Schauen Sie, ob Sie den Fehler im folgenden Satz finden. Ich habe ihn von „Google-Support“ abgeschrieben:
„In diesem Hilfeartikel [Anm. des Sprachbloggeurs: Diese ersten drei Wörter erscheinen im Original in Hypertext, damit man gleich linken kann] findest du weitere Informationen zu YouTube Premium und unseren kostenpflichtigen Mitgliedschaften.“
Haben Sie den Fehler entdeckt? Aber klar! Vorsitzender Google hat Sie geduzt!
Finden Sie das in Ordnung? Oder zucken Sie mit den Achseln und sagen: „So what!“, beziehungsweise „Na, und?“.
Ich weiß nicht, wie alt Sie sind, liebe Leser, liebe Leserin. Wenn aber Ihnen die intime Anredeform des obigen Zitats nicht stört, dann haben Sie Ihre Stimme bereits abgegeben, eine Kostbarkeit der deutschen Sprache wie das sprichwörtliche Tafelsilber zu verscherbeln. Damit meine ich das „Sie“, bzw. das Siezen.
O je. Nun fürchte ich, dass ich hier in Polemikmodus reingerutscht bin. Nein, so einer bin ich nicht. Ich schäume im Augenblick nicht. Im Ernst. Ich möchte lediglich auf eine Entwicklung hindeuten, die meiner Meinung nach die schöne deutsche Sprache langfristig verärmt.
Denn: Wenn Deutsch Sprechende nicht mehr zwischen „du“ und „Sie“ zu unterscheiden vermögen, verlieren sie eine nützliche sprachliche Einrichtung (d.h. zwischen Nahe und Weit zu unterscheiden), sondern ebenfalls ein Werkzeug für feinfühlige Beziehungseinstellungen.
Beispiel. Ich kenne meinen Steuerberater seit über 40 Jahren. Wir besprechen, wenn wir uns sehen (schon immer im Herbst), alles Mögliche. Wir duzen uns aber nicht. Einmal – es war 1990 – kamen wir beinahe dazu. Wir sind aber doch beim „Sie“ geblieben. Warum? Weil die unsere letztendlich eine geschäftliche Beziehung ist. Don’t mix business and friendship heißt es in meiner amer. Muttersprache.
Ha! Wie man gerade beim Amerikanischen ist: Die Amerikaner (und mittlerweile die Briten) sprechen sich meistens mit Vornamen an – egal wie die Beziehung ausgelegt ist. D.h. auch zwischen Chef und Untertan. Vor Jahren habe ich eine Glosse zu diesem Thema geschrieben. Sie hieß: „Bob, du bist gefeuert“).
Aber zurück zum Deutschen: Das Siezen kann u.U. äußerst intim wirken, und wenn es zugleich für einen gewissen Abstand sorgt.
Manche sprechen sich mit Vornamen an und bleiben trotzdem bei Sie. Gleiches kennt man auch in anderen siezenden Sprachen. Berühmtes Beispiel auf Französisch: Sartre und Simone de Beauvoir. Ähnliches tun die Ungarn, um das letzte Quäntchen Distanz aufrechtzuerhalten.
Die Dänen hingegen haben während des Aufruhrs der Hippiezeit ihr „Sie“ beinahe ganz entsorgt. Man strebte damals wohl das Gefühl einer Großfamilie an. Wenn ich mich nicht täusche, werden heute nur noch die Royals und Touristen gesiezt. Immerhin. Wie sagt man auf Dansk, „Du, Bob, du bist gefeuert“?
Englisch unterscheidet nicht zw. „Du“ und „Sie“. Haben Sie aber gewusst, dass das engl. „you“ eigentlich ein „Sie“ ist? Vor ca. zwei oder dreihundert Jahren hat man in der englischsprachigen Welt aufgehört, sich mit „du“ anzusprechen, genauer gesagt, mit „thou“. Damals war es das vornehme „you“, das sich durchgesetzt hatte. Ich weiß leider nicht genau, was der Grund dafür war. Vielleicht wollte das Fußvolk, die Royals nachmachen? Dennoch wird noch heute im United Kingdom das „thou“ gebraucht. Nur aber in Dialekt. So zum Beispiel in Yorkshire, wo man „tha“ sagt. Das klingt für den Außenstehenden wie das „enk“ im Niederbayerischen.
Aber bitte: Warum wird heute – mehr denn je zuvor – so eifrig geduzt auf Deutsch?
Klare Sache: wegen des Einflusses der „Social Media“: sprich Google, Facebook, Microsoft und Co. Es sind alle amer. Firmen, stammen also aus dem Land, wo man „Du Bob, du bist gefeuert“ sagt. Diese Mediengiganten wenden sich vor allem an junge Menschen. Klar, dass alle geduzt werden. Mit einer Ausnahme allerdings: Amazon. Amazon siezt noch immer. Das hat aber auch eine Erklärung. Die Firma begann als online Buchhandlung. Klar, dass man in der Buchhandlung gesiezt wird.
„Stimmt“, meint meine Frau. „aber mit einer Ausnahme. ‚Audible‘. Sie ist aber neu in der Amazon-Familie. Bei Audible wird geduzt.“
Achtung liebe DuzerInnen: Die Duzifierung der dt. Sprache hat Konsequenzen. Sie führt peu à peu zu einer Infantilisierung der deutschen Sprache – und ebenfalls zu dieser Verdummung in der Kultur schlechthin. Ja, so schlimm ist es. Falls Sie nach einem lebendigen Vorbild für dieses Phänomen suchen: Schauen Sie sich in die USA an. Die gesellschaftliche Verkindlichung ist längst Realität geworden.
Nun haben Sie die Fakten. Der Rest ist Ihre Entscheidung. Ja, Sie sind gefragt…
Bin ich froh, dass ich nicht als Araber geboren wurde. Nein, hier kein billiges verallgemeinerndes Abwatschen einer Kultur bzw. Bevölkerung.
Vielleicht drücke ich mich zu ungenau aus. Was ich meine: Ein Glück, dass ich nicht unter den Beduinen geboren wurde.
Sie wissen, wer die Beduinen sind, oder? Es sind Arabisch sprechende Stämme, die seit der Antike in Karawanen durch die Wüsten Nordafrikas und des Nahen Osten als Händler (und Schmuggler) ziehen. Karl May und andere haben sie idealisiert – wie die Rothäute Amerikas. Auf Arabisch bedeutet der Name „Staatenlose“.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Als Großstädter sehnt man mitunter nach so einem Nomadenleben. Zum Beispiel, wenn die klimarettenden Radler kreuz und quer auf dem Bürgersteig vorbeihuschen und mit Drohrufen lärmen „Ich habe recht!“ oder „Ich habe Vorfahrt!“.
Für mich aber wäre ein Leben unter den Beduinen aus einem besonderen Grund unvorstellbar: Ich bin nämlich Linkshänder. Und nun muss ich ein leider etwas unappetitliches Thema thematisieren.
