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Retten Sie das Englische! Sprechen Sie Deutsch!

Bye bye, deutsche Sprache. Toodle loo! (Achtung Aussprache: tu-d‘-LU; heißt „bye bye“ oder „tata“).

Die Lage ist ernster als ich dachte, liebe Lesende. Hier der Beweis: Anfang September stieß ich auf einen Artikel in der Münchner Abendzeitung mit der Überschrift: „Schmähtitel für Münchner TU-Chef“. Es ging um eine Entscheidung des Präsidenten der Münchner-TU, Wolfgang Herrmann, dass künftig alle Master-Studiengänge der Technischen Hochschule ausschließlich auf Englisch abgehalten werden sollten. Die Begründung: Heute spreche die Naturwissenschaft Englisch.

Mit Entsetzen reagierte der zahnlose, 1998 gegründete Verein Deutscher Sprache auf dieses Vorhaben und erklärte Herrn (oder Doktor oder beide) zum „Sprachpanscher des Jahres 2015“.

Gähnen Sie schon, liebe Lesende? Ich nicht.

Seit Jahrzehnten beobachte ich, ziemlich unbeeindruckt, wie sich die Sprachpuristen Deutschlands aufregen, wenn ein paar coole englische Sprüche Deutschland im Sturm erobern. Sie wissen schon. Ich brauche hier keine Beispiele zu nennen. Ich jedenfalls hab das Phänomen immer ziemlich gelassen hingenommen. Denn Sprache unterliegt stets der Mode. Wissen Sie, wie sich Goethe und seine Compagnons unterhalten haben? Sie haben goutiert und contempliert und waren parbleu stark impressioniert, wenn etwas Ungewöhnliches passierte. Denn damals war Französisch die Kultursprache, und jeder, der au courant erscheinen wollte, hat gern ein bisschen Französisch in seine Umgangssprache inkorporiert. Nur: Finden Sie solche Wörter in Goethes literarischen Texten? Kaum. Und darum geht es.

Heute ist Englisch das Französisch der Gegenwart. Und why not? Doch sie werden feststellen: In der dt. literarischen Sprache, kommen die coolen words meiner Muttersprache nur selten vor. Also abregen und chillen. So war immer mein Rat…

…bis ich vom Vorhaben des Herrn oder Doktor Herrmann erfuhr, der die Studiengänge der TU gänzlich auf Englisch abhalten will. Nein, das geht mir zu weit.

Wissen Sie, warum?

Nein, das werden Sie nicht wissen. Fakt ist: In den vergangenen Jahren hatte ich Gelegenheit als Englischlehrer bei einer dt. Hochschule zu arbeiten. Es war eine schöne Aufgabe. Nur eins fand ich verwunderlich: Auf dieser Hochschule war Englisch die Unterrichtssprache schlechthin. Es war meine besondere Aufgabe, Studenten beizubringen, journalistische Texte in meiner Muttersprache zu schreiben. So konnte ich aus erster Hand die englischen Sprachfähigkeiten der Studierenden beobachten. Einige hatten tatsächlich ein brauchbares Gefühl für meine englische Muttersprache und haben sehr anständige Texte verfasst. Für die meisten hingegen wäre der Weg ins Englischsprachliche noch sehr lang und holprig geblieben. Ich weiß, wovon ich rede: Obwohl ich 40 Jahre in Deutschland lebe, bleibt mir Ihre Muttersprache immer noch eine Fremdsprache, mit der ich täglich zu kämpfen habe.

Wissen Sie, was es bedeuten wird, sollte die TU tatsächlich zur akademischen Oase meiner Muttersprache werden? Ganz einfach: Lehrkraft und Studierende werden sich gegenseitig mit schlechtem Englisch infizieren. Natürlich gäbe es Ausnahmen.

Für mich klingt ein solches Englisch, wie wenn man Kreide über eine Schiefertafel fährt und es zum Quietschen bringt. Noch trauriger: Die Sprachfehler von Lehrern und Studierenden werden sich in so einer Lehrsituation verewigen. Autsch.

Ich behaupte, dass deutsche Studenten und Studentinnen in Deutschland gern ihre schöne Muttersprache benutzen. Auf der Hochschule, wo ich unterrichtete und wo manche Studierende keine Deutschkenntnisse hatten, wurden fast alle nichtakademische Aktivitäten– also Partys, Rundfunksender, Band usw. – von deutschsprachigen Studenten und Studentinnen – immerhin in der Mehrzahl – organisiert und zwar auf Deutsch. Yes, they spoke German.

Deshalb meine bescheidene Bitte: Retten Sie meine schöne englische Sprache, liebe TU! Halten Sie Ihre Studiengänge auf Deutsch ab! Mir zuliebe…bitte.

Get the message, Mr. or Dr. Herrmann?

P.S. Warum muss es “Bachelor” und “Master” heißen? I mean, really…

Grundwortschatz für Flüchtlingsfans

Ich gebe zu. Ich bin ebenso zeitgeistabhängig wie fast alle. Das heißt: Schon wieder wollte ich eine dumme Polemik über das Flüchtlingsdilemma schreiben, konnte mich aber zum Glück im letzten Augenblick zurückhalten.

Stattdessen folgendes kleines, informatives Lexikon der wichtigsten Begriffe zum Thema Flüchtlinge.

Notabene: hier keine alphabetische Reihenfolge...

Flüchtling – hier selbstverständlich die wichtigste Vokabel. Denn ohne den F. gäbe es weder dieses Thema noch dieses Lexikon. Wichtig ist aber zu wissen, dass es zwei Weisen gibt, das Wort auszusprechen. Die eine erweckt im Hörer das Bild von abgefackelten Sammelheimen, von No-go-Zonen und von getrenntem Schwimmunterricht in der Grundschule. Die andere klingt so, als wollte der Sprecher auf der Stelle zum nächsten Bahnhof eilen, um hungrigen, müden Menschen zuzujubeln oder ihnen belegte Brötchen in die Hand zu drücken.

Asyl – ein Land in Europa, das westlich von Ungarn, nördlich von Italien und östlich von Frankreich liegt.

Journalist – ein Mensch, der die Pflicht hat, den Begriff „Flüchtling“ (s. da) so zu schildern, dass der Leser das Wort lediglich im zweiten Sinn verstehen darf.

Syrien – ein Land im Nahen Osten, das de jure von einem arbeitslosen Augenarzt, beherrscht wird, der Kritik schlecht erträgt. Der Weltbank zufolge lebten 2013 ca. 23 millionen Menschen dort. In Syrien spricht man hauptsächlich Arabisch.

