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Das Orakel namens ene mene mu

Die Präsidentschaftswahl in den USA ist nun vorbei. Auf Neudeutsch gesagt: „Sie ist Geschichte“, was eigentlich bloß eine Lohnübersetzung aus dem Amerikanischen ist, die den gleichen Sinn ergibt.

Vor dieser Wahl entschloss ich mich, das Orakel zu fragen, wer als Sieger (bzw. Siegerin) dieses spannenden Zweikampfs hervorgeht. Auf das Risiko hin, dass Sie gleich skeptisch werden, werde ich das Ergebnis dieser Konsultation verraten:

Mein Orakel hat mir die richtige Antwort gegeben.

Notabene: Ich bin amer. Staatsbürger und darf in den USA wählen. Ich habe aber diesmal keinen Gebrauch dieses Rechts gemacht. Weder der eine noch die andere hat mich überzeugt.

Dies sage ich nur nebenbei. Meine Wahlentscheidung wäre ohnehin irrelevant. Hier geht es ausschließlich um die Aussage eines Orakels.

Was für ein Orakel?, denken Sie wohl. Es ging folgendermaßen:

Vorerst habe ich mein linkes Knie den Namen „Trump“, mein rechtes „Harris“ gegeben. Dann begann ich auf Englisch abzuzählen. Damit meine ich: Ich habe mich eines Abzählreims bedient, den ich seit der Kindheit kenne. Ich fing links an und wechselte dann Silbe für Silbe mit dem Zeigefinger die Kniee in dem ich rezitierte:

“Eenie meenie miney mo, catch a tiger by the toe. If he hol-lers let him go. My mo-ther said to pick this one.”

Nebenbei: Die Aussprache der ersten vier Wörter entspräche auf Deutsch „ienie mienie meinie mo“.

Wie dem auch sei. Das letzte Wort, die letzte Silbe also, endete am linken Knie.
Übrigens: In meiner Kindheit sagten wir nicht „catch a tiger“, sondern „catch a nigger“. Das war nämlich die alte Tradition. Heutzutage darf man das „N-Wort“ weder sagen noch schreiben (außer man ist selbst schwarz). Ich tue es hier lediglich aus wissenschaftlichen Gründen. Ich kann mich noch erinnern, dass einer uns Kindern eines Tages sagte, es sei nicht mehr zulässig, die alte Version zu verwenden. Ab dann sind wir auf „tiger“ umgestiegen. Eine schmerzlose Veränderung.

Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen, dass dieses „eenie meenie miney mo“ an etwas Deutsches erinnert.

Klar. „Ene mene mu und raus bist du.“

Es sollte selbstverständlich sein, dass beide Abzählreimformulierungen eng verwandt sind. Nur: Haben Deutsche die englische Fassung oder Engländer (und Amerikaner) die deutsche Fassung übernommen?

Das weiß leider niemand mehr. Übrigens: Auch auf Niederländisch findet man diesen Abzählreim. Es gibt jedenfalls verschiedene Theorien über dessen Ursprung.

Manche vermuten, es sei eine Verballhornung der biblischen Stelle im Buch Daniel, an der die Zauberworte „Menetekel“ an der Wand erscheinen.

Manche ahnen einen alten Zauberspruch – sowie „Hokuspokus“ oder „Abrakadabra“. Nebenbei: Erster könnte Nonsens-Lateinisch und zweiter Nonsens-Hebräisch sein.

Es gibt auch die Theorie, dass „ene mene mu“ auf keltische Zahlen zurückgeht – in verballhornter Form freilich. Was wiederum auf einen einstigen keltischen Zauberspruch hinweisen könnte – oder auf etwas schrecklich Alltägliches: das Abzählen von Schafen durch den Hirten.

Kein Mensch weiß jedenfalls Bescheid. Nur einst steht fest: Mit „eenie meenie miney mo“ habe ich triftiger als alle Medienkommentatoren den Wahlsieger in den USA erraten.

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