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Zwei Geschichten über Tauben

Ich habe zwei Geschichten über Tauben zu erzählen. Die Taube als Symbol spielt hier keine Rolle. Meine Tauben versinnbilden weder den heiligen Geist (üblicherweise als reine weiße Taube dargestellt) noch die Friedenstaube – auch weiß und als Gegensatz zum „Falken“, Inbegriff einer fliegenden Aggression, zu verstehen.

In New York – zumindest in der Stadt meiner Jugendzeit – sagten wir zu Tauben „rat birds“. Die Deutschen sprechen von „fliegenden Ratten“. Warum manche Tauben einen schlechten Ruf haben, hab ich nie verstanden. Vielleicht weil sich die städtischen Tauben so stark vermehren und alles bekoten.

Bei diesen „fliegenden Ratten“ handelt es sich eigentlich um die sog. „rock pigeon“, zu Deutsch „Felsentaube“. Sie heißen „Felsentauben“, weil ihr ursprüngliches Habitat eine Berglandschaft war. Städtische Häuser wirkten für sie wohl wie Felsen.

In New York galt es einst, sie zu vermeiden, da sie allerlei Krankheiten verbreiten sollten. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Sie wurden jedenfalls aus diesem Grund eine Zeitlang für…tja…vogelfrei erklärt.

Aber genug. Jetzt zu meiner ersten Geschichte über eine Taube.

Vor vielen Jahren lebte ich in San Francisco. Dort lernte ich mal einen Deutschen kennen. Er hieß Lothar, war etwas älter als ich und war zu Besuch bei seiner alten Freundin, meiner Nachbarin. Manchmal führte ich ihn aus. Einmal waren wir spazieren gegangen. Plötzlich hielt er an und sagte mit gespannter Stimme: „Look…Taube“. Seine Englischkenntnisse waren bescheiden – ähnlich meinen Deutschkenntnissen. Immerhin verstand ich das Wort „Taube“, das mit dem englischen „dove“ verwandt ist. Ob es sich um ein „der“, „die“ oder „das“ „Taube“ handelte, interessierte mich nicht. Das Tier kauerte mir nicht dir nicht in einem Hauseingang.

Nun erklärte mir Lothar, so gut es ging, dass während des Krieges in Berlin – er war damals noch ein Knabe – seine Familie manchmal das Glück hatte, auf der Straße eine Taube einzufangen, um schnell das Vogelvieh in den Kochtopf zu befördern. Es war mir sofort klar: Lothar erwog gleiches Schicksal für dieses Federvieh.

„Nein, Lothar. Lass den Vogel. Wir gehen zum Supermarkt. Ich kaufe ein Huhn.“ All dies habe ich teils Englisch, teils Deutsch mitgeteilt – ohne ihn offenbar von seinem Vorhaben zu bringen.

„Mmm“, sagte er. Und dann: „Taube sick. She die. We cook she.“ Prompt langte er sachte nach dem Vogel. Die Taube leistete keinen Widerstand. Er nahm sie sanft in die Hände und streichelte sie liebevoll.

In diesem Augenblick ging folgender Gedanke durch meinen Kopf: Was bist du ja für einen Heuchler? Isst du nicht gern Fleisch und Geflügel? Natürlich! Aber noch nie hast du dein Abendessen selbst durch das Mysterium des Todes begleitet. Vielleicht ist es jetzt höchste Zeit.

Langes Gezeter, kurzes Kinn. Wir kehrten in die Wohnung zurück, wo Lothar mit der Nachbarin lebte, und killten das Tier. Ja…zusammen.

Diesen Teil der Geschichte erzähle ich hier nicht. Man findet sie in meinem noch unveröffentlichten Roman „Franz und Narziss“. Falls dieser jemals einen Verlag findet, können sie die ganze Story lesen.

Ich habe Ihnen aber auch eine zweite Geschichte über Tauben versprochen. Und jetzt wende ich mich ihr zu. Diese fand erst neulich statt, kurz vor unserer Abreise von Riga, wo wir zwei Wochen weilten. Während wir vor unserem Hotel auf dem Taxi zum Flughafen warteten, trafen wir auf den Hausmeister des Hotels. Er sprach nur Russisch – kaum Lettisch (das ist aber eine andere Geschichte). Immerhin verfügte er über ein paar Brocken Englisch. Ich könnte mit ihm reden also wie mit Lothar.

„My friend“, sagte er und zeigte auf eine Taube. Plötzlich flatterte der Vogel in die Höhe und landete auf seiner Hand. Sogleich streute er einige Brotkrümeln auf seine Handoberfläche, und die Taube begann daran zu picken. Bald flatterten noch ein paar Tauben um ihn rum. Auch sie hockten dann auf seiner Hand und seinen Schultern. Nun forderte er mich auf, meine Hand auszustrecken, was ich dann auch tat. Er streute ein paar Krümeln auf meine Handoberfläche. Und zack! Eine Taube ließ sich auf meinem Handgelenk nieder und fraß aus meiner Hand. Das Tier war übrigens ein Federgewicht.

In dem Augenblick fiel mir die Taube von Lothar nicht ein. Das passierte erst später. Doch nun weiß ich: Durch dieses Ereignis aus jüngster Zeit habe ich mich irgendwie mit der Taubenwelt versöhnt.

Nach wenigen Minuten war unser Taxi da.

Die Affenpocken und die Affen

Sie warten auf die Affenpockenimpfung…oder eben nicht, weil Sie meinen, die WHO habe in dieses Serum einen Wirkstoff hineingeschmuggelt, der Sie zum Sklaven im Metaversum macht? Vielleicht stimmt das auch. Heute ist nix zu vertrauen…auch nicht den Nachrichten. Bedenken Sie, was „Nachrichten“ bedeutet: Man wird nachgerichtet. Das klingt wie „hingerichtet“…oder? Hin oder hergerichtet…nach und nach.

Aber heute interessieren mich ansteckende Krankheiten nicht. Lieber erzähle ich von den Affen.

