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Muttersprachler haben recht (auch wenn sie unrecht haben)

Ich war fest überzeugt, dass ich „Spiegel-Online“ bei einem Deutschfehler ertappt hatte. Mei, war ich stolz. Besagte Textstelle, eine Überschrift, lautete: „VW Vorstände bestehen auf hohen Bonuszahlungen“.

Ha! Gotcha! (got you) dachte ich. Es müsste eigentlich „auf hohe Bonuszahlungen“ heißen. Wie ein triumphierender Kreuzzügler marschierte ich nun, um etwas Brokkoli, Zucchini und Schwammerln zu kaufen, ins Paradies. Ich glaube, die guten Erdbeeren kamen auch auf die Theke.

Ich war am Zahlen und Eintüten und bestens gelaunt, als ich mich entschloss, meinen Sieg über Spiegel-Online Frau M., Chefin des Paradieses, mitzuteilen.

„Eine Frage über Sprache“, trillerte ich heiter.

Nun schaute mich Frau M. erwartungsvoll an. Vielleicht hat sie gedacht: Hmm. Welche Überraschung zaubert der Sprachbloggeur heute aus dem Hut?

„Klingt in Ihren Ohren folgender Satz richtig?“ Daraufhin trug ich den Spiegel-Online-Text vor.

Doch bevor Frau M. Zeit hatte, darauf zu antworten, funkte eine Kundin, die zufällig gegenüber von mir da stand, dazwischen: „Der Satz ist einwandfrei.“

Liebe Leser: Ich möchte an dieser Stelle auf die gängigsten Klischees über enttäuschte Hoffnungen verzichten, aber ich weiß nicht, wie ich das Auszischen der Luft, mit der ich mich aufgeblasen hatte, sonst schildern sollte. „Nein, das darf nicht sein“ war alles, was ich hervorbringen konnte.

„Doch, doch“, legte die Dame, ihrer Sache sicher, nach. „Es ist aber so. Nach ‚bestehen auf‘ steht auf Deutsch der Dativ.“

Das musste sie mehrmals wiederholen. Und jedesmal quittierte ich die Antwort mit einem verzweifelten „Wie soll man diese Sprache jemals lernen?“

Kaum zuhause konsultierte ich Dr. Google, da er alles weiß, um die Sache auf den Grund zu gehen. Jetzt wurde es spannend. Bald erfuhr ich, dass sich auch „Zwiebelfisch“, (bürgerlich Bastian Sick), ein leidenschaftlicher Kenner der dt. Sprache, mal mit diesem Thema befasst hatte. Sein Fazit:

„Bei ‚auf etwas bestehen‘ geht…beides [d.h. Dativ und Akkusativ - Anm. d. SB], man kann ‚auf seinem Recht bestehen‘ (wenn man darauf beharrt), und man kann ‚auf sein Recht bestehen‘ (wenn man es einfordert).“

Aha! dachte ich. Vielleicht hab ich ja doch recht. Eins irritierte mich dennoch: Wo liegt denn der große Unterschied zwischen „auf meinem Recht beharren“ und „mein Recht einfordern“?

Es ist keine dumme Frage, und ich war nicht der einzige, wie ich bald feststellte, der sie gestellt hatte. Am 26. Januar 2015, z.B., schrieb ein gewisser Julian auf der Webseite „Korrekturen.de“ über genau dieses Thema. Julian hatte damals im Duden gelesen, dass „bestehen auf“ mit Dativ im Sinne von „beharren auf“ und mit Akkusativ im Sinne von „einfordern“ gebraucht werden kann (wohl auch Bastian Sicks Quelle). Wozu Julian allerdings bemerkte: „Wobei man diesem Kriterium eine gewisse Schwammigkeit nicht absprechen kann.“

So ist es! stimmte ich erleichtert zu. Die Sache ist ja schwammig!

Auch eine gewisse Karla hatte sich am 23. April 2013 auf derselben Webseite zum Thema geäußert. „Ich würde keines von beidem als falsch bezeichnen“, meinte sie, „und also auch nicht nur eines als richtig, obwohl ich auch nur den Dativ gewöhnt bin.“

Hurra! jauchzte ich wieder erleichtert…doch eigentlich meinte ich „hurra für die Muttersprachler“. Denn für einen wie mich, den Dazugekommenen, gilt diese Entscheidungsfreiheit – dieses Infrage stellen der Sprache – nicht. Für mich, den Nichtmuttersprachler, darf in diesem Fall nur der Dativ als richtig gelten. Das ganze Rundherum bleibt für mich…auf ewig…nur edle Theorie – gut genug vielleicht für eine Glosse.

Ich denke manchmal an etwas, das mir ein Textchef antwortete, als ich vor vielen Jahren vor ihm eine Formulierung in meinem deutschen Text in Schutz nehmen wollte: „Schließlich ist es unsere Sprache, Herr Blumenthal.“

Dagegen hatte (und habe) ich nichts einzuwenden. (Achtung Flüchtlinge!)

PS Ich verstehe immer noch nicht, warum hier der Dativ korrekt ist.

Muttersprachler haben recht (auch wenn sie unrecht haben)

Ich war fest überzeugt, dass ich „Spiegel-Online“ bei einem Deutschfehler ertappt hatte. Mei, war ich stolz. Besagte Textstelle, eine Überschrift, lautete: „VW Vorstände bestehen auf hohen Bonuszahlungen“.

Ha! Gotcha! (got you) dachte ich. Es müsste eigentlich „auf hohe Bonuszahlungen“ heißen. Wie ein triumphierender Kreuzzügler marschierte ich nun, um etwas Brokkoli, Zucchini und Schwammerln zu kaufen, ins Paradies. Ich glaube, die guten Erdbeeren kamen auch auf die Theke.

