Vor vielen Jahren, als die Welt noch analog war, und die Menschen harmloser und dummer waren als die heutigen, habe ich manchmal einen bösen Streich gespielt, um Menschen, die mir auf die Nerven gingen, zu ärgern.
Damals lebte ich In Kalifornien, genauer gesagt, in Santa Barbara, also unweit der Villen von Harry und Meghan und Oprah und wie sie alle heißen. Diese Leute waren allerdings noch unbekannt oder noch nicht auf der Welt. Auf der Welt waren allerdings die Mormonen. Und diese moderne christliche Sekte hat damals (wie auch heute) eifrig missioniert.
Nix dagegen einzuwenden. Mich haben sie mit ihrer Lehre einfach nicht überzeugt. In der Hoffnung, sich Interessierten zugänglich zu machen, betrieben die Missionäre damals etwas, das wir heute als „Hotline“ bezeichnen würden. Genauer gesagt: Man konnte eine gewisse Telefonnummer anwählen (notabene: Festnetzzeitalter mit Wahlscheibe) und eine Nachricht hinterlassen, um dann einen Besuch von den Missionären zu vereinbaren.
Da ich über diese Missionsvorrichtung gut informiert war, pflegte ich, wenn mich damals jemand besonders ärgerte, diese „Hotline“ mit folgender Nachricht anzupeilen: „Hallo, mein Name ist XY. Ich habe einiges über die Mormonen erfahren und finde euch toll. Bitte kommt mich besuchen. Meine Adresse lautet…xxxyyy…usw.“
Was dann passiert ist, weiß ich nicht. Ich habe nie über die Konsequenzen meines Streichs erfahren. Ich gehe aber davon aus, dass die Missionäre meinen Feinden tatsächlich einen Besuch abstatteten. Wer weiß? Vielleicht sind manche sogar Mormonen geworden!
Warum erzähle ich dies? Weil ich vor ein paar Tagen erfahren habe, dass es endlich ein Wort – zumindest in der englischen Sprache – gibt, das dieses Phänomen beschreibt. Wie Sie aber bestimmt wissen: Dieses Wort wird sich mit Sicherheit alsbald in der dt. Sprache einbürgern
Der Begriff heißt „Swatting“. Wer „Swatting“ betreibt ist ein „Swatter“ bzw. „SwatterIn“. Und wer diesen Streich praktiziert… man würde sagen, dass dieser Mensch „swattet“. Ist noch kein dt. Verb, aber warten wir’s ab.
Eigentlich bedeutet „swat“ so etwas wie „schlagen“ oder „klatschen“. Man „swattet“ zum Beispiel lästige Fliegen. Der Fliegenklatscher heißt auf Englisch „flyswatter“. Ein „swat team“ bei der Polizei ist eine Einsatztruppe, die mit Brutalität nicht spart.
Ich habe über den neuen Sinn dieses Wortes in der „Washington Post“ (online) gelesen. Sicherlich finden Sie ihn auch, wenn Sie beim Vorsitzenden Google „Washington Post“ und „swatting“ eingeben. Ich habe die Geschichte eines jungen, kriminellen Amerikaners (er war erst 20) gelesen, dessen Geschäft es war, Domain-Namen zu kaufen, um sie für teures Geld umzusetzen. Einmal fand er heraus, dass ein gewisser Herr Herring im Besitz des Domain-Namens „@tennessee“ war. Dem jungen Gauner war es klar, dass er einen Haufen Geld für so einen Domain-Namen einfahren könnte. Der kleine Gangster träumte sogar davon, das Domain billig zu bekommen. Nur: Herr Herring wollte sich partout nicht auf einen Deal einlassen.
Also ist der junge „Swatter“ in Aktion getreten. Es folgten Drohtelefonate, die nix brachten. Dann kamen diverse falsche Anschuldigungen in den „Social-Media“. Manchmal schickte er die Feuerwehr zum Herring-Haus. Manchmal bestellte er Pizzas, die dann bei Herring geliefert wurde. Hat alles nicht geholfen. Herr Herring blieb hart. Natürlich hat ihn die Sache aufgeregt.