Neben dem Schwein ist der Affe mit Sicherheit der deutschen Sprache liebstes Tier. Wahrscheinlich deshalb, weil er uns so sehr ähnelt – auch wenn er haariger und gelenkiger und besser klettert und um ein Vielfaches stärker ist als wir.

Trotzdem verhöhnen wir ihn gern. Vielleicht weil er nicht so richtig aufrecht gehen kann wie wir. So wirkt er dann wie eine Parodie unserer Gattung. Und weil er weniger verlogen ist als wir, finden wir ihn lustig und lüstern. Manchmal ist er allerdings gefährlich…wenn man ihm zu nahe kommt.

Fakt ist: Vor dem Jahr 1900 Gorillas und Schimpansen – d.h. die sog. „Menschenaffen“ – waren in Europa beinahe unbekannt. Der „Tarzan“ Roman des amerikanischen Schriftsteller Edgar Rice Burroughs ist eine reine Fiktion, was das Leben der Menschenaffen betrifft. Burroughs hatte keine Ahnung.

Kennen Sie vielleicht die Geschichte vom Karthager Hanno? Im 5. vorchristlichen Jh. segelte er von Karthago (im heutigen Tunesien) um den afrikanischen Kontinent bis zum heutigen Sierra Leone. An einer tropischen Bucht angekommen, gingen Hanno und seine Mannschaft aufs Land. Warum sie in dieser Gegend waren, wissen wir nicht. Sie preschten aber weiter ins Inland, bis sie einen See erreichten, in dessen Mitte eine Insel war. Dorthin übersetzten sie. Dem Bericht Hannos zufolge, der allerdings nur in einer altgriechischen Zusammenfassung existiert, trafen die Matrosen dort auf nackte, stark behaarte Einheimische. Ein Ortskundiger, der die Karthager begleitet hatte, erklärte, dass diese Wesen „gorillai“ waren. Notabene: Hanno war überzeugt, es handelte sich um wilde Menschen. Er war fasziniert und kam nun auf die Idee, ein paar dieser „gorillai“ gefangen zu nehmen und nach Karthago zu entführen. So einfach war sein Vorhaben aber nicht. Es stellte sich heraus, dass diese „Gorillai“ unbeschreiblich stark waren, und sie leisteten erbitterten Widerstand.

Letztendlich blieb den hartnäckigen Karthagern nichts anderes übrig, als ein paar dieser seltsam behaarten Wesen zu töten. Daraufhin häuteten sie sie und kehrten mit den Häuten nach Karthago zurück. Leser meines Buches „Kaspar Hausers Geschwister – auf der Suche nach dem wilden Menschen“ (Steiner Verlag 2018) kennen diese Anekdote. (Hier ein bisschen Schleichwerbung).

Was wollen wir mit dieser Geschichte von Hanno sagen? Die Feststellung, dass Großaffen keine Menschen waren, war kein Automatismus. Sie musste erst erfahren werden. Denken Sie an die Orang-Utans. Der Name bedeutet in der indonesischen Sprache „Waldmensch“.

Der „Affe“ taucht das erste Mal ca. 1500 in der dt. Sprache auf. Es handelte sich freilich um kleine Affen, die putzig und flink waren. Dass diese keine kleinen Menschen waren, lag auf der Hand – auch wenn sie gewisse Ähnlichkeiten mit uns aufwiesen. Und weil sie so hemmungslos waren, erfand man neue Wörter wie „Affentheater“, „Affenliebe“ „Affengetue“ usw. Passte gut zum Bild der frenetischen Tiere.

Später diente „Affe“ lediglich als Verstärkungspartikel im Sinne von „sehr“. Deswegen heißt es „Affenzahn“, „affengeil“, „affenartig“. Ist nachvollziehbar.

O je. Wir fingen mit den Affenpocken an, und nun sind wir vollends bei den Affen gelandet. Immerhin. Jetzt wissen Sie alles, was es zu wissen gilt über diese Tiere, die uns manchmal so ähnlich sind, dass es unheimlich wird. Ein anderes Mal erzähle ich vom vergeblichen Versuch, Affen die Menschensprache beizubringen. Oder Sie lesen darüber selbst in meinem oben erwähnten Buch.

Achtung: Pause bis Ende des Monats Juni – Geheimmission.

Die passende Anredeform für einen „diversen“ Menschen

In Deutschland ist es noch nicht üblich bei einer Zoomkonferenz die eigenen Pronomina nach dem eigenen Namen in Klammern zu setzen. Beispiel: „Wanda Sorgfalt (sie, ihr)“ oder „Bernhard Basisdem (er, ihn) usw.

Diese Pronomina sollten offenbar für Klarheit sorgen. Nur so kann man sicher sein, ob man es mit einem m/w oder /d zu tun hat. „Diverse“ Pronomina gibt es übrigens auch. Ich kenne sie aber nicht, und sie scheinen noch nicht vereinheitlicht zu sein – weder auf Deutsch, Englisch usw.

Wie gesagt: In Deutschland gehört dieser Brauch nicht zum guten Ton…oder vielleicht noch nicht. Auch in England trifft man auf ihn nur gelegentlich. In den USA ist diese Sitte weit verbreitet… zumindest in gewissen Kreisen, die man heute als „woke“ bezeichnet, d.h., wo die eigene geschlechtliche Identität gewissermaßen eine freie Entscheidung ist.

Beispiel Maia Kobabe. Maia Kobabe ist ein Mensch, der sich zu keinem der uns bekannten Geschlechtern bekennt.

Maia Kobabe bezeichnet sich vielmehr als „nonbinär“. In Deutschland sagt man dazu „divers“ – wie in den Arbeitsannoncen, wo nach einer „m/w/d“-Arbeitskraft gesucht wird.

Sind Sie einem „d“-Menschen begegnet? Ich eigentlich noch nie, obwohl ich überzeugt bin, dass es sie gibt. Dafür kenne ich viele „m“- und „w“-Menschen. Ebenfalls habe ich im Lauf meines langen und abenteuerlichen Lebens die Bekanntschaft vieler homosexuellen Menschen gemacht: männlich und weiblich. Darunter waren weibliche Männer (manche standen auf Männer, manche auf Frauen) und männliche Frauen (manche, die auf Frauen, manche auf Männer standen) – mit anderen Worten das ganze Spektrum der sexuellen Diversität.