Ich war am Zahlen und Eintüten und bestens gelaunt, als ich mich entschloss, meinen Sieg über Spiegel-Online Frau M., Chefin des Paradieses, mitzuteilen.

„Eine Frage über Sprache“, trillerte ich heiter.

Nun schaute mich Frau M. erwartungsvoll an. Vielleicht hat sie gedacht: Hmm. Welche Überraschung zaubert der Sprachbloggeur heute aus dem Hut?

„Klingt in Ihren Ohren folgender Satz richtig?“ Daraufhin trug ich den Spiegel-Online-Text vor.

Doch bevor Frau M. Zeit hatte, darauf zu antworten, funkte eine Kundin, die zufällig gegenüber von mir da stand, dazwischen: „Der Satz ist einwandfrei.“

Liebe Leser: Ich möchte an dieser Stelle auf die gängigsten Klischees über enttäuschte Hoffnungen verzichten, aber ich weiß nicht, wie ich das Auszischen der Luft, mit der ich mich aufgeblasen hatte, sonst schildern sollte. „Nein, das darf nicht sein“ war alles, was ich hervorbringen konnte.

„Doch, doch“, legte die Dame, ihrer Sache sicher, nach. „Es ist aber so. Nach ‚bestehen auf‘ steht auf Deutsch der Dativ.“

Das musste sie mehrmals wiederholen. Und jedesmal quittierte ich die Antwort mit einem verzweifelten „Wie soll man diese Sprache jemals lernen?“

Kaum zuhause konsultierte ich Dr. Google, da er alles weiß, um die Sache auf den Grund zu gehen. Jetzt wurde es spannend. Bald erfuhr ich, dass sich auch „Zwiebelfisch“, (bürgerlich Bastian Sick), ein leidenschaftlicher Kenner der dt. Sprache, mal mit diesem Thema befasst hatte. Sein Fazit:

„Bei ‚auf etwas bestehen‘ geht…beides [d.h. Dativ und Akkusativ - Anm. d. SB], man kann ‚auf seinem Recht bestehen‘ (wenn man darauf beharrt), und man kann ‚auf sein Recht bestehen‘ (wenn man es einfordert).“

Aha! dachte ich. Vielleicht hab ich ja doch recht. Eins irritierte mich dennoch: Wo liegt denn der große Unterschied zwischen „auf meinem Recht beharren“ und „mein Recht einfordern“?

Es ist keine dumme Frage, und ich war nicht der einzige, wie ich bald feststellte, der sie gestellt hatte. Am 26. Januar 2015, z.B., schrieb ein gewisser Julian auf der Webseite „Korrekturen.de“ über genau dieses Thema. Julian hatte damals im Duden gelesen, dass „bestehen auf“ mit Dativ im Sinne von „beharren auf“ und mit Akkusativ im Sinne von „einfordern“ gebraucht werden kann (wohl auch Bastian Sicks Quelle). Wozu Julian allerdings bemerkte: „Wobei man diesem Kriterium eine gewisse Schwammigkeit nicht absprechen kann.“

So ist es! stimmte ich erleichtert zu. Die Sache ist ja schwammig!

Auch eine gewisse Karla hatte sich am 23. April 2013 auf derselben Webseite zum Thema geäußert. „Ich würde keines von beidem als falsch bezeichnen“, meinte sie, „und also auch nicht nur eines als richtig, obwohl ich auch nur den Dativ gewöhnt bin.“

Hurra! jauchzte ich wieder erleichtert…doch eigentlich meinte ich „hurra für die Muttersprachler“. Denn für einen wie mich, den Dazugekommenen, gilt diese Entscheidungsfreiheit – dieses Infrage stellen der Sprache – nicht. Für mich, den Nichtmuttersprachler, darf in diesem Fall nur der Dativ als richtig gelten. Das ganze Rundherum bleibt für mich…auf ewig…nur edle Theorie – gut genug vielleicht für eine Glosse.

Ich denke manchmal an etwas, das mir ein Textchef antwortete, als ich vor vielen Jahren vor ihm eine Formulierung in meinem deutschen Text in Schutz nehmen wollte: „Schließlich ist es unsere Sprache, Herr Blumenthal.“

Dagegen hatte (und habe) ich nichts einzuwenden. (Achtung Flüchtlinge!)

PS Ich verstehe immer noch nicht, warum hier der Dativ korrekt ist.

Muttersprachler haben recht (auch wenn sie unrecht haben)

Ich war fest überzeugt, dass ich „Spiegel-Online“ bei einem Deutschfehler ertappt hatte. Mei, war ich stolz. Besagte Textstelle, eine Überschrift, lautete: „VW Vorstände bestehen auf hohen Bonuszahlungen“.

Ha! Gotcha! (got you) dachte ich. Es müsste eigentlich „auf hohe Bonuszahlungen“ heißen. Wie ein triumphierender Kreuzzügler marschierte ich nun, um etwas Brokkoli, Zucchini und Schwammerln zu kaufen, ins Paradies. Ich glaube, die guten Erdbeeren kamen auch auf die Theke.

Ich war am Zahlen und Eintüten und bestens gelaunt, als ich mich entschloss, meinen Sieg über Spiegel-Online Frau M., Chefin des Paradieses, mitzuteilen.

„Eine Frage über Sprache“, trillerte ich heiter.

Nun schaute mich Frau M. erwartungsvoll an. Vielleicht hat sie gedacht: Hmm. Welche Überraschung zaubert der Sprachbloggeur heute aus dem Hut?

„Klingt in Ihren Ohren folgender Satz richtig?“ Daraufhin trug ich den Spiegel-Online-Text vor.

Doch bevor Frau M. Zeit hatte, darauf zu antworten, funkte eine Kundin, die zufällig gegenüber von mir da stand, dazwischen: „Der Satz ist einwandfrei.“

Liebe Leser: Ich möchte an dieser Stelle auf die gängigsten Klischees über enttäuschte Hoffnungen verzichten, aber ich weiß nicht, wie ich das Auszischen der Luft, mit der ich mich aufgeblasen hatte, sonst schildern sollte. „Nein, das darf nicht sein“ war alles, was ich hervorbringen konnte.