Beduinen leben in engen Familiengemeinschaften. Wüstenromantik pur. Zu Mahlzeiten hocken sie um eine große Decke, und jeder langt in die Töpfe und Schüssel, um ein Häppchen von Hand zu Mund zu befördern. Ob das auch heute noch so ist, weiß ich nicht.
Eins darf man in dieser intimen Runde nicht tun: mit der linken Hand in die Töpfe greifen. Tut man dies, gilt man als unrein.
Wieso?
Weil bei den Beduinen die linke Hand eine gewisse dedizierte Funktion innehat: Man benutzt sie, um nach dem Stuhlgang den Allerwertesten sauber zu bekommen. Tut mir leid, wenn ich jemanden eventuell in Verlegenheit bringe. Nebenbei: Als althergebrachtes Reinigungsmittel für diese Tätigkeit galt…der Wüstensand. Ob dies immer noch der Brauch ist, vermag ich nicht zu sagen. Immerhin: Ich war einmal in einer Wohnung in einer Wüstenstadt in Tunesien. Dort entdeckte ich, dass das WC lediglich ein mit Fliesen ausgelegtes Loch war. Daneben stand eine mit Wasser gefüllte Gießkanne. Den Rest muss ich Ihnen nicht ausmalen.
Über dieses Thema gäbe es sicherlich genügend Stoff, um eine dicke Doktorarbeit oder ein spannendes ethnologisches Werk zu schreiben. Ich erwähne all dies aber, um zum Thema zurückzukehren, lediglich darum, weil ich Linkshänder bin.
Meine Frage: Was tut ein Linkshänder in einer solchen Wüstengesellschaft? Er ist anders als die anderen. Ich kenne die Antwort nicht. Würde ich mich in einer solchen Gesellschaft befinden, würde ich instinktiv mit der linken Hand in den Fleischtopf langen. Doch was passiert dann? Keine Ahnung.
Linkshänder bildeten zu jeder Zeit in der Geschichte eine Minderheit – aber es hat sie immer gegeben. Man wird einfach als Linkshänder geboren. Punktum. Nicht anders ist es bei Menschen, die zur gleichgeschlechtlichen Liebe neigen. So ist man halt. Die Zahl derer liegt bei ca. 5 % der Gesamtbevölkerung. Vorsitzendem Google zufolge, ist hingegen jeder zehnte Mensch ein Linkshänder.
Doch: Anders als die LGBTQ+ Community oder die „People of Color“ (wie sagt man das auf Deutsch?) oder sonstige Minderheiten, die sich gern als verfolgt darstellen, haben wir Linkshänder keine Lobby! Nirgends!
Und wir bräuchten eine dringend! Dunkelhäutige Menschen gehen auf die Barrikaden, weil eine Apotheke „Mohrenapotheke“ heißt, was nicht einmal abschätzig gemeint ist. Linkshänder werden täglich in unzähligen Sprachen automatisch negativ thematisiert. Auf Deutsch, z.B., darf man unbestraft ein Schlitzohr oder Halunken als „link“ bezeichnen. Oder man sagt, einer hat „zwei linke Hände“. Auf Englisch heißt es, wenn einer „ungelenk“ ist, dass er „two left thumbs“ habe. Sagt man „He’s out in left field“ (ein Baseball-Idiom), bedeutet das, er befindet sich irgendwo, wo wenig los ist. Er habe also nichts zu tun und sei obendrein ahnungslos.
Oder das französische „gauche“. „Es bedeutet nicht nur „links“, sondern auch „unbeholfen“. Auch im Englischen wird es so verwendet.
Oder „sinister“ auf Lateinisch. Sie verstehen, worauf ich hinauswill.
Und die Rechtshänder? Tja. Das Wort „recht“ brauche ich gar nicht zu erläutern. Fakt ist: Ich habe recht! Ich habe Ihnen alles perfekt zurechtgestellt. Und Sie können mit der Richtigkeit meines gerechten Berechnens rechnen. Ich meine Sie, der mit der „schönen Hand“ schreibt.
Ein kurzes Postskriptum über Herrn R., einen alten Gentleman, den ich einst kannte: Wenn er sich mit jemanden unterhielt, und sein Gesprächspartner sich aufregte und darauf pochte, „Ja, aber ich habe recht!!“, so antwortete Herr R. „Haben Sie gesagt, dass Sie recht haben?“
„Ja!“
„O meine Güte. Das ist besonders schlimm. Es gibt für Sie keine Hoffnung mehr.“
Postpostskriptum: Auf Arabisch heißt es: „Ich küsse die Hand, die ich nicht abhacken kann.“
„Lieber Herr Sprachbloggeur, wie kommen Sie auf Ideen für Ihre Glossen?“
Gute Frage. Fakt ist: Manchmal weiß ich selber nicht. Zum Beispiel, dieser heutige Text. Vor etlichen Tagen dachte ich daran, wie oft Greta Thunberg mit dem Ausruf „Blablabla“ zitiert wird. Auch jüngst in Zusammenhang mit der COP26 (26. Conference Of the Parties) in Glasgow. Dort trat G. auf und meinte, die Politik rede nur „Blablabla“, anstatt die „Klimakrise“ (manchmal „Klimakatastrophe“ genannt) radikal anzupacken. Vielleicht haben Sie all dies mitbekommen.
Dann knöpfte ein Politiker – leider vergesse ich den Namen – die Lippenbekenntnisse der Politik zum Thema „Klimawandel“ (bzw. „Klimakrise“) als „Blablabla“ vor. Ich hatte das Gefühl, er wollte sich mit Greta solidarisieren, bzw. mit fremden Federn schmücken.
By the way: Greta zählt zu den wenigen Menschen auf Erden, die so bekannt sind, dass Milliarden von Mitmenschen sie sofort identifizieren können: lediglich vermittels des Vornamens. Wunschtraum aller, die gern Mittelpunkt wären. Elon und Donald schaffen es auch. Harrys Meghan platzt sicherlich vor Neid.
Aber was ist mit dem armen Justin? Welcher Justin?, fragen Sie. Justin Bieber? Justin Timberlake? Justin Trudeau? Sie sehen: Die Sache kann manchmal problematisch sein.
Doch zurück zum Blablabla.
Die englische Schreibart lautet „blah blah blah“ und wird in drei Begriffseinheiten eingeteilt: „blah“ und „blah“ und „blah“. Viel einfacher auf Deutsch. Da hat man „Blablabla“. Ich glaube, dass Greta die englische Variante verwendet. Wie das „Blablabla“ auf Schwedisch (Muttersprache von Greta) lautet, vermag ich nicht zu sagen.
