Würden Sie gern eine Fremdsprache so lernen, so dass Sie richtige Gespräche führen könnten? Ich meine richtige richtige Gespräche. Nicht nur das übliche „ja“, „nein“, „wo ist“, „wie viel kostet“, „zu viel“ usw.
Wenn das Ihr Wunsch ist, dann sind Sie bei mir…ähmm…richtig!
Denn nun werde ich Ihnen etwas verraten, was die nobelsten Sprachschulen und besten Sprachlehrer nie sagen würden – obschon sie beteuern, sie könnten Ihnen eine Fremdsprache beibringen…
und zwar: Von wenigen Ausnahmenerscheinungen abgesehen, werden Sie nie nie nie die Fremdsprache Ihrer Wahl so beherrschen wie Sie Ihre Muttersprache tun.
Hab ich „beherrschen“ gesagt? Ein komisches, ja befremdendes Wort, das man gern über das gelungene Erlernen einer Fremdsprache verwendet. Als ich selbst in der frühen Lernphase (der dt. Sprache) steckte, vertraute ich Freund Herbert an – er war einer der ersten Deutsch Muttersprachler mit denen ich regelmäßig Kontakt hatte und der mit mir stur Deutsch sprach – , dass ich manchmal das Gefühl habe, ich werde diese Sprache nie beherrschen.
„Beherrschen?“, erwiderte er scharf. „Wieso sollst du die deutsche Sprache ‚beherrschen‘ können. Beherrschen tut der Sieger, wenn er einen Krieg gewinnt. Kein Mensch ‚beherrscht‘ eine Sprache. Nicht einmal der Muttersprachler. Man geht mit einer Sprache lediglich geschickt oder ungeschickt um, und das wäre es dann. Das gilt für jeden.“
Wahrscheinlich schwirrte mir diese Weisheit Herberts durch den Kopf, als ich mich entschloss mein – bisher – unveröffentlichtes Buch „Wie ich die deutsche Sprache eroberte“ zu nennen. Ironie war schon immer meine Stärke (oder Schwäche). Dies wäre jedenfalls denkbar.
Fakt ist: eine Fremdsprache wird man nie sprechen können wie die Muttersprache – egal wie fließend die Wörter der Fremdsprache über die Zunge wirbeln.
Der Grund: Im Erlernen der Muttersprache macht man zu jeder Zeit verschiedene Erfahrungen. Kinder reden, dem Alter entsprechend, auf eine Art, die man niemals als Erwachsene tun könnte bzw. sollte. Und es geht immer weiter so – bis in die erwachsenen Jahre.
Ist so etwas wichtig?
Jawohl.
Weil man Sprache zu jedem Alter auf eine andere Weise benutzt. Das gilt auch für die Witze, die Wortspiele, die Dummheiten und die Fehler, die einem im Lauf eines Sprechlebens lieb und teuer sind.
Nebenbei: Warum schreibe ich diese Glosse heute? Hmm. Keine Ahnung.
Eigentlich hatte ich ursprünglich vor, etwas über die Begriffe „Problem“ und „Problematik“ zu erzählen.
Ich kam darauf, weil ich persönlich, als Lernender lange nicht in der Lage war, zwischen diesen zwei Vokabeln zu unterscheiden. Inzwischen bin ich heimisch im Bereich der Probleme und der Problematiken geworden.
Englisch hat nur „problems“. Wenn etwas „problematic“ ist, kann das nur bedeuten, dass etwas für jemanden ein „problem“ ist.
Vor lange Zeit stellte ich fest, dass auch manche Deutsche Probleme mit Problem und Problematik haben. Genauer gesagt: Sie sagen „Problematik“, d.h., ein „Netzwerk von Problemen“, wenn sie lediglich „Problem“ meinen.
Es gibt natürlich einen Grund dafür: „Problematik“ klingt – wie soll man es sagen? – edler als „Problem“. Manche Leute möchten gern vornehm klingen.
Meine Theorie, um zum ersten Punkt zurückzukehren: „Problem“ und „Problematik“ durcheinander zu bringen, ist etwas, das man in der Kindheit bzw. in der Jugend lernt. Es ist letztendlich eine sprachliche Schlampigkeit der Muttersprachler.
Und nun wissen Sie erst recht, warum es unmöglich ist, jemals eine Sprache zu „beherrschen“.
Wie sagt man Bodyshaming auf Deutsch?
Klar: „Bodyshaming“! Das Bodyshaming natürlich. Gottseidank! Stellen Sie sich vor: es hieße „der“ oder „die“ Bodyshaming. Dann gäbe es dazu eine ganz andere Dimension der Kränkungshierarchie: die des Genders.
Denn heute zählt die Kränkungshierarchie zu den höchsten Tugenden – zumindest für manche (s. unten).
Was ist „Bodyschaming“? Das geschieht, wenn einer die körperlichen Eigenschaften eines anderen, bzw. einer anderen, hervorhebt: also dick, dünn, hässlich, klein, groß usw. Für manche gilt es sogar, solche Hinweise auch in der Literatur zu tilgen.
Lokalpatrioten, bzw., diejenigen, die es für wichtig halten, Fremdwörtern den dt. Pass auszustatten, haben bereits dem „Bodyshaming“ eine passende deutschsprachige Entsprechung aus dem Boden gestampft: „Körperbeschämung“.