Doch wie soll ich Maia Kobabe höflich ansprechen? Weder Frau K. noch Herr K. scheint möglich zu sein. Eine diverse Anredeform kenne ich nicht.

Diese Ratlosigkeit scheint wohl weitverbreitet zu sein. Neulich habe ich in der New York Times einen Artikel über Maia Kobabe gelesen. Denn Maia Kobabe hat ein wohl skandalösen Grafikroman mit dem Titel „Gender Queer“ veröffentlicht. Maia Kobabe kann übrigens gut zeichnen. Es gibt aber ein Problem, wenn man über Maia Kobabe bzw. über Maia Kobabes Buch schreiben will. Maia Kobabe ist partout nicht pronominal zuzuordnen. Dieses Problem betrifft nicht nur mich. Die NY Times Journalistin Alexandra Alter scheint auch darunter zu leiden.

Deshalb verwenden so wohl sie wie auch ich so viele Maia Kobabes, wo man normalerweise lieber ein Fürwort einsetzen würde. Schließlich sind die Fürwörter da, damit wir nicht jedesmal ein Nomen oder Namen schreiben oder sprechen müssen.

Doch mal ehrlich: Lohnt es sich, ein neues Pronomen auszudenken, um die Diversen zu bedienen? Ich stelle diese Frage aus einem bestimmten Grund: Wie viele „Diverse“ bzw. „nonbinäre“ Menschen gibt es denn überhaupt?

Oder anders formuliert: Wie viele arbeitssuchende Menschen bezeichnen sich – zum Beispiel bei der Pizzeria gegenüber von meiner Wohnung – als „Diverse(r?)“, um in der Gastronomie zu arbeiten?

Oder noch eine Frage: Bleibt ein Mensch fürs ganze Leben „divers“? Oder haben wir es mit einer Lebenskrise zu tun, wo man Schwierigkeiten hat, sich sexuell festzulegen, etwa in der Zeit zwischen 15 und 30? Notabene: Hier ist nicht die Rede von Intersexuellen, also von Menschen, die mit physiologischen Merkmalen beider Geschlechter geboren werden. Sie haben mitunter ein ganzes Leben darunter zu leiden. Nebenbei: Maia Kobabe ist bereits 33 Jahre alt. Vielleicht eine Ausnahme? Vielleicht nicht.

Diese sind lediglich ein paar Überlegungen eines Menschen (das heißt: ich), der keine Ahnung hat. Aber bitte: Gibt es überhaupt jemanden, der auf diesem Gebiet eine Ahnung hat? Wenn ja, bitte melden, Herr, Frau oder Divers.

„Great Replacement“, Leitkultur etc.

Sie haben vielleicht übers Supermarktmassaker in der US-Stadt Buffalo im Bundesstaat New York erfahren. Ein Jüngling – 18 Jahre alt – ballerte unversehens um sich rum. Innerhalb kürzester Zeit waren zehn Personen tot, dazu einige verletzt. Der Täter war weiß; seine Opfer waren schwarz. Der Beweggrund: Rassismus.

In der Boulevardpresse findet man diverse Fotos des Mörders. Mit seinem Gesicht hinter seiner FFP2-Maske wirkt er mit seinen buschigen Locken und jungen Augen irgendwie attraktiv. Die typische jugendliche Schönheit halt. Ein Trick der Natur, um den Zeugungsprozess voranzutreiben. Ohne Maske sieht der Mörder eher dumpf aus, ohne jegliche Anziehungskraft. Vielleicht war das auch sein Problem.

Als Motiv fürs Verbrechen erfährt der Konsument der Boulevardpresse (z.B. ich): Der Mörder sei Vertreter der „Great Replacement Theory“. Und damit sind wir zum Kern dieser Glosse gelangt. Denn schon wieder möchten wir eine Theorie beleuchten, die manche Herzen höher schlagen lässt. Und schon wieder werden Sie denken: Noch ein Begriff aus dem Englischen (genauer gesagt aus dem Amerikanischen)!

Au contraire, mesdames messieurs. Diesmal haben wir es mit einem französischen Schlagwort zu tun. Wörtlich: „le grand remplacement“. Zu Deutsch – so Wikipedia – „der Große Austausch“. Noch ist dieses Modewort in der deutschen Sprache weitgehend unbekannt.

Urheber dieses nagelneuen soziopathischen Begriffs ist der französische Romanschriftsteller – und „Verschwörungstheoretiker“ (so Wikipedia) Renaud Camus. Der Begriff wurde erst 2010 und 2011 aus dem Boden gestampft.
Camus (leider weiß ich nicht, ob er mit Albert C. verwandt ist) mahnte damals, dass die stets zunehmende Ausbreitung der muslimischen Bevölkerung in Frankreich dazu führen würde, dass Muslime, weil kinderreicher als „Biofranzosen“, nach und nach die Mehrheit in Frankreich bilden würden und die „Biofranzosen“ ersetzen – französisch „remplacer“; englisch „replace“.
Horrorfantasie? Rassismus? Verleumdung?

Fakt ist: So ein „remplacement“ wäre theoretisch möglich – wenn auch höchst unwahrscheinlich. Ähnlich provozierte der franz. Schriftsteller Michel Houellebecq mit einer Vision in seinem Roman „Submission“ – zu Deutsch „Unterwerfung“.

In Deutschland behauptete Theo Sarrazin 2011 in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“, dass der Zustrom von Einwanderern aus muslimischen und afrikanischen Ländern schon damals den Sozialstaat in Deutschland überforderte und zum Infarkt bringen könnte. Sarrazin, ein pingeliger Statistiker, belegte seine Kritik mit aussagekräftigen Zahlen.

Notabene: Sowohl Sarrazin wie auch Camus haben sich stets von Gewalttaten wie die in Buffalo und anderorts (z.B., in Christchurch Neuseeland) distanziert. Ihre Schriften werden allerdings von geifernden Rechtsradikalen gern gelesen.