Syrer – 1.) ein geschundenes Volk, das seit etlicher Zeit von einem arbeitslosen Augenarzt beherrscht und als Spielball ganz unterschiedlicher Mächte missbraucht wird (s. Syrien). Die meisten Syrer scheinen, zumindest im Asyl (s. da) männlichen Geschlechts zu sein. 2.) eine generische Bezeichnung für alle Flüchtlinge (s. da) auch wenn sie nur bruchstückhaft Arabisch sprechen. Hauptsache, man hat einen syrischen Pass (s. da).

Fotograf – kein Adelstitel, bezeichnet vielmehr einen Menschen mit einem Fotoapparat, der größer, teurer und flexibler einsetzbar ist als die allgegenwärtige Handykamera. Fotografen (mz.) arbeiten – genauso wie Journalisten (s. da) für die Medien (s. da). An Bahnhöfen sind sie angehalten, so viele Frauen und Kinder unter Flüchtlingen (s. da) wie möglich abzulichten und Männergruppen zu vermeiden.

Saudi Arabien– ein steinreiches Land im Nahen Osten, das als religiöser Mittelpunkt der islamischen Welt fungiert, weil sich dort die heilige Pilgerstatt Mekka befindet, wohin einmal jährlich ca. eine Million Pilger strömen. Die Saudis verfügen über eine vorbildliche Logistik und schaffen es für diese Menschen stets ausreichend Unterkunft zu organisieren. Islamische Flüchtlinge (s. da) werden in dieser Statistik nicht aufgeführt. Dafür hat sich Saudi Arabien bereit erklärt, allein in Deutschland (s. Asyl) 400 Moscheen zu stiften.

Schleuser –Menschen, die spezialisiert sind, Flüchtlinge (s. da) risikoreich zu befördern, um dabei selbst reich zu werden.

Medien – eine Art Sammelbegriff für die verschiedenen Formen der Nachrichtenvermittlung. Wie das Wort Flüchtling (s. da) hat „Medien“ verschiedene Bedeutungen. Es kommt immer darauf an, wer es ausspricht.

Pack – So heißen Menschen in den Medien (s. da), wenn sie sich kritisch übers Phänomen Flüchtlinge (s. da) äußern – wobei es ziemlich egal ist, ob die Meinungen plump oder differenziert dargelegt werden.

Syrischer Pass – ein gewinnbringendes Produkt der Schleusergemeinde (s. Schleuser). Neulich hab ich irgendwo gelesen, dass es mittlerweile mehr syrische Pässe gibt als Syrer (s. da).

Gutmensch – Kandidat fürs Unwort des Jahres.

Griechenland – ein Thema, das in den Medien (s. da) nicht mehr aktuell ist.

So viel zu meinem Lexikon der Grundbegriffe. Sicherlich habe ich das eine oder andere Wörtchen vergessen. Nächste Woche möchte ich endlich wieder über harmlose Themen schreiben… meinen Nerven zuliebe.

Mutter Merkel, Aylan Kurdi, und die Schöne Münchnerin

So will es der Zufall. Am gleichen Tag zwei ganz unterschiedliche Storys auf der Seite eins der Münchener Abendzeitung. 1.) eine über die Ankunft von 12.000 Flüchtlingen am Hauptbahnhof. 2.) die Nachricht, dass sich die hübsche zwanzigjährige Pia den Titel der Schönen Münchnerin geschnappt hat.

Auf der Seite drei liest man dann weiter übers Schicksal diverser Flüchtlingen – mit Bildern dazu natürlich. Blättert man ein paar Seiten weiter, stößt man auf Pia – und aufs große Bild. Sie trägt weiße Hotpants und schaut, so die AZ, reizend aus.

Willkommen in der bayerischen Hauptstadt, liebe Flüchtlinge, und Glückwünsche, liebe Pia.

Und Sie, liebe Lesende dieser Seite, willkommen in der Gegenwart.

Sorgfältig studiere ich die AZ Bilder von erschöpften Flüchtlingen – hie und da sehe ich Frauen oder Familien mit Kindern, die meisten scheinen aber willensstarke junge Männer zu sein – dabei sind auch Aufnahmen von Helfern, netten Menschen zu sehen; und dann beäuge ich die Bilder von der süßen Pia, und ich denke: Mensch, Bilder erzählen Geschichten.

Ja, so ist es. Und so wend ich mich jetzt zwei anderen Bildern. Das eine zeigt das Konterfei von Angela Merkel. Sie schaut freundlich aber bestimmt in die Linse, wirkt beinahe überirdisch in ihrer Güte. Es ist ein Bild wie eine Ikone – das mein ich im religiösen Sinn. Denn gerade dieses Porträt der Kanzlerin wird von Flüchtlingen überall verehrt.

Mutter Merkel reist überall mit: ob in kippligen Schlauchbooten, in überfüllten Zügen oder in zugeschweißten Lieferwagen. Sie marschiert auch am Gleis entlang in Richtung Deutschland mit und kommt endlich im Münchener Hauptbahnhof wohlbehalten an. Die Leidenden und die Sehnsüchtigen wissen genau, was das sympathische Gesicht bedeutet: Deutschland, Hoffnung, neue Chancen, Entkommen usw.

Ganz ehrlich: Wenn ich Menschenhändler oder Schleuser wäre, würde ich diese Ikone tausendfach drucken lassen und sie in jedem Flüchtlingslager des Nahen Ostens oder in den Camps an der Küste Libyens verteilen. Für diese kleine Investition verspricht sich nämlich ein Bombengeschäft – noch reichhaltiger als das Drucken und Verkaufen von gefälschten syrischen Pässen.

So viel zum ersten Bild. Das zweite ist anderer Art. Es ist ein schreckliches Bild von einem Kleinkind, das am Strand an der türkischen Küste liegt, als würde es schlafen. Das tut es, wie jeder inzwischen weiß, nicht – es sei denn, man möchte den Tod als einen ewigen Schlaf bezeichnen. Das Kind ist im Grunde ein Opfer des Menschenhandels, der momentan überall grassiert, wo es Menschen in Not gibt. Man kann es auch anders ausdrücken. Das tote Kind ist ein Symbol von gescheiterten Sehnsüchten. Aylan Kurdi, so hieß der kleine Bub, ist freilich keinesfalls das einzige Opfer des üblen Geschäftsmodels der Schleuser. Tausende sind mittlerweile auf den Weg nach Merkelland draufgegangen – davon auch viele namenlose Kinder. Aylan wurde zufällig fotografiert. Und siehe da! Die ganze Misere eines totbringenden Systems wird plötzlich sichtbar – auf ein Bild reduziert.