Frage: Wie oft haben Sie in den letzten sechs Wochen den einen oder den anderen Begriff verwendet – bzw. über dieses Phänomen der Körperbeschämung nachgedacht? Falls Ihre Antwort lautet „kein einziges Mal“, dann sind Sie wahrscheinlich ein…darf ich’s sagen?...stinknormaler deutscher Mensch.
Fakt ist: Der Begriff „Bodyshaming“ ist viel weniger im Umlauf, als manche vermuten.
Eins steht fest: Dieser Begriff entstammt dem Wortschatz der Viktimologie made in USA. Doch auch da drüben, so bilde ich mir ein, wird er weniger gebraucht wird, als man denkt.
So ist es im Allgemein mit dem neuen politisch korrekten Wortschatz
Vor ein paar Tagen habe ich Frau K., die mir täglich meine Boulevardzeitung verkauft, meinen Sieger fürs hässlichste Wort der dt. Sprache anvertraut. Treue Leser dieser Glosse kennen dieses Wort längst: „Studierendenschaft“.
„Noch nie gehört“, erwiderte Fr. K.
„Im Ernst?“
„Im Ernst. Kenne ichs nicht.“
„Und ‚Studierende‘?“
„Aa noch nicht g‘hört.“
So eine Reaktion gibt zu denken. Die sorgfältige Neuartung der dt. Sprache scheint doch nicht so zu zünden, wie es die Spracherneuerer-sternchen-Innen erhoffen.
Nach wie vor sind es die Blattmacher, die Rundfunksprecher, die TV-Treibende und natürlich diverse kleine Gruppierungen von Diversitätsstifter-sternchen-Innen, die am eifrigsten von der Idee beseelt sind, dass man die dt. Sprache im Namen der Gleichheit und der Gerechtigkeit auf den Kopf stellen müsse, damit sich bloß niemand in seinen Gefühlen verletzt werden sollte.
O je. Halt. Bald fange ich an zu zetern.
Zurück also zu Bodyshaming.
Glauben Sie mir. Ich finde es nicht anständig, wenn Leute wegen ihres Aussehens verhöhnt werden. Es ist immer ein Zeichen, dass der Verhöhnende nicht ganz richtig tickt. Das weiß man meistens nicht, wenn man – um es lateinisch auszudrücken – einem „ad hominen“-Attacke ausgesetzt wird.
Würde aber der Angegriffene dies wissen, könnte er (oder sie) einfach fragen: „Sag mal, hast du alle Tassen im Schrank? Warum soll mein Aussehen dir was bedeuten? Hast du nichts Besseres zu tun?“
Das wäre die passende Antwort auf jegliche Körperbeschämung.
Meiner Erfahrung nach sind Körperbeschämer gar nicht auf solche Fragen vorbereitet. Der Schuss geht dann stets nach hinten.
Naja. Nur eine spontane Empfehlung meinerseits.
Sie würde aber dennoch viele Probleme lösen – und vielleicht müsste man dann die dt. Sprache (und auch andere Sprachen) eben nicht der Höflichkeit wegen auf den Kopf stellen.
Nebenbei: Haben Sie es gewusst, dass in Deutschland Bodyshaming gesetzlich geahndet wird? Das habe ich von KiKi, der gekünstelten Intelligenz Googles erfahren. Siehe da.
„Kunst“ kommt, wie jeder weiß, von „können“.
Will heißen: Die „Fähigkeit“ etwas zu tun, ist gleich einer schöpferischen Handlung. Stimmt das wirklich?
Z.B.: Wenn einer in der Lage ist, etwas Schreckliches anzustellen, dann müsste auch das als „Kunst“ bzw. eine „Kunsthandlung“ gelten. Oder?
Immerhin sagt man lobend über jemanden: „Er (bzw. sie) kann was.“ Damit meint man eindeutig Positives.
Was lernen wir daraus? Wahrscheinlich, dass es gute und schlechte, hohe und kitschige Kunst gibt.
So viel also zu „Kunst“.
Und jetzt weiter, liebe Freunde der deutschen Sprache. Denn nun sind wir nach obiger Einführung in der Lage, d.h., wir können – also wir haben die nötige Kunstfertigkeit, um über eine weitere Vokabel nachzusinnen: „künstlich“.
Woran denken Sie, wenn Sie dieses Wort „künstlich“ hören? An etwas Gutes oder an etwas, sagen wir, „weniger gut“?
Ich meine, dass man das Wort „künstlich“ mit etwas „Unechtes“ assoziiert. Und üblicherweise, wie man weiß, hat das Unechte weniger Wert als das Echte. Oder?
Komisch. „Künstlich“ ist mit „Kunst“ verwandt, und dennoch genießt die Kunst einen viel höheren Stellenwert als das „Künstliche“.
Zum Beispiel ein Weihnachtsbaum. Die echten Weihnachtsbäume wirken (zumindest für die meisten Menschen) allemal edler als die künstlichen. Oder?
Meine Nachbarin liebte allerdings ihren künstlichen, weißfarbigen Kunststoff (notabene: „Kunst“+„Stoff“) Weihnachtsbaum tierisch. Doch warum sollte man nicht eine Vorliebe fürs Kitschige haben? Auch kitschige Dinge können ja einen Reiz haben!
Viel Palavern bisher in dieser Glosse, aber wahrscheinlich haben Sie längst erraten, worauf ich hinauswill.
Ja, es geht um den momentan sehr umstrittenen digitalen Popstar: die künstliche Intelligenz.
