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Neusprech und Neuspréch

Jeder kennt George Orwells 1984 – auch diejenigen, die es nie gelesen haben. Mittlerweile, so vermute ich, gibt es immer weniger Menschen, die sich wahrhaftig an dieses Jahr erinnern. Die meisten waren entweder zu jung oder noch nicht auf der Welt.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Ende 1983 witzelten viele: Hoppla, jetzt kommt das verfluchte Jahr. Passiert was? Dem war nicht so. 1984 zog ich mit meiner Freundin (heute meiner Frau) zusammen. Wir lebten, wie es nach der damaligen dt. Jurisprudenz hieß, in „Konkubinat“. Mein künftiger Schwiegervater bangte darum, die Sittenpolizei würden ihn verhaften. In dem Jahr haben wir, d.h. ich und meine Zukünftige, sechs Wochen in Tunesien in Monastir verbracht. Da erfährt man nicht wenig. Als wir nach Deutschland zurückkehrten, kam der Schock: In der alten Wohnung meiner Konkubinatspartnerin – wir waren noch nicht umgezogen – wurde eingebrochen.

Kurz danach aber fanden wir im Keller der alten Wohnung eine verwahrloste, graufarbige Katze, die sich dort verkrochen hatte. Ich packte sie und brachte sie in die Wohnung. Sie wurde panisch und sprang aufs Fensterbrett des offenen Fensters, als wollte sie in die Freiheit herunterspringen. Ich machte aber eine Dose Thunfisch auf und legte diese aufs Fensterbrett. Die Katze schaute runter in die Tiefe, dann auf die Thunfischdose. Dann schaute sie wieder in die Tiefe und dann wieder auf die Thunfischdose. Letztlich entschied sie sich fürs Fressen und lebte fortan bei uns. Nach dem ersten Putz stellte sich heraus, dass ein Teil es Fells schneeweiß war. Wir nannten sie Catulla.

Ja, all dies fand 1984 statt. Hat sich Orwell mit seinem düsteren Zukunftsbild vertan? Bzgl. der Jahreszahl ja. Von der Idee her natürlich nein.

Orwell stellte sich in seinem Buch Fernsehapparate in jeder Wohnung vor, die sich nicht abschalten ließen und die endlose Propaganda herausspuckten. Noch dazu: Diese Geräte vermochten einen auszuspionieren. Kommt Ihnen dies bekannt vor, liebe Onliner?

Ja klar! Längst leben wir im Jahr 1984. Denken Sie an die „Influencers“ oder die prüde Zensur (dafür aber anzügliche Scharfmacher) der großen Spieler (Google, Microsoft, Meta, Apple usw.) der Techindustrie. Orwell wäre entzückt.

Und natürlich das „Neusprech“. Wer kann mir bitte erklären, was ein „Kreisverwaltungsreferat“ ist? Oder ein „Gegensatzpaar“ (R. Habeck), oder eine „Friedensinitiative“? Oder eine „militärische Sonderoperation“ à la Vladimir Putin. In den USA heißt das „Arbeitsamt“ Department of Human Resources“. Donald Trump bezeichnete als „Fake News“, alles, was nicht in seinem Sinne war. Inzwischen wird dieser Begriff – ohne Übersetzung – in verschiedenen Sprachen gebräuchlich.

Nebenbei. Orwells Buch wurde als Politsatire geschrieben. Mit „1984“ meinte er eigentlich 1948. D.h.: Für ihn war schon alles längst eingetroffen.

Ich bin nicht so pessimistisch wie Orwell. Und zwar aus folgendem Grunde: Um ein System à la Orwell zu realisieren, braucht man zuverlässige nützliche Idioten. Nützliche Idioten sind aber niemals zuverlässig, gerade deshalb, weil sie Idioten sind!

Doch genug Orwell, genug „Neusprech“. Heute möchte lieber über „Neuspréch“ kurz berichten. Ein einfacher Akzent aufs „E“ unterscheidet zwischen dem einen und dem anderen Begriff.

„Neuspréch“ ist ein Kunstprojekt der Hamburger Künstler Oliver Ross und Simon Starke und soll genau das Gegenteil bewirken wie die Sprachakrobatik eines Neusprechs. Vermittels bildender und grafischer Kunst stellen die zwei Künstler mit Schärfe den schlafwandelnden Sinn von Sprache in Frage. Genauer gesagt: Sie befreien die Sprache aus dem Gefängnis der Begriffsverdummung. Heute keine lange Erklärung. Bin müde. Vielleicht möchten Sie etwas mehr über das Werk dieser Künstler wissen. Suchen Sie im Internet unter „Neuspréch“.

Vergessen Sie den Akzent aufs „E“ aber nicht. Manchmal sind es kleine Akzente, die einem Neusprech von einem Neuspréch unterscheiden.

Gott und Glaube

Jetzt weiß ich nicht mehr, was ich glauben soll. Das meine ich wörtlich.

Im Wartezimmer beim Arzt las ich in meiner Zeitschrift ein sehr langes Interview mit einem Kardinal. Dessen Name spielt hier keine Rolle. Fest steht nur. Er benutzte die Vokabel „Gott“ abermals (klingt beinahe wie „Abendmahl“), was man von einem Kardinal freilich erwartet.

Plötzlich fiel mir ein, dass ich keine Ahnung habe, warum Gott in der deutschen Sprache „Gott“ heißt. Woher kommt dieses Wort? Lateinisch „deus“, Griechisch „Zeus“, Sanskrit „deva“ sind miteinander verwandt und bedeuten alle ursprünglich etwas wie „leuchtend“ „scheinend“ usw., was nachvollziehbar ist. Sicherlich ist auch „dies“ (lateinisch für „Tag“) auch damit verwandt. Wie auch „Tag“ (Englisch „day“). Alle haben etwas mit einem Leuchten zu tun.