Oder man kann es anders sagen: Das schreckliche Bild vom toten Aylan dient dazu, Menschen ein schlechtes Gewissen einzujagen – vor allem in Europa, wo viele Menschen bereits einiges unternehmen. In anderen Ländern – etwa Saudi Arabien oder den Golfstaaten –, herrscht hingegen dieser Ikone zum Trotz immer noch Stillschweigen. Andere Länder, etwa der Iran oder die USA, bleiben lediglich bei ihren Lippenbekenntnissen.

Wäre ich als PR-Fritze bei einer Schleuserbande tätig, würde ich auch das Bild vom toten Aylan tausendfach vervielfältigen lassen. Denn auch dieses Bild ist gut fürs Geschäft. Es kann ausgezeichnet die Herzen der Menschen in den Aufnahmeländern erweichen. Was schließlich wichtig ist.

Immerhin: Es stehen in Afrika und im Nahen Osten mehrere Millionen Menschen in den Startlöchern, um Europa, koste, was es wolle, zu erreichen. Mittlerweile kann man kaum mehr zwischen echten Flüchtlingen und Migranten unterscheiden.

Aber egal.

Mich persönlich interessiert nur die Wirkung der Bilder. Zum Beispiel, die Bilder von Gutmenschen am Münchener Hauptbahnhof und an andren Bahnhöfen, die sich erschöpften Einwanderern zuwenden und diesen Beifall klatschen. Rührend.

Doch dann frag ich mich, wie es in ein paar Jahren aussehen wird. Werden die Neubürger in Merkelland die Schöne Münchnerin Pia mit den hübschen Beinen freundlich beklatschen? Werden sie denken, „Naja, ein bisschen albern aber im Grunde harmlos“. Oder werden sie eine künftige Pia mit Entsetzen betrachten und dann raunen: „Was sie da tut, ist unsittlich. Das Mädchen ist schlichtweg eine Hure.“?

Der Migrantler spricht den Flüchtling an

„Dein Blog ist nicht mehr zeitgemäß“, sagte G. zu mir. Wir kennen uns seit vielen Jahren, und er zählt zu den Stammlesern dieser Glosse. (Hallo G.! Grüß mir auch die Ch.!) „Deine Texte sind einfach zu harmlos.“

„Genauso will ich‘s“, antwortete ich. „Ich bemühe mich um meine Harmlosigkeit. Worüber sollte ich denn schreiben? Über den ISIS? Über die Ukraine? Über Flüchtlinge?

„Ja, über Flüchtlinge, zum Beispiel.“

„Meine Leser sind mir meine Flüchtlinge. Ich biete ihnen Zuflucht, wenn sie das Tagesgeschehen nicht mehr ertragen. Im Übrigen bin ich Sprachbloggeur und kein Kommentator für Spiegel-Online oder die Zeit usw.“

„Wobei es auch in der Politik vieles über die Sprache zu sagen gäbe.“

„Tja.“

„Schau Dir dies jetzt an.“ Nun hielt mir G. sein Handy entgegen. Es lief ein Video vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Freundliche Musik, blauer Himmel und Abbas, ein nett aussehender junger irakischer Flüchtling mit schnieke gestutztem Bart. Von Musik untermauert geht Abbas seinen Weg. Ein Sprecher erklärt dem Zuschauer alle Schritte, die für Abbas nötig sind, um sich in Deutschland als Flüchtling zu registrieren. Abbas zeigt seine Papiere, wird medizinisch untersucht, interviewt usw. Das Video dauert 17 Minuten.

„Das schau ich mir nicht ganz an“, sagte ich zu G. nach wenigen Minuten. „Was hat es mit dem Sprachbloggeur zu tun?“

„Es geht um die Sprache“, antwortete er. „Das BAMF hat dieses Video in zig Sprachen produziert und es überall zugänglich gemacht, damit Syrer, Iraker, Perser, Albaner usw. sich im Voraus informieren können, wie das läuft, wenn sie nach Deutschland kommen. Sie werden also regelrecht angelockt!“

Am nächsten Tag guckte ich mir das Video im Internet an. Man findet es ebenso schnell wie die Enthauptungspornos. Tut mir leid, G., ich hab nix Sprachliches entdeckt, worüber ich gern geschrieben hätte.

Eins ist mir allerdings aufgefallen: Abbas steht im Film mutterseelenallein da, und alle Beamten wirken entspannt, als würden sie endlos Zeit für ihn haben. Die Wirklichkeit sieht freilich anders aus. Abbas steht mit Tausenden Leuten Schlange, manche von ihnen sind seine Feinde. Er wartet ewig, bis er endlich dran ist. Man hat aber wenig Zeit für ihn, und die Beamten sind arg strapaziert.

„Die Deutschen haben ein großes Problem“, sagte G. zu mir. Sie wollen unbedingt ‚Gutmensch‘ spielen, stets um ihr Image im Ausland bemüht.“

Auch wenn er recht hat, darf ich so etwas öffentlich nicht behaupten. Ich bin, wie meine Leser wissen, Migrantler, ausländischer Mitbürger oder wie auch immer man das nennen will. Ich hab nicht einmal einen deutschen Pass. Das bedeutet nicht, dass ich mir keine Meinung übers hiesige politische Geschehen erlaube. Das tu ich aber nur als Außenstehender. Ich sage nie „wir Deutsche“. Das steht mir nicht zu. Es bleibt nur Deutschen überlassen, sich so deutlich über sich selbst zu äußern.

