auch nennen, obwohl ich das nicht ganz passend finde. Man kann jemanden in jeder Situation durch den Kakao ziehen. „Geroastet“, wird man nur nach einer besonderen Einladung – z.B. im Fernsehen. Auf Deutsch gibt es aber längst ein schönes Wort dafür: derblecken.“

„‘Derblecken‘? Ah, geh! Das Wort versteht kein Mensch nördlich von Nürnberg. Es ist reines Bayerisch.“

„Warum sollte eine bayerische Vokabel Norddeutschland nicht im Sturm erobern? Umgekehrt passiert es ständig: Wörter wie 'lecker' und 'tschüß' sind längst in Bayern heimisch geworden.“

„Wir sind halt toleranter.“

2.: Der Wuisel

„Wissen Sie, was meine Lieblingswörter im Bayerischen sind?“ fragte mich Frau M.

„Nein, oder doch. Sie haben sie mir schon mal erzählt.“

„Ja, stimmt. Das eine ist ‚Glupperl‘ . Das sagten wir zu Hause für ‚Finger‘ – eigentlich ist a Glupperl eine Wäscheklammer.“

„Ja, genau. Jetzt erinnere ich mich. Ich hab es sogar im Wörterbuch nachgeschlagen. Es wird übrigens auch ‚Kluppe‘ geschrieben und ist altes germanisches Wortgut – wahrscheinlich mit dem englischen ‚clip‘, also, ‚Klammer‘ verwandt. Und das nächste Wort?“

„‘Schneckerl‘. So nennen wir Locken. Klingt viel schöner als ‚Locken‘, gell? Ach, da fällt mir ein. Ich wollte Sie wegen einem englischen Wort fragen. James Blunt singt es in einem Lied.“

„Wer ist das?“

„Sie kennen ihn nicht. Na ja. Er ist ein bisschen ein Wuisel, aber ich mag seine Musik trotzdem.“

„Wuisel?“

„Ja, einer der wuiselt. Das ist wie ‚winseln‘ oder ‚jammern‘. Er hat aber eine schöne Stimme, finde ich. Ich hab aber das Wort vergessen, was ich Sie fragen wollte.“

„Wie heißt der Wuisel wieder?“

„James Blunt.“

„Wissen Sie, was ‚blunt‘ auf Englisch bedeutet?“

„Nein.“

„‘Stumpf‘ Ein Messer, wenn es schlecht schneidet, ist ‚blunt‘ geworden. Man kann aber auch ‚blunt‘ reden. Dann heißt es ‚schroff'."

„Nein, so einer ist er nicht, der Stumpf Hansi. Ja, so würde er auf Bayerisch heißen. Der Stumpf Hansi. Klingt lustig, gell? Ach, jetzt fällt mir ein, wie das englische Wort heißt: Er singt über ein ‚bonfire heart‘.“

„Das wäre ein Herz wie ein Johannesfeuer.“

„Was Sie nicht sagen.“

„Passt zu einem Wuisel, oder?“

„Ach, bleiben wir gnädig. Den wollen wir nicht derblecken, Herr Sprachbloggeur. Er ist wirklich lieb.“

Was ist das? (und andere alte Sachen)

„Weißt du, wie man ‚Dachluke‘ auf Französisch sagt?“, fragt mein Sohn.

„Nein, keine Ahnung.“

„Was-is-dass“.

„Was ist was?“

„Nein, kein Witz. So heißt es auf Französisch. Ich kann dir aber nicht sagen, wie man es schreibt.“

Klar, dass ein Sprachbloggeur, wenn man ihm so ein Köder vor der Nase hält, der Sache auf den Grund gehen will. Prompt tippe ich im Suchkasten meines Rechners: „Dachluke französisch“ und bekomme reichlich Antwort.

Das online-Wörterbuch „Leo“, zum Beispiel, bietet drei franz. Übersetzungen dieses Begriffs: „lucarne“, „lunette“ und „faltière“. Leider kein „was ist das“.

Nächste Haltestelle „dict.cc“. Hier zwei Übersetzungen: „lucarne“ (s. „Leo“) und „tabatière“. Auch hier kein „was ist das“.