Aber „Gott“? Woher kommt er? Nein, damit stelle ich keine theologische Frage. Ich bin einfach neugierig, endlich herauszufinden, warum man auf Deutsch „Gott“ oder auf Englisch usw. „God“ sagt.

Die Antwort wird überraschen.

Denn „Gott“ ist mit „gießen“ verwandt – zumindest auf Deutsch aber auch in anderen germanischen Sprachen. Bei den alten Germanen war von „Gott“ oder den „Göttern“ nie die Rede. Um den Begriff „Gott“ auszudrücken, sagten die Altgemanen „regin“, was „Regierender“ bedeutet. In der Mehrzahl hießen die Götter „ragna“. „Ragnarök“. sagte man im Altnordischen und meinte damit „Götterdämmerung“. „Rök“ ist „Dämmerung“ – mit „Rauch“ verwandt.

Und jetzt kehren wir wieder zum „Gießen“ zurück. In der gotischen (und vermutlich auch in den verwandten germanischen) Sprachen, die vor zweitausend Jahren im Umlauf waren, nannte man ein „Opfer“ ein „Gegossenes“. In den damaligen Sprachen klang diese Vokabel in etwa wie „Gott“.

Leider weiß ich nicht, wie eine Opferzeremonie damals vor sich ging. Wahrscheinlich aber wurde etwas auf das zu opferndes Tier (oder Mensch?) gegossen. Etwas Heiliges wohl.

Eines Tages stießen die Germanen auf die Christen. Natürlich erfuhren sie alsbald, dass diese Christen, einen geopferten Menschen als Gott anbeteten. Klar, dass sie dieses Opfer als ein „gott“ verstanden.

Da die Germanen damals viele Gottheiten kannten, waren sie auch bereit, eine neue auf ihre Liste zu setzen. Diese nannten sie logischerweise „gott“, wortwörtlich „Opfer“.

Doch als die Germanen nach und nach selbst zu Christen wurden, beteten auch sie diesen „Gott“ an. Allmählich veränderte sich der Sinn des Wortes.

Nun wissen Sie alles, bzw., so viel wie ich über dieses Thema.

Es bleibt uns jetzt nur noch etwas über den „Glauben“ zu erzählen. Und damit kommt die nächste Überraschung.

Dieses Wort „Glauben“ hieß früher so ähnlich wie „ge-lauben“. Erkennen Sie Bekanntes? Jawohl. Das Wort „Laub“ wie bei den „Blättern“ ist hier gemeint.
Meiner Quelle zufolge, dem Etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache von Kluge, einem respektierten Nachschlagwerk, behauptet dass man mit „Laub“ früher auch das Futter meinte, das man den Tieren zu fressen gab. Da man durch das Futtern bei den Tieren Vertrauen zu erwecken vermochte, sagte man, man habe die Tiere „gelaubt“.

Also wurden die Tiere „gläubig“.

Ja, so steht es bei Kluge. Doch dann recherchierte ich die Sprachgeschichte des Englischen „believe“, einer Vokabel, die mit „glauben“ verwandt ist. Hier stand aber nichts über das Wort „leaf“ als Ursprung eines Wortes „beleaf“. Stattdessen erfuhr ich, dass das „liev“ in „believe“ mit dem altenglischen „lief“ (mit dem dt. „lieb“ verwandt) zusammenhängt.

Ich habe natürlich keine Ahnung, wer nun in dieser Glaubensfrage recht hat. Alles vielleicht bloß Informationsaberglaube.

Eine Horrorgeschichte…

Kennen Sie die Story?

Es geschah kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Berlin. Eine Frau war auf dem Weg in die Arbeit – ein Glück, wenn man damals überhaupt eine Arbeit hatte. Wir sehen sie in der Friedrichstraße durch den Trummer schlängeln. Es gab derzeit keine öffentlichen Verkehrsmittel.

Überall auf der Straße düstere Mienen von Menschen, die erst vor kurzem unsagbar Schreckliches erlebt haben. Ab und zu erblickt man auch einen amer. GI. Er trägt zwar eine Waffe, aber in seinen Händen sieht es ebenso harmlos aus wie der sanfte Ausdruck auf seinem jungen Gesicht.

Auch Trümmerfrauen sind zu erkennen. Sie räumen Ziegel- und Betonbrocken von zerstörten Häusereingängen.

Ja, so sieht es nach einem Krieg aus. Nach jedem Krieg.

Nun nimmt die Frau, die sich auf den Weg in die Arbeit durch die Ruinen schlängelt, in der Ferne einen Blinden wahr. Es fasziniert, wie er mit seinem Blindenstock behände durch den Trummer tapst. Beinahe hat man das Gefühl, er könne mittels seines Stockes richtig sehen. Man bewundert sein Selbstbewusstsein.

Er nähert sich der Frau zusehends, bis er so nahe an ihr herankommt, dass sie ihm Platz machen will, damit er vorbeikann. Aber nein. Er will nicht vorbei. Er hält an und stellt eine Frage: ob sie vielleicht wüsste, wie er in die Soundso-Straße komme.

Sie erzählt ihm, er gehe in die falsche Richtung. Der Schatten eines enttäuschten Blicks überzieht sein Gesicht.

„Schade“, sagt er. Er habe ein Schreiben, abzugeben, und jetzt müsse er wohl den ganzen Weg zurückmarschieren.

„Nein“, sagt sie und beteuert, dass sie für ihn gern besagten Brief an besagter Adresse abgeben würde.

Ein Augenblick der Betroffenheit und der Dankbarkeit. Er verneigt sich vor ihr, fast als möchte er ihr die Hand küssen. Er legt den Briefumschlag in die offene Handfläche und geht weiter.