„Auch die Medien spielen ‚Gutmensch‘“, sagte G. Man zeigt Fotos von süßen, traurigen Flüchtlingskindern oder von Prominenten, die auf Willkommenpartys Flüchtlinge herzlich umarmen. Man erfährt fast gar nichts von den IS-Schläfern, die sich hier niederlassen. Auch die Details über die randalierenden Flüchtlingen, die ‚Allahu Akbar‘ skandierten, weil jemand angeblich eine Seite aus einem Koran rausriss, werden wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Und was ist mit den ‚Flüchtlingen‘, die die Christen ins Mittelmeer schmissen? Wehe, wenn man sich kritisch äußert. Man wird als ‚Pack‘ bezeichnet oder mit dem ‚N‘-Wort behaftet.“

Da ich nämlich selbst das Enkelkind von Flüchtlingen bin, von Menschen, die damals aus Europa vertrieben wurden und Zuflucht in den USA suchten, hab ich, lieber G., eine eigene Meinung über Flüchtlinge. Meine Großeltern blieben Zeit ihres Lebens Außenseiter. Es war kein einfaches Schicksal. Sie wollten aber, dass ihre Kinder es besser haben. Mein Vater wurde seine Komplexe trotzdem nie los. Er hatte furchtbare Angst, nicht als Amerikaner zu gelten und herrschte mich jedes Mal mit glühenden Augen an, wenn ich die Satzmelodie meiner Großeltern nachmachte. „Hör doch auf! Du wurdest hier geboren.“

Und nun bin ich selbst seit Jahrzehnten Migrantling. Echte Flüchtlinge – wie meine Großeltern –verlassen ihr Land nicht aus Spaß, sondern weil sie bedroht sind.

Doch nun ein Wort an die lieben Flüchtlinge: Willkommen in Deutschland, liebe Flüchtlinge. Es ist ein fremdes Land, wo Sie sich nie ganz zuhause fühlen wird – auch wenn Sie die Sprache einigermaßen beherrscht haben. Jahrelang werden sie als Nobody gelten. Vielleicht werden Ihre Kinder hier mal heimisch fühlen. Das heißt: wenn sie sich gut integrieren. Tun sie das nicht, wird Deutschland in 20 Jahren ein schreckliches Land sein: voll mit Parallelgesellschaften und No-go-Zonen. Alles ist möglich.

Das war schon immer das Schicksal von Menschen, die ihre Heimat verlassen haben. Ich weiß ganz genau, wovon ich rede.

Bye Bye LOL! Hallo Blowback!

Schon mal gehört? Das LOL ist out, hoffnungslos veraltet. Das hab ich gelesen. Denken Sie dran, wenn Sie das nächste Mal in Versuchung kommen, Ihre SMSen oder Mails mit LOLen zu spicken.

So ist es mit der Modesprache. Heute hui morgen pfui.

Ich selber muss nichts umstellen. Ich hab das LOL stets vermieden. Lange hab ich nicht mal gewusst, dass es für „laughing out loud“ steht. Ich war, als ich diesem Begriff das erste Mal begegnet bin, überzeugt, es müsse „lots of luck“ bedeuten…bis mich jemand korrigiert hat.

Würde ich auch heute „LOL“ in einem Satz verwenden, gäb es keine Garantie, dass ich’s richtig täte.

Übrigens: Ich hab ebenfalls gelesen, dass künftig alle LOLe durch „emojis“ (sprich: e-mo-dschis) ersetzt werden sollen. Mit emojis kenn ich mich noch schlechter aus – obwohl es sie seit einer gefühlten digitalen Ewigkeit gibt.

Diese Infos teil ich Ihnen nur nebenbei mit. Eigentlich will ich heute über ein ganz anderes Wort berichten: und zwar über den „Blowback“. (Ich denke, es ist ein „der“ und kein „das“).

Falls Ihnen dieses Wort noch unbekannt ist, bitte machen Sie sich keinen Kopf. Mir ist‘s genauso gegangen.

Ich bin ihm erst begegnet, als ich die Sache mit Ayoub El Khazzani erfahren hab. Erinnern Sie sich? So hieß der junge Mann, der im Schnellzug von Amsterdam und Paris mit einem Kalaschnikow, einer Pistole und einem Teppichmesser hantiert und für Aufruhr gesorgt hat, bis er von drei beherzten jungen Männern überwältigt und KO geschlagen wurde. Man hat ihm terroristischer Absichten bezichtigt. Er hat dies aber bestritten und beteuert, er habe die Waffen in einem Brüsseler Park nur zufällig gefunden und von den Mitfahrenden bloß ein bisschen Geld erpressen wollen.

Kann alles sein. Was weiß ich – auch wenn die Polizei konterte, dass er eine Zeitlang in Syrien war und auch dort wohl – kann man wenigstens annehmen – ein paar Waffen zufällig gefunden hatte.

Über diese Möglichkeiten werde ich hier aber nicht spekulieren. Mir geht es lediglich um den Begriff „Blowback“. Denn als einen solchen hat man in den Medien Herr Al Khazzani bezeichnet.

Wörtlich bedeutet „Blowback“ „Zurückgepustetes“. Als etwas Zurückgepustetes bezeichnen die Medien also diejenigen Europäer, die im Dienst des Terrors in Syrien und Irak unter Waffen standen, um dann nach Europa zurückzukehren, um frisches Unheil zu verpusten.

So weit so gut.

Nun hab ich selbst dieses mir unbekannte Wort „Blowback“ recherchiert. Ich hab, z.B., herausgefunden, dass es diese Vokabel seit ca. 1953 gibt – und zwar im Wortschatz des amer. Geheimdienstes, wo es allerdings gar nichts mit zurückgepusteten Terrortouristen zu tun hatte. „Blowback“ war vielmehr ein abstrakter Begriff und bezeichnete die unerwarteten negativen Konsequenzen eines geheimdienstlichen Unterfangens. Beispiel: Die Amerikaner haben 1980 in Afghanistan eine Gruppe Widerstandskämpfer, damals „mudschahadin“ genannt, ausgebildet, um sie gezielt gegen die Russen einzusetzen. Der „Blowback“ von diesem Manöver war eben das Entstehen der Taliban aus den Reihen dieser „mudschahadin“. Noch ein Beispiel: Israel hat die Hamas einst als Gegengewicht zur PLO gefördert. Der Blowback ist jedem bis heute bekannt. Heute würde man vielleicht auch „Bumerang-Effekt“ sagen.

Inzwischen ist der Sinn dieses Wortes wohl in Wandel begriffen. Sie bezeichnet keine abstrakte Situation mehr, sondern eine Einzelperson. Nebenbei: „Blowback“ wird auch im amer. Slang In einer ganz anderen, sehr vulgären Bedeutung benutzt. Können Sie selbst nachschlagen, wenn Sie möchten.

Manchmal denk ich, dass es Jammerschade ist, im Zeitalter der Blowbacks zu leben. Wenn die idiotischen Konsequenzen der Zurückgepusteten nicht so furchtbar traurig wären, würde man drüber vielleicht LOL sagen. Oder sich das passende, emoji aussuchen.