„Doch, doch“, legte die Dame, ihrer Sache sicher, nach. „Es ist aber so. Nach ‚bestehen auf‘ steht auf Deutsch der Dativ.“

Das musste sie mehrmals wiederholen. Und jedesmal quittierte ich die Antwort mit einem verzweifelten „Wie soll man diese Sprache jemals lernen?“

Kaum zuhause konsultierte ich Dr. Google, da er alles weiß, um die Sache auf den Grund zu gehen. Jetzt wurde es spannend. Bald erfuhr ich, dass sich auch „Zwiebelfisch“, (bürgerlich Bastian Sick), ein leidenschaftlicher Kenner der dt. Sprache, mal mit diesem Thema befasst hatte. Sein Fazit:

„Bei ‚auf etwas bestehen‘ geht…beides [d.h. Dativ und Akkusativ - Anm. d. SB], man kann ‚auf seinem Recht bestehen‘ (wenn man darauf beharrt), und man kann ‚auf sein Recht bestehen‘ (wenn man es einfordert).“

Aha! dachte ich. Vielleicht hab ich ja doch recht. Eins irritierte mich dennoch: Wo liegt denn der große Unterschied zwischen „auf meinem Recht beharren“ und „mein Recht einfordern“?

Es ist keine dumme Frage, und ich war nicht der einzige, wie ich bald feststellte, der sie gestellt hatte. Am 26. Januar 2015, z.B., schrieb ein gewisser Julian auf der Webseite „Korrekturen.de“ über genau dieses Thema. Julian hatte damals im Duden gelesen, dass „bestehen auf“ mit Dativ im Sinne von „beharren auf“ und mit Akkusativ im Sinne von „einfordern“ gebraucht werden kann (wohl auch Bastian Sicks Quelle). Wozu Julian allerdings bemerkte: „Wobei man diesem Kriterium eine gewisse Schwammigkeit nicht absprechen kann.“

So ist es! stimmte ich erleichtert zu. Die Sache ist ja schwammig!

Auch eine gewisse Karla hatte sich am 23. April 2013 auf derselben Webseite zum Thema geäußert. „Ich würde keines von beidem als falsch bezeichnen“, meinte sie, „und also auch nicht nur eines als richtig, obwohl ich auch nur den Dativ gewöhnt bin.“

Hurra! jauchzte ich wieder erleichtert…doch eigentlich meinte ich „hurra für die Muttersprachler“. Denn für einen wie mich, den Dazugekommenen, gilt diese Entscheidungsfreiheit – dieses Infrage stellen der Sprache – nicht. Für mich, den Nichtmuttersprachler, darf in diesem Fall nur der Dativ als richtig gelten. Das ganze Rundherum bleibt für mich…auf ewig…nur edle Theorie – gut genug vielleicht für eine Glosse.

Ich denke manchmal an etwas, das mir ein Textchef antwortete, als ich vor vielen Jahren vor ihm eine Formulierung in meinem deutschen Text in Schutz nehmen wollte: „Schließlich ist es unsere Sprache, Herr Blumenthal.“

Dagegen hatte (und habe) ich nichts einzuwenden. (Achtung Flüchtlinge!)

PS Ich verstehe immer noch nicht, warum hier der Dativ korrekt ist.

Wo es lang geht (wo es kurz geht)

Sorry. Hier kein aufgebrachtes Entsetzen über die „Panama Papers“. Nicht bei mir. Falls Sie so etwas suchen, finden Sie alles, was Ihnen diesbezüglich eine Freude macht, bei den Kollegen der diversen Nachrichtenseiten.

Dieser Cyberschuster bleibt bei seinen digitalen Leisten. Heute möchte ich viel lieber über die deutsche Sprache lästern – wie gewohnt vom Standpunkt des Migrantlers.

Die heutigen Überlegungen beziehen sich auf meine Unfähigkeit, „in die Gänge“ zu kommen, ein Bild, das seinen Ursprung sicherlich im KFZ-Bereich hatte. In meinem Fall ist die Müdigkeit einem hartnäckigen „Jetlag“ verschuldet.

„In die Gänge kommen“. Als ich an obiges Idiom dachte, fiel mir ein, dass ich ebenso gut hätte schreiben können: „Heute komme ich nicht in die Puschen“.

Das sagt meine Frau nämlich, weil ihre Mutter in Berlin groß wurde.

Dann überlegte ich: Hmm, meine Frau sagt „Puschen“ mit kurzem „U“. Aber warum?

„Weil“, antwortet der deutsche Besserwisser, „der Vokal von drei Konsonanten („sch“) gefolgt wird. „Denken Sie, Herr Sprachbloggeur an ‚Busch‘. Auch kurz oder an ‚Wuschel‘ oder ‚nuscheln‘. Alles mit kurzem ‚U‘.“

„Ja, aber was ist mit ‚Dusche‘? Da wird das ‚U‘ lang gesprochen.“

„Nö, nö, nö“, Herr Sprachbloggeur. ‚Dusche‘ ist ein Fremdwort – wurde vom französischen ‚Douche‘ übernommen. Nur deshalb ist es lang.“

„Mag sein, lieber deutscher Besserwisser. Aber auch ‚Puschen‘ ist ein Fremdwort. Ich habe nämlich irgendwo gelesen, dass es vom slawischen ‚babuschka‘ hergeleitet wird und dass dieses Wort mit langem ‚U‘ gesprochen wird. Meine Frage: Wie soll ich wissen, ob eine Silbe lang oder kurz ist?“

Stillschweigen.