Die Frau ist zufrieden, wie das halt ist, wenn man eine gute Tat leistet. Ja, sie hat einem Menschen in Not in einer Zeit der Not geholfen. Die Seele erwärmt den Leib. Nun dreht sie sich kurz um und sieht den Blinden in der Ferne. Aber warte. Auf einmal erscheint er alles anders als blind zu sein. Im Gegenteil. Er tänzelt leichtfüßig durch die Ruinen und schwingt mit seinem Stock wie ein Tänzer auf der Bühne.

Hmm. Was ist hier los?, fragt sie sich. Nun schaut sie sich den Umschlag nochmals an. Ja, in der Tat, eine Adresse, die auf ihrem Weg liegt.

Doch allmählich steigt in ihr ein ungutes Gefühl hoch. Etwas stimmt nicht, sinniert sie. Aber was? Etwas irritiert. Aber warum? Derweil geht sie ihren Weg weiter. Sie wird das Gefühl aber nicht los, dass etwas hier nicht in Ordnung ist. Was aber?

Plötzlich erblickt sie auf der rechten Straßenseite ein Polizeirevier. War es immer dort? Beinahe in einem Zustand der Hypnose steuert sie den Eingang an, um bei den Ordnungshütern nach Rat zu fragen. Aber warum?

Ein Polizist hört ihre Geschichte geduldig zu. Dann öffnet er den Brief. Auf einem Blatt Papier steht geschrieben: „Hier die letzte Lieferung des Tages.“

„Ich gratuliere“, sagt der Polizist. Glück gehabt. Wissen Sie, worum es hier geht?“

Die Frau schüttelt den Kopf.

„Besagte Adresse ist ein Schlachthof. Viele Menschen in der Stadt leiden, wie Sie wissen, Hunger. Man kauft sich Fleisch, wenn es billig ist und fragt nicht einmal, was das für ein Fleisch ist. Manchmal…ist es Menschenfleisch...“

Ja, natürlich macht die Polizei dem bösen Geschäft an dieser Adresse ein Ende. Ich aber erzähle diese Geschichte, ohne zu wissen, ob sie wahr oder erfunden ist. Ich habe sie lediglich gehört. Oft erzählt man Geschichten und gibt sie weiter, ohne zu wissen, ob sie wahr oder falsch sind. Hauptsache spannend…

„Remigration“ – was ist das?

Jetzt habe ich vergessen – oder habe ich die Medienberichte wie so oft nur schlampig überflogen?

Etwas über „Remigration“ habe ich neulich gelesen. Doch bitte: Wurde diese Vokabel zum „Unwort des Jahres“ 2023 oder 2024 auserkoren?

An sich nicht so wichtig. Und ohnehin vergisst man, welches Wort, wann, zu einem Wort, Jugendwort bzw. Unwort des Jahres gekrönt wurde.

Was die „Remigration“ betrifft: Ich persönlich finde den Begriff zu zahm und… brav, um das Etikett Unwort des Jahres zu tragen. Mir wäre etwas wie „Bahnstreik“ oder „Bettenplanung“ lieber gewesen. Keine Ahnung, warum man sich für „Remigration“ entschieden hat – egal in welchem Jahr.

Außerdem: Wer hat entschieden? Und warum?

Nebenbei: „Remigration“ ist kein neuer Begriff. Man kennt ihn – zumindest im Englischen – seit dem 17. Jahrhundert. Ist er überhaupt deutsch? Und wenn schon, wer hat ihn in die dt. Sprache migrieren lassen? Und wann? Er klingt jedenfalls ausgesprochen unbeholfen auf Deutsch. Ein hässliches Wort sogar. Wenn das mit „Unwort“ gemeint ist, dann stimme ich hier zu.

Wenn man wirklich nach einer Vokabel mit der Bedeutung von „Remigration“ sucht, dann stünde „Rückwanderung“ zur Verfügung. Oder geht es vielleicht doch nur um den hässlichen Klang eines Wortes?

Was „Rückwanderung“ betrifft: Es gibt sie ja tatsächlich die „Rückwanderer“! Das heißt: Sie kehren in eine frühere Heimat zurück. Ich, zum Beispiel. Auch wenn die „Rückwanderung“ nur von kurzer Dauer war. Sprachbloggeur-Leserin E.B. hat mich neulich an dieses Ereignis erinnert. 1994 „remigrierte“ ich mit Familie in die USA. Und zack! 1998 kehrten wir nach Deutschland zurück. Für meine Frau und die Kinder war die Rückkehr de facto eine Remigration. Für mich auch – irgendwie. Oder vielleicht besser gesagt eine „Rückrückwanderung“. Oder eine „Reremigration“.

Wie dem auch sei. Nun sind wir wieder da. Würde ich Deutschland erneut verlassen (was nicht in Frage kommt), wäre das wohl eine „Rereremigration“ bzw. „Rückrückrückwanderung“.

Aber genug. Wenn ich an die „Remigration“ denke, fällt mir ein schönes spanisches Wort ein, auf die ich neulich gestoßen bin: „remedo“. Es bedeutet „Nachahmung“, „Abklatsch“ oder „Parodie“. Woher kommt es?, hab ich mich gefragt. Irgendwie erinnert es ans englische „remedy“, also „Heilmittel“.

Nein, es hat mit „remedy“ nichts zu tun. Dieses „remedo“ wird vom lateinischen „reimitari“ abgeleitet. Falls Ihnen dieses Unwort an „imitieren“ erinnert, liegen Sie richtig. „Imitari“ ist das übliche lat. Wort für „imitieren“, also „nachahmen“. Aber das „re“? Vielleicht wollte man damit die Intensität des Imitierens irgendwie besonders betonen, so dass „imitieren“ quasi zu „reimitieren“ wurde. Man denkt schnell an die „Remigration“.