Bei „Linguee“ ist die Auswahl besonders groß: „trappe“, „lanterneau“, „tabatière“, „trappe de toit“, „lucarne“, „aérateur“, „rideau“, „écoutille“, „accès toiture“, „capot“ und und und! Nur das fehlt, was ich haben will.

Zeit also für eine neue Strategie, denk ich. Ich tippe im Suchkästchen auf Teufel komm raus: „vassisdass“, die Schreibweise freilich über den Daumen gepeilt. Aber nun werde ich endlich fündig. Das franz. Wort schreibt sich übrigens „vasistas“.

Ich gebe nun die echte Schreibweise ein und zack! viele Treffer. Auch „Leo“ und „dict.cc“ scheinen das Wort plötzlich zu kennen und geben die dt. Übersetzung sogar mit „Dachluke“ an! Ja, aber: Wieso, wenn man unter „Dachluke“ schaut, erscheint kein „vasistas“? Egal.

Nächste Aufgabe: Woher kommt der Begriff? Notabene: Es ist nicht zwingend notwendig, nur weil es so klingt, dass „vasistas“ von „was ist das“ abgeleitet werden muss. Ein „Kanapee“ hat mit dem englischen „can of peas“ (Erbsendose) absolut nichts zu tun. Oder? Jemand behauptet, so sehe ich irgendwo, dass das Wort aus dem Türkischen stamme. Warum nicht, denk ich. Leider wird Genaueres nicht verraten.

Letztendlich treffe ich immer wieder auf zwei besondere Erklärungen: Die eine setzt dieses Wort in die Zeit von Napoleon. Demzufolge vernahmen franz. Soldaten, als sie durch die Straßen der eroberten dt. Städte marschierten, die Stimmen besorgter Deutschen, die durch die Dachluken guckten und fragten: „Was ist das?“

Nach der zweiten Variante waren die Deutschen im 2. Weltkrieg besonders angetan von den Dachluken in Frankreich. Staunend fragten sie: „Was ist das?“ Kann es wirklich sein, dass die Deutschen bis 1940 keine Dachluken kannten? Genau das Gegenteil von jenen Deutschen, die aus den Dachluken schauten, um auf die Soldaten Napoleons zu luken.

Ja, und wie war es mit den franz. Soldaten Napoleons. Hatten sie ein so tolles Hörvermögen, dass sie in der Lage waren, das „was ist das“ der besorgten Deutschen da oben auf den Dächern zu vernehmen?

Zum Glück fand ich aber nun in meinem alten franz. etymologischen Wörterbuch von Larousse (es stammt aus einer Zeit, als es noch keine Info Revolution gab), unter Stichwort, „vasistas“, dass diese Vokabel bereits in der Zeit von Louis XVI als Witzwort in Erscheinung getreten war. Ich kann mir folgende Szene vorstellen: Die Österreicherin Marie Antoinette (oder irgendeiner/eine Deutsch Sprechende) steht vor einer schmucken Dachluke und fragt: O mei. Das is schön. Was is das? Alle schmunzeln diskret und zack! Alsbald feiert ein neues Wort fröhliche Urständ. Klingt überzeugend, oder?

„Weißt du, wie man in Ägypten ‚Trödel‘ sagt?“ fragte mein Sohn.

„Nein, wie sagt man ‚Trödel‘ in Ägypten?“

„Altesachen.“

Brief von dem Mars

Ob einer diesen Brief entdecken wird? Wer weiß? Alles ist möglich. Und wenn ich gerade von dem, was möglich ist, spreche: Was klingt wohl unmöglicher als die Tatsache, dass ich ihn hier auf dem Mars schreibe? Genauer gesagt, hier am Stützpunkt „Little Jerusalem“, einem Namen, der eigentlich unserer Glaubensvielfalt huldigen sollte und der durch unsere gemeinsame Sprache, das Englisch ausgedrückt wird.

Als Crew waren wir ebenso international wie diese Sprache. Auch Mischka und Katrinka nahmen es auf sich, Englisch zu sprechen. Schimpfen taten sie freilich lieber auf Russisch:„Swenja!“, „durak!“, „owsa!“ waren ihre Lieblingsvokabeln – so kam es uns jedenfalls vor. Ich will es aber nicht leugnen: Es ging uns allen auf die Nerven, wenn sie miteinander auf Russisch tuschelten.