Wissen Sie, was mich ärgert? Wenn man Deutsch lernt (Achtung, Flüchtlinge!), bekommt man den Eindruck, dass es für beinahe alles (mit Ausnahme des Genus) handfeste Regeln gibt. Es wird einem, z.B., eingeschärft, dass ein Vokal lang ist, wenn es vor einem einzigen Konsonant und kurz wenn vor – mindestens – zwei Konsonanten steht: „Bote“, „Bottich“, „rot“, „Rotte“ usw. Da die Vokallänge im Deutschen sinnverändernd ist, muss der Fremde auf diese Längen genau achten. Ein „Staat“ ist keine „Stadt“. Wer diesen Regeln nicht folgt, gerät manchmal unfreiwillig in manche peinliche Situation. Er verwechselt „Ire“ und “Irre“, bezahlt „Ratten“ anstatt „Raten“ usw.

Die meisten Ausländer möchten sich gern anpassen, aber Fehler sind praktisch vorprogrammiert. Arme Ausländer. Zum Beispiel: Man fährt nach „Osten“. Natürlich ist das „O“ kurz – so will es die Regel. Doch dann kommt „Ostern“. Bis heute habe ich noch keine befriedigende Antwort auf die Frage gefunden, warum das „O“ in „Ostern“ lang und in „Osten“ kurz ist.

Okay, ich gebe zu. Es gibt wichtigere Probleme. Die Sache mit den „Panama Papers“ wird mit Sicherheit immer spannender. Doch Kleinvieh macht auch Mist und außerdem komme ich wegen des Jetlags ohnehin nicht in die Puschen.

Deshalb lasse ich‘s für heute. Schon jetzt geht mir die Puste aus.

„Puste“? Warum reimt sich „Puste“ nicht mit „Buste“? Wenn ich nur wüsste.

Über die Panama Papers zu schreiben, wäre bestimmt weniger anstrengend gewesen.

Idiomatisches Töten

Wie bezeichnet man es in der öffentlichen Sprache, wenn ein Terrorist (bzw. ein Lieblingsfeind) getötet wird?

Ich meine einen richtig bösen Terroristen (oder Lieblingsfeind), für den niemand großes Mitgefühl übrig hat: einen „Dschihadi John“, z.B., oder einen Abd al-Rachman Mustafa al-Qaduli, der als Finanzminister „second in command“ für den IS war und jüngst durch amerikanische Bomben…ähm…totgemacht wurde.

Ich stelle hier die – momentan – gängigsten Vokabeln aus den Medien und dem öffentlichen Leben fürs „Killing“ vor: „ausgeschaltet“, „liquidiert“, „neutralisiert“, „getötet“ – selten, sehr selten,„umgelegt“.

Also der Reihe nach…

„Getötet“ ist freilich ein langweiliges Wort – Geschmackrichtung biedere Vanille, würde ich sagen. Wenn einer wie Abd al-Rachman Mustafa al-Qaduli…ähm…ins Jenseits befördert wird, will der Medienkonsument oder der Kommentator im Wohnzimmersessel durch die passende Wortwahl eine gewisse Genugtuung verspüren. „Getötet“? Nein. Zu larifari.

Vielfach höre ich in letzter Zeit die Vokabel „neutralisieren“, wenn es darum geht, in knappe Worte das Ende eines besonders fiesen Bösewichts zu fassen. Für meinen Geschmack ein komisches Wort. Denn ein „Neutrum“ ist letztendlich ein Wesen ohne Eigenschaften: weder männlich noch weiblich, weder Fisch noch Fleisch. Es ist das dritte Genus in der Grammatik: die Versächlichung einer Existenz. Irgendwie seltsam, dass ausgerechnet dieses Wort einen so gefährlichen Sinn bekommen hat.

Und „Liquidieren“? Keine Ahnung, wie es dazu kommt, dass dieses Wort heute als Synonym für „abmurksen“ (viel zu vulgär für den öffentlichen Dialog) gebraucht wird. Eigentlich ist das „Liquidieren“ ein „Flüssigmachen“, ein „Verflüssigen“. Man macht einen Menschen zu einer Flüssigkeit, und dann fließt er ab.

Wenn ich mich richtig erinnere, hat man früher die „Beseitigung“ (auch ein schönes Wort, leider zu vornehm oder mal zu ironisch für den Massengebrauch) von in Ungnade gefallenen Mitstreitern Stalins als eine „Liquidierung“ bezeichnet. So war es jedenfalls im angelsächsischen Sprachraum („liquidate“).

Kann ein Abd al-Rachman Mustafa al-Qaduli liquidiert werden? Ich denke nicht. Nach meinem Sprachgefühl wird ein Mensch „liquidiert“ wenn der Kontakt zwischen Täter und Opfer direkter ist: am liebsten mit Augenkontakt. Eine Bombe abwerfen ist zu unpersönlich.

Mein Lieblingswort für diese Handlung ist auf Deutsch „ausschalten“. Es klingt so harmlos, als würde man lediglich den Stromfluss unterbrechen, um einen Raum zu verdunkeln. Wenn etwas (bzw. jemanden) „ausgeschaltet“ wird, hört man beinahe einen „Klick!“. Längst haben wir vergessen, dass das „Ein- und Ausschalten“ relativ neue Konzepte des elektrischen Zeitalters sind. Früher war das Schalten etwas anders. Denken Sie ans „Schalten und Walten“.

Abd al-Rachman Mustafa al-Qaduli „umzulegen“ mutet – mir zumindest – zu sehr nach Gangstersprache an. Ich meine „Gangster“ im früheren Sinn natürlich, als sich das Wort nur auf die organisierte Kriminalität bezog und nicht auf die Popmusik. Komische Vorstellung, jemanden umzulegen, als hätte man ihn woandershin platziert. Dieses Wort ist aber meines Erachtens viel zu plump für die öffentliche Diskussion. „Umbringen“ und „um die Ecke bringen“ gehören selbstverständig in die gleiche Kategorie.

