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Deutsche Krankheiten

Nein, diese Woche lieber kein politischer Kommentar. Die Zeiten werden (zumindest für die Newsjunkies) derart düster und ungemütlich, dass man manchmal gern leichte Kost konsumieren – und schreiben – will.

Wie wäre es also mit ein paar Krankheiten? Nicht irgendwelche Krankheiten, sondern deutsche. Freund Ian in den USA hat mir letzte Woche einen Link zu einer Seite „Mental_Floss.com“ geschickt. Hirnzahnseide.com also. Dort erschien ein Text mit dem Titel: „Fifteen Unique Illnesses You Can Only Come Down With in German“. 15 kulturspezifische deutsche Krankheiten also. Die Autorin, Arika Okrent, ist amerikanische Sprachwissenschaftlerin.

Auf geht’s und gute Besserung:

Ganz oben auf Frau Okrents Liste steht der „Kevinismus“, eine Krankheit, die, so die Autorin, Deutsche, mit dem Namen „Kevin“ heimsucht. Das Hauptsymptom dieses Zustands scheint Lernprobleme in der Schule zu sein. Wer „Justin“, „Dennis“ oder „Mandy“ heiße, seien ebenso anfällig. Der Grund: Bei diesen Namen handelt es wohl um amer. Modenamen, die die Lehrer aggressiv und voreingenommen machen. Bin mir nicht so ganz sicher. Mein ältester Sohn war mal mit einem schlauen Kevin in der Schule, und ich kenne einen klugen Dennis. Ich kann mich lediglich erinnern, dass es mal an einem nachrichtenarmen Tag einen langen Artikel zu diesem Thema in der Zeitung gegeben hat. Ahhhh! Nachrichtenarme Tage…wie schön.

Aber weiter: die „Föhnkrankheit“. Nein, hier hat Frau Okrent recht. Auch mir war die „Föhnkrankheit“ fremd, als ich nach München kam. Es gibt sie aber tatsächlich. Darüber hab ich sogar mal einen Artikel geschrieben. Sie kommt zu Zeiten von Luftdruck- oder Temperaturschwankungen vor. Der Föhn (vom lateinischen „favonia“, einem Wind aus dem Süden) gibt’s also echt. Aber eine „deutsche“ Krankheit? Man muss einer amer. Sprachwissenschaftlerin vielleicht verzeihen, wenn sie zwischen Deutschland und Oberbayern nicht unterscheiden kann. Erstes Gesetz des Journalismus: Fakten verwischen! Unterhaltung ist höher zu bewerten als Sachkenntnis.

Der „Kreislaufzusammenbruch“. Eine deutsche Krankheit? Als ich 1975 in München eintraf, wurden mir zuallererst zwei Dinge ausgehändigt. Das erste war mein ganz persönlicher Artikel. Ich hieß also nicht mehr bloß „PJ“, sondern der „PJ“. Als zweites bekam ich einen Kreislauf. Und dann beteuerten alle, er sei gestört.

„Mir geht’s heute nicht gut.“

„Ja, hast es wohl mit dem Kreislauf.“

Usw. Da ich bis dahin nicht wusste, dass ich einen Kreislauf hatte,, war ich bereit meine „Kreislaufstörung“ als deutsche Krankheit anzunehmen. Ein „Kreislaufzusammenbruch“ aber? Das ist was anders. Auch Amerikaner kollabieren, oder? Kann doch jeder.

Aber weiter. Bei der „Ostalgie“ hat Frau Okrent natürlich recht. Doch das „Wertherfieber“? Das gab es wohl mal vor 250 Jahren aber nur kurz. Heute versteht man darunter lediglich den Frust der Schüler, wenn sie in der 10. Klasse gezwungen werden, dieses altertümliche Werk zu lesen. Die „Frühjahrsmüdigkeit“ lass ich hingegen als spezifisch deutsche Krankheit tatsächlich gelten. Engländer und Amerikaner halten es genau umgekehrt. Wir kennen nur das „spring fever“, was wintermüde Geister wahnsinnig munter macht.

„Weltschmerz“, „Ichschmerz“, „Lebensmüdigkeit“,„Zivilisationskrankheit“. Sorry. Die ersten drei heißen auf Englisch „world weariness“, Letzeres ist „back to the roots“ oder „back to nature“ usw. Warum hab ich das Gefühl, dass die Autorin auf Biegen und Brechen 15 Krankheiten aus dem Boden stampfen will? Damit der Text nicht zu kurz bleibt? Wie wär es mit der „Zeitkrankheit“. Kenne ich gar nicht. Der Duden versteht darunter „burnout“. Burnout eine deutsche Krankheit? „Burnout“ ein deutsches Wort?

Wir nähern uns zum Glück dem Ende zu. Und da findet man den „Hörsturz“. Aber wirklich! Das erste (und einziges) Opfer dieses Gebrechens, das ich jemals kennenlernte, war ausgerechnet ein Amerikaner und – wie es der Zufall haben wollte – ein gestresster Journalist.

Es bleiben uns nur noch den „Putzfimmel“, die „Torschlusspanik“ und den „Fernweh“ zu erwähnen. Doch allmählich kommt mir diese Liste selbst als Krankheit vor…

Willkommen im Informationszeitalter, liebe Lesende. Auch wenn man nichts zu sagen hat, hat man viel zu sagen. Wäre schön, wenn dies (zumindest teilweise) auch für die düsteren Meldungen der letzten Tage stimmen würde.

Meisterprüfung in Englisch – Erste Frage

Endlich verstehe ich, warum es Krieg gibt.

Was? Sie glauben mir nicht? Sie meinen, ich will Sie mit einem solchen provokativen Aufhänger bloß tiefer in meinen Text hineinlocken.

Weit gefehlt. Ich kann’s wirklich erklären.

Und zwar anhand von der folgenden Aufgabe:

Übersetzen Sie den beiliegenden Satz ins Deutsch: „The nature is wonderful,“ said Jean-Louis.