Aber egal. Interessanter ist es, dass aus „reimitari“ ein „remedo“ wurde. Hier sieht man das berühmte sprachwissenschaftliche Gesetz der Mundfaulheit am Werk. Wahrscheinlich gab es einst eine lat. Vokabel „reimitatio“ im Sinne von „Parodie“. Die zungenfauler Römer – zumindest diejenigen, die in Spanien lebten, machten aus diesem „reimitatio“ nach und nach durchs fleißige Nuscheln ein „remedo“. Fertig!

Und weil viele Menschen damals des Lesens nicht kundig waren, wurde diese genuschelte Vokabel eines Tages, als die Menschen das Schreiben wieder lernten, ein „remedo“.

Ja, so ist es mit der Sprache. Man kann also davon ausgehen, dass auch unser Unwort „Remigration“, sollte es an Beliebtheit gewinnen, eines Tages anders erscheinen wird. Wie genau das sein wird, vermag ich momentan nicht zu erraten.

„Swatting“: Wort des Jahres 2024?

Am 27. April 2020 stürmte die Polizei ein Haus in der Kleinstadt Bethpage im US-Bundesstaat Tennessee, wo, so hieß es, eine Frau in Lebensgefahr sei. Der sechzigjährige Hauseigentümer Mark Herring überlebte den Einsatz nicht. Er erlag auf der Stelle einem Herzinfarkt. In seinem Haus war allerdings keine Frau in Lebensgefahr. Falscher Alarm also? Nein, noch schlimmer. Ein gewisser Shane Sonderman hatte diesen Einsatz veranlasst. Und zwar aus einem besonders merkwürdigen Grund: Herr Herring hatte den Twitter-Namen „@tennessee“, und Sonderman wollte ihn strittig machen – koste, was es wolle. Durch diesen falschen Alarm wollte Sonderman Herring als Druckmittel das Leben schwer machen. Diesmal war er zu weit gegangen und wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Obendrein wurde ihm ein Bußgeld in Höhe von 250.000 Dollar aufgedonnert. Der Anklagepunkt hieß “Swatting”.

Vielleicht kennen Sie diesen Begriff. Mir ist er neu, obgleich er schon seit 2008 im Englischen im Sinne von einem vorgetäuschten Noteinsatz als Akt der Aggression verwendet wird. Bereits 2015 steht er sogar im Oxford Dictionary.

„Swat“ als Wort ist mir sehr wohl bekannt. Diese Vokabel benutzt man seit Jahrhunderten, um zu beschreiben, was man tut, wenn man Fliegen usw. schlägt oder klatscht. Der „Fliegenklatscher“ heißt auf Englisch „fly swatter“.

Und dann kamen die massiven Unruhen der 1960er Jahre, die damals seitens der Polizei eine gebührende Antwort provozierten. Zu diesem Zweck wurden in den USA Einsatzeinheiten neu gegründet. In der Stadt Philadelphia bekam diese Einheit den Namen „S.W.A.T.“, eine Abkürzung für „Special Weapons And Tactic“, ein sog. Akronym. Natürlich sollte man an den Fliegenklatscher denken. Es folgte 1967 ein ähnliches „SWAT-Team“ in Los Angeles. Das war nur der Anfang.

Wie der Zufall es wollte, habe ich 1968 das neu gegründete Los Angeles SWAT-Team erlebt. Damals wurde es nach Isla Vista, Kalifornien, einem Studentenviertel nahe Santa Barbara, beordert, um besonders heftige Jugendkrawallen niederzuschlagen.

Vielleicht herrschte damals etwas Verspieltes im Zeitgeist vor. Denn ich habe selbst SWAT-Ordnungshüter gesehen, die wie Komparsen aus einer Robin-Hood-Verfilmung wirkten. Vom Gürtel baumelte ein Schwert in einer Scheide herunter. Zwar wurde weder durchstochen noch geköpft, aber das Tragen von Schwertern schien manchen vom „SWAT-Team“ Spaß zu machen.

Die Jahre vergehen, die SWAT-Teams sind aber geblieben und der Begriff hat sich – zumindest in den USA – in der Sprache befestigt. Kein Wunder, dass jemand auf die Idee kam, eine Fernsehserie mit dem Namen „S.W.A.T.“ zu erfinden. Noch immer ist sie bei Netflix zu sehen. Da ich weder ein Netflix-Abo habe noch keinen Fernseher, kann ich über „S.W.A.T.“ nix berichten.

Der Begriff „Swat team“ ist aber offenbar in den USA so geläufig, dass er – wie oben schon beschrieben – in der Umgangssprache den ironischen Sinn von „Notfallpersonal zu entsenden anhand von falschen Anschuldigungen“ bekommen hat.

Der oben erwähnte Mark Herring war ein Opfer eines solchen vorgetäuschten Notfalls. Er ist aber nur einer von vielen. „Swatting“ ist offenbar zu einem beliebten Sport geworden – nicht nur in den USA.

Dennoch vermute ich, dass der Begriff in Deutschland noch immer wenig bekannt ist. Aber nicht lange. Deshalb gehe ich davon aus, dass er sehr gute Chancen hat, Wort des Jahres für 2024 zu werden.

Wetten wir?

Falls ich recht habe, denken Sie jedenfalls daran: Sie haben dies zum ersten Mal beim Sprachbloggeur erfahren…

Zu Ihren Diensten, wie immer.

In eigener Sache: Nächste Woche keine Glosse. Bin auf Geheimmission.

Das pantographische Messer…

„Darf ich das…ist es ein Messer?...im Schaufenster sehen?“

So begann das kleine Abenteuer.