Und noch etwas: Dieses „Replacement“ („Austausch“) ist nicht nur eine Erfindung von ängstlichen Zukunftsprognostikern und sonstigen Fantasten. Das „remplacement“ war schon immer ein bewährtes Mittel, um ein erobertes Land langfristig unter die Nägel zu reißen. Das machen die Chinesen heute, z.B., im in Xinjiang, wo zunehmend Han-Chinesen angesiedelt werden. Gleiches ist schon längst in Tibet geschehen.

Nach dem 2. Weltkrieg haben die Russen im eroberten Polen dies praktiziert, indem sie Ukrainer sowohl ins östliche Polen wie auch in Schlesien „importiert“ haben, ebenso Russen ins Baltikum. Auch heute werden „Biorussen“ im Donbass und in der Krim angesiedelt. Und nicht zu vergessen: Dies war auch Hitlers Plan: Polen und die Ukraine ethnisch zu säubern und die Bevölkerung mit Deutschen „auszutauschen“.

Die Liste lässt sich leicht ergänzen.

Die gute Nachricht. Der Extremfall ist meist (nicht immer) nur Fantasie. Der nützliche Idiot in Buffalo setzte sich dem Internet sei Dank, dumpfköpfig in den Dienst von Ideologen, In Wahrheit ist die Vorstellung einer schwarzen Mehrheit in den USA gar nicht möglich. Nur 12% der Amerikaner sind schwarz.

Auch in Europa rechne ich nicht mit dem großen Austausch. Das sage ich, versteht sich, als Ausländer. Wir Ausländer können unser Adoptivland eher mit neuen Ideen bereichern als ruinieren. Und schließlich bleibt in der neuen Heimat stets die „Leitkultur“ tongebend. Ja, ich weiß, dass dieser Begriff „Leitkultur“ des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber für manche unanständig klingt. Doch wie soll man die uralten Traditionen eines Landes sonst nennen?

Kritische Rassismustheorie für Anfänger und Kenner

Falls Sie der Rosenkrieg zwischen Johnny Depp und Amber Heard im Augenblick langweilt oder Sie sich eine kurze Pause vom Horror des russischen Aggressionskriegs gönnen möchten, dann sind Sie hier richtig.

Wir werden uns heute zur Abwechselung der kritischen Rassismusforschung wenden. Viel Spaß!

Sie wissen, falls Sie kein Kenner sind, was damit gemeint ist…oder? Diese brandneue akademische Sparte – üblicherweise auf dem Gebiet der Soziologie beheimatet – besagt, dass „weiße“ Menschen ipso facto angeborene Rassisten sind, was sie zu glauben erlaubt, dass sie eine gewisse Überlegenheit über schwarze Menschen und „People of Color“ genießen.

Verzeihen Sie. Ich bin noch nicht auf eine adäquate dt. Übersetzung für den Begriff „People of Color“ gestoßen. „Farbige Menschen“ kommt natürlich nicht in Frage, führt vielmehr zur Konfusion. Denn früher hat man auch schwarze Afrikaner als „farbig“ bezeichnet.

Eigentlich eine ziemlich farblose Vokabel „farbig“. Letztendlich ist jeder irgendwie farbig, manche zwar heller, manche dunkler. Fakt ist: Ich bin noch nie einem wahrhaftig „weißen“ Menschen begegnet. Nein. Stimmt nicht. Beinahe habe ich meinen Freund Fatihi vergessen. Er war Albino und stammte aus Tunesien. Vor vielen Jahren haben meine Frau und ich sechs Wochen mit Fatihi und Familie in Monastir, einer schönen Stadt in Tunesien, verlebt.

Heute gälte auch Fatihi als „Person of Color“! Sie sehen, wie kompliziert die Sache ist.

Im Grunde wird mit „weiß“ „europäisch“ gemeint, womit jene Ureinwohner Europas gemeint sind, die die sog. „europäische Kultur“ gründeten und die – seien wir uns ehrlich – später Menschen in den Amerikas, in Afrika, in Asien etc. kolonisierten. Heute ein verfemtes Wort. Die Befürworter der kritischen Rassismusforschung behaupten, dass diese Europäer bis heute die P.O.P. weiterhin unterdrücken und wie Kolonisten behandeln.

Die schlimmsten Ausbeuter seien, so heißt es, die weißen Männer und noch schlimmer, wenn das möglich ist, die alten weißen Männer. Weiße Frauen hingegen seien zwar „weiß“, aber auch sie werden irgendwie von den weißen Männern – insbesondere von den alten weißen Männern – geknebelt, aus welchem Grund es nötig war, das „Gendersternchen“ zu erfinden. Nun wissen Sie es.

Alles klar?

Und wer zählt zu den P.O.P.?

In den USA – und dort wurde der kritische Rassismustheorie als Weiterentwicklung der Dekonstruktivismus (fabriqué en France) kultiviert – sind es die Native Americans, Afroamerikaner, hispanische Menschen aus Mexiko, Zentralamerika und Südamerika. Später durften sich auch Araber, Iraner, Inder und Asiaten als „People of Color“ bezeichnen. Diese Liste gilt inzwischen auch für Deutschland, wohin vor ein paar Jahren die kritische Rassismustheorie rüber geschwappt ist.

Doch Vorsicht! So einfach ist die Sache nicht. Denn manche Menschen entsprießen einer Mischung der Ethnien. Manche sind sogar vom Aussehen und Gehabe her kaum von den weißen Unterdrückern zu unterscheiden! Noch ein Problem: Wer unter der Oberfläche buddelt, stellt fest, dass auch P.O.P. – historisch betrachtet – Dreck am Stecken haben dürfen. Mord, Eroberungsgelüste, Raubzüge, Unterdrückungen usw. scheinen auf der ganzen Welt zum Grundprogramm zu gehören.

Zum Glück für all jene, die sich als ausgebeutet darstellen möchten: Heutzutage darf man alles sein! Man muss es sich nur wünschen! Geschlecht und Herkunft sind zu Accessoires geworden! Jeder darf sich als zerfleddert und unterdrückt darstellen! Wie schön!