War es aber anders als Gerlinde und ich manchmal miteinander Deutsch redeten? Alle schimpften, machten Witze über die „Krauts“, Hitler und so, meinten wir würden Geheimnisse austauschen, Verschwörungen schmieden. Stimmt nicht. Manchmal hatten wir halt das Bedürfnis, die alte Muttersprache unserer heiß vermissten alten grünen Welt aufleben zu lassen, anstatt immer die gleiche englische Alltagseinerlei zu plappern.

Ich gebe zu: Ich nahm es Bob und Leslie zunehmend übler, wenn sie unsere Englischfehler unentwegt besserten: Wenn ich, zum Beispiel, „Yesterday I have seen a Kulaks“ sagte, fühlten sie sich stets berechtigt dazwischen zu funken: „Hans-Georg, you don’t say ‚Yesterday I have seen a Kulaks‘, you have to say ‚Yesterday I saw a Kulaks‘. Okay?” Verdammte englische Sprache, sag ich.

Es ging uns allen so. Man konnte es nicht länger ertragen. Das hat wahrscheinlich zur ersten Katastrophe geführt. Ich war es jedenfalls nicht allein. Die anderen – auch die Briten – machten mit, als wir sie kurzerhand schassten. Sie kamen nie wieder nach „Little Jerusalem“ zurück.

Weit haben sie es wahrscheinlich nicht geschafft. Nicht nur weil es, verzeihen Sie mir den Ausdruck, arschkalt auf diesem trostlosen Planeten ist. Es blies damals obendrein der Scirocco – so nannten wir den brutalen Wind aus dem Norden. Ob das, was wir als Norden bezeichneten wirklich der Norden war, ist schwer zu sagen. Außerdem: Wohin hätten sie gehen können? In die nächste Stadt? Haha.

Die Amerikaner waren die ersten, die ausschalteten. Immerhin: Es herrschte unter uns danach eine Zeitlang so was wie Harmonie – als hätten wir damit alle Probleme gelöst. Nun waren wir nur noch 18 in „Little Jerusalem“. Und wir verständigten uns weiterhin auf Kauderwelschenglisch, aber jeder wie ihm der Schnabel gewachsen war. Die Briten beschwerten sich nie.

Neun Pärchen waren wir. Und dann die nächste Katastrophe, als es sich herausstellte, dass Anton schwul und auf Lloyd sehr scharf war, und dass Ségolène es manchmal beim Kulaks-jagen heimlich mit Antonio trieb. Dazu kamen die endlosen Gespräche über Religion und Politik, Themen, die uns eigentlich verboten waren. Wer hätte gedacht, dass wir, nachdem wir von außerordentlich respektierten Kapazitäten Monate lang auf der grünen, süßen Erde geschult und geprüft wurden für die Mission und schließlich alle für tauglich erklärt wurden, über Politik und Religion streiten würden? Jeder meinte, wir würden als Gruppe wie Pech und Schwefel auf einer fremden Welt zusammenhalten sogar bei den widrigsten Umständen. Tja.

Und wer hätte voraussagen können, dass Gary krebskrank werden würde oder dass Irena und Pablo es einfach nicht länger miteinander aushielten? Oder dass eine Schwangerschaft auf diesem Staubhaufen – zum Glück, das sag ich im Nachhinein –unmöglich war? Scheißidee, diese Kolonie. Aber wirklich.

Und dann kam der Krieg auf der Erde, und plötzlich war es nicht mehr möglich, uns mit Vorräten zu beliefern. Wir hatten zwar unsere E-Book-Readers, unsere Filmbibliotheken, Fernsehsendungen. Aber die verdammten Dinge hingen sich zusehends auf. Der Feinstaub wurde einfach zur Plage. Wer hätte unter den Experten das voraussehen können?