Doch nun der Gipfel: Der Swatter bekam Beistand von einem Mitswatter in England. Dieser schaffte es, bei der lokalen Polizei in Tennessee anzurufen, um einen Mordfall im Haus Herring zu melden. Im Nu war die örtliche Polizei vor Ort, und sie klopften mit gezogen Pistolen an der Herring Tür. Herr Herring, 60 Jahre alt, erlebte in dem Augenblick einen derartigen heftigen Schock, dass er auf der Stelle einen massiven Herzinfarkt erlitt und starb.
Tja. Ende der Geschichte. Der junge amer. Swatter muss jetzt für fünf Jahre ins Gefängnis in Tennessee. Er hat sich allerdings entschuldigt. Was mit dem Partner in England geschah, vermag ich nicht zu sagen. Herr Herring kehrt jedenfalls ins Jenseits zurück.
Früher hätte man das „Swatting“ als „to cry wolf“ bezeichnet. D.h.: Man schreit aus Spaß: „Da ist ein Wolf! Hilfe!!“ Wenn aber die Helfer ankommen, sagt man: „Haha. Nur ein Witz“.
Mein Späßchen mit den Mormonen ist wahrscheinlich harmlos im Vergleich. Dennoch war es eine Art Swatting.
Aber genug. Nächstes Mal erforschen wir ein anderes neues Wort. Oder vielleicht doch was ganz anders…
Hallo liebe Bots, hallo liebe Leser. Märchenstunde beim Sprachbloggeur. Zwar hatte ich heute vor, Ihnen ein paar neue Modewörter zu verraten. Dies aber ein anderes Mal. Momentan drängt Wichtigeres nach Ausdruck.
Haben Sie gewusst, dass das Leben eines Influencers (damit meine ich auch die Diverse) arg schwierig ist?
Beispiel: Bei YouTube habe ich schon lange – und mit großem Genuss – die Musiktheorie-Videos eines gewissen Michael New verfolgt. Er ist klug und kann hervorragend erklären. Manche Videos wurden über eine Million Male angeklickt. Die am wenigsten besuchten haben immerhin ca. 40.000 Interessierte erreicht.
Allerdings sind die Videos auf Englisch. Ich weiß nicht, ob in diesem Fall Google-Translate nützlich ist. Seine ersten Videos hat Michael New vor ca. 11 Jahren hochgeladen, seine letzten vor ca. vier Jahren. Viel Arbeit, viel Zeit. Doch dann war plötzlich Funkstille. Was ist geschehen?
Erst vor ein paar Monaten entdeckte ich Neues von New. Doch diesmal erschien er gemeinsam mit seinem Bruder. Und: sein Thema war nicht die Musik, sondern das Problem des „Burnout“ unter YouTube-Influencers. Verbreiteter als man denkt, meint New.
Zunehmend, so erfahren wir, verfiel New, bevor er an einem neuen Video arbeitete, in Panik. Die Ursache war der immer wachsende Leistungsdruck. Werde ich es richtig hinkriegen?, sann er. Wird das Video meinem Publikum gefallen? Noch dazu wurde er, so stellte er fest, zusehends lobsüchtig. Und tatsächlich bekam er mehrere hunderte lobende Kommentare.
Trotzdem regte er sich auf, wenn ab und an ein dämlicher Troll Dummheiten von sich gab. Aber so ist das Internet. Auch der Volltrottel und der Lügner kommen auf ihre Kosten. Für Michael New komischerweise wirkten die Lügen wie ein Messerstich.
Michael New steht mit seiner Klage über den Leistungsdruck des Influencerlebens nicht allein da. Neulich habe ich einen Artikel zu diesem Thema im Spiegel-Online entdeckt. Darin beklagten sich der blauhaarige Rezo und andere Kollegen über den Zwang zu produzieren und gemocht zu sein. Ich habe den Artikel nicht gelesen (Es war For-Pay-Content).