Frank Sinatra, Justin Bieber, Google® und ich – oder Ruhm hat seinen Preis

Ich war im Leben bisher zweimal berühmt. Glauben Sie‘s mir. Es ist nicht einfach.

Das erste Mal war 1998 – wir (d.h., ich und meine Familie) waren nach vier Jahren aus den USA nach Deutschland (also München) zurückgekehrt. In einem Text, der damals in der Münchener Abendzeitung auf der Seite Drei erschien, schilderte ich ein paar Eindrücke von Deutschland nach der langen Abwesenheit. Zum Beispiel, dass Käpt’n Iglo, der gütige, weißbärtige Matrose auf den Fischstäbchenpackungen einem jungen Armani-Dressman gewichen war, der sich nun als Käpt’n Iglo ausgab. (Ich glaube, der Weißbärtige ist inzwischen wieder da). Oder die Tatsache, dass Frauen ihre Achselhöhlen glatt rasierten. (Diese Intimität hatte ich in der U-Bahn beobachtet, wo Achselhöhlen aller Geschlechtsrichtungen häufig zur Schau gestellt werden). Ich hab mich ebenfalls über unsere neue Nachbarin gestaunt, eine ältere Dame mit lachsfarbigem Haar, die täglich ihre Tür zuknallte, als Protest, dass wir die Dreistigkeit hatten, im Lauf des Tages unsere Wohnungstür mehrmals zu beanspruchen. Sie wollte uns dann weismachen, dass die Hausregeln zu viele Ab- und Zugänge, wie wir tätigten, expressis verbis untersagte. Usw.

Lange Rede, kurzer Sinn. Der Artikel – inklusive Fotos von mir – wurde zum Hit, mit dem Ergebnis, dass ich eine Woche lang von fremden Menschen auf der Straße angehalten und gelobt wurde. Es waren immer liebenswerte Leute, die vielleicht meinten, ich sei auch privat ebenso witzig und unterhaltsam wie im Artikel, was natürlich nicht stimmte. Ich hab mir aber Mühe gegeben, sie nicht zu enttäuschen, was dennoch sehr anstrengend war. Glauben Sie‘s mir.

Zum Glück währte dieser Ruhm nur kurz, und ich war bald wieder wie bisher: ein Unsichtbarer.

Dann wurde ich zum zweiten Mal berühmt. Das war im Jahr 2003. Mein Sachbuch, „Kaspar Hausers Geschwister“, war eben erschienen und wurde von den Medien lobend beachtet: sogar im „Stern“. TV-Auftritte folgten, Interviews usw. Eines Tages war ich zufällig in einer Münchener Buchhandlung. Mir fiel auf, dass eine Frau dabei war, mein Buch zu kaufen. So was freut dem Autor immer. Ich ging aber im Laden weiter. Inzwischen aber hatte sie mich wohl (dank dem Autorenfoto) erkannt und kam zu mir angerannt, um eine persönliche Widmung zu erbitten, was ich auch gerne tat. Man fühlt sich doch geschmeichelt. Trotzdem war es mir peinlich – als hätte mich jemand aus dem Schutz meiner Anonymität gerissen.

Ja, und wie muss es wohl sein, wenn Sie Justin Bieber, Frank Sinatra, Rihanna usw. heißen? Sie werden von ganzen Horden umgarnt – Menschen, die in Ihrer Nähe sein wollen, um Sie anzufassen oder ein Autogramm zu erbetteln. Bald brauchen Sie Leibwächter, die teuer sind, und Strategien, um die Papparazzi zu entfliehen. Ätzend.

Ich komme auf diese Gedanken, weil ich neulich gelesen habe, dass sich sogar Google® wegen seiner Bekanntheit Sorgen macht. Genauer gesagt: Diese Megafirma fühlt sich gar nicht geschmeichelt, dass alle inzwischen die Dinge „googeln“ (Englisch „to google“).

Gleiche Sorgen haben auch andere Firmen, z.B. Tesafilm® oder Tempo® oder Xerox®, weil der Produktname so beliebt ist.

Was ist dabei so schlimm?

Ganz einfach: Wenn ein Firmenname gleichbedeutend mit einem Produkt wird, kommt es vor, dass der Kunde fremdgeht. Er legt sich Papiertaschentücher einer anderen Firma (vielleicht billiger) in den Einkaufswagen und ist trotzdem der festen Meinung, er habe eben Tempos® gekauft. Usw.

Oder er will etwas im Internet recherchieren – sagen wir bei Yahoo® –, und behauptet, er habe die Sache „gegoogelt“.

Deshalb mein ich: Ruhm fordert immer einen hohen Preis.

Schäler oder Hobler?

Erster Zufall: Ich besuche einen Wiener Supermarkt und will einen Tütensalat kaufen.

Zweiter Zufall: Es gibt keine Tütensalate, lediglich eine in Folie gewickelte Schalenkombi mit Blattsalat, Gurken und Karottenschnipseln.

Dritter…kreativer…Zufall: Am nächsten Tag, komm ich nun, weil mir die im Salat beigemischten Karotten so geschmeckt haben, auf die Idee, selbst Karotten zu kaufen und diese einem eigenen Salat beizumischen. Man braucht aber zu diesem Zweck ein Gerät, mit dem man die Karotten schnippelt. Dieses Werkzeug wird von vielen Menschen als „Schäler“ bezeichnet.

Vierter Zufall: Ich entdecke in unserer Wiener Ferienwohnung den passenden Schäler. Er ist hufeisenförmig mit einer beweglichen Klinge und mit einem Stiel zum sicheren Greifen. Die Sache klappt bestens. Auch Zuhause haben wir einen Schäler. Er ist aber messerförmig, und ich mag ihn nicht, weil sich die Karottenstücke in der Klinge verhängen. Sehr ärgerlich.

In München zurückgekehrt, nehm ich mir vor, mir so einen hufeisernen Schäler, wie aus Wien, selbst zu erstehen. Und das tu ich auch. Er funktioniert tadellos. Seitdem werden meinen Salaten stets Karotten beigemischt.

Genug Hintergrund. Jetzt zum Problem…

Neulich war ich im Paradies – Sie wissen schon, mein Lieblingsobstundgemüseladen – und schwärmte von meinem neuen hufeisenförmigen Schäler. „Damit kann ich innerhalb einer Minute eine ganze Karotte mühelos schälen“, prahlte ich.

