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Vom „Negerküsschen“, „Zigeunerschnitzel“ usw.

Darf man noch mauscheln?

Diese Frage stellte mir neulich Freund O. Ich zitiere: „Neulich bei der Sitzung vom Kunstfond hat jemand mauscheln gesagt. Eine Künstlerin im Kuratorium hat sich daraufhin empört und gemeint, das sei ein antisemitischer Begriff. Stimmt das?“

Was meinen Sie, liebe Lesierende? Darf noch gemauschelt werden?

Zugegeben: Kein freundliches Wort. Laut Kiki (oder wie auch immer Google seinen neuen KI-Bot nennt) bedeutet „mauscheln“: „unter der Hand in undurchsichtiger Weise Vorteile aushandeln, begünstigende Vereinbarungen treffen, Geschäfte machen“.

Brrrr. Eiseskälte spürt man, wird einem das Mauscheln vorgeworfen.
Umso schlimmer ist die Sache, wenn man, wie genannte Künstlerin im Kuratorium, diese Vokabel erkennt als etwas aus der antisemitischen Kiste, was übrigens stimmt.

„Mauscheln“ ist die westjiddische Form von „Mose“. In der besser bekannten ostjiddischen Sprache sagte man „Mojsche“ bzw. „Mäjsche“. Mein seliger Schreibmentor Gerhard Peter Moosleitner wurde von seinen Freunden und Bekannten „Mojsche“ genannt. Kein Mensch hat da allerdings Antisemitisches heraushören können. Zudem war dieser „Mojsche“ bekannterweise sehr sehr katholisch.

Beim „Mauscheln“ ist es vielleicht doch etwas anders. Denn eigentlich will man mit dieser Vokabel „wie Mausche reden“ sagen. Was natürlich verstanden wird als „unter der Hand in undurchsichtiger Weise…“ usw.

Nebenbei: Es gibt noch ein „au“ Wort in der dt. Sprache, das heute sehr bekannt und wie „mauscheln“ noch immer sehr verbreitet ist. Allerdings denkt keiner da an antisemitische Anflüge. D.h.: „Saures“ wie in „gib ihm Saures“. „Saures“ ist nämlich die westjiddische (es handelt sich übrigens um eine ausgestorbene Sprache) Aussprache des ostjiddischen Wortes „zoress“, d.h., „Sorgen“. Das dt. Ohr hörte wohl einst „Saures“ wie in „Sauergurke“. Und so haben wir heute „gib ihm Saures“.

Nicht aber wegen „mauscheln“ bin ich auf den Gedanken gekommen, die heutige Glosse zu schreiben, sondern weil ich neulich in YouTube zufällig eine kurze Skizze mit Dieter Hallervorden und anderen gesehen habe. Dieter H. sitzt in diesem Video im „Sprachgefängnis“, weil er in der Bäckerei ein „Negerküsschen“ und in der Gaststätte einen „Zigeunerschnitzel“ bestellt habe.

Dann Schnitt im Video! Nun sieht man den alten Roberto Blanco, der erzählt – wohl in einem Interview –, dass er in seiner Jugend vom Begriff „Negerküsschen“ nur profitiert habe. Er habe stets mit großem Gewinn jungen Frauen ein „Negerküsschen“ angeboten!

Ja, ein schwieriges Thema. Wann ist eine Redewendung rassistisch und wann einfach ein ziemlich harmloser Teil der Sprache?

Heute findet man in den dt. Medien beinahe ausschließlich „N-Wort“ für „Neger“ und „Z-Wort“ für „Zigeuner“ (und „Studierende“ für „Studenten“). Das mit dem dt. „N-Wort“ ahmt aber lediglich das englische „N-Word“ nach. Mit einem wichtigen Unterschied. Mit „N-Word“ wird auf Englisch „nigger“ gemeint – ein wahrhaftig unfreundliches Wort. Mit „N-Wort“ wird „Neger“ gemeint. Als ich nach Deutschland kam, galt diese Vokabel noch als untadelig, wollte man einen schwarzen Menschen als solchen bezeichnen.

Darf man „Negerküsschen“ und „Zigeunerschnitzel“ noch sagen? Wahrscheinlich nicht – zumindest nicht nach Meinung der Sprachpolizei. Auf der Straße hingegen werden „N“- und „Z“-Wörter so beliebt wie „Studenten“, „Leser“ und „Flüchtlinge“.

Auch „mauscheln“ wird weiterhin gemauschelt.

Comments

Lieber PJ, wir sind Seelenverwandte und ich habe zu diesem Thema auch schon eine Glosse geschrieben unter: Das X-Wort LG gorg

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