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Vom Betteln und vom Bieten

Das Betteln ist auch eine Arbeit.

Eigentlich hätte ich das wissen müssen. Einmal erzählte mir Ladi – von ihm kaufe ich „Biss“ – eine Zeitschrift, die von Obdachlosen bzw. Schwerbehinderten verkauft werden, sie werden sogar angestellt…wo bin ich stehengeblieben? Ach ja! Einmal erzählte mir Ladi – der übrigens seit seinem Schlaganfall schwerbehindert ist –, er sei von einem der örtlichen Bettler angesprochen worden, weil dieser dem Ladi seinen Verkaufsstandort am Eingang des Supermarkts strittig machen wollte.

„Er meinte“, so Ladi, „dass mein Standort sehr günstig sei, und er würde ihn für sein Leben gern haben. Ich hab den Neid in seinen Augen wuchern sehen. Ich war mir in dem Augenblick nicht sicher, ob er Gewalt anwenden wollte oder nicht. Dann sagte er mir: ‚Schließlich muss auch ich schwer arbeiten!‘ Ja, das hat er gesagt… dass auch er schwer arbeite.“

„Und meinst Du, dass der schwer arbeitet?“ fragte ich.

„Na ja. Gewissermaßen schon. Er steht da von morgens bis abends mit Papierbecher in Hand und wartet, bis sich einer seiner erbarmt. Irgendwie doch eine Arbeit.“

„Das bringt aber nicht allzu viel ein, oder? Ich zum Beispiel gebe all diesen Bettlern nie etwas. Ich mag die…die…wie soll ich’s sagen?... die Ausstrahlung nicht. Die stehen da auf Krücken gestützt, sind unrasiert, sehen schmutzig aus. Und dann siehst Du sie manchmal abends, wie sie mit Krücke über der Schulter geschwungen wie Tänzer heimwärts tänzeln.“

„So ist es. Aber dieser Typ – und das hat mich geärgert – meinte, ich sei einer wie er, wohingegen ich wirklich arbeite. Ich verkaufe eine Ware, diese Zeitschrift, an die Kundschaft, und es ist keine leichte Arbeit. Von morgens bis abends wartest und wartest du auf Kundschaft – wie jeder Ladeninhaber. Bloß, mein Laden ist nur eine kleine Ecke am Eingang eines Supermarkts.“

Natürlich hatte Ladi recht. Er arbeitet wirklich schwer. Denn er bietet ein Produkt feil: eine Zeitschrift, die übrigens sehr lesenswert ist. Zwar verkauft er nur eine einzige Ware, aber Zeitschrift ist Zeitschrift. Außerdem zu Weihnachten schenkt er seinen Kunden Schokoladenherzen. Das tun manche Ladeninhaber ebenso.

Und die Bettler? Was verkaufen sie? Die Antwort fällt mir schnell ein: nix. Sie ziehen sich so an, um möglichst viel Mitleid zu erregen. Manche haben sogar richtige Gebrechen, die sie auf unappetitliche Weise zur Schau stellen, manche simulieren halt. Und der Kunde? Er legt ein paar Münzen in den Papierbecher und bekommt dafür – zumindest für eine kurze Zeit – ein reines Gewissen – oder wenigstens ein gutes Gefühl, dass er – oder sie – etwas Konkretes gegen die Armut dieser Welt geleistet hat.

Eigentlich könnte man sagen, dass die Bettler – ich rede von denen in München – auch irgendwie Angestellte sind – allerdings ohne bezahlten Urlaub oder Krankenkasse. Denn sie arbeiten stets für einen Chef. (Sie glauben nicht im Ernst, dass diese Bettler das Geld, dass sie erbetteln, für sich behalten…oder?).

Dieser Arbeitgeber macht sich durch die Arbeit seiner „Angestellten“ ein schönes Leben. Als Lohn füttert er seine Mitarbeiter und bietet ihnen eine warme Schlafstelle. Dafür müssen sie aber von morgens bis abends irgendwo im Freien stehen und mithilfe ihres schäbigen Aussehens Münzen erbetteln. Manchmal hab ich den Chef gesehen. Er kommt im Auto vorbei, ist chic angezogen und sammelt die Münzen seiner Arbeiter ein. Das Geschäft muss wohl profitabel sein, sonst gäbe es es nicht…

Und jetzt kurz etwas Sprachliches. Schließlich sind Sie beim Sprachbloggeur! Bedenken Sie, wie ideenreich vor vielleicht tausend Jahren die Sprecher dieser dt. Sprache waren. Sie haben sich das Wort „betteln“ ausgedacht, und zwar als Verkleinerungsform von „bitten“. Noch dazu kannten sie ein Wort „Beten“, dass irgendwie mit den anderen zweien verwandt war. Alles irgendwie mit der Idee von „verlangen“ verwandt.

Doch was ist mit „bieten“? Sieht den anderen ähnlich aus, hat aber eine ganz andere Bedeutung. Das eine Wort weist auf ein Habenwollen, das andere auf ein Geben! Komisch. Oder?

Fakt ist aber: „bieten“ und „bitten“ sehen zwar ähnlich aus, sie sind jedoch sprachlich überhaupt nicht verwandt. Würde man das nicht wissen, könnte man allerlei verkorkste Theorien übers Geben und Nehmen aus dem Boden stampfen. Und jetzt wissen es auch Sie!

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