Frau M. antwortete aber nicht. Im Gegenteil. Sie hielt kurz inne und schaute mich ein bisschen skeptisch an. „Um ehrlich zu sein, Herr Sprachbloggeur“, sagte sie endlich. „halte ich es für unnötig, Karotten zu schälen. Somit gehen wertvolle Vitamine verloren, vor allem, wenn Sie sie kochen.“

„Kochen? Nein“, antwortete ich, „Ich meine Karotten für einen Salat.“

„Ach so, für den Salat. Sie meinen also, dass Sie die Karotten hobeln. Jetzt hab ich verstanden.“

Jetzt kapierte auch ich das Missverständnis. Als ich von „schälen“ redete, dachte sie ans Entfernen der äußeren Haut der Karotte. Nun aber hielt ich kurz inne. „Sagen Sie. Heißt das Ding, das ich gekauft habe ein ‚Schäler‘ oder ein ‚Hobler‘?“

„Wenn überhaupt, hieße es nicht ‚Hobler‘, sondern ‚Hobel‘. Aber ein Hobel ist auch wiederum was anders.“

„Aber ich hobel damit. Oder?“

„Eigentlich schon…“

„…denn warum wird’s nicht ‚Hobel‘ genannt?“

Sie zuckte etwas hilflos mit den Achseln.

„Wie muss man das Ding, das ich gekauft habe, denn nennen?“

„Ich würde dazu ‚Sparschäler’ sagen.“

„‘Sparschäler‘? Noch nie gehört. Warum das? Spart man etwas, wenn man es gebraucht? Oder ist das vielleicht eine Abkürzung für ‚Spargel‘?“

„Ich weiß es wirklich nicht, aber letztendlich sind Sie der Sprachbloggeur und nicht ich…“

Hier dann jetzt, liebe Frau M., die von mir recherchierte Erklärung für „Sparschäler“…

Ein gewisser Sauerländer, Herr Albert Deimel, ließ 1936 dieses Werkzeug patentieren. Er nannte es „Sparschäler“, um darauf hinzuweisen, dass die besonders fixierte Klinge „sparsame“ Karottenschnipsel lieferte. Wäre die Klinge verstellbar gewesen, hätte man auch ganz klobige Karottenstücke schneiden können. Sein Schäler sollte also ein „Spar“-Modell sein.

So viel zum „Sparschäler“. Auf eine Antwort auf meine andere Frage bleib ich aber immer noch warten. Nämlich: Warum darf ich mit dem Schäler bzw. „Sparschäler“ hobeln, mit einem Hobel aber nicht schälen? Ungehobelte, unlogische deutsche Sprache…

Wo aber gehobelt wird…

Heute erfahren Sie, wie man Hochdeutsch steigert

Es begann mit einem Zufallsfund in einem Antiquariat: ein hübsches blau-weißes Bändchen mit dem provokativen Titel „Bairisch: das echte Hochdeutsch“, ein Titel aus der Reihe „Kauderwelsch“ –meistens sehr brauchbare Sprachführer für unterwegs.

Eigentlich brauch ich als Münchner keinen Sprachführer fürs Bairische, doch der Titel hat mich neugierig gemacht. Bairisch? Das echte Hochdeutsch? Da war ich gespannt, wie der Autor – er heißt Richard H. Kölbl – diese Behauptung glaubhaft machen wollte.

Doch leider weiß ich es immer noch nicht. Denn zufälligerweise blieb ich, beim Durchblättern, im Kapitel über die bairischen Versteigerungsformen hängen. Insbesondere hat mich seine Erklärung für diejenigen Adjektiven, die im Hochdeutsch mit dem Doppelvokal „ei“ versehen sind – z.B., „klein“, „breit“ und „heiß“ - interessiert. Auf Bairisch hoaßen die: „kloa“, „broad“ und „hoaß“. Herrn Kölbl zufolge sind die Regeln für die Steigerung solcher Wörter viel komplizierter als es mir bisher bekannt war.

Um mich genauer über dieses Thema zu informieren, hastete ich nun ins Paradies. Damit mein ich freilich meinen Lieblingsobstladen, wo ich gleich auf Frau M. und Frau D. traf.

Nach kurzer Begrüßung legte ich mit meinem Anliegen los: „Eine Frage: Könnten Sie mir bitte die Steigerungsform von ‚kloa‘“ sagen?

„Hä? Wovon?“ sagte Frau M.

„Hä? Wovon?“ sagte Frau D.

„Von ‚kloa‘“ Inzwischen war mir klar, dass ich das Wort falsch betont hatte. Wie peinlich. „Ich meine das Bairische für ‚klein‘“, fuhr ich kleinlaut fort.

„Also ‚klooa‘“ antworteten beide unisono.

„Ja, genau.“

Frau D. war als erste dran: „Kloaner“, sagte sie.

Dann Frau M.: „Kleaner“.

„Aha!“ sagte ich zufrieden. „Er hat doch recht.“ Ich meinte Herrn Kölbl freili, und ich erklärte, dass meinem „Kauderwelsch“-Büchlein zufolge die Steigerungsform „kloaner“ üblicher in der Stadt ist und „kleaner“ auf dem Land. Das hat mir nun die zwei Damen bestätigt. Eigentlich wollte ich nun weiter fragen – nämlich über die Steigerung von „broad“ und „hoaß“, doch ich kam vor lauter Aufregung nicht mehr auf diese Vokabeln.

Am nächsten Tag war ich wieder im Geschäft. Diesmal war Fr. D. nicht da. Ich interviewte Frau M. dennoch über die Steigerung von „broad“.

„Breader“, erwiderte sie spontan auf ländliches Oberbairisch.

„Ja, genauso steht es im Buch!“ sagte ich. „Und „hoaß?“

„Heasser. Zum Beispiel: Heit is heasser ois gestern.“

Nun war ich zufrieden. Wäre natürlich noch schöner gewesen, wenn ich zum Vergleich Frau D.s Antworten gehört hätte. Wahrscheinlich hätte sie „broader“ und „hoaßer“ gesagt. Aber so ist das Leben. „Aber ‚weiß‘ bleibt ‚weiß‘, auch wenn es noch ‚weißer‘ wird. Gell?“ sagte ich nun. Es sollte nur zum Abschluss ein Witzchen sein, wenn auch lahm.

