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„Kaiser“, „Karl“, „König“ und das Gesetz der Mundfaulheit

Freund Karl ist vor sechs Jahren gestorben und fehlt sehr. Und zwar deshalb: Erstens, weil er ein guter Kumpel war und zweitens, weil er über ein unvorstellbar breites Wissen verfügte.

Ich denke, er hätte bestimmt gewusst, was das tschechische Wort für „König“ für eine Bewandtnis hat.

Das tschechische Wort für „König“ lautet nämlich „Kral“ und ist mit dem Namen „Karl“ verwandt. Doch warum?

Vor vielen Jahren habe ich gelesen, dass die Alttschechen ihre Könige nach Karl dem Großen (Tschechisch: Karel Veliký) nannten. Aus „Karel“ wurde dann „Kral“.
Soweit ich weiß, ist diese Theorie umstritten, aber so what.

Falls es aber doch stimmt, wäre es nicht das erste Mal, dass ein Privatname zum Begriff fürs Staatsoberhaupt eines Landes oder Volkes umdisponiert wurde.

„Kaiser“, zum Beispiel. Diese Vokabel ist vom Namen „Caesar“ hergeleitet – wie in „Gaius Julius Caesar“, der 44 v. Chr. im römischen Senat von seinen Feinden umgebracht wurde, weil sie ihn für übermäßig machthungrig hielten. Es folgte ein langer, blutiger Bürgerkrieg, und am Schluss siegte ein Neffe Julius Caesars namens Octavian.

Er benutzte den Namen seines berühmten Verwandten, um die eigene Legitimität zu betonen. Man nannte ihn Augustus Caesar. Bald wurde der Gebrauch des Nachnamens „Caesar“ für die Nachfolger des Augustus gang und gebe, bis dieser Name „Caesar“ kein Familienname mehr war, sondern als Synonym für das lateinische „Imperator“ diente.

Nebenbei: Julius Caesar wird im heutigen Deutsch „zäsar“ genannt. Im Lateinischen des Vatikans heißt er „tschäsar“. Damit wissen wir, dass die Aussprache dieses Namens im Wandel begriffen war. Zu Lebzeit hieß er aber „Julius Keisar“ oder vielleicht „Keissar“.

Und dann kamen die Germanen, die bald im römischen Kaiserreich den Ton angaben. Auch sie nannten den „Imperator“ ein „Kaiser“, obwohl sie in ihrer Sprache ein eigenes Wort für „Oberhaupt“ hatten: „König“, was so etwas wie „aus einem adligen Geblüt“ bedeutete. „Kaiser“ klang für sie aber wie etwas mehr als „König“.

Auch der Germane Karl wurde zum „Kaiser“ gekrönt.

Der letzte dt. Kaiser dankte vor ca. 100 Jahren ab und starb im Exil.

Szenenwechsel: nach Russland. Als die Altrussen in Berührung mit dem „Heiligen römischen Reich deutscher Nation“ kamen, lernten auch sie das Wort „Kaiser“ als Bezeichnung für einen mächtigen Herrscher kennen, und bald nannten sich auch ihre Oberführer „Kaiser“.

Es gibt aber ein Sprachgesetz, das ich mal vom oben erwähnten Freund Karl gelernt habe. Es heißt „das Gesetz der Mundfaulheit“. „Kaiser“ war für die alten Russen wohl ein zu langes Wort. Sie machten daraus“ ein „Ksar“. Irgendwann ist der „Ksar“ dann zum „Tsar“ geworden. Der letzte Zar wurde 1917 in den einstweiligen Ruhestand geschickt, um später hingerichtet zu werden.

Dennoch: Der „Zar“ ist nie ganz aus der russischen Sprache verschwunden. Wenn ein Russe heute Gott anbetet, sagt er manchmal, „Gott o König“. Auf Russisch heißt das „Bog Zar“.

Und nun wissen Sie es: Karl der Große und Julius Caesar wurden beide zu Namensstiftern eines Amtes, dass einem nicht nur Macht beschert, sondern mitunter auch große Probleme.

Freund Karl wurde nie zum Kral, dafür war er aber ein netter Kerl. Denn „Karl“ ist auch mit „Kerl“ verwandt. Karl war nett, ein Kral muss nicht unbedingt ein guter Kerl sein.

Ein anderes Mal wenden wir uns der Königin zu.

In eigener Sache: Nächste Woche keine Glosse. Bin auf Geheimmission.

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