Haben Sie Angst davor?
Benutzen Sie sie?
Vermeiden Sie sie?
Ich zum Beispiel komme täglich mit Kiki in Kontakt. Auf meinem Phone, z.B., jedesmal , wenn ich nach der Wettervorhersage schaue. Bei Google heißt es übrigens „KI Wetterbericht“.
Oder neuerdings, wenn ich einen Begriff „googele“, bekomme ich immer häufiger anstatt einer Liste geeigneter Webseiten bzgl. meines Begriffs zuerst eine knappe Zusammenfassung der Inhalte besagter Webseiten, die ich dann wahrscheinlich nicht mehr anklicken werde, weil ich bereits genug zum Thema erfahren habe. Will heißen: Ich werde, wenn ich mich nur auf Kiki verlasse, letztendlich weniger informiert, als wenn ich den möglicherweise differenzierteren Bericht, der von Kiki ausgeplündert wurde, konsultieren würde.
Worauf will ich hinaus?
Ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass Kiki zwar nützlich sein kann: leider aber auf Kosten anderer.
Und jetzt zurück zum Unterschied zwischen „Kunst“ und „künstlich“: Was Kiki tut, heißt nicht von ungefähr „künstliche Intelligenz“ und nicht etwa „Kunst Intelligenz“ bzw. „kunstvolle Intelligenz“.
Um es auf den Punkt zu bringen: Wir betonen falscherweise die Vokabel „Intelligenz“ im Begriff „künstliche Intelligenz“. Das ist falsch.
Die gerechte Betonung dieses neuen Begriffs sollte vielmehr auf „künstlich“ liegen. Und nun siehe wieder die ersten Sätze dieser Glosse.
Haben Sie schon vom „D“-Wort gehört? Ich gehe nicht davon aus. Denn es steht, soweit ich weiß, noch nicht auf der Liste der mit einem Buchstaben wiedergegebenen verbotenen Wörter. Das vermute ich jedenfalls.
Diese Fixierung mit Buchstabenkürzeln, um „gecancellte“ Begriffe zu tilgen, ist, wie jeder weiß, ein Import aus den Vereinigten Staaten (und wohl sekundär aus dem Vereinigten Königreich). Nun schlägt sie auch in Deutschland Wurzeln.
Es handelt sich stets um Begriffe, die man nicht mehr sagen oder gar ausschreiben darf, weil sie als verletzend erachtet werden.
So die Theorie.
In den USA kennt man bereits den Beruf des „sensitivity reader“. Das ist eine Person, die uns vor solchen Begriffen zu schützen hat. Leider habe ich vergessen, wie man „sensitivity reader“ auf Deutsch sagt. Vielleicht „Sensitivity-Reader*in“.
Ich erzähle Ihnen gewiss nichts Neues. Wörter wie „dick“, „kleinwuchsig“,
„zurückgeblieben“, „häßlich“ usw. werden entweder durch akzeptable Synonyme ausgetauscht, oder ein Text wird wohl abgelehnt bzw. entsprechend geändert.
Es gibt genügend Beispiele dieses Phänomens. Und Sie kennen sie ohnehin längst selbst. Am bekanntesten ist bestimmt das Hickhack um Mark Twains Figur „Nigger Jim“ in „Huckleberry Finn“. Leider habe ich vergessen, was man für eine Lösung gefunden hat. Auch Kinderbuchautor Roald Dahl wurde wegen seiner Dicken und Hässlichen u.v.a.m. als politisch äußerst unkorrekt eingestuft. Beispiele finden Sie im WehWehWeh zur Genüge.
Ich komme nun auf dieses Thema nur deshalb, weil sich in NRW, so erfahre ich, 12.000 sehr empfindliche Menschen, wahrscheinlich Abiturienten, wegen einer Abi-Prüfung-Frage beschwert haben. Der Grund: Sie sind auf das „N“-Wort in einem zu prüfenden Text von der amer. Schriftstellerin Mary-Alice Daniel gestoßen.
Folgendes aus dem „Spiegel-Online“:
„Die Verwendung des N-Worts rechtfertigte das Schulministerium damit, »dass dieser von der – selbst schwarzen – Autorin im Rahmen der Schilderung ihrer Erlebnisse bewusst selbst verwendet wird«, zudem sei er in Anführungszeichen gesetzt. »Den Begriff wegzulassen hätte die Intention der Autorin unangemessen verfälscht«, ist das Schulministerium überzeugt.“
Dennoch wurden innerhalb einer Woche 12.000 Unterschriften gesammelt und abgegeben.
By the way: In der amer. Zeitschrift “New Yorker” – sie gilt als prima-Adresse für Zeitgeist und neue Literatur – habe ich vor ein paar Jahren eine Kurzgeschichte von einem schwarzen – oder wie man heute sagt: „afro-amerikanischen“ Autor – gelesen, dessen Text mit dem Wort „nigger“ bzw. „niggah“ nur wimmelte. Das „New Yorker“-Magazin wird allerdings nicht von empfindlichen Abiturienten aus NRW gelesen, sondern von „hippen“ Literaturmenschen. Da der Autor selbst schwarz war (wie auch Mary-Alice Daniel) und die Sprache die einer schwarzen Umwelt wiedergibt, gab es auch hier keinen richtigen Bedarf, dass der Sensitivity Reader Alarm schlagen sollte.