Achtung Fangfrage! Diese Aufgabe ist verzwickter als Sie vielleicht ahnen.
Schon fertig? Lautet Ihre Antwort etwa: ‚„Die Natur ist wunderbar“, sagte Jean-Louis?‘ Sorry, diese Antwort ist falsch.

Wieso? Ganz einfach: Der Satz, ‚„The nature is wonderful“, said Jean-Louis‘, ist schlechtes Englisch. Den Regeln des englischen Sprachgebrauchs zufolge darf man in diesem Zusammenhang „the nature“ gar nicht sagen. Korrekt wäre „nature“ – also ohne Artikel. „Nature is wonderful“ müsste es auf Englisch heißen.

Fakt ist: Wir bilden Abstrakta wie „love“, „philosophy“, „war“, „biology“ oder „nature, stets ohne Artikel. Nur wenn ein abstraktes Wort einen konkreten Bezug bekommt, wird es dann mit einem Artikel versehen: „the nature of reality“, „the philosophy of Plato“, „The War of Roses“, „the biology of marsupial digestion“ usw.

Das mit den Artikeln ist im Englischen eine verdammt komplizierte Angelegenheit. Deutsche, Franzosen, Italiener usw. müssen, wenn sie Englisch lernen, arg umdenken. Die Armen Russen und Chinesen sind besonders schlimm dran: Sie kennen in ihren Sprachen gar keine Artikel! Im Englischen hängt der Gebrauch des Artikels häufig mit der Frage zusammen, ob man etwas zählen kann oder nicht. Abstraktionen kann man verständlicherweise nicht zählen. Es gibt nur „philosophy“. Zählen kann man lediglich verschiedene philosophische Richtungen: „the philosophy of Plato“, „the philosophy of love“, „the philosophy of fools“ usw. Man kann „apples“ zählen, „love“ aber nie.

Ein Englisch Muttersprachler erkennt, wenn er ‚„The nature is wonderful,“ said Jean-Louis‘ vernimmt, sofort, dass das Englisch hier absichtlich falsch ist (freundlicher Hinweis: wegen des Namens „Jean-Louis“). Er stellt sich sogar vor, dass „Jean-Louis“ den Satz mit französischem Akzent parliert. Und so kann man’s auch schreiben. Etwa: „Zee nay-chur-r-r eez wan-der-fol.“ (Folgendermaßen auszusprechen: sie näj-tschur-r-r is uan-der-vall oder so ähnlich).

Doch zurück zur Prüfungsaufgabe: Wie soll man diesen Satz ins Deutsche übersetzen? Hier die Antwort: Man müsste ihn so übersetzen, dass man den Franzosen heraushört! (Die Sache mit dem Artikel kann man im Deutschen vergessen. „Die Natur ist wunderbar“ ist nämlich fehlerfreies Deutsch). Man könnte aber schreiben: ‚„Die Natüür, sie ieß wunder-r-r-schö-ö-ö-n, oui?“ sagte Jean-Louis.‘ Nur ein Vorschlag.

Tja. Wenn die kleinsten Partikel einer Sprache eine derartige Erklärungsnot hervorrufen, liegt es auf der Hand, dass sich die Menschen wegen der dümmsten Kleinigkeiten immer wieder in die Haare kriegen. Ja. darum gibt es Krieg. (Okay, es gibt auch andere Gründe – z.B. Machtgier usw.).

Es passiert jedenfalls blitzschnell, und plötzlich ist die Natur doch nicht mehr so wunderbar.

Auch ich bin Verschwörungstheoretiker! Nur herein…

Stammlesenden dieser Beiträge ist mit Sicherheit aufgefallen, dass diese Webseite in den letzten Tagen spurlos vom Cyberäther verschwunden war.

Wer Sprachbloggeur.de anpeilte, wurde mit einer kurzen,
englischsprachigen Botschaft (warum ausgerechnet auf Englisch?) überrascht, die ohne Umschweife erklärte: Forbidden!. Also verboten. Dazu erschienen eine Zahlenangabe (wohl ein Code) und ein paar Worte, die in etwa erklärten: Schleichen Sie sich! Sie haben hier nichts zu suchen!

Auch ich wurde von dieser schroffen Botschaft überrascht. Da ich aber der Lehre des Philosophen Epiktet folge, wusste ich: Vieles kann man im Leben nicht ändern. Also habe ich resigniert und sachte mit den Achseln gezuckt – eine Einstellung, die mich zum Gedanken führte: Ist alles ohnehin vergänglich, auch diese Webseite. Ja, erst recht eine Webseite. Denn sie (und ihr Inhalt) existieren – im besten Fall – nur so lange der Strom fließt und die Hardwarekontakte nicht oxidieren.

Das war meine erste Reaktion. Die zweite war vergleichsweise düsterer: Bin ich vielleicht Opfer einer Cyberattacke geworden? dachte ich. Immerhin: Der Titel des vorigen Beitrags lautete „Sind Sie noch immer Charlie?“ (siehe da), nicht wahr?

Nun wurde ich beunruhigt. Steckt die NSA dahinter? fragte ich mich. Doch was hätten die Amis für einen Beweggrund, ausgerechnet den Sprachbloggeur zu sabotieren? Oder waren es radikale Muslime – Al Kaida, oder der ISIS oder Boko Haram? Kaum sehen diese Fanatiker das Wort „Charlie“, sann ich, wollen sie im Namen des ewigen Dschihad eine Stadt oder eine Webseite auslöschen. Oder es waren die Separatisten in Donezk! Die meinten vielleicht, ich sei zu ukrainefreundlich. Doch ich konnte mich nicht erinnern, dass ich dieses Thema überhaupt angestreift hatte. Aber wer weiß?

Okay. Ich gebe zu: Diese Überlegungen klingen sehr nach Verschwörungstheorie. Aber so ist es, wenn man keine besseren Ideen hat. Und meine Paranoia ist ohnehin zahm im Vergleich zu der von anderen.