Zum Glück (und zum Unglück) gab es die Kulaks. Ja, es gibt doch Leben auf Mars. Im Übrigen: Sie sind nicht nur eiweißreich, sondern reichlich vorhanden, sehen aus wie Schnecken, bewegen sich derart langsam, als würden sie sagen: Hier, nimm mich, friss mich. Aber Vorsicht: Es sind gemeine Viecher die Kulaks. Ich werde nie vergessen, wie Albert aussah, als wir ihn ca. fünfhundert Meter von „Little Jerusalem“ vorfanden. Die Kulaks krochen noch unter seinem Helm herum – hatten sogar seine Knochen mit ihrer zersetzenden Spucke aufgelöst. Ich gehe davon aus, dass Bob und Leslie ebenso endeten. Es muss aber ein langsames Sterben sein. Kulaks haben nämlich, wie gesagt, alle Zeit dieser Welt. Und sie vermehren sich wie die Karnickel. Lloyd hat sie immer „martian bunnies“ genannt. Haha.

Nun bin ich der letzte. Zugegeben, der Sauerstoff wird endlos reichen. Das haben die Jungs auf der Erde wirklich gut vorbereitet, und verhungern werde ich auch nicht, so lange es Kulaks gibt und ich schneller bin. Manchmal bin ich überzeugt, dass sie eine eigene Sprache haben. Es kommt mir manchmal vor, als würden sie Sachen miteinander absprechen. Keine Ahnung, wie das geht.

Auf jeden Fall, seit sie „Little Jerusalem“ entdeckt haben, umkreisen sie unser Städtchen und warten mit großer Geduld, bis jemand einen Fehler macht – oder einfach von allein stirbt.

Komisch. Ich bin hier seit Jahren, kenne diesen Planeten trotzdem nicht, war niemals mehr als ein Kilometer von „Little Jerusalem“ entfernt. Wie auch? Und was erforschen? Alles sieht hier ohnehin gleich dröge aus. Das Licht kommt mir so eintönig vor. Täglich – wenn man überhaupt von „Tag“ reden darf, sieht der Sonnenuntergang gleich langweilig aus.

Wenn Sie Glück haben, werden Sie diesen Brief nie entdecken. Und falls Sie ihn doch finden, dann wünsche ich mit ganzem Herzen, dass Ihre Fahrkarte auch für die Heimfahrt ausgestellt wurde.

In eigener Sache: Bin nächste Woche weit weg. Nächster Beitrag in zwei Wochen.

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Sterben muss alles. Auch Wörter. Wann haben Sie das letzte Mal behauptet: „Mein Brast ist unerträglich“?

Wahrscheinlich nie. „Brast“ ist eine antiquierte Vokabel und bedeutet „Sorge“, „Gram“ – ist übrigens mit „Gebresten“ verwandt. Sagen Sie mir bitte nicht, dass Sie auch dieses Wort nicht kennen. Macht nichts. Auch Gebresten vergehen.

Ebenfalls die „Leser“. Damit meine ich nicht Sie, liebe Leser, sondern das Wort die Leser. Diese altgediegene Mehrzahlform fällt nämlich zunehmend in Ungnade. Nur der „Leser“ existiert weiterhin. Ich meine den einsamen männlichen Buchlesenden.

Es ist nicht so lange her, dass alle Welt „liebe Leser“ schrieben, so selbstverständlich wie der eigene Name war diese Formulierung. Es handelte sich zwar um ein maskulin Plural, doch jeder hat verstanden, dass man damit beides, männliche und weibliche ---- ääämm ----- Leser, meinte. Erst in den 1980er Jahren munkelten einige Unzufriedene zum ersten Mal, dass diese Formulierung sexistisch sei.

Das Resultat: Das Zeitalter von „liebe Leserinnen, liebe Leser“ hatte begonnen.

In den 1990er Jahren wurde aus dieser egalitären Formulierung – vielleicht um Platz zu sparen – „LeserInnen“ erschaffen. Damit meinte man natürlich sowohl männliche wie auch weibliche Leseratten.

Der neue Begriff stellte praktisch die Umkehr der Werte dar. Denn nunmehr sollte die weibliche Form – allerdings mit großem „I“ – stellvertretend für eine lesende Bisexualität hinhalten.

Ähnlich ergingen es „Student“, „Bürger“ usw. Zuerst als „Studentinnen und Studenten“ (ladies first), „Bürgerinnen und Bürger“ – und dann erwartungsgemäß als „StudentInnen“, „BürgerInnen“ usw.