Fest steht jedenfalls: Blah blah blah ist lautmalerisch und wird im Sinne von „Geplapper“ gebraucht. Aber Vorsicht: Die dreifache Wiederholung im Englischen bildet eigentlich kein Wort. Man muss diese Dreierreihe als Ausruf erfassen.
Beispiel: Einer sagt: „Mein Salat ist ein CO2-Fresser, und ich bin Salatfresser. Wessen CO2-Fußabdruck ist größer?“
Greta (oder ähn.) antwortet: Blah blah blah. Will sagen: Du redest nur Nonsens.
Will man auf Englisch aus „blah blah blah“ ein Hauptwort bilden, muss man ein „blah“ abziehen. So bleibt dann nur „blah blah“ übrig. Z.B.: „He’s just speaking blah blah.“ Auch auf Deutsch machbar: „Er redet lauter Blabla.“
Schnippt man – zumindest auf Englisch –ein weiteres „Blah“ ab, bleibt nur noch „Blah“ übrig. Doch auch „Blah“ hat eine Bedeutung auf Englisch. Mehrere sogar. Es wird nämlich sowohl als Adjektiv wie auch als Nomen verwendet. Als Nomen benutzt man es allerdings nur in der Mehrzahl.
Man fragt: „How are you?“ Antwort: “I feel blah.” D.h., „Unwohl“. Oder man sagt: „I’ve got the blahs.“ Sprich: Ich fühle mich niedergeschlagen. Notabene: Der Vokal wird ausgedehnt artikuliert. Eigentlich ähneln die „Blahs“ den „blues“. Ob es diesbezüglich eine sprachhistorische Beziehung zwischen diesen Termini gibt, vermag ich aus dem Stehgreif nicht zu sagen. Vielleicht weiß es Vorsitzender Google.
Auch wichtig: Das dt. „Blablabla“, sagt Vorsitzender Google, ist kein Lehnbegriff aus dem Englischen. Es sei seit dem 14. Jahrhundert – in Form von „Blabla“ belegt. Das haben Sie bestimmt nicht gewusst.
Dem Vorsitzendem Google zufolge kann man Blabla vom lateinischen „blatare“ („plappern“) ableiten.
Sie sehen: Man kann sich in der Materie sehr vertiefen.
Doch nun nach diesem kurzen Exkurs zurück zur Frage, woher ich die Ideen für meine Texte habe.
Die einfachste Antwort: Ich fange jedes Mal, wenn ich schreibe, mit irgendeinem Blablabla an…und suche dann fleißig nach dessen Sinn.
Während ich diese Zeilen schreibe, lausche ich dem Gedudel der Warteschlangemusik. Früher sagte man dazu „elevator music“ (Aufzugsmusik), weil es vor der Inforevolution keine Warteschlangen am Telefon gab. Ich müsse jedenfalls mit einer Wartezeit von zehn Minuten rechnen, meinte die Roboterstimme des „Providers“.
Grund für meinen Anruf: Ich hatte seit ca. drei Wochen ein Problem, das viele sicherlich als unerträglich erachten würden: Mein Mobiltelefon war nicht mehr in der Lage, Telefonate zu tätigen.
Ich weiß, dass das für viele wie der Albtraum (früher „Alptraum“) schlechthin klingt. Es hätte aber schlimmer kommen können. Zum Beispiel, wenn ich einen Totalschaden erlebt hätte. Tatsache ist: Ich konnte immer noch SMSe empfangen und verschicken und im WehWehWeh bis zum Vergessen surfen. Nur das Telefonieren (Neudeutsch: „die Telefonie“) war urplötzlich unmöglich geworden. Man stellt in dem Augenblick fest, wie abhängig wir von diesen tragbaren Walkie-Talkies sind.
Es gab allerdings eine Ungereimtheit: Während dieser Zeit war ich mit meiner Frau in einem fremden Land, um unbekannte Straßenzüge und Menschen auszuspionieren bzw. zu studieren. Das mache ich manchmal gern.
Ich ging freilich davon aus, dass auch in der Fremde es unmöglich sein würde, Telefonate zu tätigen. Allmählich war ich resigniert, den Rest meines Lebens ohne Handy auskommen zu müssen.
Zugegeben: Ich hätte die Möglichkeit, ein neues Phone zu kaufen. Würde das aber das Problem lösen?, erwägte ich.
Aber dann – einfach aus Jux und Gaudi – hab ich in der Fremde am Tag vor unserer Abreise eine Taxi-Firma angerufen, um ein Taxi zu bestellen. O Wunder! Ich kam plötzlich durch! Mein Phone hat seine Stimme wieder gefunden! Hoppla, dachte ich, Spontanheilung.
Leider nicht. Kaum waren wir wieder zuhause, ging das Spielchen wieder von vorne los. Sehr schmerzhaft war die Enttäuschung.
Die nächsten paar Tage hing ich endlos an der Strippe beim Kundendienst meines Providers. Nette Menschen, und jeder wollte aufrichtig helfen. Jeder hatte auch Ideen: Dreimal, z.B., schaltete ich das Telefon für 15 Minuten aus, während der Kundendienst Fernzauber mit meiner SIM-Karte zu treiben beabsichtigte. Einmal habe ich die SIM-Karte aus dem Phone entfernt, um ganz von neuem anzufangen. Nix aber hat geholfen. Gar nix. Dann wurde mir mitgeteilt, dass Techniker inzwischen die Ursache entdeckt hätten und dabei waren, sie zu beseitigen. Freudenschrei. Fehlanzeige. Nix ist geschehen. Als letzter Versuch wollte die Firma mir eine neue SIM-Karte zuschicken. Neue Karte, neues Glück wohl.
Eine Mitarbeiterin meinte besänftigend, ich müsse mich einfach gedulden, bis die Techniker ihre Arbeit beendet haben. Hilfe sei auf dem Weg.
So nun haben Sie den Hintergrund.
Und dann ist es geschehen…die Heilung! Ich, ja ich habe die Ursache des Problems entdeckt und beseitigt. Ja! Ich! Wie habe ich das getan? Aus Jux und Gaudi schaute ich – ein letztes Mal, wie ich dachte – in die Telefonnetzeinstellungen. Und siehe da! Ich stieß auf eine Einstellung, bei der ich zwischen 4G/3G, 4G/3G/2G oder lediglich 2G als Verbindungsweg für die Telefonie habe entscheiden müssen.
Mein Häkchen war bereits auf 4G/3G. Doch nun – einfach so – stellte ich das Häkchen auf 4G/3G/2G. Und o Wunder! Ich konnte plötzlich wieder telefonieren!
Und nun zurück zur oben erwähnten Warteschlange samt Gedudel.
Der nette Mitarbeiter, den ich nach einer Wartezeit von ca. 10 Minuten am Apparat hatte, freute sich mit mir und erklärte, dass man üblicherweise mit 2G telefoniert. Die höheren Einstellungen seien hauptsächlich fürs Surfen und Gaming.