Ich stand im Antiquitätenladen und bat die nette Dame, mir das…Ding…in der Auslage, aus der Nähe zu zeigen. Es waren zwei, flache, parallel nebeneinander Messingstücke, die auf mich irgendwie wie der Griff eines Messers wirkten. Daher sagte ich „Messer“.

Ist das wirklich ein Messer?, dachte ich. Meine Vermutung: Diese Zwillingsmessingstücke werden auf raffinierte Weise auseinandergezogen, um dann eine Messerklinge hervorschauen zu lassen.

Ja, wie die meisten Jungs habe auch ich ein Faible für Messer. Ich weiß nicht, wieso es so ist. Wäre interessant zu erfahren, ob auch transsexuelle Knaben – womit ich Mädchen, die zu Jungs werden – ebenso dieses Faible teilen. Soweit ich weiß, hat bisher kein Wissenschaftler über dieses Thema referiert.

Die nette Dame reagierte schnell. „Ja, das ist ein Messer.“ Sie holte es aus der Auslage und drückte es mir in die Hand. Bald hatte ich den Dreh raus, wie man das Ding aufmacht. Man zieht die zwei flachliegenden Messingstücke auseinander – man sieht dann Verbindungsstücke mit Scharnieren, die dann von der Form her an ein Freimauerquadrat erinnern. Und nun siehe da! Eine Klinge ragt hervor! Und die zwei Messingstücke werden in einen Messinggriff verwandelt.

„Hübsch, sagte ich. Ist es alt? Und woher kommt es?“ Zwei Fragen, die man in einem Antiquitätenladen meistens stellt.

„Ja sicher“, antwortete sie. „Es dürfte vom Anfang des 20. Jh. stammen und wohl aus Europa, vielleicht Deutschland.“

Und jetzt fiel mir „Google Lens“ ein. Schließlich leben wir in den 20er Jahren des 21. Jh. Aus Neugier lichtete ich das hübsche Messerlein mit dieser App ab. Doch leider war Google hier wenig hilfreich. Bald vereinbarten wir einen – beidseitigen – akzeptablen Preis von 25 Euro und weg war ich.

Zuhause angekommen, probierte ich es wieder mit Google Lens. Diesmal mit Erfolg. Es handelte sich nämlich um ein sog. „pantographisches Messer“.

„Pantographisch“ nennt man ein Zeichengerät, das zweimal das Gleiche parallel zeichnet. Wohl hat das Messer eine ähnliche Form.

Auch „Fallschirmspringermesser“ heiße das Ding, da es im Zweiten Weltkrieg von dt. Fallschirmspringern verwendet wurde, um im Notfall die Stricke eines Fallschirms durchzuschneiden.

Obendrein stieß ich auf die Webseite eines Auktionshauses, wo ein Messer, genau wie das meine, abgebildet war. Der Beschreibung nach wurde es ca. 1900 in England hergestellt, was sich mit der Aussage der Dame im Laden übereinstimmte. Da die Versteigerung schon beendet war, war aber nicht zu eruieren, wieviel Geld der Käufer bezahlt hat.

Doch ich suchte auch weiter. Nun stieß ich auf Exemplare, die mit „SS-Runen“ und der Inschrift „Bereit zu Dienst“ versehen waren. Offensichtlich, so hab ich gelesen, war dieses Messer Teil der Ausrüstung jener dumpfen Hitlerschergen.

Immer weiter forschte ich. Auch eine Wikipedia-Seite entdeckte ich unter Stichwort „Pantographic Knife“. Leider waren die Informationen etwas wischiwaschi. Immerhin habe ich eine Skizze gesehen, die aussah, wie ein Entwurf für ein Patent. Aber dann – durch Zufall – kam ich auf die Seite eines Messerforums. Dort erfuhr ich Folgendes:

Das Messer war die Erfindung eines gewissen Ernst Mandewirth, der es 1938 unter dem Namen „Kastenmesser“ hat patentieren lassen. Die ersten „Kastenmesser“ wurden aus Stahl – ohne Messing – hergestellt. Wozu sie dienen sollten, weiß offensichtlich keiner. Allerdings: Nach dem Krieg kam ein mir unbekannter Geschäftstüchtiger auf die Idee, diese Messer als „SS-Messer“ und obendrein als „Fallschirmspringermesser“ zu bezeichnen, um sie massenweise zu verkaufen. Das mit dem Fallschirm war eigentlich absurd. Bis man die Stricke eines verfangenen Fallschirms durchgeschnitten hätte, wäre man längst tot. Denn schnell geht es nicht, dieses Messer aufzuklappen. Und dann endlich der Clue: Ca. 1970 wurden diese pantographischen Messer in Pakistan oder in Indien nachgemacht und zwar mit Messinggriff. Reine Handarbeit versteht sich.

Nun wusste ich endlich, dass mein Messer aus Pakistan oder Indien stammte.
Und nun wissen auch Sie die Geschichte des pantographischen Messers. Nur die Dame im Antiquitätenladen weiß immer noch nichts davon. Vielleicht sag ich es ihr im neuen Jahr.

Moral der Geschichte: Nicht alles glauben, was die Leute sagen oder schreiben.

Ach ja! Fürs neue Jahr wünsche ich Ihnen Gesundheit und Zufriedenheit!

Treibhausabgase schnell reduzieren! So geht es:

Kein Mensch weiß wirklich, woher er kommt. Den „Atem“ meine ich – und nicht nur im Sinne seiner Sprachgeschichte.

Luther machte aus ihm in seiner Bibelübersetzung „Odem“. Vielleicht deshalb, weil er das Wort so aussprach. Klingt nett, finde ich. Einmal vor Jahren habe ich in einem Text „Odem“ statt „Atem“ geschrieben. Kein Mensch hat sich beschwert. Irgendwie mag man diese Vokabel, und im Kontext klang mein „Odem“ recht hübsch.