Zum Beispiel den „Killuminati“-Anhängern. Noch nie davon gehört? Ich habe die Seite neulich auf Facebook besucht. Man muss kein Facebook-Konto haben (ich hab keins), um die Beiträge dieser Organisation zu „durchblättern“. Immerhin findet man Interessantes. Zum Beispiel, dass die CIA – oder war es der Mossad? – hinter den Morden in Paris steckte. Oder dass die Familie Rothschild „Charlie Hébdo“ vor nicht so langer Zeit erworben habe. Demnach wären die Morde in Paris lediglich eine Inszenierung, um die Auflage des satirischen Blattes in die Höhe zu treiben. Immerhin wurden inzwischen 7 mio Exemplare gedruckt. Kein schlechtes Geschäft, gell?

Man findet aber Hinweise auf zahllose Verschwörungen auf dieser Seite. Am besten schauen Sie aber selber hin. Immerhin: Über 500.000 Deutsch Sprechende haben diese Seite auf Facebook mit einem freundlichen„like“ beglückt.

Wer sich für Etymologie interessiert, sollte Folgendes wissen: Der Name „Killuminati“ ist eine Zusammenstellung aus „kill“ und „Illuminati“. Letzteres Wort, einst der Name einer kleinen, schrägen, europäischen intellektuellen Bewegung am Ende des 18. Jts, gehört zu den Lieblingsfeinden aller heutigen Verschwörungstheoretikern. Diese vermuten „Illuminati überall – vor allem in hohem Amt. Der Rapsänger, Tupac Shakur, habe das Wort aus dem Boden gestampft, heißt es übrigens. Ich vergesse aber, warum. Entweder wollte er sich über die Verschwörungstheoretiker lustig machen, oder er war selbst einer. Kann mich leider nicht mehr erinnern. Kann jeder aber selbst googeln.

Ich finde es jedenfalls schön, wenn man an etwas glauben kann, zumal Glauben kein Wissen ist.

Deshalb denke ich: Warum sollte ich weniger anfällig für Verschwörungstheorien sein wie jeder andere? Aber dann erhielt ich eine Mail von meinem Provider, Herr P. Er teilte mir mit, dass der Server eine ernste Panne gehabt hatte. Nach ca. 5 Tagen wurde sie aber behoben. Was heißt behoben? Mein „Sind Sie noch immer Charlie“-Beitrag von der vorigen Woche war plötzlich spurlos verschwunden. Hmmm, (Keine Sorge: Ich hab’s aber wieder eingesetzt) und alle Kommentare der letzten Jahre an den Sprachbloggeur sind ebenfalls weg. Vielleicht sind sie wieder da, wenn Sie diesen Beitrag lesen. Ich hoffe es, jedenfalls.

Die gute Nachricht: Der Sprachbloggeur ist auf einen nagelneuen Server umgezogen. Merken Sie die Frische? Hier quietscht es, wie wenn man neue Schuhe einläuft. Und solange keiner den Strom abschaltet (Rothschild? Al Kaida? Beide? CIA?) stehe ich Ihnen weiterhin gerne zu Diensten.

Sind Sie noch immer Charlie?

Erinnern Sie sich, als letzte Woche jeder noch „Charlie“ war? War ein Gaudi, gell? Ein gemütliches Gefühl der Solidarität, etwas, das Englisch Sprechende mit den Worten „warm and fuzzy“ bezeichnen, d.h., „warm und weich“, das Gefühl, das man, eingewickelt in einer warmen, Kaschmirdecke an einem kalten Abend, oder im Verlauf einer intimen Zweisamkeit, empfindet.

Ja, warm and fuzzy.

Wären damals nur die Juden im koscheren Supermarkt dran gewesen, hätte wohl kaum einer, „je suis Juif“ bekundet. Manche hätten vielleicht gedacht: „Ja mei, aber machen die nicht das gleiche in Gaza?“ usw. Oder wenn es nur Polizisten gewesen wären, hätten sich die Proteste wohl auch in Grenzen gehalten mit der Begründung: Tja, Pech gehabt, Arbeitsrisiko halt.

Es waren aber Blattmacher der Redaktion des satirischen Zeitschrift „Charlie Hébdo“, die massakriert wurden, genauer gesagt, es war ein Angriff gegen die freie Presse, gegen die Grundwerte der europäischen Gesellschaft also. Starker Tobak – erst recht in der Grande Nation. Auch für die islamische Welt, die momentan mit einem ernsthaften Image-Problem zu kämpfen hat, gab der Überfall Grund zur Sorge. Da meldeten sich in vielen islamischen Ländern verschiedene Stimmen aus der Politik – und aus dem Volk – , um sich vom feigen Mordüberfall zu distanzieren und ihn als „nicht im Einklang mit dem Islam“ usw. zu bezeichnen. Auch die um Gunst werbende Hamas drückte ihr Beileid aus. Dito die Hisbollah. Nur für den Mord an die Juden im koscheren Supermarkt zeigten sie Verständnis. Der Attentäter wurde sogar zum Märtyrer erklärt.

Egal. Alles ohnehin nur vorübergehende Regungen, die bald in Vergessenheit geraten. Denn schließlich geht das Leben – zumindest für die Lebenden – weiter. Gell?

Aber wie der Zufall es haben wollte, geschah beinahe zeitgleich mit – allerdings ohne Bezug zu – dem Massaker in Paris ein anderes furchtbares Ereignis: der grausame Überfall auf das Dorf Baga im nördlichen Nigeria. Noch nie von Baga gehört – oder vielleicht nur am äußersten Rande des Bewusstseins? Zur Erinnerung: Anhänger der fanatischen Boko-Haram-Bewegung in Nigeria hatten, während Gesinnungsgenossen in Paris rumballerten, diese Kleinstadt Baga dem Erdboden gleich gemacht. Augenzeugen berichteten von ca. 2000 Toten. Manchen Quellen zufolge waren es vielleicht nur einige Hunderte. Wer will aber über Zahlen streiten, es sei denn, man macht gerade ein Geschäft?