Nebenbei: Im selben Text stößt man immer wieder auf das Schimpfwort „Whitey“, also „weißer Mensch“. Dies würde wohl in NRW nicht auffallen.
Naja. So eng sehe ich die Sache nicht. Meiner Meinung nach: Wenn eine Vokabel sinnvoll ist – und nicht die Absicht hat – andere zu verletzen, dann warum sollte man sie nicht verwenden?
Aber nun zurück zu dem oben versprochenen „D“-Wort. Wird auch er bald auf der schwarzen Liste landen? Upps! Ist es noch erlaubt, „schwarze Liste“ zu sagen? Werden wir bestimmt bald sehen.
Das „D“-Wort, falls Sie es selbst noch nicht erraten haben, steht für „dumm“.
Übersetzen. Komisches Wort, mal trennbar: man setzt über – so wie bei den alten Griechen der Bootsmann Charon, der die Seelen der Toten über den Fluss des Vergessens, Lethe, übergesetzt hat; mal untrennbar – und darum geht es in dieser Glosse. Man übersetzt einen Text oder einen Satz aus einer Sprache in eine andere.
Im zweiten Sinn ist „übersetzen“ keine Vokabel der alten Germanen. Erst im 15. Jh. wurde sie in die dt. Sprache übergesetzt. Es war eine Zeit, als die Gelehrten die dt. Sprache eifrig mit vielen verdeutschten lateinischen Vokabeln aufhübschten. „Übersetzen“ ist letztendlich die dt. Version des lateinischen „traducere“, „überführen“.
Was hat man früher gesagt, wenn man etwas aus einer Fremdsprache in dt. Sprache wiedergeben wollte? Wahrscheinlich „verdeutschen“. Auch heute verdeutscht man. Oder man konnte – ab dem 13. Jh. „dolmetschen“. Notabene: Dieses Wort haben Deutsche von den slawischen Sprachen abgeguckt. Eigentlich ein türkischer Begriff für „Vermittler: „dilmaç“. Auch Luther benutzte ihn.
Doch warum berichte ich jetzt übers „Übersetzen“?
Fakt ist: Ich bin momentan dabei, einen Text aus dem Deutschen ins Englische zu „übertragen“, zu „übersetzen“… zu „verenglischen“ aber nicht zu „dolmetschen“. Denn heute sagt man „dolmetschen“ nur, wenn „live“ (sprich „leiw“) übertragen wird. Es geht hier nicht um irgendeinen Text, sondern einen eigenen…was selten vorkommt.
Und zwar um eine Novella, „Hierons Gastmahl – oder das Wort als Ware“. Den Prolog dazu findet man übrigens auf der Sprachbloggeur-Seite unter der Rubrik „Wer bin ich?“. Sie wird jetzt verenglischt, weil mein amer. Verleger sie sehen möchte.
Es geht also um ein Kunstwerk. So was zu übersetzen, erfordert eine besondere Aufmerksamkeit, bzw., Sprachgefühl: Man will nämlich, dass die Übersetzung eine ähnliche Wirkung in der Fremdsprache hat wie im Original.
Klar: Man kann Texte nie ganz eins zu eins übertragen. Das ist eine Eigenart von Sprachen. Sie drücken das gleiche oft sehr unterschiedlich aus. Die dt. Sprache, z.B., liebt Wörter wie „doch“, „noch“, „schon“, „zwar“, „mithin“ usw., wofür man dann englische Lösungen finden muss. Englisch unterscheidet zwischen „I think“ und „I am thinking“, „I was thinking“, „I thought” usw. Oder Idioms. „Er lügt wie gedruckt“, „it’s raining cats and dogs“. Man ist immer auf der Suche nach Lösungen.
Eine harte Arbeit. Ich habe über die Jahre viele Texte – mal literarische mal sachliche – übersetzt. Es waren allerdings immer die Texte anderer. Meine Vorgehensweise war aber stets gleich: erster Schritt – eine wörtliche Übertragung, zweiter Schritt – der Versuch Fehler auszuräumen. Erst dann habe ich das Original beiseitegelegt und in einem dritten Schritt, ohne das Original anzusehen, habe ich alles gnadenlos ins idiomatische Englisch verfeinert.
Komischerweise finde ich es noch schwieriger, mein eigenes Werk ins Englisch zu übertragen. Zumindest dieses Werk. Vielleicht liegt es daran, dass die Sprache, da das Buch im alten Griechenland spielt, sehr schlicht gehalten wird, d.h. frei von Idioms, die in der Zeit nicht passen. Der Leser ist angehalten, sich vorzustellen, er lese Griechisch und befinde sich in der Antike. Das erfordert die Einhaltung einer heiklen sprachlichen Gratlinie: sowohl im ursprünglichen deutschen Text wie auch im Englischen.
Früher hatte ich als Übersetzungswerkzeuge nur Wörterbücher und Synonymwörterbücher. Heute stehen mir lauter digitale Werkzeuge zur Verfügung. Ich verwende persönlich: dict.cc, Leo, Google Übersetzer, DeepL, Linguee. Bisweilen auch mein altes Synonymwörterbuch und mein altes, dickes engl. Wörterbuch.
Bisher habe ich zweimal den deutschen Text und den englischen Satz für Satz miteinander verglichen. Beim dritten Mal, d.h., im Augenblick, tue ich das weniger. Ich versuche mich vielmehr auf den Ton des Englischen zu konzentrieren und ziehe das Deutsche nur manchmal zum Vergleich.