Wir waren jedenfalls beide froh, dass das Problem eine so einfache Lösung gefunden hatte. Er meinte, ich sollte die neue SIM-Karte, die mir verschickt wurde, einfach sicher aufbewahren – falls ich sie mal brauche. Sie sei für ein Jahr gültig. Und so sind wir verblieben.
Fazit: Es gibt auch im Infozeitalter die Menschlichkeit. Man muss bloß nach ihr rufen.
Ich will hier zu einer Jugendsünde Stellung nehmen. Was heißt Jugendsünde? Vielmehr wohl eine Erbsünde. Damit meine ich: Ich wurde als männliches, weißes Menschenwesen geboren.
Und nun ist aus mir – weil ich so lang gelebt habe – o Schreck, o Schande: ein alter, weißer Mann geworden!
Unterwegs in München bin ich neulich auf eine große Kundgebung gestoßen. Friday for Future – zu Deutsch „freier Tag für wenige Tours“ – war en masse auf der Straße. Oben auf einem riesigen SUV oder Laster erblickte ich eine junge, weiße Frau. Sie schien eine Art LeaderIn zu sein und plärrte laut ins Mikrofon: „What do we want? What do we want?“
Notabene: Englisch ist die Fachsprache dieser Bewegung.
Leider habe ich die Antwort vergessen. Ich bilde mir jedenfalls ein, die Menge habe etwas über mehr Fahrräder, mehr E-Scooters und Kühe, die weniger furzen skandiert. Doch leider ist mein Gedächtnis nicht so top fit wie früher. Wahrscheinlich deshalb, weil ich, wie schon gesagt, ein alter, weißer Mann bin!
Ja genau. Jetzt erinnere ich mich wieder, wieso ich auf diese Großkundgebung zu sprechen komme: Weil mir dort eine junge, weiße Frau – nein, nicht diejenige, die oben auf dem riesigen SUV stand – aufgefallen war. Sie marschierte mit dem Fußvolk mit und wedelte mit einem – wahrscheinlich selbstgemachten – Transparent, worauf folgender Text zu lesen war: „Alte, weiße Männer vergewaltigen die Erde.“ Oder vielleicht war das „vergewaltigen Muttererde“. Ich habe ein Foto von der jungen, weißen Frau mit Transparent geknipst.
Sogleich bin ich ins Grübeln geraten. Hmm, hab ich gedacht, meint sie etwa, mich? Immerhin bin ich sowohl alt wie auch weiß und obendrein Mann. Nur: Ich kann mich nicht mehr erinnern, die Erde bzw. Muttererde jemals vergewaltigt zu haben. Im Gegenteil. Einmal wollten zwei Frauen mich vergewaltigen! Ich bin abgehauen. War alles sehr unerfreulich.
Doch vielleicht meinte die junge, weiße Frau mit dem Transparent etwas anders. Vielleicht meinte sie, dass alle alte, weiße Männer dazu beitragen, die Erde unbewohnbar zu machen. Könnte das sein? Immerhin hatte Ich lange Jahre als Wissenschaftsjournalist gearbeitet. Bestimmt habe ich dabei Böses getan – ich meine Muttererde gegenüber (Strom, Tinte, Bücher lesen, Bibliothek aufsuchen, Interviews etc.). Darüber hinaus gehe ich seit Jahren in den Supermarkt, um Müsli, Milch und andere Dinge einzukaufen, Produkte also, die nicht immer vegan sind. Noch dazu: Als ich jünger war, hab ich gern und oft Fleisch gegessen, was dazu führte, dass noch mehr Kühe in die Welt gesetzt wurden, um geschlachtet und gegessen zu werden. Und dass sie, solange sie lebten, furzten. Und nicht zu vergessen: Manchmal bin ich auch gereist – und zwar häufig auch mit dem Flugzeug. Allerdings meistens, um meine Mutter in den USA zu besuchen. Da sie mit 102 gestorben ist, musste ich sehr viele Jahre in die USA fliegen. Glauben Sie mir aber: Dies hat mir nie Spaß gemacht. Verzeihung. Ich rede nicht von meiner Mutter – obschon auch diese Geschichte kompliziert ist –, sondern vom Fliegen. Ich habe das Fliegen immer gehasst. Sie auch? Meine Mutter allerdings nicht. Sie liebte es – insbesondere bei Turbulenz. Während ich kurz davor war, mein Mittagessen in die Kotztüte zu recyclen, hat sie nur gejauchzt, wie ein Kind auf der Achterbahn. Je wilder die Erschütterungen, desto lustiger für sie die Reise.
Meine Mutter war natürlich eine alte, weiße Frau als sie gestorben ist. Tatsache ist: Alle weißen Menschen, falls sie lang leben, werden alt. Auch Sie, liebe junge, weiße, Männer und Frauen bzw. LeserInnen.
Als ich die junge, weiße Frau mit dem Transparent neulich erblickt habe, habe ich nachgedacht. Stimmt das? Sind es wirklich alte, weiße Männer, die die Erde vergewaltigen?
Doch prompt fiel mir Queen Victoria ein. Erinnern Sie sich an sie? Sie hat in England geherrscht, als der brit. Kolonialismus sehr profitabel war. Oder Queen Elisabeth I., die ebenfalls diese Rolle im 16. und am Anfang des 17. Jh. gespielt hat. Könnte man nicht sagen, dass auch die zwei Queens die Erde…ja…vergewaltigt haben? Dann fielen mir Mao ein und auch Xi. Beide sind mitnichten als alte, weiße Männer zu bezeichnen. Oder? Und beide haben, wie man sagt, viel Dreck am Stecken. Mir fielen dann noch die Azteken ein, deren Kultur von Eroberungen Plünderungen abhängig war, und zwar lange bevor die spanischen Plünderer vor Ort waren. Mir fielen auch diverse afrikanische Diktatoren ein, die ihre Länder reichlich ausbeuten, um sich Macht und Reichtum zu sichern.
Diese Liste der multikulti und multigender VergewaltigerInnen der Erde lässt sich beliebig ergänzen. Dafür müsste man aber ein bisschen Geschichte gelernt haben. Geschichte lernt man nicht bei TikTok, Facebook, Twitter, Instagram usw.
Ja, ich bin ein alter, weißer Mann…und ich gehe davon aus, dass ich dieses Schicksal mit ca. 45% der Deutschen teile. Denn auch junge, weiße Männer werden schließlich alt.
Muss ich jetzt Buße tun? Mea culpa usw. skandieren? Standbilder canceln? Ach du lieber! Jetzt werde ich polemisch. Hopp! Bremse ziehen!
PS Mein Bloggeur Kollege Gorg von der Webseite Lustwort hat bereits über „alte wei(s)se Männer“ geschrieben. Er hat mir einmal den Vorschlag gemacht, wir sollten beide mal ein und dasselbe Thema anpacken. Jeder freilich auf seine Art. Dies habe ich heute getan.