Haben irgendwo entsetzte Massen ausgerufen: Je suis Baga? Sicherlich haben hie und da manche mit dem Kopf fassungslos geschüttelt. Aber nur kurz. Und wie lange hat das Entsetzen wegen des Mordes in Pakistan an 143 Schüler gehalten, die vom Taliban verübt wurde?

Seien wir ehrlich: Menschenleben sind im Grunde billig – nicht nur für ihre Mörder, sondern auch für uns. Mit einer Ausnahme: Sie gewinnen stets an Wert, wenn sie als Symbol für etwas instrumentalisieren lassen.

Man könnte fast meinen, dass jedes Verbrechen wie ein Wort ist. Das heißt: Man versteht am besten diejenigen der eigenen Sprache. Denn nicht jeder hat ein Talent für Fremdsprachen.

Tote in Baga? Was soll’s. Es waren ohnehin Afrikaner (bzw. „Neger“). Tote in Pakistan? Ja, der Taliban. Die bringen sich ständig gegenseitig um usw.
Habe ich gesagt, dass Verbrechen wie Wörter sind? Ich sollte mich präziser ausdrücken: Sie sind Modewörter. Das heißt: Sie haben meistens ein Verfallsdatum. Wer letzte Woche Charlie war, ist es diese Woche vielleicht nur noch ein bisschen. Ist ja normal, dass die Dinge altern.

Es wird aber lustiger: Kaum eine Woche nach der Mordserie protestieren bereits in islamischen Ländern Hunderttausende gegen die Veröffentlichung der neuen, posthumen Ausgabe von „Charlie Hébdo“, die für Europäer gleichsam als „Souvenirheft“ millionenfach gedruckt und begehrt wird.

Während Europäer Schlange stehen, um ein kostbares Exemplar zu ergattern, regen sich Muslime wegen des Coverbildes auf. Dieses zeigt nämlich einen Menschen mit Turban, der weint und deklariert „Je suis Charlie“. Die Protestierenden halten diese Figur indes für eine „Mohammed-Karikatur“. Ich bin übrigens anderer Meinung. Ich glaube, dass diese Figur lediglich ein Symbol für die islamische Welt darstellen soll. Als zusätzliches Zeichen der Versöhnung steht auf dem Cover der Spruch: „Tout est pardonné“, also „alles ist verzeihen“.

In Niger starben bisher ein Dutzend Menschen wegen der heftigen Randalen. Sieben Kirchen wurden in Brand gesteckt. In Tschetschenien wurde die neue Ausgabe des „Charlie Hébdo“ von der dortigen Regierung als nützliches Mittel instrumentalisiert, um das ganze Land gleichzuschalten. Auch in Peschawar, wo der Taliban neulich 143 Schüler ermordeten, schwärmen tausende Protestierende auf die Straßen…

Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll. Ich bin total ratlos und war ohnehin nie Charlie.

Hype für Fortgeschrittene (mit hübschem Beispiel aus dem Leben)

Haben Sie auch neulich Post von der Deutschen Bahn erhalten? Bei mir schneite erst vor ein paar Tagen eine Art Faltbrief von der DB ins Haus rein.

Er war auf Glanzpapier gedruckt. Auf der Adressenseite las man den Spruch „Jetzt Grün sehen“ (natürlich grün gedruckt) und darunter in einem Kästchen die Worte „GO GREEN“. Die aufgedruckte Briefmarke zeigte grüne Bäume auf einem hellgrünen Hintergrund, daneben das Wort „Infopost“.

Ich schaute auf die Kehrseite. Unterhalb der weißen Lasche war die hübsch abstrahierte Darstellung eines Immergrüns mit der spritzigen Aufschrift „Tanne statt Tonne“. Netter Spruch, dachte ich.

Ich zog die Lasche hoch und sah auf ihrer Rückseite zwei abstrahierte Tannen mit der Aufschrift: „Ihr ‚Ja‘ für zwei Bäume“.

An diesem Punkt gelangt, so nehm ich an, werfen die meisten Menschen eine derartige Mitteilung schnurstracks in den Müll. Ich nicht. Ich war noch immer neugierig und faltete den Faltbrief auf. Er war lang wie ein Leporello.

Aber jetzt genug Details. Sonst werde ich Sie bald einschläfern. Lediglich die Kernbotschaft dieses Sendeschreibens möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: Der Adressat sollte animiert werden, eine Postkarte vom Leporello abzutrennen und diese – unterschrieben – an die DB zurückschicken.

Mit dieser Unterschrift hätte die DB das Recht, Sie endlos mit Email-Werbung zu berieseln. Als Köder für diese Bewilligung versprach die DB für jedes „Ja“ einen Baum zu pflanzen. Und:

„Zudem erhalten Sie für Ihre Unterschrift 250 Prämienpunkte, die Sie bis zum 31.03.2015 für die Pflanzung eines zweiten unter www.bahn (etc.) an das Bergwaldprojekt spenden können.“

Wie bitte? dachte ich. Heißt das, dass ich 250 Prämienpunkte bekomme, aber nur um sie für einen zweiten Baum auszugeben?

In diesem Augenblick fiel mir das Wort „Hype“ ein – was nicht bedeutet, dass ich diesen Dreh der DB-Marketingleute nicht bewunderte. Das Verwirrspiel mit Prämienpunkten, Umweltgewissen usw. ist echt klasse.

Doch so viel zum im Titel versprochenen Beispiel. Jetzt geht’s ums Spachliche, also um die Vokabel „Hype“ – sprich „heipp“.

Dieses amer. Fremdwort hat sich erstaunlich schnell im deutschen Wortschatz eingebürgert. Es steht sogar schon im Duden, besitzt also sozusagen zwei Pässe. Wörter haben es oft viel einfacher als andere Migranten. „Hype“ war obendrein kein Flüchtling.