Beliebt waren diese Begriffe allerdings nie. Wahrscheinlich deshalb sagen wir heute, um die Mehrzahl von „Leser“ und „Student“ weiterhin geschlechtsneutral zu halten „Lesende“ und „Studierende“. Ist zwar nicht ideal aber immerhin. „Bürgende“ ist freilich noch nicht möglich.

Nur der Anfang? Man sagt: „Wer hat behauptet, dass er nicht mitgehe?“, auch wenn man eine Gruppe Männer und Frauen anspricht. Wieso „er“? Weil „wer“ in der dt. Sprache seit jeher als männliche Referenz aufgefasst wird. Zugegeben: Man könnte ebenso gut fragen: „Wer hat behauptet, dass er oder sie nicht mitgehe?“. Aber Vorsicht. Man darf nicht zu sehr mit der deutschen Geschlechtlichkeit rumspielen. Sonst könnte man versehentlich das ganze „der-die-das-System“ in Frage stellen. Das Resultat wäre natürlich der pure Sprachsalat.

Wir Englisch Sprechende haben diesen Salat längst. Noch vor 30 Jahren war es normal, dass ein Englisch Sprechender sagte: „Whoever did it, let him speak up“. Das geht kaum mehr. Man sagt lieber „him or her“ oder „them“ anstatt „him“ – zumindest in der Umgangssprache. Wer formell schreibt, versucht obige Formulierung ganz zu umgehen. So kompliziert ist es geworden, Englisch zu schreiben.

Der „chairman“, also „Vorsitzender“ ist längst zum geschlechtsneutralem „chair“ – wörtlich „Stuhl“ geworden – obwohl die Vokabel „chairwoman“ als weibliche Entsprechung möglich wäre. Manche amer. Feministinnen lehnen heute das engl. Wort „history“ wegen des eingebetteten maskulinen Pronomens „his“, ab – als sei dies ein Hinweis, dass die bisherige Menschengeschichte betont männlich war (was auch stimmen mag). Die Form „herstory“ hat sich allerdings noch nicht befestigen können.

Facebook bietet, will man ein Konto öffnen, so hab ich jedenfalls neulich in „The Daily Beast“ gelesen, unter Rubrik „Geschlecht“ 51 Möglichkeiten. Wer sich für diese Liste interessiert, darf selbst recherchieren. Mir ist die Auflistung zu anstrengend.

Nebenbei: Wer sich nicht mehr als ein „he“ oder eine „she“ verstehen will, er oder sie kann sich auf Englisch als ein(?) „xe“ bezeichnen. (Das Wort klingt wie das dt. „sie“). Statt „him“ oder „her“ gibt es „xer“ (sprich „serr“) usw.

Worauf will ich hinaus?

Auf Folgendes: Seien Sie nicht überrascht, wenn mal die Gegenbewegung einsetzt. Nix ist für immer.

PS Im Türkischen wird zwischen „er“ und „sie“ nicht unterschieden. Ob „er“, „sie“ oder „es“, alles heißt „o“. Endlich eine Sprache, die nicht sexistisch ist!

Alaaf akbar

Liebe Herr Terrorist, liebe Frau Terroristin, bitte nicht gleich aus der Haut fahren. Hier dürfen sie keine Gotteslästerung wittern. Hier nur ein kleines, harmloses Wortspiel. Noch nie von Wortspielen gehört? Man rückt ähnlich lautende Vokabeln zusammen, um dadurch eine neue Deutungsebene zu schaffen. Voilà! Das Ergebnis heißt in unserer Sprache „Ironie“. An sich eine harmlose Sache, glauben Sie’s mir. Im Übrigen wird diese Ironie oft verwendet, wenn man nach einem wenig gefährlichen Ventil sucht, um seine Fassungslosigkeit oder Wut oder Hilflosigkeit Ausdruck zu verleihen. Eigentlich ein gesunder Vorgang. Er ermöglicht, dass man in Augenblicken der dunkelsten Verzweiflung, anstatt gleich zum Kalaschnikow zu greifen, das Lachen nicht verlernt.

Probieren Sie‘s mal.

Sie haben’s wohl erraten. Ich denke noch an Braunschweig, wo wegen Hinweise auf eine „konkrete Gefährdung“ der Rosenmontagsumzug abgesagt wurde. Und ich denke ebenfalls an den „Charlie-Hebdo“-Wagen, der am Rosenmontag in Köln, um keine Gefühle zu verletzen, im Depot bleiben musste. Eigentlich bin ich ein Faschingsmuffel. Ich denke trotzdem mit Mitgefühl an die Enttäuschung der Jecken.