Übrigens: Für Freunde der englischen Sprache hier nun die Lieblingsvokabeln aus unserem heutigen öffentlichen Tötungswortschatz: „Kill“ ist immer noch sehr häufig und beliebt (aber Vanille halt). Auch „neutralize“. „Liquidate“ kommt seltener vor. Besonders populär ist im Augenblick das „phrasal verb“ (Verb mit getrennter Präposition) „take out“.

„Take out“ kennt man im Denglischen als Bezeichnung für eine Bestellung im Restaurant, die man abholt und mitnimmt. Es hat aber – wie viele phrasal verbs – verschiedene Bedeutungen. Ein junger Mann kann, z.B., eine junge Dame „take out“. Das heißt, dass er sie ins Kino oder ins Restaurant einlädt. Natürlich kann man auch den Müll „take out“, also austragen.

„Take out“ im Sinne von „ausschalten“, „umbringen“ usw. ist eine Redewendung aus dem US-Militär. Ich weiß nicht, wie lange es in Gebrauch ist. Ein amer. Soldat „takes out an enemy combatant“.

Der Begriff klingt jedenfalls sehr macho. Vielleicht deshalb wird es auch vom US-Präsidenten benutzt, wenn er mitteilen will, dass Abd al-Rachman Mustafa al-Qaduli neutralisiert wurde. Man denkt: Mei, der Präsident ist richtig tough.

Damit haben wir für heute dieses Thema erledigt…

Flüchtlings-ABC

Lieber Flüchtling, liebe Flüchtlingin,

wie Sie sicherlich schon bemerkt haben, ist in Deutschland die geschlechtliche Gleichstellung ziemlich weit fortgeschritten. (Ich hätte Sie übrigens auch mit „liebe FlüchtlingInnen“ ansprechen können. Dies nur nebenbei).

Gestern hab ich mit R., einem alten Freund aus Amerika, telefoniert, den ich seit…sehr sehr langer Zeit nicht mehr gesehen habe. Ich verrate die genaue Zahl der Jahre lieber nicht. Es könnte nämlich passieren, dass sich unter meinen Lesern und Leserinnen (bzw. „Lesenden“ oder „LeserInnen“) ein/e Verleger(in) befindet. Dann hab ich die Chance einer Veröffentlichung meiner Bücher endgültig versaut – und zwar aus Altersgründen. (Notabene: Das Verb „versauen“ sagt man hier halt; ich hoffe, Sie verstehen es nicht als Dreistigkeit irgendwelchen Speisegesetzen gegenüber).

Freund R. spricht Englisch (bzw. Amerikanisch) mit demselben Akzent, den ich als Jugendlicher hatte, mit dem New Yorker Akzent also. Ich bin aber lange weg von der Heimat, und meine heimische Sprechweise hat nun sehr darunter gelitten. Ich stellte z.B. fest, dass R. gewisse Redewendungen verwendet, die mir gar nicht mehr eingefallen wären. Dafür klingt meine Sprache im Vergleich zu seiner sauber, dialektfrei und aufgeräumt…museumreif wie ein Fossil also.

Ja, das passiert, wenn man lange von der Heimat weg ist. Ihnen könnte es mal genauso ergehen, falls Sie sich entschlössen – nachdem der Wahnsinn daheim endlich vorbei ist – nicht nach Hause zurückzukehren.

Derweil werden Sie vielleicht mal die deutsche Sprache gut beherrschen. Ich gönne es Ihnen. Ich warne Sie aber: Manche werden zu Ihnen trotzdem sagen: „He, Sie sprechen ein sehr gutes Deutsch……für einen Ausländer.“ So etwas ist natürlich als Kompliment gemeint. Wenn man aber bestrebt ist, in die fremde Kultur einzugliedern, klingt es aber alles anders als ein Kompliment, erinnert bloß daran, dass man letztendlich doch fremd ist. Gleiches werden Sie feststellen, wenn einer (bzw. „eine“) sagt: „Ja, und wie ist es bei Euch?“ Notabene, dieses „bei Euch“ bedeutet immer: Es gibt ein Wir und ein Ihr. Sie bleiben stets das Ihr.

Immerhin werden Sie einige Vorteile haben, die mir bis heute nicht zustehen. Beispiel: Ein Verlag lehnte mein Buch „Wie ich die deutsche Sprache eroberte“ (notabene: Der Titel ist ironisch gemeint) aus folgendem Grund ab. Ich zitiere: „Als Amerikaner in Deutschland ist Ihre Geschichte naturgemäß sehr stark unterschieden von der von Migranten aus nicht-westlichen Ländern, und die machen das Gros aller Zuwanderer aus.“

Also los, liebe FlüchtlingInnen! Ihre Chance, SchriftstellerInnen in Deutschland zu werden (d.h.: einen Verlag zu finden), stehen viel besser als die meinen.

Ich gratuliere.

Trotzdem bitte ich um eins: Falls Sie ein Buch über Ihre Erlebnisse im fremden Deutschland schreiben, dann bitte: Jammern Sie nicht allzu viel über die schlechte Behandlung, die Ihnen bisweilen widerfahren ist. Meckern Sie nicht so arg viel über die Instinktlosigkeit der Deutschen, über den Mangel an Chancengleichheit, über die Tatsache, dass nicht jeder (jede) Sie herzlich empfangen werden usw.

Glauben Sie mir. Ich weiß, wovon ich rede. Nicht nur, weil ich selber Fremder in diesem Land bin, sondern weil meine Großeltern einst als Flüchtlinge in die USA einwanderten.

Ich sag es Ihnen gleich: Wenn Sie älter sind als zwölf, werden sie in der ersten Generation niemals zum Deutschen werden. Allein die Sprache wird Ihnen immer im Wege stehen. Erst die zweite Generation der Hiergeborenen könnte es schaffen. Die dritte Generation wird (wenn sie will) perfekt integriert sein. So erging es meiner Familie in den USA.