Etwas stört mich an diesem Wort aber. Und zwar: Warum heißt es der und nicht die „Hype“? Dieses Wort stammt nämlich vom griechischen „Hyperbole“ („Übertreibung“) und ist auf Greichisch weiblich. Auch die deutsche Version, „Hyperbel“, ist weiblich. Trotzdem sagt man heute der „Hype“. Das verstehe ich nicht.

Zweites Problem: Dieses Wort wird im Deutschen so wohl im Singular wie auch im Plural benutzt: „der Hype“ und „die Hypes“.

Englischsprechende, wie ich einer bin, halten es für abartig, wenn ein Wort wie „Hype“ in der Mehrzahl gebraucht wird. Es klingt so…unenglisch. In meiner Muttersprache unterscheiden wir nämlich sehr streng zwischen Wörtern, die zählbar sind (also „house“, „apple“ „car“ usw.) und denen, die unzählbar sind. Das sind meistens abstrakte Nomen, etwa „freedom“, „wisdom“, „information“ und halt „hype“.

Ich bin der Meinung, dass nur Prämienpunkte zählbar sind. Fürs dt. Ohr ist jeder einzelner Punkt wohl ein „Hype“ für sich. Das wissen die Marketingleute, nehm ich an. Sie kennen ihre Pappenheimer. Auch Pappenheimer sind zählbar.

Mehr muss man über Hype nicht erklären.

PS: Bin nächste Woche wieder auf Forschungsreise. Noch unklar, ob ich nächste oder erst übernächste Woche den nächsten Beitrag veröffentliche.

Über das Vergessen (dazu ein paar Dankbarkeitsbekundungen)

Was? Schon wieder geht ein Jahr zu Ende! Wo war ich bloß die ganze Zeit? Ja, wo war ich bloß?

Haben Sie gewusst, dass ein Mensch, je länger er lebt, sich an immer weniger erinnern kann? Am Schluss hat er – wenn er Glück hat – vielleicht 5% seiner Lebenserfahrungen vor dem Vergessen gerettet.

Womöglich sind 5% sogar etwas hochgegriffen.

Manchmal frage ich mich, wo die restlichen 95% geblieben sind.

Ja, man geht manchmal wie ein Schlafender durchs Leben, der die meiste Zeit nur träumt. Oder wie ein Flugzeug auf Autopilot.

Zum Beispiel die kurze Liebschaft mit A. in meiner Jugend. Sie hielt nur eine Woche. Ich kann mich noch heute bestens an die ersten zarten Annäherungen erinnern – Detail für Detail sogar. Der Rest existiert nur als einige wenige Fetzen des Bewusstseins. Habe ich so tief geschlafen? Wieso ist das alles heute unzugänglich geworden?

Informatiker unterscheiden zwischen Daten und Information. Ersteres sind jene gespeicherten Fakten, die nicht mehr zugreifbar sind. Letzteres die Fakten, die noch ins Bewusstsein gerufen werden können.

Es ist immer passend am Ende eines Jahres ans Vergessen zu denken. Denn ich weiß aus Erfahrung, was mit den Ereignissen eines jeden Jahres geschieht. Allmählich wird 2014 an Profil verlieren, was mit 2013 schon der Fall ist. Auf einmal weiß man nicht mehr, ob die Italienreise 2012 oder 2011 war. Und wann waren wir dann in London? Aber genug. Vielleicht ist Ihr Gedächtnis besser als meins.

Thema zwei: Seit Jahren ist es mein Usus am Ende eines Jahres hier ein paar Dankbarkeitsbekundungen auszusprechen. Auch in diesem Jahr soll das der Fall sein. Denn es gibt jedes Jahr vieles, wofür ich dankbar bin.

Zum Beispiel, dass ich ich bin und nicht „Dschihadi-John“ (oder wer sich auch immer hinter diesem Namen verbirgt). Welch dröge Vorstellung: seine Zeit mit dem Ermorden von Unschuldigen zu verbringen und dies obendrein im Namen eines „barmherzigen“ Gottes!

ich bin auch dankbar dafür, dass ich nie auf die Idee gekommen bin, Schulkinder – auch im Namen eines Gottes(!) – gezielt abzuschlachten. Und ich bin dankbar, dass ich nicht bereit bin, Menschen leiden und sterben zu lassen, nur weil ich mich an der Macht festgebissen habe.

Ich bin dankbar dafür, dass ich keine hilflosen alten Menschen ausfindig mache, um mich dann als das verschollene Enkelkind auszugeben, um sie dann kaltschnäuzig auszunehmen. Ich bin auch dankbar, dass ich diese Masche nicht erfunden habe.

Ich bin dankbar, dass ich keine verfälschten Medikamente herstelle, um sie profitabel zu verkaufen. Ich bin dankbar, dass ich noch nie auf die Idee gekommen bin, millionen von Spams durch die Welt zu schleudern.

Ich bin dankbar, dass ich kein Bedürfnis habe, andere für eigene geschäftliche Zwecke zu missbrauchen. Ich bin dankbar…

Wissen Sie, es gibt vieles, wofür ich dankbar bin. Zum Beispiel, dass Sie meine Zeilen lesen. Ja, Sie. Denn ich schreibe immer in der Hoffnung, dass Sie das lesen werden, was ich geschrieben habe. Ohne Sie bin ich kein Schriftsteller, sondern Tagebuchschmied.

Auch wenn ich ein schlechtes Gedächtnis habe (oft vergesse ich, worüber ich vor ein paar Monaten geschrieben habe), macht es mir Spaß, für Sie zu schreiben. Wenn man die Details einer Liebschaften vergessen kann, warum nicht auch andre schöne Dinge?

In diesem Sinn: Ihnen ein gutes, gesundes und glückliches 2015.