Sie wiederum, lieber Terrorist, liebe Terroristin, fühlen sich frei, Gefühle, ja sogar Körperteile anderer, zu verletzen – als stünde ein Recht auf dieses ungebührliche Benehmen schwarz auf weiß in einem Gesetzbuch.

Schämen Sie sich.

Übrigens: Wissen Sie was „akbar“ bedeutet? Ich frage nur, da man nicht sicher sein kann, wie tief Ihre Kenntnisse der arabischen Sprache reichen. Falls ich mit meiner Vermutung ins Schwarze treffe, hier ein bisschen sprachliche Nachhilfe von einem leidenschaftlichen Sprachennarren.

Wir fangen simpel an. Auch im Arabischen gibt es Adjektive: z.B., „kabir“, das „groß“ bedeutet, „dschadid“ („neu“), „dschamil“ („schön“) usw. So weit so gut. Doch nun wird‘s a bisserl komplizierter. Denn es geht um die Steigerungsform des arabischen Adjektivs, auf Arabisch„Elativ“ genannt. Dieser Elativ wird durch die Anfügung des Präfixes „a“ und eine Vokaländerung im Inneren des jeweiligen Adjektivs gebildet. Aus „dschadid“ („neu“) wird „adschdad“, aus „dschamil“ („schön“) „adschmal“. Aus „kabir“ wird eben „“akbar“. Der „Elativ“ ist übrigens aus einem anderen Grund interessant. Es kann nämlich verschieden übersetzt werden: mal als Komparativ (also „schöner“, „neuer“, „großer“), mal als Superlativ („schönste“, „neuste“, „größte“). Manchmal wird der Elativ sogar mit „sehr“ übersetzt – etwa: „sehr schön“, „sehr neu“, „sehr groß“. Alles klar?

Wenn ein Arabisch Sprechender „allahu akbaru“ (so die klassische Schreibart mit „u“ am Schluss) deklariert, meint er damit selbstverständlich „Gott ist der Größte“, einen Superlativ also. Ist doch logisch.

Bei „alaaf akbar“ hingegen ist es anders. Ein Arabisch Sprechender versteht in diesem Fall etwas wie „alaaf“ ist großartig oder sehr groß o.ä.

Quod erat demonstrandum also, liebe Terroristen und Terroristinnen: keine Spur von Gotteslästerung. Nur ein ironisches Wortspiel, um eine Karnevalenttäuschung Ausdruck zu verleihen.

By the way: Was bedeutet „alaaf“? Tatsache ist: Keiner weiß es so ganz genau. Manche vermuten, dass diese Vokabel im Kölner Platt etwas wie „alle ab(seits)“ heißen könnte. Mit „alaaf!“ wäre wohl dann gemeint: Macht Platz, der Narrenzug ist unterwegs! Vielleicht stimmt das auch. Oder vielleicht hat das Wort etwas mit „alle auf“ zu tun – ähnlich dem bayrischen „auf geht’s!“? Keine Ahnung.

Warum heute diesen komplizierten, gelehrten Aufsatz? Etwa weil ich Angst hätte, jemand könnte mein Wortspiel sonst in die falsche Kehle bekommen? Nein, das wäre wirklich kaum möglich. Es geht um anderes:

Ich denke eher an diejenigen, die vergessen haben, dass der Humor – auch wenn er manchmal dämlich ist – eine göttliche Gabe ist. Ja, das mein ich wirklich.

Wissen Sie, was passiert, wenn er verschwindet der Humor? Ein Beispiel:
Am Führerhauptquartier auf der Wolfschanze fragte Hitlers Hoffotograf Heinrich Hoffmann zu Tisch Folgendes: „Warum ist der Schwanenhals so lang?“

Gespannt harrte der Diktator der Antwort…“Damit der Schwann nicht absäuft!“, setzte Hoffmann fort.

Hitler, so steht es in den „Tischgesprächen“, lachte so herzhaft, dass er seine Augen mit der Hand verdeckte.

So sieht das Lachen in einer Diktatur aus…

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