Wahrscheinlich werde ich in der vierten Fassung ganz auf die dt. Version verzichten und nur noch schleifen. Dann wird es eine fünfte Lesung geben: Mit diesem Schritt lasse ich mir meine Übersetzung von Word vorlesen. Das finde ich immer hilfreich.
Und somit habe ich Ihnen ein wenig über die Kunst der Übersetzung verraten – zumindest wie ich sie verstehe.
Wie so oft schreibe ich über etwas, wovon ich keine direkten Kenntnisse habe. In diesem Fall ein Buch, das ich nicht gelesen habe: „Der große Sprachumbau – Eine gesellschaftliche Katastrophe“ von einem gewissen Matthias Heine. Ich glaube nicht, dass er mit Heinrich H. verwandt ist, aber was weiß ich?
Ich habe eine Rezension über dieses Buch in der Schweizer Weltwoche gesehen. Haben Sie gewusst, dass auch ich manchmal für die Weltwoche geschrieben habe? Wahrscheinlich nicht. Ich bin meistens viel zu dumm (oder faul), um Werbung in eigener Sache zu machen. Deshalb wissen Sie wohl auch nichts von meinem englischsprachigen Roman „Winston Hewlett’s Impotence“, der vor beinahe einem Jahr erschienen ist und bisher keine einzige Rezension bekommen hat – obwohl es sich um ein sehr unterhaltsames und auch tiefschlürfendes Buch handelt.
Ich wäre froh gewesen, wenn einer über mein Buch schreiben würde, auch wenn er es nicht gelesen hat, wie ich es hier mit einem Buch mache, das ich nicht gelesen habe. Freilich aber nur wenn er etwas Positives zu berichten hätte.
Im Fall von Matthias Heines neuem Buch, das in der Weltwoche von Wolfgang Koydl besprochen wird, gibt‘s jedenfalls einiges zu sagen.
Der Titel des Heine Buches sagt schon alles. Nämlich: das, was er als „Sprachumbau“ bezeichnet, ende in einer Katastrophe für Sprache und Gesellschaft.
Was meint er mit „Sprachumbau“? Es geht bei ihm um den „Genderismus“, um die sprachliche politische Korrektheit u.v.a.m.
Manchmal fehlt diese Seuche nicht auf, weil sie bereits allgegenwärtig geworden ist. Will heißen: Immer öfters wird streng um eine sprachliche Gerechtigkeit zwischen Männlein und Weibchen bemüht. Sie kennen das schon: „alle Lehrerinnen und Lehrer“ oder „alle Lehrer*innen“ (bzw. „LehrerInnen“). Im Rundfunk, vernimmt man, wenn man genau hinhört, einen „Glottisschlag“. Etwa: Lehrer – hikk! – Innen. Somit weiß man, falls MAN es noch nicht erraten hat, dass ein Begriff allumfassend zu verstehen ist – zumindest gendermäßig.
Soldatinnen und Soldaten eines neuen Sprachkriegs rufen zu den Waffen. Ja ladies first – auch wenn es meistens die Männer sind, die in einem Krieg sterben oder töten. Lediglich werden „Täter“, „Einbrecher“, „Räuber“ und dergleichen nicht vergegendert.
Vergessen Sie auch die „Lesenden“ und die „Radfahrenden“ nicht. Oder die „Studierendenschaft“, das Wort, das ich in der dt. Sprache am meisten hässlich finde!
Doch was tut MAN, wenn man die Bisexualität betonen will, und das zu gendernde Wort in der Einzahl ist? Für diese Frage finde ich bisher keine Antwort. Darf man, wenn man allgemein redet, „der Lesende“ sagen? Etwa: „Der Lesende wird dieses Buch spannend finden.“ Denn möglicherweise ist „der“ Lesende in Wirklichkeit eine Frau (was übrigens, bzgl. Bücher meistens der Fall ist). „Die Lesende“ klingt aber in diesem Zusammenhang nicht ganz richtig.
Vielleicht müsste man „der oder die Lesende wird dieses Buch spannend finden“ sagen. Ja, der Satz ist allemal länger als „der Leser wird dieses Buch spannend finden“, aber so ist es mit der sprachlichen Gerechtigkeit.
Die gute Nachricht: Der neue Genderismus findet man – bisher – fast ausschließlich in der Sprache der Medien. Auf der Straße reden die (meisten) Menschen noch immer recht normal. Doch wie lange noch?!
Naja, es könnte alles viel schlimmer sein. Auf Englisch sagen manche „they“, wenn sich der Subjekt eines Satzes als „binär“ versteht – also keinem Geschlecht zugehörend. Auch die New York Times erlaubt sich diesen Pronomen, um solche Menschen zu kennzeichnen.
Kurze Zwischenfrage: Wie viele binäre Menschen gibt es in der Gesamtbevölkerung? Genug um die Sprache auf den Kopf zu stellen?
Noch eine kleine Verrücktheit im Englischen: Die Vokabeln „actress“ (Schauspielerin) und „poetess“ (Lyrikerin) werden neuerdings in den angelsächsischen Medien nicht mehr verwendet. Es gibt nur mehr „actors“ und „poets“. Aufs Deutsche übertragen würde das ade Gendersternchen bedeuten!
Ja, ein Sprachkrebs ist am Wuchern. Findet FRAU eine Impfung dagegen?