Ihr Sprachbloggeur

Des Sprachbloggeurs Weihnachtsbotschaft

Ich muss, liebe Lesende, nach Weihnachten daran denken, das Geld, das viele Geld, das mir in letzter Zeit wie durch ein Wunder zugeflogen ist, abzuholen. Doch jeden Tag vergesse ich an meine Gönner zurückzuschreiben, um die Modalitäten des Transfers zu erfahren. Dann zack! Es geht wieder los, und prompt trifft die nächste frohe, lukrative Botschaft ein. Mehr Geld!

Meistens kommen die Mails aus Afrika, Urwiege der Menschheit – oder meine ich „der Menschlichkeit“? Zum Beispiel, die Mails vom Reverend Robert David oder von Sister Edith, die mir neulich im Namen von Jesus Christus anschrieben, oder Mrs. Hala Almofty, die mir liebenswürdigerweise im Namen des allmächtigen Allah beglückwünschte. Diese Wohltäter teilen mir jedesmal dasselbe mit: dass ausgerechnet ich auserwählt wurde, um eine Unsumme zu erben. Meistens sind es Dollarbeträge.

Ja, dieses Jahr weihnachtet es bei mir besonders kräftig.

Aber wie kommen diese gütigen Menschen auf mich? Das frag ich mich oft. Keine Ahnung. Man freut sich dennoch. Geld ist schließlich Geld, gell? Und wie der römische Kaiser Vespasian einst verlautbaren ließ: pecunia non olet. Geld stinkt nicht.

Die kinderlose Juliana Desmond, zum Beispiel, lebte, nachdem ihr steinreicher Ehemann gestorben war, in Saus und Braus. Doch nun ist sie an Krebs erkrankt, und plötzlich will sie ausgerechnet mich als ihren Erben einsetzen. Ulkig. Vielleicht war sie mal Leserin des Sprachbloggeurs. Nur eine Theorie. Aber in solchen Augenblicken denke ich, dass sich der öffentliche Auftritt doch lohnt!

Und dann kam die Mail von Mrs. Joan Williams, die mich im Auftrag vom Uno-Chef Bank-ki Moon persönlich kontaktierte. (Notabene: Frau Williams schrieb tatsächlich „Bank-ki Moon“ und nicht „Ban-ki Moon“). Ich zähle, so meinte sie, zu den 5000 „Scam-Opfern“, die weltweit durch skrupellose afrikanische Phisher um eigenes Geld gebracht wurden. Nun will sie Buße tun. Von daher soll ich sage und schreibe 5 mio US-Dollar erhalten. Fakt ist: Ich war nie das Opfer skrupelloser afrikanischer Phisher. Ich sage aber nix. 5 mio sind schließlich 5 mio. Gell?

Aber was soll ich mit dem viel Geld machen?

Nur eins steht fest. So bald das amerikanische Finanzamt von der Sache Wind bekommt, wird es heftig zulangen. Vielleicht wissen Sie’s nicht. Wir amerikanische Staatsbürger werden, wenn wir mehr als 90.000 Dollar im Jahr im Ausland verdienen, doppelt besteuert. In Klartext bedeutet das, dass ich meine Millionen nicht nur mit dem deutschen Fiskus teilen muss, sondern auch mit den Amis. Komisch, nicht wahr?

Es gibt auf der ganzen Welt nur zwei Länder, die ihre im Ausland lebenden Bürger dazu zwingen, eine jährliche Steuererklärung abzugeben. Das sind die USA und Äthiopien.

Auf Englisch werden wir „Expatriates“ genannt. Früher war ich überzeugt, dass das Wort „Expatriot“ heißt – als wär ein im Ausland lebender US- Staatsbürger gleichsam ein gewesener Patriot. So einfach bekommt man auch die eigene Muttersprache in der falschen Kehle, wissenS‘.

Vielleicht ist es okay, wenn das amerikanische Finanzamt seinen Anteil meiner Millionen für sich absahnt. Denn schließlich war auch jeder Expatriot mal ein richtiger Patriot, oder? Außerdem könnte ich jederzeit, wenn ich wollte, in die alte Heimat zurückkehren und mir – da ich sowieso unbescholten bin – eine hübsche Knarre ergattern –mehrere sogar. Und mit dem vielen Geld, das mir übrigbleibt (auch nachdem der amer. und der dt. Fiskus zulangten), könnte ich mir mühelos die teuersten und geilsten Waffen gönnen, die es gibt. Selbstverständlich nur die legalen.

Irgendwie schön ein Weltbürger im 21. Jahrhundert zu sein.

Danke Afrika! Danke Deutschland! Und danke USA!

Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest.

Das wünscht mit ganzem Herzen Ihr Sprachbloggeur

Integrieren Sie sich: Schpiek Doitsch, plies

Nein danke, von mir kein passioniertes Plädoyer für oder gegen den Gebrauch der deutschen Sprache zuhause bei Familie Ausländer.

Ich hab’s jedenfalls nicht getan. Im Gegenteil. Ich habe mit meinen Kindern konsequent Englisch gesprochen. Wahrscheinlich der Grund, weshalb ich bis heute gewisse Fehler mache, wenn ich Deutsch spreche – und schreibe. Vielleicht haben die Politiker doch recht, gell?

Erst letzte Woche stellte ich fest, dass ich, obwohl ich als Migrantler Jahrzehnte lang in Deutschland lebe, das Wort „Salz“ unentwegt mit dem falschen Artikel versehe. Ich war felsenfest überzeugt, dass es der und nicht das Salz hieß. „Der Salz der Erde“ tönte ich, wenn ich meine Deutschkenntnisse zur Schau stellen wollte. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass hier der Artikel falsch ist.

Bei der Vokabel „Zucker“ war die Fehlleistung andersrum. Das Zucker sagte ich stets.

Ja, vielleicht haben die Stimmviehtreiber doch recht. Vielleicht hätte ich dahoam mit der Familie doch nur Deutsch reden müssen. Zum Glück haben es die Kinder richtig gelernt.