Und nun habe ich eine Idee: Wie wäre es, wenn jeder sich zu einer „Person of Color“ erklären würde? Im Nu gäbe es keine Opfer mehr!

Nein, nicht ganz. Johnny und Amber würden weiterhin jammern, und die Russen nicht aufhören durch Lügen und Raubzug die Ukraine zu kassieren.

Manche würden an dieser Stelle kontern: Das mit Johnny und Amber, den Russen und den Ukrainern ist mir egal. Es sind ohnehin alle Weiße.

Augen zu und los (Die Gliose-Blues)

Ich werde mich heute kurzhalten. Mein Arzt besteht darauf. Will heißen: mein Augenarzt. Vielleicht erinnern Sie sich. Vor zwei Wochen habe ich angekündigt, dass ich auf Geheimmission gehe. Ist geschehen. Und nun bin ich zurück.

Was für eine Geheimmission?

In meinem Fall führte sie letzte Woche in eine Augenklinik, wo ich mir eine ziemlich ekelhafte Operation unterziehen ließ. Sie heißt „Vitrektomie“. Damit wird gemeint, dass die Flüssigkeit im Glaskörper (ja, im Glaskörper ist eine durchsichtige Flüssigkeit) entfernt wird, damit sich der Operateur (bzw. die Operateurin) einfacher an die Netzhaut herankommen kann. In meinem Fall war dies notwendig, weil sich mir auf der Netzhaut (lateinisch „retina“) eine „Gliose“ formiert hat.

Mit Sicherheit wissen Sie nicht, was eine Gliose ist. Das erfährt man erst, wenn man eine hat. Es handelt sich um ein Häutchen, das sich aus irgendeinem Grund auf der Netzhaut zu wachsen anfängt. Auf den CT-Bildern meiner Netzhaut, wird etwas sichtbar, das wie ein Vulkan aussieht. Dieser Vulkan schwillt immer mehr an, bis man kaum mehr aus dem Auge sehen kann.

Deshalb habe ich während der letzten Jahre die Welt wie durch krumme Wellen gesehen. Als Lesegerät fiel das linke Auge selbstverständlich aus.

Vor der OP hat man mich in einen Dämmerschlaf versetzt – ein interessantes Erlebnis. Man ist halb da und halb nicht da. Ich bilde mir ein, ich habe den Augenblick erlebt, als man mir mit einer Pinzette das störende Häutchen rausgepickt hat. Ich bilde mir weiterhin ein, dass ich etwas in diesem Sinn kommentiert habe und dass der Operateur mir gesagt hat, ich solle lieber den Mund halten, was für mich ohnehin schwierig ist.

Wie dem auch sei. Die OP ist inzwischen vorbei. Wo die Glaskörperflüssigkeit ausgesaugt wurde, hat man dem Auge als Platzhalter Gas reingepumpt. Sie müssen sich vorstellen: Der Augapfel war nach der OP halb mit Flüssigkeit halb mit Gas gefüllt. Anfänglich hatte ich eine Empfindung, als würde ich durch ein trübes Aquarium schauen. Die gute Nachricht: Das Gas wird peu à peu resorbiert (Ärztesprache) und das Auge füllt sich dann mit frischer Flüssigkeit wieder. Bis es so weit ist, nimmt man eine Trennlinie zwischen Flüssigkeit und Gas wahr. Unterhalb der Linie glotzt man durch das trübe Aquarium, oberhalb ersieht man – täglich – immer mehr Licht, wie man es üblicherweise kennt. Am Schluss, so wurde mir erklärt, verschwindet das Aquarium ganz, und die Sehkraft wird wieder hergestellt. Das dauert aber, und man darf sich während einer gewissen Zeit durch Lesen, tragen etc. nicht anstrengen.

Und darum geht es in diesem kurzen postoperativen Bericht: Ich gebe mir Mühe, mein Auge nicht zu sehr zu überstrapazieren.

Sie merken es natürlich nicht, aber ich schreibe diesen Text mit zugeschlossenen Augen. Das „Blindschreiben“ habe ich in der 7. Klasse in New York gelernt. Es hat mir mein ganzes Leben gedient. Mit Sicherheit steht das Schreibmaschinenschreiben nicht mehr auf dem Lehrplan weder in den USA noch sonst wo.

Da ich die nächste Zeit nur sehr wenig lesen darf – auch keine Zeitungen, hat mir meine Frau Hörbücher zur Verfügung gestellt. Ja, ich höre Bücher; ich lese sie nicht. Früher haben beinahe alle Menschen ihre Bücher nur gehört. Denn die meisten Menschen waren ohnehin Analphabeten. War einfach so.

Das hat aber Konsequenzen. Wenn man einen Text nur hört, lebt man quasi – was die Sprache betrifft – in einer Klangwelt. Viele Wissenschaftler sind der Meinung, dass das logische Denken erst nach dem Lesenlernen entstanden ist.

Weil Menschen in einer schriftlosen Kultur nichts schriftlich festlegen können, wird die Vergangenheit ihrer Kultur allein durch das Gedächtnis festgehalten. Das Gedächtnis ist aber, wie man weiß, ein unzuverlässiger Kumpel. Folglich seien schriftlose Kulturen quasi mythologische Kulturen.

Nebenbei: Das englische Wort für „lesen“, also „read“, ist mit „reden“ verwandt. Da erkennt man eindeutig einen Hinweis auf die einstige mündliche Tradition. Der Name des heiligen Buchs des Islam, „Quran“, wird von einer Vokabel abgeleitet, das „ausrufen“ bedeutet. Das frühe Publikum dieses Textes hat ihn mit Sicherheit nicht gelesen, sondern lediglich gehört.

Na ja. Nur ein paar Gedanken zu meinem momentanen Zustand. Wie gesagt: Ich habe diesen Text zumeist mit zugeschlossenen Augen geschrieben. Sie werden ihn aber – so nehme ich an – mit offenen Augen lesen.

Ein Narrativ übers Narrativ

Ich bilde mir ein, dass der Sprachbloggeur als Quelle sprachlicher Neuigkeiten dient. Und deshalb hatte ich mich neulich entschlossen, über den Begriff „Narrativ“ zu berichten.