In Sanskrit bedeutet „Atma“ – ja, das gleiche Wort wie „Atem“ – „Seele“. Eigentlich logisch, „Seele“ und „Atem“ bzw. „Odem“ als verwandte Konzepte zu betrachten.

In der Schöpfungsgeschichte in Genesis spielt der Atem eine entscheidende Rolle. Hier O-Ton Luther: „Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase.“

Notabene: Dieser Mensch heißt in Genesis „Adam“. „Adam“, „Odem“, „Atem“, „Atma“? Sorry, falscher Freund. „Adam“ auf Hebräisch ist mit der Vokabel „adama“, also „rot“ verwandt. Wahrscheinlich war die Erde in der Gegend, wo diese Geschichte niedergeschrieben wurde, rot wie, z.B., in Kalifornien.

Aber zurück zum „Atem“. Und jetzt nimmt unsere Glosse eine scharfe thematische Wende. Neulich stieß ich nämlich auf einen Text, der jüngst in einem mir unbekannten englischen Fachjournal, dem Public Library of Science (PLOS) Journal erschienen war.

Falls Sie dieses Blatt nicht kennen, sage ich Folgendes. Es ist eine Publikation des „UK Center for Ecology and Hydrology“. Ich brauche diese Wörter nicht zu übersetzen. Sie klingen bereits beinahe deutsch. Oder?

Der Artikel in Frage hatte den Titel: „Human breathing is contributing to greenhouse gas emissions“. Der Klarheit wegen übersetze ich hier, um jegliches Missverständnis auszuräumen: „Das Atmen von Menschen trägt zu Treibhaus-Abgasemissionen bei“.

Haben Sie das gewusst? Haben Sie geahnt, dass Ihre Atemzüge ebenso negativ für die Umwelt wirken wie die Methanfurzen Abermillionen Rindvieh? Wahrscheinlich nicht. Mir war dies mit Sicherheit unbekannt. Umso beunruhigender für mich die Nachricht, da im Augenblick meine Bronchien etwas belegt sind und ich deshalb viel huste. Man kann also davon ausgehen, dass ich große Mengen Abgasemissionen ausatme, bzw. aushuste.

Dass aber hier eine triftige Ursache für eine drohende Umweltkatastrophe erkannt wurde -, kommt man schnell auf eine mögliche Lösung, um diese Katastrophe abzuwenden!

Ja, Sie haben die Lösung schon erraten! Weniger atmen! Oder noch genauer: Ganz bestimmte Menschen dazu bringen – bzw. forcieren – mit dem Atmen vielleicht ganz aufzuhören!

Na? Was halten Sie davon?

Ich habe im Internet einen kurzen Artikel zum Thema überflogen. Der Kommentator über den Text im PLOS-Journal meinte, wenn ich mich nicht täusche, dass man, z.B., die Greta dazu animieren könnte, freiwillig aufs Atmen zu verzichten – der Umwelt zuliebe, versteht sich. Er hat auch andere Namen erwähnt. Diese habe ich leider ebenso wie seinen vergessen.

Ich kann mir dennoch lauter Namen vorstellen, die man auf die Liste derer hinzufügen könnte, die aufhören zu atmen sollten. Doch ich habe hier nicht vor, eine politische Tirade zu produzieren. Aus diesem Grund überlasse ich‘s Ihnen, eigener Listen zu befleißigen, wodurch die Zahl der Luftverschmutzer erheblich reduziert werden könnten.

Sie sehen jedenfalls: Es gibt doch Hoffnung für eine saubere Zukunft. Man muss nur kreativ mitdenken. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und den Ihrigen besinnliche Weihnachtstage und viel Freude dazu. Weihnachten ist eine Zeit, zu der eine Botschaft der Hoffnung immer gut passt. Nun haben Sie die meine gelesen.

Treibhausabgase schnell reduzieren! So geht es:

Kein Mensch weiß wirklich, woher er kommt. Den „Atem“ meine ich – und nicht nur im Sinne seiner Sprachgeschichte.

Luther machte aus ihm in seiner Bibelübersetzung „Odem“. Vielleicht deshalb, weil er das Wort so aussprach. Klingt nett, finde ich. Einmal vor Jahren habe ich in einem Text „Odem“ statt „Atem“ geschrieben. Kein Mensch hat sich beschwert. Irgendwie mag man diese Vokabel, und im Kontext klang mein „Odem“ recht hübsch.

In Sanskrit bedeutet „Atma“ – ja, das gleiche Wort wie „Atem“ – „Seele“. Eigentlich logisch, „Seele“ und „Atem“ bzw. „Odem“ als verwandte Konzepte zu betrachten.

In der Schöpfungsgeschichte in Genesis spielt der Atem eine entscheidende Rolle. Hier O-Ton Luther: „Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase.“

Notabene: Dieser Mensch heißt in Genesis „Adam“. „Adam“, „Odem“, „Atem“, „Atma“? Sorry, falscher Freund. „Adam“ auf Hebräisch ist mit der Vokabel „adama“, also „rot“ verwandt. Wahrscheinlich war die Erde in der Gegend, wo diese Geschichte niedergeschrieben wurde, rot wie, z.B., in Kalifornien.

Aber zurück zum „Atem“. Und jetzt nimmt unsere Glosse eine scharfe thematische Wende. Neulich stieß ich nämlich auf einen Text, der jüngst in einem mir unbekannten englischen Fachjournal, dem Public Library of Science (PLOS) Journal erschienen war.