Doch in diesem Augenblick erschien Fr. B. (nicht mit Fr. D. zu verwechseln). Sie trug einen Eimer voll mit schönsten Sonnenblumen und hatte offensichtlich meinen letzten Satz mitgekriegt. „Stimmt nicht“, sagte sie. „Farben haben keine Steigerung.“

Hmm. Nun musste ich überlegen. „Was ist aber, wenn ich sage, diese weiße Wand ist weißer als die andere?“

„Man kann es auch anders ausdrücken. Zum Beispiel: Dieses Weiß ist intensiver als das andere. So haben wir es schon in der Grundschule gelernt.“

„Ja, aber“, sagte Frau M. „Heißt es nicht in der Werbung: ‚Wäscht weißer als die anderen‘?“ Das war lieb gemeint. Sie wollte mir meine Niederlage ein bisschen abfedern.

„Und diese Wand ist von allen die weißeste“, legte ich nach – in Wirklichkeit meiner Sache längst nicht mehr sicher.

„Ja, und unsere Politiker tragen die weißesten Westen“, lachte Frau M.

Aber egal. Letztendlich hatte Frau B. recht. Und nun versteh ich, warum Bairisch das echte Hochdeutsch ist, Herr Kölbl, auch wenn ich das Vorwort zu Ihrem Buch immer noch nicht gelesen hab. Bairisch ist nämlich in gewissen Situation nicht nur das echte Hochdeutch, sondern ein echtes höhere Deutsch. Vor allem, wenn man weiß, das weiß weiß bleibt, (und blau blau…bla bla…usw.)

Flüchtlinge und Fluchlinge (bzw.: Kevin und Alpha-Kevin)

Nein, so wahnsinnig bin ich nicht, dass ich mit obiger doofer Überschrift versuche, an einer Debatte teilzunehmen, die sich bereits mit einfachen Antworten auf schwierige Fragen ausgezeichnet hat.

Trotzdem ist es mir klar, dass mein Schlagwort „Flüchtlinge und Fluchlinge“ geradezu vorbestimmt (zeitgenössisch: „vorprogrammiert“) wäre, als Slogan missbraucht zu werden. Notabene: „Slogan“ stammt aus dem Keltischen und bedeutet „Schlachtschrei“.

Doch keine neuen Schlagworte von mir. Mein Thema ist das Schlagwort selbst.

Arme Schriftsteller, arme Journalisten. Sie spielen so gern mit der Sprache. Es fällt ihnen leicht, spritzige Schlagworte zu erzeugen. Notabene: Im „Schlagwort“ steckt das Wort schlagen.

Hab ich „spritzig“ gesagt? Als ich noch Journalist war, drängte uns die Chefredaktion stets, „schpritzig“ zu schreiben. So ein Stil galt in der Branche als höchste Tugend. Man kann sich denken: ein schpritziges Schlagwort ist, so gesehen, das Nonplusultra des medialen Wortschmieds überhaupt.

Wissen Sie, was ein gelungenes Schlagwort wirklich ist? Es bedeutet, dass ein kontroverses Thema in eine Karikatur seines Selbst verwandelt wurde, dass ein kompliziertes Thema zum schwarz/weiß Bild reduziert wurde.

Und dann passiert es. Da Schlagworte nicht weniger ansteckend sind als Ebola, verbreiten sie sich schnell. „Lügenpresse“, zum Beispiel. Leider hab ich vergessen, wer dafür verantwortlich ist. Doch man kann augenblicklich mit diesem Slogan jedes vernünftiges Gegenargument zunichte machen. Etwa: „Ach was. Du zitierst nur die Lügenpresse usw.“ Aus, Apfi, amen. Ende der Diskussion.

Aber nun kurz zu „Alpha Kevin“. Dieser Slogan mit der Bedeutung „dümmster Mensch“ stand bis vor kurzem auf einer Liste der 30 „Halbfinalisten“ eines Wettbewerbs fürs „Jugendwort des Jahres“, der vom Langenscheidt Verlag gesponsert wird. Andere Kandidaten waren, z.B., „merkeln“ (bedeutet „nichts tun, keine Entscheidung treffen“ haha), „rumoxidieren“ (bedeutet „chillen“, also „nichts tun“, wohl „merkeln“ oder? hoho). „Kompostieren“ (bedeutet „gammeln“ – niedlich aber sagen das Jugendliche wirklich?).

Zum Glück hat‘s sich der Langenscheidt Verlag kurz vor Sendeschluss die Sache anders überlegt und überraschenderweise „A-K“ von der Kandidatenliste gestrichen. Man hat nämlich rechtzeitig erkannt, dass mit der Förderung dieses Begriffs jeder Mensch in Deutschland, der „Kevin“ heißt, verunglimpft wird.

Nebenbei: 1989 zählte „Kevin“ (Notabene: vom Irischen „hübsch von Geburt“) zu den 20 beliebtesten Knabennamen in Deutschland – populär geworden wahrscheinlich durch die Verbreitung des amer. Spielfilms „Kevin – allein zuhause“ mit dem niedlichen Kind. Und dann passierte es: 2009 wurde eine Magisterarbeit der Uni Oldenburg unversehens von den Medien aufgegriffen, worin eine junge Forscherin festgestellt hatte, dass Grundschullehrer/innen (in Oldenburg?) Vorurteile gegen diesen Knabennamen hegten. Die Lehrkraft brachte ihn nämlich oft in Zusammenhang mit der sozialen Unterschicht. Keine Ahnung, ob dieser Gedanke wirklich so verbreitet war und ist, wie in besagter Arbeit behauptet. Aber egal. Dank der großen Aufmerksamkeit durch die Medien, landete der Name Kevin schnell auf der – wie wir in Amerika sagen „shitlist“. Nomen wurde Omen.

Ich geh davon aus, dass es mal wieder mit dem Namen „Kevin“ Ruhe geben wird. Namen haben schon immer ihre ups and downs gehabt. Ich will nur sagen: Mit Schlagworten kann man innerhalb kurzer Zeit viel kaputt machen. Wahrscheinlich sind sie deshalb so beliebt. Fragen Sie Dr. Joseph Goebbels. Ein gut platziertes Schlagwort kann die Möglichkeit einer vernünftigen Diskussion schnell KO machen, was wohl das Erstreben seines Erfinders war.

Beispiel „Herdprämie“ als spritziges Schlagwort für „Betreuungsgeld“. Wen hat es aber interessiert, dass das Schlagwort ein bisschen an den Haaren herbeigezogen war? Wer sich mit dem Begriff „Herdprämie“ identifiziert hat, der hat schon alles verstanden, was er verstehen wollte.

