Fangen wir mit Aktuellem an: Vor ein paar Tagen wurde Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident wieder bestätigt! Ich gratuliere!
Falls Sie seiner Dankesrede nicht gelauscht haben, möchte ich Ihnen folgenden wichtigen Satz ins Gedächtnis rufen:
„Diese rote Linie müssen wir halten.“
Es folgte Applaus.
Was war hier wichtig? Es ging in diesem Satz des neuen alten Bundespräsidenten um Pandemie-Hooligans. Der Buprä wollte darauf hinweisen, dass Protest gegen etwas in Ordnung sei. Wie man aber protestiere, sei eine andere Sache. Noch präziser: Es gebe Regeln, genauer gesagt Grenzen fürs anständige Protestieren usw.
Das mag alles stimmen. Mich hat aber dieser kurze Satz – er zählt lediglich sechs Wörter – aus sprachlichen Gründen interessiert, und zwar aus zwei Gründen:
Erstens wegen der Floskel „rote Linie“. Dieser Begriff wurde erst seit zehn Jahren in die deutsche Sprache eingebürgert. Davor gab es lediglich rote Linsen.
Anlass für die schnelle Aufnahme: Der damalige US-Präsident Barack Obama hatte 2012 an die Adresse Syriens eine Drohung gerichtet: Falls die Regierungstruppen des Diktators Assad die Zivilbevölkerung einmal wieder mit Giftgas angreifen sollten, haben die Assadisten, , so Obama, eine „red line“ überschritten. Mit anderen Worten: Die USA würde mit „Maßnahmen“ antworten. Leider folgten damals seitens Amerika diese Worte keinen Taten. Dennoch hat das Idiom Eindruck gemacht und ging in diverse Sprachen über – inklusive ins Deutsch.
Nebenbei: Dem Vorsitzenden Google zufolge, wurde die erste rote Linie 1928 aus dem Boden gestampft. Damals gierten sowohl die USA, wie auch das UK und Frankreich nach profitablen Ölrechten im ehemaligen osmanischen Kaiserreich. Man machte sich Gedanken, wie man die Landkarte gerecht aufteilen könnte. Zu diesem Zweck konsultierten sie einen gewissen Calouste Gulbenkian, einen Geschäftsmann, der einen roten Stift in die Hand nahm und in einem Handumdrehen eine „rote Linie“ um das begehrte Gebiet zog. Erst später bekam diese Redewendung ihre neue Bedeutung.
Früher übrigens sagte man „eine Linie im Sand ziehen“. Dies hat, so die Historiker, der hellenistische König Antiochus IV bereits 164 v.Chr. gesagt. Weshalb habe ich vergessen.
Heute findet man überall die roten Linien. Auch Vladimir Putin hat neulich bezüglich der Ukraine mit einer „rote Linie“ gedroht, die man nicht überschreiten dürfe.
Die Franzosen bleiben allerding bei einer „gelben Linie“. Wieso, weiß ich nicht.
Aber genug. Ich wollte nämlich auch einen zweiten Punkt im oben zitierten Satz des Bundespräsidenten ansprechen: Er hat ebenfalls gesagt „wir müssen…“.
Wissen Sie, was es bedeutet, wenn man – nicht nur der Bundespräsident – einen Satz mit „wir müssen“ bildet? Es bedeutet, dass wir eben das nicht tun. was wir müssen!
Denken Sie an die Zehn Gebote in der Bibel. Wenn man diese zehn Gebote liest, erfährt man, wie die Wirklichkeit der damaligen Gesellschaft aussah. Will heißen: Alles, was verboten wird, wird nur deshalb verboten, weil es praktiziert wird!
Falls Sie nicht bibelfest sind, darf ich Sie auf Levitikus 18 aufmerksam machen. Dort werden Sie alles erfahren, was Sie über das Sexleben der alten Hebräer (und auch das der anderem antiken Völker im Nahen Osten) erfahren wollten. Die Liste ist so lang wie Sex in der City.
Fassen wir kurz zusammen: Jedes „wir müssen“ weist konkret auf sein Gegenteil, zeigt also die Wirklichkeit, wie sie leibt und lebt. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal müssen. Das „müssen“ ist die einzige „rote Linie“, die es wirklich gibt.
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