Zum Beispiel gestern waren wir, d.h., meine Frau und ich, zu einem leckeren und prächtigen Essen eingeladen. Pute stand zwar nicht auf der Tageskarte, trotzdem kam ich im Lauf des Gesprächs dazu, über Puten (nicht Putin) zu reden. Ich sagte aber der Pute. Meine Frau korrigierte leise. Verdammt, dachte ich. Schon wieder ein Fehler.

Und ich dachte reumütig: Wenn wir daheim bloß die Sprache der Leitkultur benutzt hätten, dann wäre meine Pute bestimmt weiblich gewesen, und jeder hätte gedacht: Mei, ist der ja integriert. Aber nein. Ich talkte stets Englisch mit Frau und Kindern.

Zugegeben: Das Englische hat irgendwie einen anderen Stellenwert als viele Migrantensprachen. Meine Sprache wird sogar als Pflichtfach in der deutschen Schule unterrichtet und ist oft unentbehrlich für den Beruf. Gleiches kann keiner behaupten, dessen Muttersprache, Bangla, Ma’alula oder Tagalog ist.

Im Nachhinein denke ich, dass Freund E. es vielleicht richtig gemanagt hat. Er, wie ich, gebürtiger Amerikaner, hat nie mit seinen Kindern English getalkt. Im Gegenteil. Jahrelang hab ich ihm eingeschärft: „Es wäre für sie eine einmalige Gelegenheit! Es wird ihnen später auch in der Schule und im Berufsleben weiterbringen!“ Seine Antwort war stets: „Yeah yeah.“

Inzwischen ist sein Sohn J. im Gymnasium. J. erzählte mir neulich von seiner Englisch Schularbeit. Eine Frage lautete: „Bitte mit der richtigen Präposition ergänzen: There are many cars parked___ the street.“ J. antwortete die Frage mit „on“, was eigentlich richtig ist. Vielleicht hat ihm sein Vater irgendwie doch durch Osmose etwas Englisch ins Ohr gesetzt. Die Lehrerin war mit J.‘s Antwort allerdings nicht einverstanden. Sie meinte, es müsse „in“ heißen.

„Welche Antwort ist denn richtig?“ fragte mich J.

„ˈOnˈ“, erwiderte ich. „Deine Lehrerin hat’s falsch im Ohr.“

„Das habe ich auch gemeint“, funkte nun E. dazwischen.

„Sag es ihr denn.“

„Sinnlos. Sie glaubt uns ohnehin nicht“, entgegnete J. resigniert.

„Sag ihr denn, dass sie sich mit dem Sprachbloggeur in Verbindung setzen sollte …“

Das hat die Lehrerin bisher leider nicht getan. Wahrscheinlich ist auch sie davon überzeugt, dass Migrantler zuhause lieber Deutsch reden sollten.
Verdammt! Ich habe irgendwie doch ein Plädoyer über dieses Thema geschrieben!

PS: Nächster Beitrag in zwei Wochen. Bin weiterhin auf Forschungsreise.

Kennen Sie den Witz mit dem Fanatiker und seinem Opfer?

Fanatiker: Mach dich fertig. Ich werde dich töten.

Zufallsopfer: Augenblick, bitte. Ich muss hier etwas fertig machen. (er werkelt weiter) Also jetzt. Tut mir leid, ich habe nicht genau aufgepasst. Was haben Sie gesagt? Ich soll etwas fertig machen? Tja, gerade das hab ich eben getan. Als würden Sie meine Gedanken lesen.

Fanatiker: Nein, nicht dass du etwas fertig machen sollst. Ich hab gesagt, du sollst dich fertig machen, denn ich werde dich töten.

Zufallsopfer: Ach soooo. Sie wollen, sozusagen, mich fertig machen. Naa?

Fanatiker: So kann man es auch sagen.

Zufallsopfer: Und warum, wenn ich fragen darf?

Fanatiker: Ich soll dir einen Grund geben?

Zufallsopfer: Ja, bitte.

Fanatiker: (er überlegt)

Zufallsopfer: Na, was ist? Hat‘s Ihnen die Sprache verschlagen?

Fanatiker: Sei nicht so frech, du Glaubensloser.

Zufallsopfer: Und wie kommen Sie ausgerechnet auf die Idee, mich umzubringen?

Fanatiker: Gott will es.

Zufallsopfer: Ach so. Gott will es. Und wie wissen Sie das, wenn ich fragen darf?

Fanatiker: Was stellst du für dumme Fragen! Er hat mit mir gesprochen.

Zufallsopfer: Soso, er hat mit Ihnen gesprochen. Äääm, tut er das oft?

Fanatiker: Ja, natürlich. Täglich. Mit dir spricht er bestimmt nicht. Solche wie du sind ihm zuwider, weil ihr ungläubig seid.

Zufallsopfer: Aber sagen Sie. Vielleicht können Sie mir verraten, was er, wenn er mit Ihnen redet, für eine Stimme hat?

Fanatiker: Wie bitte?

Zufallsopfer: Ja, was er für eine Stimme hat. Hat er eine tiefe Stimme? Eine hohe Stimme? Eine angenehme Stimme? Eine bebende Stimme? Eine sanfte Stimme? Verstehen Sie, was ich meine?

Fanatiker: Ja, schon, aber ich habe mir nie darüber Gedanken gemacht.

Zufallsopfer: Versuchen Sie’s mal…bitte.

Fanatiker: Tja. Irgendwie…hmmm…irgendwie klingt
er….hmmm…ja…irgendwie klingt er wie du.

Zufallsopfer: Wie ich?

Fanatiker: Ja, wie du.

Zufallsopfer: Wenn das so ist, kann es vielleicht sein, dass…ääh… ich Gott bin. Oder?

Fanatiker: Unerhört! Frechdachs! Wie kannst du so was behaupten? Das ist pure Gotteslästerung! Außerdem ist Gott kein Mensch.

Zufallsopfer: Und wieso sind Sie so sicher, dass ich Mensch bin?