Falls Sie dieses Blatt nicht kennen, sage ich Folgendes. Es ist eine Publikation des „UK Center for Ecology and Hydrology“. Ich brauche diese Wörter nicht zu übersetzen. Sie klingen bereits beinahe deutsch. Oder?

Der Artikel in Frage hatte den Titel: „Human breathing is contributing to greenhouse gas emissions“. Der Klarheit wegen übersetze ich hier, um jegliches Missverständnis auszuräumen: „Das Atmen von Menschen trägt zu Treibhaus-Abgasemissionen bei“.

Haben Sie das gewusst? Haben Sie geahnt, dass Ihre Atemzüge ebenso negativ für die Umwelt wirken wie die Methanfurzen Abermillionen Rindvieh? Wahrscheinlich nicht. Mir war dies mit Sicherheit unbekannt. Umso beunruhigender für mich die Nachricht, da im Augenblick meine Bronchien etwas belegt sind und ich deshalb viel huste. Man kann also davon ausgehen, dass ich große Mengen Abgasemissionen ausatme, bzw. aushuste.

Dass aber hier eine triftige Ursache für eine drohende Umweltkatastrophe erkannt wurde -, kommt man schnell auf eine mögliche Lösung, um diese Katastrophe abzuwenden!

Ja, Sie haben die Lösung schon erraten! Weniger atmen! Oder noch genauer: Ganz bestimmte Menschen dazu bringen – bzw. forcieren – mit dem Atmen vielleicht ganz aufzuhören!

Na? Was halten Sie davon?

Ich habe im Internet einen kurzen Artikel zum Thema überflogen. Der Kommentator über den Text im PLOS-Journal meinte, wenn ich mich nicht täusche, dass man, z.B., die Greta dazu animieren könnte, freiwillig aufs Atmen zu verzichten – der Umwelt zuliebe, versteht sich. Er hat auch andere Namen erwähnt. Diese habe ich leider ebenso wie seinen vergessen.

Ich kann mir dennoch lauter Namen vorstellen, die man auf die Liste derer hinzufügen könnte, die aufhören zu atmen sollten. Doch ich habe hier nicht vor, eine politische Tirade zu produzieren. Aus diesem Grund überlasse ich‘s Ihnen, eigener Listen zu befleißigen, wodurch die Zahl der Luftverschmutzer erheblich reduziert werden könnten.

Sie sehen jedenfalls: Es gibt doch Hoffnung für eine saubere Zukunft. Man muss nur kreativ mitdenken. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und den Ihrigen besinnliche Weihnachtstage und viel Freude dazu. Weihnachten ist eine Zeit, zu der eine Botschaft der Hoffnung immer gut passt. Nun haben Sie die meine gelesen.

Boko Haram auf Deutsch

Wieso ist Stroh dumm? Dumme Frage. Stroh ist weder dumm noch klug. Es ist einfach. Es war mal sogar geradezu begehrt – zumindest von armen Menschen – als Fundament für ein weiches, ja kuscheliges Bettlager. Allerdings hatten damals nicht alle Menschen ein Handy, und es gab sogar manche, die sich auch kein Stroh leisten konnten.

Was machten sie? Sie schliefen auf Bohnenstroh, also auf dem getrockneten, ausgedroschenen Hülsen, Halmen und Blättern von Bohnenpflanzen (s. Wikipedia).

Wer jemals auf Bohnenstroh geschlafen hat – wahrscheinlich keiner von uns – weiß, dass Bohnenstroh grob und voller Unebenheiten ist. Ungemütlich halt. Aus diesem Grund sagte man zu jenen Zeiten, als Bohnenstroh noch als Ersatz für Stroh diente, dass etwas „grob wie Bohnenstroh“ war. Man wusste, wovon man redete.

Alles klar? Und jetzt ins Reich des Sprachzaubers…

Aus irgendeinem mir – und auch anderen – unbekannten Grund sagte eines Tages – wohl aus dem Stegreif – jemand, der heute unbekannt aber dennoch ein Promi in der dt. Sprachgeschichte ist, anstatt „grob wie Strohbohnen“ „dumm wie Strohbohnen.“

Weshalb? Leider habe ich keine Ahnung. Vielleicht war er (oder sie?), was die Sprache betrifft, entweder strohdumm oder witzig und erfinderisch.

Immerhin: Jetzt wissen Sie, wieso man „strohdumm“ sagt. Andere Varianten dieses Bildes der Dummheit, die sich über die Zeit gebildet haben, entstammen stets dem „Strohdumm“-Modell.

Ich denke, z.B., an „dumm wie Schifferscheiß“, „dumm wie Brot“ usw.
Heute befassen wir uns hier, falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, mit dem Phänomen der „Dummheit“. Und nun kommen wir endlich zu „Boko Haram“.

Wenn ich mich nicht täusche, habe ich schon vor einigen Jahren über „Boko Haram“ geschrieben. Und zwar deshalb, weil ich damals im „Paradies“, meiner ehemaligen Lieblingsobst-und-Gemüseladen“, leider nicht mehr existent, eine junge Studentin aus Nigeria kennenlernte. Ihren Namen habe ich vergessen. Sie arbeitete jedenfalls in Teilzeit bei der netten Chefin Frau Monika.

Diese junge Mitarbeiterin hat mir mal im Gespräch erklärt, warum sich die strohdummen Islamisten im Norden von Nigeria „Boko Haram“ nannten:

„Boko“ sei eine Vokabel in deren Sprache (ich habe vergessen, welche der Sprachen Nigerias sie sprechen), und werde vom englischen „book“ abgeleitet. „Haram“ sei ein arabisches Wort und bedeutet „verboten“. „Haram“ ist übrigens das Gegenteil von „halal“, die islamische Bezeichnung für Lebensmittel, die dem gläubigen Menschen erlaubt sind – ähnlich wie „koscher“ bei Juden.