Achtung in eigener Sache: Ich tauche die nächsten paar Wochen in dem Untergrund. See you Anfang November.
Holen Sie Papier und was zum Schreiben. Heute wieder Englischunterricht beim Sprachbloggeur! Drei Redewendungen, um Ihre Kenntnisse der engl. Sprache zu vertiefen.
Zunächst aber ein paar Worte über den deutschen Phraseologismus „was zum Schreiben“. Das sagt jeder und meint damit Bleistift, Kugelschreiber oder Füllfeder (Letzteres sehr selten).
Man sagt es beinahe automatisch. Auch ich – obwohl Deutsch lediglich meine Schwiegermuttersprache ist. Wie kam es dazu? Vorsitzender Google bietet auf diese Frage keine Hilfe. Vielleicht weiß er die Antwort selber nicht.
Meine Theorie: Das Idiom entstand zu einer Zeit, als man nicht wusste, welches Schreibgerät das Gegenüber zücken würde, um sich etwas zu notieren. Eine Verlegenheitsfloskel quasi. Oder vielleicht wurde es erst dann gebräuchlich, als die Menschen miteinander übers Telefon zu kommunizieren begannen. Man wusste nie, da man nix sehen konnte, womit der andere schreiben würde.
Nur Theorien meinerseits. Dennoch hoffe ich, Sie haben Papier und was zum Schreiben geholt. Denn jetzt geht es los. Es folgen drei engl. Idiome, die Ihre Englischkenntnisse bereichern werden. By the way: Zwei davon waren mir fremd, da Jugendslang; und da ich so gut wie keinen Kontakt mit amer. Jugendlichen habe, musste ich selber die Bedeutung diese frechen Sprüche nachschlagen. Eine gute Quelle – meine Empfehlung – wäre die „Urban Dictionary“. Vorsitzender Google kann Ihnen zeigen, wo sie zu finden ist. Aber jetzt geht’s los:
Erstes Idiom: „to drink the kool-aid”. Zuerst eine kurze Geschichte. Dann erkläre ich den Sinn dieser Redewendung:
Vor ein paar Jahren hatte ich einen kurzen Roman – in englischer Sprache – geschrieben. Er ist noch nicht erschienen, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Kommt Zeit kommen Ratten, sagt man. Der Erzähler in dem Buch ist ein androgyner Jüngling namens Adrian, der sich manchmal als Mädchen (Adrianne), manchmal als Jungen (Adrian) fühlt und sich deshalb mal zum einem mal zum anderen Geschlecht angezogen fühlt. Er wohnt allerdings mit einer (scheinbar) verständnisvollen jungen Frau zusammen. Er behauptet allerdings, er sei weder homosexuell, transsexuell usw., sondern nur sich selbst. Die Geschichte spielt in der Zukunft während einer dystopischen Zeit. Ich würde sie als traurige Komödie bezeichnen.
Langer Eisen kurzes Zinn: Vor ein paar Jahren habe ich das Buch an eine Jugendfreundin in Kalifornien geschickt. Wir hatten zwar lange keinen Kontakt, aber so what. Ich wusste, dass sie ein paar „connections“ im „Verlagsgeschäft“ hatte.
Prompt kam die Antwort. Sie habe keine Zeit, mein Buch zu lesen. Sie versicherte mir allerdings, dass der Wortschatz, den ich meine Hauptfigur in den Mund gelegt hatte, total falsch sei, überhaupt nicht zeitgemäß.
Na ja. Ich hab es dabei belassen. Einige Wochen später erzählte ich diese Geschichte der Lebensabschnittspartnerin meiner Jugend, mit der ich in Kontakt geblieben bin. Sie hatte a) das Buch gelesen und b) war selbst mit der anderen Frau gut befreundet. „Kein Wunder, dass sie so ablehnend reagiert hatte“, schrieb sie mir. „She‘s drunk the kool-aid. Denn ihre Tochter Barbie ist längst ihr Sohn Bob.“
„To drink the kool-aid“? Was soll das bedeuten?
Wir schreiben das Jahr 1978. Damals lebte der US-amerikanische Sektenführer Jim Jones mit 900 Anhängern in einer von ihm gegründeten Kolonie namens „Jonestown“ in Guyana im Nordosten von Südamerika. Jim Jones, ein charismatischer Fanatiker, war überzeugt, dass der Weltuntergang kurz bevorstand. Seine Anhänger glaubten ihm. Eines schönen Tages im November – irgendein Unglück war passiert – schaffte es dieser Prediger, seine Anhänger derart aufzuwühlen, dass er sie zu überzeugen vermochte, nur ein freiwilliges Ausscheiden aus diesem Leben würde sie vor der Hölle auf Erden retten. Wilde Hysterie herrschte vor. Unterdessen bereitete Jones ihnen ein giftiges Gebräu zu, um sich und seine Leute ins Jenseits zu befördern. Dieses Getränk bestand aus einem damals allgemein (in den USA) billigen, süßen Tütenpulver namens „Kool-Aid“ mit Valium und Zyankali bereichert. Jeder bekam einen Becher. Bald lagen ca. 900 Leichen kunterbunt am Appellplatz der Sektenkolonie „Jonestown“. Ich habe die Story gekürzt erzählt. Fragen Sie den Vorsitzenden Google um die zusätzlichen Details zu bekommen.
Fakt ist aber: Wenn man heute sagt, dass jemand das „Kool-Aid“ getrunken hat, meint man damit, dass jemanden das Gift einer Ideologie mit Bauch und Bohnen geschluckt hat…
Ach! Ich wollte Ihnen noch zwei Idioms beibringen, die, wie gesagt, auch mir neu waren. Diese werde ich jetzt nur kurz ansprechen. Das sollte fürs Erste genügen:
Das eine heißt „for shizzle“ (sprich forr schisel) und bedeutet „ganz sicher“. Ist eigentlich eine Persiflage auf „for sure“. Das zweite: „to throw shade“. Wörtlich „Schatten werfen“. Es wird im Sinne von „respektlos mit jemandem umgehen“ gebraucht. Beide Idiome entstammen dem afro-amerikanischen Slang. Darüber hätte ich noch einiges zu sagen, doch vielleicht ein anderes Mal...
Falls Sie zart besaitet sind, wird vorgewarnt: Was nun folgt, könnte schwer verdaulich sein – zumindest Teile davon.
Es geht um einen Ohrwurm (lat. Dermaptera). Vom Standpunkt unserer Ästhetik und Formempfindung sehen diese Tierchen nicht gerade schönheitswettbewerbspreisverdächtig aus. Im Gegenteil:
Etwa zwei Zentimeter lang, schmal, bräunlich, vorne mit zwei steckenden Fühlern und hinten mit einem zweiteiligen Schwanz, der wie eine Zange aussieht, ausgestattet. Man bildet sich rasch ein, der Ohrwurm könnte mit dem Schwanz zwicken wie ein Skorpion. Oder man denkt: Vielleicht sind die Viecher giftig.