Nebenbei: Damals gab es kein Geld von der Regierung, keine Krankenkasse usw. Für meine Großeltern war es stets ein Kampf ums blanke Überleben. Bitte jammern Sie also nicht, liebe NeubürgerInnen, wenn alles nicht auf Anhieb klappt. Im Ernst.

Ihr Sprachbloggeur

PS in eigener Sache: Pause wegen Geheimstaatssache. Melde mich wieder am Ende des Monats.

„Newsweek“ und das Boko-Haram-Chaos

Zuerst etwas Hintergrund…

Vor einigen Jahren hatte ich „Newsweek“ abonniert. Damals gab es eine Abo-Aktion, und ich dachte: Warum nicht? Für das wenig Geld, kann ich’s riskieren, zumal ich jede Zeit kündigen kann, falls ich es mir mal anders überlege.

Ich abonniere Zeitschriften selten. Denn nach meiner bisherigen Erfahrung weiß ich, dass Verlage Anschriften ihrer Kunden gerne weiterverkaufen – auch wenn man dies expressis verbis verbietet. Das hab ich mal bei der „Herald Tribune“ erlebt. Um diese Eventualität zu kontrollieren, wende ich einen Trick an: Ich baue einen kleinen Fehler in meinen Namen oder meine Anschrift ein. Falls ich „junk mail“ – das postalische Äquivalent von „Spam“ – mit diesem Fehler erhalte, weiß ich, dass meine Daten verraten wurden. Genau dies ist mir bei „Newsweek“ widerfahren.

Als Reaktion kündigte ich das Abo. (Es dauerte allerdings nahezu ein Jahr und erforderte mehrere Anrufe und Emails, bis ich die 11,60 Euro-Restgeld endlich zurückerstattet bekam). Danach geriet „Newsweek“ für mich in Vergessenheit.

„Newsweek“ hingegen hat mich nie vergessen. Seit einem Jahr bekomme ich– täglich und unaufgefordert – Mails von der Nachrichtenzeitschrift. Es handelt sich um sogenannte „Teasers“, Schlagzeilen, die mich auf die weitere Lektüre einer Story neugierig machen sollen. Sobald man aber auf den Link klickt, um weiter zu lesen, bekommt man die Aufforderung , die Zeitschrift zu abonnieren.

Ich lese die „Teasers“ trotzdem. Warum nicht? Heute war einer über die islamische Terrormiliz Boko Haram aus Nigeria. Nebenbei: Wissen Sie was „Boko Haram“ bedeutet? Oft wird es in den Medien mit „westliche Kultur ist eine Sünde“ oder „westliche Kultur ist verboten“ übersetzt.

Nun hat mir Katschi – sie kommt aus Nigeria und arbeitet gelegentlich im Paradies, meinem Lieblingsobstundgemüseladen – erklärt, dass „boko haram“ Hausa-Wörter sind. Hausa wird im nördlichen Nigeria gesprochen. „Boko“ kommt vom englischen „book“ und wird insbesondere gebraucht, um „westliche“ Bücher und Kultur zu beschreiben. „Haram“ ist arabisch und bedeutet „verboten“. Der „Harem“, ist die Frauenabteilung eines Wohnhauses und ist für Männer „verboten“.

Aber zurück zu „Newsweek“. Im heutigen „Teaser“ war folgender Satz zu lesen:

„Despite claims they have been ‚technically‘ defeated, Boko Haram continue to wreack havoc in Nigeria’s northeast.”

Nun frage ich: Erkennen Sie in diesem Satz einen Sprachfehler?

Ich finde zwei.

Erstens: Das Wort „wreack“ ist falsch geschrieben. Und das im Zeitalter vom „Spellcheck“! Das Wort muss „wreak“ heißen, eine seltene Vokabel, die mit dem deutschen „rächen“ verwandt ist. Früher bedeutete es auch im Englischen „rächen“. Heute wird es nur noch im Sinne von „verursachen in einem negativen Sinn“ gebraucht. Meistens wird es mit „havoc“ („Verwüstung“) verwendet, auch mit „mayhem“ („Chaos“). Man kann auch „wreak terrible damage“ sagen.

Der/die Korrekturleser(in) (meistens sind es Frauen, da diese dröge Arbeit so schlecht bezahlt ist) hat die Form „wreack“ wohl deshalb durchgelassen, weil man dieses Wort heutzutage oft mit „wreck“, also „zerstören“ verwechselt.

Zweitens: „Newsweek“ macht „Boko haram“ zu einem Plural – wie „Taliban“. Normalerweise aber wird es aber im Singular benutzt – wie „Al Kaida“ oder „ISIS“.

Für mich ist obiges Beispiel ein Wink mit dem Zaunpfahl. Wäre Englisch Lateinisch, dann würde ich sagen, wir leben nicht im Goldenen Zeitalter dieser Sprache, sondern vielmehr im 5. Jahrhundert, als das Lateinische in Begriff war, restlos zu verfallen.

Und jetzt, liebe Deutsch Muttersprachler, wenden wir uns dem Deutschen zu…

Warum ich heute Hochdeutsch spreche

Sonntag war Tag der Muttersprache, und die Münchener Boulevardzeitungen haben viel Tamtam gemacht.

(Nebenbei: Man nennt solche „Feiertage“ in den USA „Hallmark Holidays“. Hallmark ist der größte Hersteller von Gluckwunschkarten.

Ich fange mit der AZ an. Am Freitag hod sie zwoa Seiten über die Zukunft des Boarischen brocht – samt Quiz über bairische Wörter und Redewendungen. Von den 30 kannte ich um die 20. Nicht schlecht für einen Zugeroasten, dad i song. Zum Beispiel: „Der kimmt daher wia a gsoizner Radi“ (wie ein Radischen mit Salz also). Das bedeutet „er ist weinerlich“. Oder „Woiger“ (mit „wälgern“ verwandt): ein „Teigroller“…usw.