Manchmal wird es mir zu viel, und dann kommen die bösen Gedanken.
So ist es in letzter Zeit wegen der Spammer, die sich täglich an der Pforte dieser Glosse, um Eingang bittend, so tun, als wollten sie „Kommentare“ abgeben.
Klar. Ich lese deren Erzeugnisse nie. Im Gegenteil. Ich lösche sie sofort. Zag! Weg! Am nächsten Tag hat sich aber schon wieder einiges um Eingang bittend an der Pforte gesammelt.
Ja, wie jeder Ladenbesitzer, kehre auch ich täglich vor dem Ladeneingang, damit echte Kundschaft den Eindruck bekommt, ich führe einen ordentlichen Laden.
Es sind momentan regelmäßig zwischen drei und zehn „Kommentare“, aller in kyrillischen Buchstaben geschrieben, die ich vorfinde. Sie tun so, als wollten sie diverse Glossen des Autors kommentieren.
Das wollen sie selbstverständlich nicht. Da ich etwas Russisch lesen kann, vermag ich manchmal in der Überschrift den Inhalt zu entziffern. Es geht meistens um Nonsens, Sex oder manchmal um echte Produkte (zumindest das bilde ich mir ein) aus einem wohl falschen Internetladen.
Komisch: Ich schreibe über Sprache; die Spammer bedienen sich eher der Unsprache.
Es könnte allerdings viel schlimmer sein. Früher bekam ich eine Zeitlang täglich mehr als 100 solcher Spams – auch meistens auf Russisch geschrieben. Mein Blogmeister, Herr P., hat dann etwas Technisches gezaubert, und der Dreck war weg. Er meinte damals: „Sie werden schnell aufgeben, weil jede Bitte, einen Kommentar abzugeben, viel Handarbeit erfordert.“
Es hat tatsächlich gut geklappt.
Das war aber damals. Inzwischen haben wir die KiKi, also die k. Intelligenz.
Meinem Sohn zufolge vermögen „Bots“ indes komplizierte Anmeldeverfahren im Handumdrehen zu umgehen. Man habe also keine Chance mehr.
Vielleicht muss ich doch endlich die neue Software, auf die Herr P. schon lange pocht, installieren. Bin aber so faul. Außerdem bekommt der Sprachbloggeur dadurch einen neuen Look. Wie sehr viele Menschen, vertrage auch ich nur sehr begrenzt Veränderungen.
Derart irritiert werde ich aber allmählich vom neuen täglichen Angriff der Spammer, dass ich vorhatte – auf Russisch – als Titel dieses Beitrags etwas wie „Spammer, ihr werdet bald impotent!“ (mit Hilfe von Google Translate) zu schreiben und veröffentlichen.
„Hilft nicht“, meinte mein Sohn. „Den Bots wäre jeglicher beliebige Titel egal. Sie lesen nicht, sie agieren.“
Trotzdem habe ich mit obigem Titel (siehe da) etwas probiert. Er lautet – transkribiert: „Spammeri umirajut molodimi“ und bedeutet „Spammer sterben jung“.
Ob das wirklich stimmt, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls werde ich vielleicht herausfinden, ob der Bot Russisch liest oder nicht.
Mein Sohn meint, nein. Außerdem behauptet er, die Spammer, bzw., die Bots könnten überall ihren Sitz haben. Myammar, z.B. Was weiß ich?
Jedenfalls, heute ein Experiment und bald vielleicht doch ein neuer Look beim Sprachbloggeur.
Nun ist es geschehen. Lang habe ich gedacht, dass es doch nicht passieren würde: Aber nun beginnt ein klarer Begriff aus der Politik seine Konturen zu verlieren.
Die Rede ist von „liberal“.
Viele meiner Leser wissen, dass Ich Amerikaner bin. Einige ahnen das wohl nicht, womit ich meine neuen Spammer meine, die mir – momentan – täglich in russischer Sprache Schundbotschaften zukommen lassen. Wahrscheinlich halten sie mich für einen Russen, der deren Schund versteht und als „Kommentare“, diese Seite vermüllen lassen würde.
Komische, komische Welt…und es wird zurzeit immer bunter…zumindest eine Weile bleibt es so.
Aber zurück zu den „Liberalen“.
Als frisch zugezogener Amerikaner musste ich einst rasch erfahren, dass „liberal“ nicht gleichbedeutend ist mit „liberal“.
In den USA bedeutet „liberal“ etwas wie „sozialdemokratisch eingestellt“, ein Mensch also, der auf die freie Ausübung seiner…tja…“Liberalität“ steht.
Jeder solle also auf seine Art glücklich sein, solange er die Glückseligkeit des anderen respektiert…usw. usw. Eine freie und offene Gesellschaft ist also gleich einer „liberalen“ Gesellschaft.
Diejenigen in den USA, die der Meinung sind, dass die Freizügigkeit manchmal zu weit geht, nennt man hingegen „konservativ“.
„Liberal“ und „konservativ“. So heißen die Urpolaritäten im amer. polit. System.
Sie können sich bestimmt vorstellen, dass meine ersten Begegnungen mit dem deutschen – bzw. – europäischen Liberalismus rapide zu Missverständnissen geführt haben.
Irgendwie ist der europ. Liberale vielmehr ein Verwandter des amer. Konservativen als des amer. Liberalen.
Wird schnell konfus.