Oder „Eurorebell“. So hat man den Politiker Wolfgang Bosbach bezeichnet, weil er eine abweichende Meinung zu den Hilfspaketen für Griechenland im Vergleich zu seinen Parteigenossen und anderen geäußert hatte. Mit dem Etikett „Eurorebell“ vermochte man seine Argumente gekonnt zu simplifizieren. Das will ein Schlagwort gern.

Aber zurück zum „Fluchling“. Das Wort hab ich nur als theoretisches Beispiel für ein Schlagwort erfunden: und es darf – außer für wissenschaftliche Zwecke – ohne Genehmigung nicht weiter verwendet werden. Schließlich hab ich das Copyright. Das eigentliche Thema Flüchtlinge ist ohnehin viel zu komplex, als dass es auf ein einziges dummes Schlagwort reduzieren lässt. Und glauben Sie mir: Ich habe tatsächlich eigene, differenzierte Meinungen zu dieser kniffligen Sache. Wer trotzdem versucht ist, aus einem differenzierten Sachverhalt verbales fastfood zu machen, hat wenig Verstand und macht sich letztendlich selbst zum Fluchling.

Ende der Vorlesung.

Hui-Pfui fürs Weh-Weh-Weh

Nein, obige Überschrift ist kein Chinesisch. Heute nehmen wir das Internet unter die Lupe, und zwar wie das im Netz üblich ist: durch eine Bewertung.

Jeder weiß, wie das geht. Man kauft sich einen Fotoapparat oder einen Staubsauger und gibt dann seine Meinung ab. Das kann man verschieden bewerkstelligen – durch einen langen oder kurzen Text, durch Sternchen – oder indem man eine Liste mit Plus- und Minuspunkten aufstellt. Letzterer Form werde ich folgen.

Nebenbei: Ich komme heute auf diese Idee wegen eines Erlebnisses aus jüngster Zeit. Ich hatte etwas über Amazon bestellt und wartete auf die Zustellung, die wie üblich per Mail angekündigt wurde.

Am Tag der Zustellung fand ich aber vor der Haustür lediglich einen Zettel vor – ausgestellt vom Lieferanten, der Firma DPD. Darauf stand in etwa: „Schade, leider haben wir Sie nicht angetroffen…“usw. Weiter erfuhr ich, dass sich das erwartete Päckchen im Geschäft gegenüber befinde. Komisch, dachte ich. Ich war die ganze Zeit zuhause. Hat jemand geläutet? Hab ich nix gehört? Ich bin also ins Geschäft gegenüber gegangen, um mein Päckchen abzuholen.

„Komisch. Ich war aber zuhause…“, sagte ich zu der Dame im Geschäft.

„…Er klingelt nie“, unterbrach sie „Ist ihm zu mühsam. Er trägt die Sachen immer direkt hierher. Es dauere ihm zu lang, wenn er bei jedem klingeln müsste, hat er mir gesagt.“

Um gerecht zu sein: Ich habe von Nachbarn Ähnliches über DHL und Hermes gehört. Nur: Diese Lieferanten klingeln wenigstens. Bloß: Wenn man nicht schnell genug die Wohnungstür erreicht hat, haben sie schon die Weite gesucht. Ich weiß auch warum, es so ist: Sie bekommen wenig Geld für ihre Arbeit und stecken obendrein im Dauerstress.

Was schließe ich daraus? Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Online-Dienste den Kundenschwund zu spüren bekommen. Die Zukunft heißt „Ladenverkauf“ oder im Laden bestellen und einen Termin für die Zustellung vereinbaren.

Nun zurück zu den versprochenen Plusminuspunkten zum Thema Weh-Weh-Weh im Allgemein:

- Online-Geschäft (siehe oben für die Gründe)

o Online-Nachrichten (Ja, man kann immer noch online die Nachrichten lesen. Doch wie lange noch? Immer mehr Zeitungen – und Zeitschriften – werden kostenpflichtig. Beispiele: SZ, Welt, NY Times, Wall Street Journal. Spiegel-Online bleibt noch eine Ausnahme…noch. Verständlich, dass alles mal –was kosten wird. Journalismus ist nun mal teuer, und man braucht Werbung und den Leserobolus, um das System schmeidig zu halten. Dann lieber gleich die Zeitung kaufen, sage ich. Sie ist ohnehin bequemer zu lesen – man sieht zeitgleich Überschrift und Text – , und sie ist stromfrei dazu – d.h., vielleicht umweltfreundlicher als das stromfressende Weh-Weh-Weh.)

o Online-Information (Für den schnellen Überblick ganz nett. Aber was ist, wenn man ins Detail will? Früher ging man in die Bibliothek und kehrte mit einem Stapel Bücher nach Hause. Heute arbeitet man lieber etwas oberflächlicher. Denn alles muss ohnehin schnell gehen. Okay, zugegeben: Wikipedia usw. sind wirklich nützlich und beizeiten hilfreich. Doch in die Tiefe gehen? Dazu braucht man noch…tut mir leid, aber ich muss ein Wort benutzen, das aus der Mode gekommen ist…dazu braucht man …Bücher)

Nun zu den Pluspunkten:

+ Cybercrime (Spitze! Ausgezeichnete Möglichkeiten!)

+ Cyberdschihad (Allahu akbar für dich und mich!)

+ Verschwörungstheorien (Es waren die Juden, die Amerikaner, die Schwulen…die Deutschen! Lies nur weiter)

+ Pornographie (Etwas für jeden Geschmack! Was kann man sich mehr wünschen?)

+ Hacking (for fun and profit)

+ Phishing („There’s a sucker born every minute“ – P.T. Barnum)

+ Werbung (buy buy buy buy buy buy buy buy buy buy usw.)

+ Spionage (NSA usw.)

+ Social Media (s. Verschwörungstheorien, Dschihad, Hacking usw. Außerdem bekommt man Einblick in den Urlaubsfotos alter Schulkameraden, die man seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hat.)

+ Email (s. Verschwörungstheorien, Phishing, NSA usw. Immerhin: Man spart an Briefmarken und Kuverts.)

+ Google (ein Diener, der – beinahe – alle Wünsche erfüllt – und erfühlt!)

++ Sprachbloggeur (Ist das nicht schön? Jeder Heini hat nach Lust und Laune die Möglichkeit ungeniert ins eigene Horn zu blasen.)

Fazit: Nur für Risikofreudige und Selbstdarsteller geeignet.

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