Bei der Münchner TZ ging es noch heimatlicher zua: Die ganze Wochenendausgabe (mit Ausnahme der Finanzseiten, Automobilseiten, Immobilien – und natürlich des TV-Programms) wurde g a n z u n d g a r auf Bairisch gschriem.

Okay, es war nicht uninteressant. Manchmal habe ich gedacht: Mei, wenn die Zeitung jeden Tag – und nicht nur am dämlichen Tag der Muttersprache – auf Bairisch erschiene, könnte man sich daran gewöhnen. Das Bairische würde schnell („schnäi“ bzw. „gach“) zu einer Schriftsprache mutieren. Warum auch nicht?

Halt! Nicht so übereilig, Herr Sprachbloggeur. Diese Verwandlung würde Arbeit kosten, vui Arbeit.

Dies möchte ich aufgrund von zwei Beispielen veranschaulichen.

Beispui oans: „‘Schlechde Kommunikation‘“ is da haifigste Fella [Fehler], den de Chefs macha. Des hod a repräsendadive Umfra vo da Forschungsgruppe Wahlen fia de ZDF-zeit Dokumention…ergem.“ Was irritiert mich? Ganz einfach: Ich behaupte, dass dieser Satz gar nicht Bairisch ist, sondern einwandfreies Hochdeutsch. Lediglich ist die Schreibweise der Wörter Bairisch. Man könnte dies als „Bühnenbairisch“ bezeichnen. Oder hoid Folklorik.

Beispui zwoa: „Awa ned auf so a depperte Pseudo-Folklore-Art, sondern ganz locker und modern, einfach mit am klaren Blick auf die eigenen Wurzeln.“ Dieser Satz – mit Ausnahme der Vokabeln „ned“ und „depperte“ – ist pures Hochdeutsch.

Mein spontanes Fazit: Momentan ist das Schriftbairische weit davon entfernt, sich als eigenständige Sprache zu zeigen. Es hängt noch zu fest am Rockzipfel des Hochdeutschen.

Hier nun im Gegensatz ein anderes Bairisch. Und zwar the real thing: Renata hods gschriem. Sie is de Schützenmeisterin vo D’Denninger. Folgendes ist eine kleine Kostprobe aus ihrem Weihnachtsgedicht (zum Nikolausfest). Es spricht der Nikolaus: „De Ruatn hob i heier scho bundn/Schene kratzate Zweigl g’fundn.“

Manche Preißen bräuchten vielleicht eine Übersetzung fürs Obige. Das ist gut. Denn so kann man gleich ersehen, dass es sich hier um eine eigene dem Deutschen verwandte Sprache handelt – ähnlich dem Schwyzer Düütsch oder dem Platt. Schee, gell?

Das Bairische braucht mehr als eine folkloristische Ausgabe einer Boulevardzeitung am Tag der Muttersprache, um ihre Sprache zu pflegen. Die Bayern müssen ihre Sprache ernst nehmen, wenn diese überleben soll. Und wenn sie nicht überlebt, do san de Bayer säjbe schuid (sind selber schuld).

Beispiel: Als ich vor vielen Jahren nach München kam, gab es keine „Willkommenskultur“ für Ausländer und Preißen – auch nicht für Amerikaner. Die Bayern tuschelten zwar noch selbstbewusst in ihrer Heimatsprache – aber…und hier wird’s traurig: nur unter sich. Nur wenige haben es geduldet, wenn a Zugeroaster Bairisch redete.

Ich hatte also keine Chance, Bairisch sprechen zu lernen. Nicht nur ich… Deshalb feiern die Zeitungen heute einen Tag der Muttersprache. Und deshalb spreche ich Hochdeutsch. Pfiat di god, o Sprache der Bayern.

Warum ich Theodor-Wolff-Preisträger nicht werden darf

Schlechte Nachricht, treue Leser, Leserinnen.

Dieses Jahr darf der Sprachbloggeur mit keinem Theodor Wolff Preis ausgezeichnet werden. Schade. Ich war nämlich sicher, dass meine Chancen nicht schlecht stünden.

Ein Zitat aus den Wettbewerbsinformationen:

„Hierfür eignen sich besonders die klassischen journalistischen Stilformen - Hintergrundbericht, Reportage, Feature, Kommentar, Glosse und Leitartikel.“

Klingt wie der Sprachbloggeur, nicht wahr?

So jedenfalls hab ich gedacht: That’s right up your alley! sann ich. (Nebenbei: In England heißt das: „right up your street“. Man sagt über Amerikaner und Briten: „Ein Ozean verbindet uns, eine Sprache trennt uns“).

Der Preis soll einen Text aus dem Jahr 2015 beehren. Ich war überzeugt, dass mein Beitrag vom vorigen Jahr, „Retten Sie das Englische! Sprechen Sie Deutsch“, besonders dafür geeignet gewesen wäre.

Im Übrigen: Die drei Sieger erhalten je 6000 Euros Preisgeld. Ehrlich gesagt: Das Geld hätte ich auch gut gebrauchen können. Wenn Sie meinen, ich verdiene mir mit dem „Sprachbloggeur“ eine goldene Nase, dann irren Sie sich. Seitdem ich diese wöchentliche Glosse selbstständig betreibe – immerhin sind es beinahe sieben Jahre –, habe ich ihm zu dank insgesamt 950 Euros verdient – zuzüglich Mehrwertsteuer selbstverständlich.
Ich beklage mich nicht. Dennoch: Die 6000 wären willkommen gewesen. Oh well.