Und was erfahre ich? Dass ich längst den Kollegen hinterherhinke! Und Sie? Zählt das „Narrativ“ zu Ihrem aktiven Wortschatz? Falls nicht, dann sind Sie an der richtigen Stelle gelangt, um eine Wissenslücke zu füllen. Denn es ist nicht mehr zu leugnen: Wir leben im Zeitalter des „Narrativs“.

Schon 2017 erschien ein Text zu diesem Thema in der „Süddeutschen Zeitung“. Der Autor, Tobias Kniebe, etikettierte „Narrativ“ als „Modewort“. Vor ihm, also 2016, hatte auch der Journalist Matthias Heine in der „Welt“ das „Narrativ“ als „Modewort“ beschrieben. Sie sehen: Dieses Wort brodelt seit einiger Zeit im dt. kollektiven Unterbewusstsein.

Auch meine Entscheidung übers „Narrativ“ zu schreiben, ist wohl ein Ausdruck dieses Impulses. Denn Fakt ist: Das „Narrativ“ ist wohl ein Ausdruck des Zeitgeists.

Aber nun endlich zum „Narrativ“ selbst: Das Wort ist ein Neutrum, ein „das“, und wird vom lateinischen „Narrativum“ hergeleitet.

„Narrare“ bedeutet auf Lateinisch „erzählen“. „To narrate“ ist auf Englisch eine ganz normale Vokabel im Sinne von „erzählen“. Derjenige in einem Roman, der die Geschichte erzählt, ist der „narrator“. Man könnte das, was er (oder sie) tut eine „narration“ nennen. Womöglich wurde das Wort auch in der dt. Literaturkritik schon lange so verwendet.

Seit 1979 ist ums „Narrativ“ viel Neues geschehen. Denn in diesem Jahr benutzte ein französischer Philosoph namens Jean-François Lyotard diesen Begriff in einem Buch übers „Postmoderne“ und zwar in einem ganz neuen Sinn.

Nebenbei: Lustiger Begriff „Postmoderne“! Mittlerweile klingt er altbacken, zumal wir heute wahrscheinlich im Postpostmodernen…oder gar Postpostpostmodernen leben.

Mein Gott! Ich habe so viel geschrieben und immer noch nicht verraten, was ein „Narrativ“ Lyotard zufolge ist! Wir lassen jetzt Wikipedia für uns reden. In einem ausführlichen Eintrag über dieses Thema wird das „Narrativ“ als eine „sinnstiftende Erzählung“ definiert. Will heißen: Etwas wird erzählt, damit der Zuhörer es auf eine gewisse Weise versteht und deutet.

Kommt dies Ihnen bekannt vor?

Das macht zum Beispiel Putin momentan. Ihm zufolge darf der blutige Angriffskrieg, den er vom Zaun gebrochen hat, nicht als Krieg bezeichnet werden. Wer dies in Russland tut, wird sogar vors Gericht geholt. Man erzählt lieber von einer „Sonderoperation“. Darüber hinaus bezeichnet man den Feind als Nazi und die Toten in Butscha als Schauspieler. Sie sehen: Dies ist ein ausgezeichnetes Beispiel für ein „Narrativ“.

Hat auch Hitler am 1. September 1939 gemacht, als die Wehrmacht in Polen „zurückgeschossen“ hat. Das tut man auch, wenn man behauptet, dass die Sklaverei eine Erfindung von bösen Weißen ist, um die Schwarzen – oder neuerdings die „P.O.P. („people of color“) zu unterdrücken.

Klar: Es ist nicht schwer zu verstehen, was ein „Narrativ“ ist. Man könnte es als Deutungshilfe beschreiben. Fest steht jedenfalls: Beispiele von „Narrativen“ gibt es wie der Sand im Haar.

Nur: Wie hat man dieses Phänomen früher ausgedrückt? Hmm. Darüber muss ich nachdenken. Vielleicht etwas wie „Faktendeutung“ oder „Propaganda“. Nein, es muss etwas anders gegeben haben. Falls aber nicht, dann haben wir endlich den passenden Begriff!

Aber nun habe ich für heute genug erzählt. Falls Ihnen der Begriff „Narrativ“ gefehlt hat, haben Sie nun bestimmt genug davon.

In eigener Sache: Nächste Woche keine Glosse. Bin auf Geheimmission.

Entschuldigung, Ent-schuld-ig-ung!

Zwei Ministerinnen sind in letzter Zeit wegen Versäumnisse in Bezug auf die Ahrtal-Überschwemmungen zurückgetreten. Die eine drückte ihr Bedauern aus und trat schleunigst zurück. Die andere erlaubte sich einen dramatischen öffentlichen Auftritt samt Ausrede und trat dann nicht zurück. Sie wurde allerdings bald dazu genötigt. Nicht zu vergessen der Bundespräsident, der jüngst in aller Öffentlichkeit Reue über seinen dereinstigen Putinkuschelkurs verkündete.

Lauter Bußfertige. Was mich dazu gebracht hat, folgende Überlegung anzustellen: Was ist eigentlich eine „Entschuldigung“?

Keine einfache Frage gebe ich zu. Und jede Religion setzt sich mit dieser heiklen Sache gründlich auseinander.

Zum Glück bietet uns hier die deutsche Sprache selbst Abhilfe, um diesen Begriff zu entzaubern. Da das Deutsche, wie jeder weiß, nach dem Legoprinzip bausteinartig organisiert ist, kann man ein Wort wie „Entschuldigung“ recht einfach in seine Einzelteile auseinanderpulen: „Ent-schuld-ig-ung“. Wovon der eigentliche Kern des Wortes der Begriff „Schuld“ ist. Das „ent-„ will diese „Schuld“ aufheben und entfernen.

Eine „Schuld“ ist auf Deutsch etwas, was man zurückbezahlen muss. (Notabene: „zurückbezahlen“ ist nicht identisch mit „zurückzahlen).