Obendrein: Die Biester schlängeln durch die Weltgeschichte wie Dämönchen aus einer mittelalterlichen Höllendarstellung.
Sie heißen Ohrwürmer, weil man früher behauptet hat, dass sie nachts einem Schlafenden ins Ohr krochen, um ihre Eier zu legen, wovon später tausende solche Kreaturen aus dem Ohr flutartig herauswimmelten.
Stimmt nicht. Falls sich ein Ohrwurm tatsächlich ins Ohr verirrt, handelt es sich um eine Ausnahmeerscheinung. Warum ein Lied, das man nicht mehr aus dem Kopf bekommt, als Ohrwurm bezeichnet wird, vermag ich nicht zu erklären.
Auf Englisch heißen diese unappetitlichen Viecher „earwigs“. „Ear“ ist easy zu verstehen, da es „Ohr“ bedeutet. „Wig“ leitet man von einer angelsächsischen Vokabel „wicga“ ab, das mit „Insekt“ zu übersetzen ist. Wahrscheinlich haben die Altengländer „witscha“ gesagt. Das Wort ist übrigens sprachgeschichtlich mit „beWEGen“ verwandt. Auf Englisch kennt man – auch heute – das Verb „wiggle“, im Sinne von „wackeln“. Wahrscheinlich sind „wiggle“ und „wackeln“ mit dem „-weg-“ in „bewegen“ – und mit „Wiege“ verwandt.
So weit so gut. Bisher habe ich Ihnen das Unappetitliche weitgehend erspart. Aber equal goes it loose…
Letzte Woche gab es bei mir zum Frühstück Müsli mit frischem Obst. Mmmm. Haferflocken, Blaubeeren, Himbeeren, Johannisbeeren, Erdbeeren, Banane und Aprikosen. Alles (mit Ausnahme der Haferflocken und der Banane holte ich aus dem Kühlschrank – auch die Milch, die ich der Mischung beigab.
Beim Essen saß ich gemütlich vor dem Rechner und schaute gestreamte Nachrichten. Zwischendurch löffelte ich träumerisch ein Häppchen Müsli in den Mund. Als ich einmal kurz auf die Schüssel blickte, nahm ich eine Bewegung wahr. Etwas schien an einer Himbeere zu kleben und wippte sich hilflos. Es war ein Ohrwurm.
Meine erste Reaktion war spontan nach hinten zu springen, gefolgt von einem genauen Hinschauen. Tierischer Instinkt halt. Nun erblickte ich das kleine Tierchen, das ganz mit Milch durchtränkt war. Es klammerte an der Himbeere wie an einem Rettungsring.
Dies stellte ich allerdings erst im Nachhinein fest. Zunächst war ich nur von Ekel gefüllt. Weshalb ich mich schnell erhob und festen Trittes mit Schüssel in Hand in die Küche ging, um den Inhalt des Löffels samt Ohrwurm in den Spülbecken zu klatschen.
Leider habe ich die Stimme des Tierchens nicht wahrgenommen, obwohl wir eigentlich ein Gespräch führten. „Was hast Du vor?“ fragte der Ohrwurm sichtlich verstört.
„Ich werde dich töten“, antwortete ich.
„Du kennst mich aber nicht!“
„Gerade deshalb“, antwortete ich. „Du ekelst mich an.“
„Und was meinst du, was ich empfinde, wenn ich dich sehe? Für solche wie mich erscheinst auch du recht ekelig: ein großer Klotz halt. Ich bevorzuge lieber die Gesellschaft der eigenen. Es sind schlanke, anmutige Wesen…“
„Warum heißen bei uns Lieder, die nicht aus dem Kopf gehen wollen, Ohrwürmer?“
Ich stellte die Frage, aber ich wartete nicht auf die Antwort. Denn ich hatte bereits ein Stück Küchenrolle geholt und das Tierchen fest damit zerdrückt. Als ich aufs zerknautschte Papier schaute. hat sich das Tier noch bewegt.
„Dummkopf“, sagte es mir. „Gerade wollte ich dir mein Geheimnis lüften.“ Doch schon hatte ich bereits ein zweites Mal fest gedrückt und den Batzen in die Küchentonne geworfen.
Vielleicht möchten Sie wissen, was ich mit dem Rest meines leckeren Müslis getan habe. Ganz einfach. Ich habe es gegessen. Wie man sagt: Ein Ohrwurm macht noch keinen Sommer…bzw. Herbst.
Erst im Nachhinein habe ich gedacht: Vielleicht wäre es gerechter gewesen, wenn ich das Ohrwürmchen einfach auf den Balkon in die Freiheit entlassen hätte. Andererseits, wer weiß? Vielleicht wäre ein Vogel gekommen, der das Tierchen gleich schnabuliert hätte.
Gemein kann die Natur sein…und grausam obendrein.
Eine peinliche Frage: Wären Sie bereit, mit einem Sex-Roboter ins Bett zu gehen?
Der Grund meiner Frage ist nämlich ein Text, den ich in einer online Ausgabe der britischen Boulevard-Zeitung: „Daily Star“ vom 17. September 2021 entdeckt habe. Dort heißt es wörtlich:
More than 40% of us want to sleep with Sex Robots – with men more keen than women
Zu Deutsch: Über 40% von uns möchten mit Sex-Robotern schlafen, wovon Männer mehr darauf erpicht sind als Frauen.
Diese Statistik gilt wohl nur für Großbritannien. Keine Ahnung, wie es diesbezüglich in der EU aussieht.
Kaum habe ich diesen Text im Daily Star gelesen, schon fielen mir einige Fragen ein. Zum Beispiel: Woher hat die Zeitung die Statistik. Noch wichtiger: Ist sie zu vertrauen? Und dann natürlich eine sprachliche Frage: Wenn die Zahl an Roboterliebenden Menschen wirklich so hoch ist, wie sieht es mit der sprachlichen Kommunikation zwischen Mensch und Maschine aus?
Nun gleich ins Zeug legen. Eine AI-Gesellschaft namens Tidio – so der Daily Star – hat besagte Umfrage erhoben. Von 1200 befragten Menschen antworteten genau 42% mit ja. (Es wäre vielleicht interessant gewesen, auch Roboter zu fragen, ob sie gern mit Menschen schlafen würden!)
Doch wer ist dieser Tidio? Vorsitzender Google erteilte mir folgende Antwort:
„Tidio ist ein Kommunikator für Unternehmen. Er hält Live-Chat, Messenger und E-Mail an einem Ort. Jetzt dauert es Sekunden, um mit deinen Kunden zu kommunizieren. Lasse keinen Kunden zurück! Hole dir den besten Live-Chat auf E-Commerce-Plattformen für dein Geschäft.“
Alles klar? Tidio behauptet, sollten wir hinzufügen, dass 48% der Jasager bei der Erhebung Männer und 33% Frauen waren. Zudem: 39% der Befragten konnten sich vorstellen, mit so einem Roboter eine romantische Beziehung einzugehen.