Ich habe meine Bewerbung genauso zusammengestellt wie auf dem Infoblatt erfordert: also, Text und Formular und Screenshot beigelegt. Immerhin: Dem Theodor-Wolff-Preis zuliebe habe ich endlich gelernt, wie man einen „Screenshot“ anfertigt. Jetzt kann ich jederzeit Screenshots machen. Auch das ist ein Gewinn.

Doch leider war der schöne Traum schon nach wenigen Tagen geplatzt.
Vor ein paar Tagen habe ich folgende Email erhalten:

„…vielen Dank für Ihre Bewerbung, die wir aber leider nicht aufnehmen können: Für den Theodor-Wolff-Preis sind nur Artikel zugelassen, die auf Webseiten von Zeitungen erschienen sind, nicht von Blogs.“

Eine Frechheit. Das war meine erste Reaktion.

Denn es bedeutet, dass eine Glosse in Blogformat (notabene: wir schreiben das Jahr 2016) nicht als ebenbürtig mit einer Glosse aus einer konventionellen Zeitung betrachtet wird.

Ich werde die Problematik anders ausdrücken: Als one-man-show genießt der Sprachbloggeur nicht die gleichen Rechte als die Mitarbeiter eines großen Unternehmens.

Meine Frage: Warum muss man, um pfiffige Glossen zu schreiben, als Schreibsklave bei einer Zeitung eingebettet sein?

Wäre schön, wenn die Leute beim Th. Wolff-Wettbewerb eine Antwort auf diese Frage finden würden.

Schade um die sechs Tausende. Ich hätte sie gut gebrauchen können.

Die „geistigen Brandstifter“: endlich beleuchtet

Ein schönes Bild „geistige Brandstifter“, nicht wahr?

Man denkt an jemanden, der kraft seiner Gedanken, eine Struktur (welche auch immer) wie durch einen feurigen Angriff zerstören will oder kann.

In jüngster Zeit stoße ich des Öfteren in den Medien auf diesen Begriff. Meistens freilich in einem politischen Zusammenhang. Was sonst?

Nebenbei: Ich kann mich nicht erinnern, dass ich der weiblichen Form, also „geistige Brandstifterin“, jemals begegnet bin, nicht einmal im Bezug auf den momentan Lieblings-bad-Menschen Frauke Petry (die mit den Karabinern an der Grenze). Komisch, dass man sie noch nie als g. Brandstifterin abgekanzelt hat. Kann es sein, dass die langsamen Entwicklungswogen der deutschen Sprache noch immer sexistischer geblieben sind als der heutige Zeitgeist? dass die Struktur der deutschen Sprache ebenso patriarchalisch strukturiert ist wie die Programmierung mancher maghrebinischer, syrischer und afghanischer grapschender Neudeutscher? Wer erinnert sich noch daran, welch Schwergeburt es damals war, die Vokabel „Kanzlerin“ aus dem Boden zu stampfen? Vielleicht sollte man Claudia Roth in dieser Sache einschalten, damit sie ein bisschen Tamtam macht. Kann sie gut.

Nur ein Gedanke.

Und noch ein Gedanke: Haben Sie gewusst, dass dieser Begriff von der „geistigen Brandstiftung“ selbst ein Neuling ist, dass er beinahe so geschichtslos in der deutschen Kultur ist wie obengenannte Neudeutsche?

Im Ernst. Früher (und damit meine ich erst vor ein paar Jahren) gab es die „geistige Brandstifter“ nicht. Früher hat man den Feind anders etikettiert – ich vergesse aber, wie.

Nachdem ich auf diese Idee gekommen bin, hab ich mich entschlossen, die Geschichte dieses Begriffs auf den Grund zu gehen. Was tut der halbwegs gebildete heutige Mensch, wenn er etwas wissen will? Er googelt! Und genau das hab ich getan.

Nebenbei: Früher wäre ich in die Bibliothek gefahren und hätte mehrere dicke Nachschlagwerke durchforstet, um den Werdegang des gesuchten Begriffs zurückzuverfolgen. Doch wer will so viel Zeit investieren, um sich über so eine Kleinigkeit wie die Geschichte der geistigen Brandstiftung zu informieren? Man hat auch anderes zu tun.

Immerhin habe ich dank meiner Google-Suche enetdeckt, dass Max Frisch eventuell etwas mit dem Entstehen des Begriffs zu tun hatte. Anfang der 1950er Jahre erschien sein Theaterstück „Biedermann und Brandstifter“. Da ging es irgendwie um geistige Brandstifter. Nur, die Vokabel „geistig“ blieb noch expressis verbis unerwähnt.

Leider hat meine Google-Suche meinen Wissensdurst nicht befriedigt. Infolgedessen bin ich der Sache doch nach der alten Methode angegangen: Ich habe nämlich mein „Wörterbuch der deutschen Umgangssprache“ von Küpper aus dem Regal geholt. Bei Küpper findet man fast alles. Ein tolles Buch. Nur, die „geistigen Brandstifter“ fehlten bei ihm vollkommen. Unter Stichwort „Brandstifter“ bin ich lediglich auf „hochprozentiger Schnaps“ gestoßen. Unter „geistig“ bringt Küpper auch nichts. Ich habe nur „geisttötend“, „Geistesfurz“ und „Geisthammer“ (Letzteres bedeutet „Rauschgift“) gefunden.

Mein Fazit: Die „geistigen Brandstifter“ sind tatsächlich Neuankömmlinge in der deutschen Sprache. Ich weiß aber immer noch nicht, woher sie kommen. Vielleicht weiß jemand mehr drüber als ich.

Eins steht aber fest: Der „geistige Brandstifter“ ist immer der andere. Ähnlich dem „Spießbürger“, bzw., „Spießer“. Die sind auch immer die anderen.

Kein Mensch kommt auf die Idee, sich selbst als „Spießer“ zu bezeichnen. Das weiß man längst. Erst recht will keiner sich als „geistigen Brandstifter“ verstehen.

Oder nicht?

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