Achtung: Diese Vokabel „Schuld“ ist mit „sollen“ verwandt. Eigentlich logisch. Denken Sie an „Haben“ und „Soll“. Dahinter steckt die Idee von „verpflichtet sein“. Besser gesagt, „verpflichtet, etwas Gleichwertiges als Sühne zurückzubezahlen“. „Geld“, zum Beispiel, genauer gesagt, etwas „Gültiges“.

Klar:, „Geld“ und „gültig“ sind verwandt! Man leistet ein „Entgelt“ und übt „Vergeltung“ aus. (Nebenbei: „Gold“ hat mit „Geld“ nix zu tun – zumindest sprachlich nix. „Gold“ ist eine Abwandlung von „gelb“).

Wie dem auch sei: Wenn man sich „entschuldigt“, ist notgedrungen ein „Entgelt“ fällig.

Auch dies logisch. Denn eine „Entschuldigung“ sollte ein „Entschulden“ sein. Will heißen: Man befreit sich von einer Verschuldung“. Diese Formulierung habe ich meines sechsbändigen Duden entnommen.

Wenn man „schuldig“ ist, dann nur deshalb, weil man etwas hätte machen bzw. leisten sollen, was eben nicht erfolgt ist. Wer seine Schulden nicht begleicht, leidet bisweilen (außer er ist ein Unhold) an „Schuldgefühle“.
„Schuldgefühl“ bedeutet wörtlich, „das Gefühl, das man etwas zurückzubezahlen hat.

Heute benutzen wir das Wort „Schuldgefühl nur noch als psychologischer Begriff im Sinne von „Gewissensbiss“. Wahrscheinlich aber weilen die „Gewissensbisse“ längst vor den heutigen „Schuldgefühlen“ oder „Schuldbewusstsein“ unter uns.

Warum bin ich heute so fixiert auf dieses Wort „Entschuldigung“? Vielleicht deshalb, weil mir es vorkommt, dass dieses wichtige Konzept einen Bedeutungswandel durchmacht.

Früher musste man sich „ent-schuldigen“, indem man etwas geleistet hat – eine „Sühne“ zum Beispiel“ oder ein „Entgelt“. Das hat, z.B., die NRW Agrarministerin Ursula Heinen-Esser neulich getan, indem sie ihr Amt freiwillig niederlag. Für viele jedoch, z.B. die Familienministerin Spiegel, scheint das Wort „Entschuldigung“ selbst die „Sühne“ zu sein. Mit dem Zauberwort „Entschuldigung“, meinte sie, sie habe sich „ent-schuldigt“ und müsse sonst nix zurückbezahlen, um die „Schuld“ zu beheben.

Stellen Sie sich vor, in was für eine Welt wir leben. Ein einfaches Wort reicht, um alle Unbill zu entwerten.

Und nun wissen Sie alles, was es zu wissen gilt, um jegliche Entschuldigung zu verstehen.

Entschuldigung, Ent-schuld-ig-ung!

Zwei Ministerinnen sind in letzter Zeit wegen Versäumnisse in Bezug auf die Ahrtal-Überschwemmungen zurückgetreten. Die eine drückte ihr Bedauern aus und trat schleunigst zurück. Die andere erlaubte sich einen dramatischen öffentlichen Auftritt samt Ausrede und trat dann nicht zurück. Sie wurde allerdings bald dazu genötigt. Nicht zu vergessen der Bundespräsident, der jüngst in aller Öffentlichkeit Reue über seinen dereinstigen Putinkuschelkurs verkündete.

Lauter Bußfertige. Was mich dazu gebracht hat, folgende Überlegung anzustellen: Was ist eigentlich eine „Entschuldigung“?

Keine einfache Frage gebe ich zu. Und jede Religion setzt sich mit dieser heiklen Sache gründlich auseinander.

Zum Glück bietet uns hier die deutsche Sprache selbst Abhilfe, um diesen Begriff zu entzaubern. Da das Deutsche, wie jeder weiß, nach dem Legoprinzip bausteinartig organisiert ist, kann man ein Wort wie „Entschuldigung“ recht einfach in seine Einzelteile auseinanderpulen: „Ent-schuld-ig-ung“. Wovon der eigentliche Kern des Wortes der Begriff „Schuld“ ist. Das „ent-„ will diese „Schuld“ aufheben und entfernen.

Eine „Schuld“ ist auf Deutsch etwas, was man zurückbezahlen muss. (Notabene: „zurückbezahlen“ ist nicht identisch mit „zurückzahlen).

Achtung: Diese Vokabel „Schuld“ ist mit „sollen“ verwandt. Eigentlich logisch. Denken Sie an „Haben“ und „Soll“. Dahinter steckt die Idee von „verpflichtet sein“. Besser gesagt, „verpflichtet, etwas Gleichwertiges als Sühne zurückzubezahlen“. „Geld“, zum Beispiel, genauer gesagt, etwas „Gültiges“.

Klar:, „Geld“ und „gültig“ sind verwandt! Man leistet ein „Entgelt“ und übt „Vergeltung“ aus. (Nebenbei: „Gold“ hat mit „Geld“ nix zu tun – zumindest sprachlich nix. „Gold“ ist eine Abwandlung von „gelb“).

Wie dem auch sei: Wenn man sich „entschuldigt“, ist notgedrungen ein „Entgelt“ fällig.

Auch dies logisch. Denn eine „Entschuldigung“ sollte ein „Entschulden“ sein. Will heißen: Man befreit sich von einer Verschuldung“. Diese Formulierung habe ich meines sechsbändigen Duden entnommen.

Wenn man „schuldig“ ist, dann nur deshalb, weil man etwas hätte machen bzw. leisten sollen, was eben nicht erfolgt ist. Wer seine Schulden nicht begleicht, leidet bisweilen (außer er ist ein Unhold) an „Schuldgefühle“.
„Schuldgefühl“ bedeutet wörtlich, „das Gefühl, das man etwas zurückzubezahlen hat.

Heute benutzen wir das Wort „Schuldgefühl nur noch als psychologischer Begriff im Sinne von „Gewissensbiss“. Wahrscheinlich aber weilen die „Gewissensbisse“ längst vor den heutigen „Schuldgefühlen“ oder „Schuldbewusstsein“ unter uns.