Aber wie läuft eine Liebesaffäre mit einem Roboter ab? Ich meine: Gesetzt der Fall, es handele sich nicht um ein „Quickie“ zwischen Mensch und Maschine.
Und damit komme ich auf die Frage: Was haben zwei Liebende in einer solchen Konstellation einander zu sagen?
Der amer. Schriftsteller Kurt Vonnegut hat sich mal in einem vor mindestens 50 Jahren geschriebenen SciFi-Roman so eine Liebesgeschichte vorgestellt. Sie war wirklich rührend, da sich die Beziehung zwischen Menschen und Humanoiden keineswegs unterschied von der zwischen zwei Menschen. Steven Spielberg in seinem Film AI von 2001 ist das gleiche gelungen. Alles aber nur Fiktion - wie Pinocchio.
Aber in der Wirklichkeit? Nicht zu vergessen: Der Roboter (werden wir bald auch „Roboterin“ sagen?) wird letztendlich von Menschen programmiert. Wird ja diese Tatsache eines Tages als menschliche Arroganz, Diskriminierung und koloniale Mentalität verunglimpft? Warten wir’s ab.
Sie sehen. Die Sache wird schnell knifflig. Und noch etwas: „Geliebte“ verbringen nur einen Bruchteil ihrer Zeit bei dem „intimen Kontakt“. Was tun Mensch und Roboter, während der restlichen Zeit?
Zankt man? Spielt man? Sitzen Partner in verschiedenen Zimmern. Haben beide unterschiedliche Freunde oder Freundinnen? Oder was ist, wenn man essen geht? Was essen Roboter? Lubrikant? Erzählt man gegenseitig aus der Kindheit, über Ängste, Träume…Träumen Roboter?
Sie verstehen das Problem, liebe menschlichen Leser…oder? Eine Art Selbstbefriedigung mit einem egal wie kuschligen mechanischen Spielzeug ist die eine Sache…aber als Grundlage für eine Liebe?
Doch es kommt womöglich alles noch schlimmer. Gerade gestern habe ich einen Artikel in der New York Times gelesen. Der Titel: „What if that Robot came after you?“ Zu Deutsch dem Sinne nach: Was wäre, wenn der Roboter nach ihnen trachtet?
Fakt ist: Wenn Roboter das Laufen und Greifen lernen – und das tun sie schon jetzt, werden sie zu sog. „Humanoiden“. Das heißt: Sie könnten sowohl besser dienen wie auch noch gefährlicher werden als der gefährlichste Wachhund…
Möchten Sie noch immer mit einem Roboter ins Bett steigen?
Wir fangen mit Herrn P. an. Er ist mein – ich glaube man sagt „Webhost“, oder „Provider“ oder „Webmaster“. Ich kenne mich mit dieser Terminologie nicht so gut aus. Ich sage zu ihm immer „Herr P.“, und für ihn bin ich „Herr PJ“.
Jemanden als „Host“ (Englisch für „Gastgeber“) zu bezeichnen, müsste eigentlich bedeuten, dass ich in meiner Rolle als „Sprachbloggeur“ quasi der Gast von Dienst bin. Andererseits gäbe es ohne mich keinen Sprachbloggeur. Insofern ist der „Gast“ in diesem Fall mehr als nur ein Gast. Außerdem: Wäre ich hier der Gast und er der Gastgeber, würde das bedeuten, dass ich ein schlechter Gast bin. Sie wissen, was man über Gäste und Fische am 3. Tag sagt.
Herrn P. als meinen „Provider“ (sprich „Fürsorger“) zu beschreiben, klingt ebenfalls ungenau. Man hat einen Fürsorger, wenn man für sich nicht sorgen kann. Das machen Eltern für ihre Kinder oder der Staat für jene Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen. Früher galt der Ehemann als Fürsorger für seine Ehefrau. Das erwähne ich lediglich der Vollständigkeit halber.
Herrn P. meinen „Webmaster“ zu nennen, mutet auch seltsam an. Denn der „Master“ ist nicht nur der „Meister“ wie im Deutschen, sondern ebenfalls derjenige, der Sklaven besitzt. Und das geht erst recht nicht. Schließlich leben wir im 21. Jh.
Wer ist denn Herr P.? Er ist schlicht und einfach der Mensch, der es mir möglich macht, den „Sprachbloggeur“ als Internetplattform zu betreiben. Und dafür bin ich ihm dankbar. Nebenbei: Herr P. ist auch derjenige, der mich von meiner Botplage befreit hat. Auch dafür bin ich ihm dankbar. Wie hat er das geschafft? Er ließ die Bots im sog. „Honeypot“ verschwinden. Der „Honigtopf“ scheint ein Begriff aus dem Blogprogramming zu sein.
Herrn P. wusste allerdings nicht, woher dieser Begriff stammt. Ich habe ihm deshalb erklärt, dass „Honeypot“ US-Marine-Slang ist, um den Behälter zu beschreiben, der auf einem Schiff als Sammelstelle für Exkremente dient. Die Honeypots werden selbstverständlich regelmäßig geleert. Diese Aufgabe hatte übrigens ein Jugendfreund von mir, als er Matrose war. Auch im Flieger, mit dem Sie nach Mallorca oder Kreta jetten, gibt es „Honigtöpfe“. (Jegliche Alternative wäre undenkbar). Auch meine Bots sind in einer Art digitalem Honigtopf steckengeblieben, wo sie entledigt werden. Hoffentlich bleibt es dabei.
Als die Situation mit den Blogbots besonders schlimm war, habe ich Herrn P. eine Mail geschickt – nein kein „Whatsapp“, sondern eine richtige Mail. Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich erwäge, den „Sprachbloggeur“ über YouTube laufen zu lassen und auf geschriebene Texte vielleicht ganz zu verzichten.
Herr P. hat daraufhin folgendermaßen geantwortet: „Es gibt zwar die fürchterliche Tendenz heutzutage, für jeden Schei… ein Video anzubieten. Ich persönlich hasse das. Auch Dokumentation für IT-Leute gibt es immer mehr in Form von Videos. Was für eine scheußliche Zeitverschwendung.“
Und weiter: „Wenn es allerdings wirklich den Trend zum Nichtleser gibt, und wir demnächst in das Zeitalter der Nicht-Schriftkultur eintreten, werden das Sie und ich vielleicht leider nicht verhindern können.“
Herr P. hat natürlich recht. Ich meine das mit dem Unterschied zwischen einer Schrift- und Nicht-Schriftkultur. Allzu leicht vergisst man, dass es zwischen diesen Kommunikationsformen einen SEHR großen Unterschied gibt. Ich war aber ob meines Botfrusts verzweifelt; deshalb hab ich nach einem Ausweg gesucht. Fakt ist aber: Kulturen ohne Schrift kennen kein Mittel außer dem gesprochenen Wort, um Vergangenes festzuhalten. Das Resultat: Sie haben Mythen als einen Ersatz für Geschichte erfunden. Doch leider läuft es mit den Mythen nicht immer rund, wenn sie Fakten hüten sollen. Denn die Mythen verändern sich nämlich ständig. So sind halt die Menschen, wenn sie reden oder erzählen. Immer was Neues dazu, oder man vergisst etwas.