Die dt. bzw. europ. Liberalen entstammen, falls Sie dies vergessen haben – Traditionen aus dem 18. Jh. Stichwort Edmund Burke und Adam Smith u.a. Das waren mehr oder weniger die Ziehväter des heutigen europ. Liberalismus.
Es waren Denker und Ökonomen, die von einem globalen freien Handel träumten, der letztendlich die Länder Europas bereichern würden.
Vielleicht haben Sie mal in der Schule darüber etwas gelernt.
Ja. Freier Handel. Das ist sehr wohl etwas anders als die individuelle Freiheit, die das Hauptthema der amer. Denker war und geblieben ist.
Von daher ist die FDP also eine liberale Partei, weshalb sie in den Nachrichten „die Liberalen“ genannt werden.
Für einen Amerikaner wie mich, der nur so viel von der Politik verstehen will, um nicht ganz als ignorant dastehen zu müssen, war all dies eine große Überraschung.
„Falsche Freunde“ sagen dazu die Sprachennarren. „Liberal“ und „liberal“ sind ebenso falsche Freunde wie das englische „eventually“ und das deutsche „eventuell“ oder „also“ und „also“.
Nebenbei: Im UK hat „liberal“ die gleiche Bedeutung wie in Deutschland. Die britische Partei, die dem amer. Liberalismus entsprechen könnte, nennt man „Labour“. Aber: und nun der Clue – neulich bin ich in der „Guardian“ auf „liberal“ im amer. Sinn gestoßen. Ich bilde mir ein, dass ich diese Verwandelung auch mal im Deutschen gesehen habe…
Nein, heute schreibe ich nicht über die verrückte gegenwärtige Politik.
Das dürfen andere.
Ich möchte nur auf eins hinweisen: dass der amer. „Liberalismus“ peu à peu dem dt. Liberalismus den Sinn auszuhebeln droht.
Bleiben Sie wachsam. Sie werden dies selbst bestätigen können.
Darf man noch mauscheln?
Diese Frage stellte mir neulich Freund O. Ich zitiere: „Neulich bei der Sitzung vom Kunstfond hat jemand mauscheln gesagt. Eine Künstlerin im Kuratorium hat sich daraufhin empört und gemeint, das sei ein antisemitischer Begriff. Stimmt das?“
Was meinen Sie, liebe Lesierende? Darf noch gemauschelt werden?
Zugegeben: Kein freundliches Wort. Laut Kiki (oder wie auch immer Google seinen neuen KI-Bot nennt) bedeutet „mauscheln“: „unter der Hand in undurchsichtiger Weise Vorteile aushandeln, begünstigende Vereinbarungen treffen, Geschäfte machen“.
Brrrr. Eiseskälte spürt man, wird einem das Mauscheln vorgeworfen.
Umso schlimmer ist die Sache, wenn man, wie genannte Künstlerin im Kuratorium, diese Vokabel erkennt als etwas aus der antisemitischen Kiste, was übrigens stimmt.
„Mauscheln“ ist die westjiddische Form von „Mose“. In der besser bekannten ostjiddischen Sprache sagte man „Mojsche“ bzw. „Mäjsche“. Mein seliger Schreibmentor Gerhard Peter Moosleitner wurde von seinen Freunden und Bekannten „Mojsche“ genannt. Kein Mensch hat da allerdings Antisemitisches heraushören können. Zudem war dieser „Mojsche“ bekannterweise sehr sehr katholisch.
Beim „Mauscheln“ ist es vielleicht doch etwas anders. Denn eigentlich will man mit dieser Vokabel „wie Mausche reden“ sagen. Was natürlich verstanden wird als „unter der Hand in undurchsichtiger Weise…“ usw.
Nebenbei: Es gibt noch ein „au“ Wort in der dt. Sprache, das heute sehr bekannt und wie „mauscheln“ noch immer sehr verbreitet ist. Allerdings denkt keiner da an antisemitische Anflüge. D.h.: „Saures“ wie in „gib ihm Saures“. „Saures“ ist nämlich die westjiddische (es handelt sich übrigens um eine ausgestorbene Sprache) Aussprache des ostjiddischen Wortes „zoress“, d.h., „Sorgen“. Das dt. Ohr hörte wohl einst „Saures“ wie in „Sauergurke“. Und so haben wir heute „gib ihm Saures“.
Nicht aber wegen „mauscheln“ bin ich auf den Gedanken gekommen, die heutige Glosse zu schreiben, sondern weil ich neulich in YouTube zufällig eine kurze Skizze mit Dieter Hallervorden und anderen gesehen habe. Dieter H. sitzt in diesem Video im „Sprachgefängnis“, weil er in der Bäckerei ein „Negerküsschen“ und in der Gaststätte einen „Zigeunerschnitzel“ bestellt habe.
Dann Schnitt im Video! Nun sieht man den alten Roberto Blanco, der erzählt – wohl in einem Interview –, dass er in seiner Jugend vom Begriff „Negerküsschen“ nur profitiert habe. Er habe stets mit großem Gewinn jungen Frauen ein „Negerküsschen“ angeboten!
Ja, ein schwieriges Thema. Wann ist eine Redewendung rassistisch und wann einfach ein ziemlich harmloser Teil der Sprache?