Warum bin ich heute so fixiert auf dieses Wort „Entschuldigung“? Vielleicht deshalb, weil mir es vorkommt, dass dieses wichtige Konzept einen Bedeutungswandel durchmacht.

Früher musste man sich „ent-schuldigen“, indem man etwas geleistet hat – eine „Sühne“ zum Beispiel“ oder ein „Entgelt“. Das hat, z.B., die NRW Agrarministerin Ursula Heinen-Esser neulich getan, indem sie ihr Amt freiwillig niederlag. Für viele jedoch, z.B. die Familienministerin Spiegel, scheint das Wort „Entschuldigung“ selbst die „Sühne“ zu sein. Mit dem Zauberwort „Entschuldigung“, meinte sie, sie habe sich „ent-schuldigt“ und müsse sonst nix zurückbezahlen, um die „Schuld“ zu beheben.

Stellen Sie sich vor, in was für eine Welt wir leben. Ein einfaches Wort reicht, um alle Unbill zu entwerten.

Und nun wissen Sie alles, was es zu wissen gilt, um jegliche Entschuldigung zu verstehen.

Endlich Weltuntergang! Mulmigsein und Apokalypse

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie das Wort „Mulm“ kennen, bzw., schon mal gehört haben. Schließlich sind Sie Deutsche. Dennoch eine Frage: Heißt es „der“, „die“ oder „das“ Mulm. Diese Frage zu beantworten, erfordert das sprachliche Urvertrauen des Muttersprachlers.

Falls Sie auf „der“ tippen, haben Sie natürlich recht. Es heißt „der Mulm“. Dahinter steckt eine gewisse Sprachlogik des Deutschen. Es gibt nämlich eine Reihe einsilbiger dt. Vokabeln, die maskulin sind. Z.B.: „Halm“, „Helm“, „Strunk“, „Stroh“, „Klump“, „Brand“, „Kropf“ usw. usw. usw. „Mulm“ ist eine von dieser Kategorie. Wenn allerdings ein kurzes Wort zweisilbig ist, und die zweite Silbe auf „E“ auslautet, kann man dann davon ausgehen, dass es ein Femininum ist. Dies gilt freilich für „Hase“ nicht.

Und nun eine zweite Frage: Was bedeutet „Mulm“? Hier bin ich nicht so sicher, dass Sie die Antwort parat haben. Aber was weiß ich?

Dem Duden zufolge ist „Mulm“ ein „pulveriger Humusboden“ oder ein „verfaultes, getrocknetes und zu Pulver zerfallenes Holz“. Klingt auch so.
Es gibt sogar ein Verb „mulmen“ im Sinne von „zu Mulm machen“ oder „in Mulm zerfallen“.

Die Mulm-Familie ist übrigens mit „mahlen“ verwandt. Gleiches gilt für die „Malm“-Familie. (Selbstverständlich heißt es der „Malm“). „Malm“ begegnet man allerdings viel seltener als „Mulm“. Denn Ersteres wird äußerst spezialisiert verwendet. Der „Malm“ ist nämlich die „obere Abteilung des Juras“. Nebenbei: Das gleiche Wort gibt es auch auf Englisch im Sinne von „kalkreicher Lehm“.

Obwohl ich englischer Muttersprachler bin, habe ich „malm“ nie gehört.
„Malmen“ als Verb leuchtet sofort ein. Das machen die Zähne, wenn sie sich langsam aneinander reiben. Der Zahnarzt verschreibt dann eine Knirschschiene. „Zermalmen“ und „Zermahlen“ sind ähnlich, aber die kennt jeder.

Und somit kommen wir endlich zu „mulmig“. Ganz klar, dass das Wort mit „Mulm“ und „mulmen“ zu tun hat. Wenn ein Humusboden „pulverig oder locker“ (s. Duden) ist, bezeichnet man es als „mulmig“. Auch wenn etwas „faulig oder morsch“ ist, sagt man, dass es „mulmig“ ist.

Meistens aber benutze wir „mulmig“ in einem anderen Sinn. Vielleicht soll es das Gefühl vermitteln, das man hat, wenn man auf morschem Boden tritt. Sprich: unsicher, weil man keinen Halt mehr hat.

Grade dieses mulmige Gefühl macht sich z.B. momentan in Europa breit. Die Preise steigern. Ein grausamer Krieg wütet im Osten. Die Pandemie der letzten Jahre bedrückt noch immer. Wir haben uns mit ihr lediglich arrangiert. Und obendrein wuchert wie in Galopp der Tod.

He! Was habe ich da zusammengereimt!? Krieg, Pestilenz, Teuerung und Tod! Kommen Ihnen diese Vierlinge bekannt vor?

Wer bibelfest ist – und das sind heute die Wenigsten – weiß Bescheid: In Galopp trotten die vier Reiter der Apokalypse heran! Zumindest so sehen sie aus in einem Bild von Dürer.

Brrr. Da wird’s einem bei dem Gedanken richtig mulmig.
Endzeitfreunde freuen sich ob dieses düsteren Gedankens. Endlich Weltuntergang!, jauchzen sie. Höllenfeuer für die Bösen und ein irdisches Paradies für die „Guten“!

Aber halt. „Apokalypse“ wird zwar heute im Sinne von „Katastrophe“ verwendet. Auf Griechisch bedeutet dieses Wort lediglich „Enthüllung“, „Offenbarung“. Und so heißt in dt. Übersetzung das kurze und sehr faszinierende Büchlein im Neuen Testament: „Offenbarungen“. Glauben Sie mir aber: Die hehre metaphorische Sprache dieses Textes darf man aber nicht allzu wörtlich verstehen. So wenig wie man die Schöpfungsgeschichte am Anfang von Genesis im Alten Testaments (Sie wissen schon: das mit den sieben Tagen der Schöpfung) wörtlich nehmen darf. Früher hat man gern in mysteriösen Bildern die „Geheimnisse“ dargestellt.

Fazit: Die Welt geht nicht unter. Trotzdem haben wir momentan guten Grund, uns mulmig zu fühlen.

PS Alles geht vorbei – auch das Mulmigsein.

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