Fanatiker: Weil ich dich umbringen werde.

Zufallsopfer: Und wenn ich nicht sterbe? Was machen Sie dann? Dann stecken Sie ziemlich tief in der Klemme, mein lieber scholli.

Fanatiker: Ich mag dich nicht.

Zufallsopfer: Wenn ich aber Gott bin, dann magst du Gott wohl nicht.

Fanatiker: …………

Ja, liebe Lesende, ich will nicht verraten, wie dieser Dialog ausgeht. Fest steht nur: Es handelt sich um einen sehr traurigen Witz. Eigentlich sollte kein Witz traurig sein. Außerdem sollte kein Witz so lang sein wie dieser.

PS: Nächster Beitrag in zwei Wochen. Bin noch immer am Forschen.

"Wir tragen deine Medien zu Grabe, Mann“, sagt der Mittzwanzige

Fernsehfritze: Und? Hatten Sie och soʼn kuschliges, brennofenartiges Gefühl im Bauch, als Sie im Fernsehen die Feier zum fünfundzwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls guckten?

GlaubenS‘ mir, wir ha‘m uns große Mühe jemacht, Ihnen so ein warmes Jefühl zu vermitteln. Kann ohnehin nich jeder dort am Brandenburgtor sein, um die Prominenz zu begucken, ja die alten Legenden wie Lindenburg, ick meine Lindenberg (den Namen bring ick immer durcheinander), Barenboim, Gabriel und wie s‘ alle heißen. Is echt spitze, wat?

Mittzwanziger: Wovon redet der Typ? Was für Feier im Fernsehen?

Fernsehfritze: Sagen Sie mir bloß nicht, Sie haben die
Feierlichkeiten verpasst?

Mittzwanziger: Verpasst? Trimm dich, alter. Wie kann man etwas verpassen, wenn man gar nicht weiß, dass es war? Ich hab keinen Fernseher.

Fernsehfritze: Sie machen Witze. Oder? Jeder hat ʼnen Fernseher. Sie wollen mir nicht etwa weismachen, dass Sie nie MTV oder Viva, oder Nickelodeon, oder Comedy Central gucken?

Mittzwanziger: Was gucken?

Fernsehfritze: O je. Ich bekomme die Krise.

Mittzwanziger: Sie haben sie wohl schon lange, Mann…

Hallo, liebe Lesende, hier spricht der Sprachbloggeur. Ja, obigem Gespräch kann man überall lauschen, wo Fernsehfritze auf Mittzwanzigen trifft. Neulich hab ich eine amer. Statistik (Ofcom Annual Report 2014) gelesen, wissen Sie. Die Frage wurde gestellt: „Welches würde Ihnen am meisten fehlen: Zeitungen, Radio, PC, Handy, TV?“ Von den über 65jährigen hielten sage und schreibe ca. 70% den Fernseher für unverzichtbar. Unter 16-24jährigen waren es nur noch 13%. Dafür hätten von dieser Gruppe 47% das Handy als unentbehrlich eingestuft. Hmmm.

Übrigens: Der Fernsehfritze trägt Bluejeans und eine sehr coole Lederjacke – er ist natürlich ohne Krawatte. Sein Dreitagebart steht ihm, wenn ich ehrlich bin, recht gut, und die Armani-Brille ist durchaus geschmackvoll.

Sein Gegenüber hat ebenfalls einen Jeans an. Es sind Baggies. Man hätte gedacht, er wäre schon aus diesem Alter heraus. Die Schnursenkel seiner Sneakers sind ungebunden. Sein Bart ist schütter. Es scheint ihm nicht zu interessieren, dass die allerneuste Teenie-Auflage dazu neigt, enge Hosen und Jogginghosen zu tragen. Jedem das seine, sagt er achselzuckend unschuldig und denkt dabei nicht an Buchenwald. Fakt ist: Er weiß nur dunkel, was Buchenwald ist. Man erklärt ihm: Das war mal ein Konzentrationslager. Dort war am Schmiedeeisentor zu lesen: „Jedem das Seine“. „Ach, ja, ja, genau“, antwortet er unbeeindruckt.

„Wie wäre es“, sagt der Fernsehfritze, „wenn ich dir ein Fernsehgerät schenkte?“

„Nur, wenn Sie die Werbung wegmachen und ebenfalls das scheiß Fernsehgebühr“, antwortet der Mittzwanzige.

„Aber wovon sollen wir dann leben?“ fragt der Fernsehfritze? Man vernimmt die Verzweiflung in seiner Stimme.

„Ihre Sache“, sagt der Mittzwanzige.

„Sag mir im Ernst, was ich dir anbieten kann, damit du in die Glotze schaust?“

„Ich brauche Ihre Glotze nicht. Wenn Sie möchten, nehme ich aber gern ein Phablet an. Und wie wäre es mit einem kostenlosen Vertrag? Alles soll nix kosten – wenn’s geht.“

„Ja, aber irgendjemand muss die Zecke bezahlen. Hörst du auch Musik?“

„Ja, gern.“

„Auch Musiker müssen was verdienen.“

„Meinetwegen.“

„Und wie ist es mit den Nachrichten? Willst nicht über die Welt informiert sein?“

„Na klar.“

„Und wer, wenn ich fragen darf, soll die Journalisten bezahlen?“

„Mann, Sie stellen Fragen. Ich bezahle schon 34 Euro monatlich für mein Flatrate. Dazu muss ich Miete bezahlen und Essen kaufen. Meinen Sie, ich schwimme in Geld? Und dann soll ich mir auch das scheiß Fernsehgebühr und die Zeitung leisten? Mit 34 Euro (das ist bereits viel Kohle) sitzt man längst in der ersten Reihe. Sorry, Sie haben den Kontakt zur Wirklichkeit verloren.

In eigener Sache…wieder: Nächster Beitrag in zwei Wochen. Bin weiterhin…ummm…unterwegs.

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