Nebenbei: Womöglich ist „haram“ auch mit „Harem“ verwandt, mit dem Ort also, wo die Frauen des Sultans oder irgendeines wohlhabenden Mannes, von allen anderen Männern getrennt, wohnten. Der „Harem“ war also ein verbotener Ort…zumindest für unbefugte männliche Wesen (im biologischen Sinn, versteht sich). Ich wage nicht zu spekulieren, ob es noch heute in gewissen islamischen Ländern den „Harem“ oder zumindest eine Abwandlung davon gibt.

Aber zurück zu „Boko Haram“. Dieser Begriff übersetzt man ins Deutsche am einfachsten mit: „Bücher? Nein Danke“. Oder noch besser: „Bücher…baba!“

Nennt sich eine Gruppe „Boko Haram“, kann das nur darauf hinweisen, dass diese Gruppe wenig Interesse an einer gescheiten lesebasierten Ausbildung hat. Im Gegenteil: Sie hält das, was wir als Bildung bezeichnen, für Teufelszeug.
Lieber plündern und morden sie anstatt des Lesens zu lernen.

Komische Vorstellung, so zu leben, wenn Sie mich fragen, geradezu grob wie Strohbohnen und dumm dazu…

Haben Sie „Rizz“?

Die Chancen stehen fifty-fifty, dass Sie noch nichts von „Rizz“ gehört haben. Es sei denn, Sie sind Nachrichtenjunkie oder Zufallslesende.

So ist es mir ergangen. Nicht als Nachrichtenjunkie, sondern durch Zufall. (Über dieses Wort habe ich neulich geschrieben, s. da). Es geschah folgendermaßen:

Manchmal schlafe ich schlecht. Plötzlich bin ich Mitte der Nacht wach. Ist aber keine Tragödie, und ich mache mir nie deshalb Sorgen. Stattdessen schalte ich mein Radio ein und höre Nachrichten, oder ich lese (im Augenblick „Der Mann ohne Eigenschaften“). Bisweilen meditiere ich über Musiktheorie, und gelegentlich greife ich zum Phone und überfliege die neuesten Storys auf Spiegel-Online.

Hier übrigens keine Werbung für Spiegel-Online. Ich lese meistens nur die Überschriften und fertig. Ein Abo habe ich nicht und will keins. Auf jedenfalls kam meine Begegnung mit „Rizz“ durch so eine Spiegel-Online-Lektüre tief in der Nacht zustande.

Es handelte sich, so erfuhr ich, um einen neuen Begriff in der englischen Sprache. Genauer gesagt um das „Jugendwort fürs Jahr 2023“ – zumindest nach Meinung des hehren Oxford University Press.

„Rizz“ ist offenbar der „shooting star“ im Jugendsprachehimmel – zumindest fürs Jahr 2023. Das behauptet jedenfalls Oxford University Press, der jährlich ein Buch mit den neuesten Vokabeln aus der Jugendsprache veröffentlicht.

Kommt Ihnen dieses Phänomen bekannt vor? Wahrscheinlich schon. Genau das macht jährlich auch Langenscheidt. Oder meine ich Pons? Oder machen es alle beide? Bin zu faul, um nachzuschlagen.

Fest steht jedenfalls: Jedes Jahr wird ein Wort aus der neuesten Ernte der Jugendsprache erlesen und als „Jugendwort des Jahres“ gekürt. Es folgt dann zuverlässig ein Bericht darüber in diversen Medien.

Manchmal frage ich mich: Was? Schon wieder eine neue Ausgabe der Jugendsprache? Wer kauft sich diese Bücher?

Inzwischen glaube ich, die Antwort entdeckt zu haben: Ca. 5000 Käufer, die meisten davon Bibliotheken und Institute tun das. Wahrscheinlich werden auch einige Exemplare zu Weihnachten geschenkt, um bald wieder zu verstauben. Zahlenmäßig ist das zwar nicht viel, bedeutet aber im Verlagswesen immerhin ein kleiner Gewinn. Kleinmist macht auch Viehe.

Selbstverständlich freuen sich auch die Medien um eine neue Auflage und die Gelegenheit über ein neues Jugendwort des Jahres zu schreiben. Schließlich ist so ein Thema unterhaltsam, was besonders nützlich ist, zumal die Nachrichten sonst nur voll mit schrecklichen Kriegen, Krisen und sonstigen ebenso düsteren Dingen sind.

Aber zurück zum „Rizz“. Was bedeutet diese Vokabel? Um die Spannung schnell ein Ende zu machen, verrate ich dies sogleich: „Rizz“ (die zweimal „z“ werden gesummt und nicht gezummt) ist eine Kurzform von „Charisma“.

Fertig. Mehr brauchen Sie über „Rizz“ nicht zu wissen. Entweder hat man es (ihn?), oder man hat es (ihn?) nicht.

Also nun wissen Sie mehr oder weniger alles, was Sie zu wissen brauchen über dieses Thema…nein noch nicht alles.

Es fehlt noch eine Prophezeiung von mir. Die lautet: Es wird nicht lange dauern, bevor auch in Deutschland „Rizz“ heimisch wird.

Schnell wird es geschehen. Der (oder das) „Rizz“ wird keinen Schleuser gebrauchen, um nach Deutschland zu kommen. Er (oder es) wird nicht einmal nach Asyl suchen müssen. „Rizz“ ist ein Geschenk der Unterhaltungsindustrie – dankbar entgegengenommen – auch wenn der Spaß nur kurz währt…

Falls sie auf dieses neue dt. Wort stoßen, denken Sie daran, wo Sie zum ersten Mal darüber erfahren haben.

immer zu Diensten, Ihr Sprachbloggeur.

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