In einer Schriftkultur läuft es anders. Indem man schreibt, hält man quasi alles automatisch fest. Das heißt: Man kann zu einer späteren Zeit den genauen Wortlaut nochmals lesen.
Und noch ein Vorteil der Schriftkultur: Lernt man Sprache zu schreiben, wird das Hirn gezwungen, logisch zu denken. Ja im Ernst! Logisch! Will sagen: „A“ ist gleich „B“, „B“ ist gleich „C“, also ist „A“ gleich „C“. So ein Gedanke kann einer in einer schriftlosen Kultur unmöglich formulieren.
Fazit: Der Sprachbloggeur bleibt Ihnen als Wortladen erhalten. Vielleicht werden wir eines Tages das letzte Bollwerk der geschriebenen Sprache sein.
Wir fangen mit Herrn P. an. Er ist mein – ich glaube man sagt „Webhost“, oder „Provider“ oder „Webmaster“. Ich kenne mich mit dieser Terminologie nicht so gut aus. Ich sage zu ihm immer „Herr P.“, und für ihn bin ich „Herr PJ“.
Jemanden als „Host“ (Englisch für „Gastgeber“) zu bezeichnen, müsste eigentlich bedeuten, dass ich in meiner Rolle als „Sprachbloggeur“ quasi der Gast von Dienst bin. Andererseits gäbe es ohne mich keinen Sprachbloggeur. Insofern ist der „Gast“ in diesem Fall mehr als nur ein Gast. Außerdem: Wäre ich hier der Gast und er der Gastgeber, würde das bedeuten, dass ich ein schlechter Gast bin. Sie wissen, was man über Gäste und Fische am 3. Tag sagt.
Herrn P. als meinen „Provider“ (sprich „Fürsorger“) zu beschreiben, klingt ebenfalls ungenau. Man hat einen Fürsorger, wenn man für sich nicht sorgen kann. Das machen Eltern für ihre Kinder oder der Staat für jene Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen. Früher galt der Ehemann als Fürsorger für seine Ehefrau. Das erwähne ich lediglich der Vollständigkeit halber.
Herrn P. meinen „Webmaster“ zu nennen, mutet auch seltsam an. Denn der „Master“ ist nicht nur der „Meister“ wie im Deutschen, sondern ebenfalls derjenige, der Sklaven besitzt. Und das geht erst recht nicht. Schließlich leben wir im 21. Jh.
Wer ist denn Herr P.? Er ist schlicht und einfach der Mensch, der es mir möglich macht, den „Sprachbloggeur“ als Internetplattform zu betreiben. Und dafür bin ich ihm dankbar. Nebenbei: Herr P. ist auch derjenige, der mich von meiner Botplage befreit hat. Auch dafür bin ich ihm dankbar. Wie hat er das geschafft? Er ließ die Bots im sog. „Honeypot“ verschwinden. Der „Honigtopf“ scheint ein Begriff aus dem Blogprogramming zu sein.
Herrn P. wusste allerdings nicht, woher dieser Begriff stammt. Ich habe ihm deshalb erklärt, dass „Honeypot“ US-Marine-Slang ist, um den Behälter zu beschreiben, der auf einem Schiff als Sammelstelle für Exkremente dient. Die Honeypots werden selbstverständlich regelmäßig geleert. Diese Aufgabe hatte übrigens ein Jugendfreund von mir, als er Matrose war. Auch im Flieger, mit dem Sie nach Mallorca oder Kreta jetten, gibt es „Honigtöpfe“. (Jegliche Alternative wäre undenkbar). Auch meine Bots sind in einer Art digitalem Honigtopf steckengeblieben, wo sie entledigt werden. Hoffentlich bleibt es dabei.
Als die Situation mit den Blogbots besonders schlimm war, habe ich Herrn P. eine Mail geschickt – nein kein „Whatsapp“, sondern eine richtige Mail. Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich erwäge, den „Sprachbloggeur“ über YouTube laufen zu lassen und auf geschriebene Texte vielleicht ganz zu verzichten.
Herr P. hat daraufhin folgendermaßen geantwortet: „Es gibt zwar die fürchterliche Tendenz heutzutage, für jeden Schei… ein Video anzubieten. Ich persönlich hasse das. Auch Dokumentation für IT-Leute gibt es immer mehr in Form von Videos. Was für eine scheußliche Zeitverschwendung.“
Und weiter: „Wenn es allerdings wirklich den Trend zum Nichtleser gibt, und wir demnächst in das Zeitalter der Nicht-Schriftkultur eintreten, werden das Sie und ich vielleicht leider nicht verhindern können.“
Herr P. hat natürlich recht. Ich meine das mit dem Unterschied zwischen einer Schrift- und Nicht-Schriftkultur. Allzu leicht vergisst man, dass es zwischen diesen Kommunikationsformen einen SEHR großen Unterschied gibt. Ich war aber ob meines Botfrusts verzweifelt; deshalb hab ich nach einem Ausweg gesucht. Fakt ist aber: Kulturen ohne Schrift kennen kein Mittel außer dem gesprochenen Wort, um Vergangenes festzuhalten. Das Resultat: Sie haben Mythen als einen Ersatz für Geschichte erfunden. Doch leider läuft es mit den Mythen nicht immer rund, wenn sie Fakten hüten sollen. Denn die Mythen verändern sich nämlich ständig. So sind halt die Menschen, wenn sie reden oder erzählen. Immer was Neues dazu, oder man vergisst etwas.
In einer Schriftkultur läuft es anders. Indem man schreibt, hält man quasi alles automatisch fest. Das heißt: Man kann zu einer späteren Zeit den genauen Wortlaut nochmals lesen.
Und noch ein Vorteil der Schriftkultur: Lernt man Sprache zu schreiben, wird das Hirn gezwungen, logisch zu denken. Ja im Ernst! Logisch! Will sagen: „A“ ist gleich „B“, „B“ ist gleich „C“, also ist „A“ gleich „C“. So ein Gedanke kann einer in einer schriftlosen Kultur unmöglich formulieren.
Fazit: Der Sprachbloggeur bleibt Ihnen als Wortladen erhalten. Vielleicht werden wir eines Tages das letzte Bollwerk der geschriebenen Sprache sein.
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