Heute findet man in den dt. Medien beinahe ausschließlich „N-Wort“ für „Neger“ und „Z-Wort“ für „Zigeuner“ (und „Studierende“ für „Studenten“). Das mit dem dt. „N-Wort“ ahmt aber lediglich das englische „N-Word“ nach. Mit einem wichtigen Unterschied. Mit „N-Word“ wird auf Englisch „nigger“ gemeint – ein wahrhaftig unfreundliches Wort. Mit „N-Wort“ wird „Neger“ gemeint. Als ich nach Deutschland kam, galt diese Vokabel noch als untadelig, wollte man einen schwarzen Menschen als solchen bezeichnen.
Darf man „Negerküsschen“ und „Zigeunerschnitzel“ noch sagen? Wahrscheinlich nicht – zumindest nicht nach Meinung der Sprachpolizei. Auf der Straße hingegen werden „N“- und „Z“-Wörter so beliebt wie „Studenten“, „Leser“ und „Flüchtlinge“.
Auch „mauscheln“ wird weiterhin gemauschelt.
Letztes Jahr, nachdem in meinem Arbeitszimmer vier wuchtige und in Doppelreihen beladene Bücherregale innerhalb von zehn Sekunden einstürzten, habe ich mich gleich versprochen, und zwar Rilke zitierend: „Du musst dein Leben ändern“, was ich auch getan habe. Dennoch ein Schock.
Innerhalb vier Wochen entsorgte ich ca. 1200 Bücher auf Nimmerwiedersehen. Bis jetzt trauere ich so gut wie keinem nach – auch wenn viele sehr gute Bücher waren.
Ich erzähle dies, weil ich neulich an eins dieser Bücher gedacht habe, ein Wörterbuch der dt. Schweinereien, das ich seinerzeit im Nachlass meines Schwiegervaters mitgenommen habe. Es war ein dickes Werk, und wie ein wahrhaftiges Wörterbuch organisiert – zumindest so habe ich es in Erinnerung – voll mit ganzen Listen Synonymen für Geschlechtsverkehr, Genitalien und dergleichen.
Eigentlich habe ich in dieses Nachschlagwerk nur selten geschmökert. Vielleicht hätte ich es heute für diese Glosse konsultiert. Oder vielleicht eben nicht.
Aber egal. Anlass für diese Glosse ist eine Beobachtung, die ich seit einiger Zeit mache: Mir fällt nämlich auf, dass diverse Schimpfwörter und sonstige Schweinereien immer häufiger in der Tagespresse, der Wochenpresse und selbstverständlich in den social Medien zu lesen sind. Oft werden sie allerdings mit Sternchen versehen. Ja, mit dem gleichen Sternchen, das man verwendet, um Wörter gendergerecht zu gestalten.
Beispiel „F*ck“ oder „sh*t“, „Sch*ße“ u.v.a.m.
Als ich vor vielen Jahren nach Deutschland gekommen bin, stellte ich fest, dass die meisten Deutsche viel entspannter mit derben Vokabeln umgingen als damals die Mensch*innen in der angelsächsischen Welt. Auch im Fernsehen war das der Fall. „Scheiße“ hat man nicht selten gehört. Klar, nicht in der Tagesschau oder bei Dalli Dalli oder Aktenzeichen XY aber sonst ja doch.
Heute ist alles anders – vor allem in den prüden USA. Zum Beispiel folgende Aussage des US-Vizepräsidenten Vance, als er neulich in Grönland ankam. Er stieg aus dem Flugzeug aus und sagte vor laufender Kamera: „It’s p*ss cold here.“ „P*ss“ bedeutet natürlich „piss“.
Hmm. Eine komische Redewendung. Warum sollte Urin kalt sein? Eher warm bis heiß würde ich denken. In meiner Jugend sagte man in den USA übrigens „colder than a witch’s tit“.
Der Gebrauch des Anstandssternchens ist dennoch – zumindest in den Medien de rigueur. Das gilt sowohl für die anglosächsische Presse wie auch die deutsche. Eigentlich komisch. Früher waren, wie oben gesagt, die Deutschen weniger prüde. Vielleicht liegt es an den social Medien. YouTube (amer. Firma) ist voller Sternchen…und „Sternchen“. Dieses Zeichen ist gewissermaßen eine Erinnerung, dass die Sittenwächter stets wachsam bleiben.
Kleine Abwandlung: Sprachgeschichtlich sind „fuck“ und „fick“ nicht im geringsten miteinander verwandt. „Ficken“ ist ein altes germanisches Wort für „reiben“. „Fuck“ ist mit dem lateinischen „futuere“ („Geschlechtsverkehr haben“) verwandt. Und: „Fuck“ und „futuere“ sind letztendlich mit dem „fu“ in „future“ verwandt! Die ursprüngliche Bedeutung lautet „entstehen“.
Ach ja, und noch etwas: In der dt. Sprache hat man ein „Du“ und ein „Sie“ um zwischen intim und höfflich zu unterscheiden; auf Englisch macht man das gleiche mit derben Wörtern. Will heißen: Man verwendet Schweinereien nur dann, wenn man den anderen so zu sagen „duzt“. In allen anderen Situationen gelten diese Wörter als Ausdruck einer Aggression.
Aber egal. Nun werde ich plötzlich neugierig zu wissen, wie viele Synonyme für Geschlechtsverkehr es gab im entsorgten Wörterbuch meines Schwiegervaters. Sch*ße nachzuschlagen wäre noch interessant gewesen, oder vielleicht doch nicht. Um mit Rilke zu reden: Ich habe mein Leben schon geändert.
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