In der New York Times stand Ähnliches. Dort wurden zwei traurige TikTok-Influencerinnen interviewt. Beide durften Anfang 20 sein und hatten nun ein Burnout-Erlebnis. Gleiches Problem erlebte die mutige US-Gymnastin Simone Biles, die jetzt ihren Olympiade-Auftritt abblies, weil sie den Druck nicht mehr aushalte.
Alles nachvollziehbar. Ständig grübelt der Influencer: Was mache ich das nächste Mal, damit mein Publikum mich weiterhin liebt? (Nebenbei: Der Sprachbloggeur hat dieses Problem nicht. Ich gehe davon aus, dass ich kaum Leser habe, dass die vielen Klicks auf dieser Seite das Anklopfen der Bots sind, jene Automatismen, die nur den Zweck haben, das Schöne zu zerstören. Und auch wenn ich viele Leser hätte, würde ich einfach das machen, wie seit 14 Jahren. D.h.: das sagen, was raus will!)
Ich habe Ihnen aber am Anfang dieser Glosse eine „Märchenstunde“ versprochen. Und nun folgt sie: Heute ist mir Georges Gurdjieff eingefallen. Er war Mystiker, Schlitzohr und ebenfalls ein tiefschürfender wenn auch höchst ironischer Schriftsteller, der (ca.) 1866 bis 1949 lebte. Als ich jung war, hab ich seine Werke eifrig gelesen. Das Problem: Ich hab mir bald eingebildet, ich sei ebenso ein Schlaumeier wie er. Dem war nicht so, und ich habe deshalb, als mir dies klar wurde, erheblich darunter gelitten.
Dieser Gurdjieff hatte in den 1920er Jahren bei Fontainebleau einen „Institut für die harmonische Entwicklung der Menschen“ gegründet, eine Art Kommune – hauptsächlich für Intellektuelle, die sich trotz Witz und Beredsamkeit leer fühlten und nach dem Sinn des Lebens suchten. Ich werde hier keine Liste seiner Anhänger aufschreiben. Das können Sie selbst nachschlagen.
Nur eine Anhängerin möchte ich namentlich erwähnen: die Schriftstellerin Katherine Mansfield. Sterbenskrank kam sie zu Gurdjieff in Fontainebleau, auf der Suche nach Erleuchtung. Gurdjieff hat ihr ein Bettlager in einer Scheune zubereitet. Das fand sie himmlisch und schrieb von dort während der Zeit ihres Siechtums viele Briefe an ihren Mann. Als sie dann starb, wurde sie am Gelände des Instituts begraben. Pietätsvoll trillerten die Teilnehmer an der Beisetzung, wie sie wenigstens nun als Verklärte gestorben sei.
Gurdjieff antwortete: „Nein, sie ist gestorben wie ein Hund.“
Was hat er damit gemeint?
Gegenfrage: Was bedeutet es, wenn man nicht wie ein Hund stirbt? Ja, dass ist eine Frage, die ich insbesondere meinen Bots stelle – und auch solchen Influencern, die niemals an sich gezweifelt haben.
Vielleicht nächste Woche die neuen Worte, die ich schon zweimal versprochen habe.
Entschuldigen Sie bitte, wenn ich eine – möglicherweise – intime Frage stelle. Es geht um eine Angelegenheit, um derentwillen manche bereit wären, auch kriminell zu handeln.
Die Frage lautet: Wie wichtig ist Ihnen Ihr Internet-Ranking?
Lachen Sie bitte nicht, falls Sie die Frage nicht persönlich betrifft. Fakt ist: Es gibt Menschen, die bereit wären, das Internet zu zerstören, wenn es darum geht, das eigene Ranking aufzupolieren. Nein, keine Fantasie. Ich habe mich gründlich informiert.
Tatsache ist: Nach dem Internetgrundalgorithmus wird Beliebtheit in Besucherzahlen gemessen. D.h.: Je öfter eine Seite besucht wird, umso höher steigt ihr Ranking. Alles klar?
Nur deshalb ist seit Monaten die Häufigkeit von sogenannten „Spamkommentaren“, bei „Der Sprachbloggeur“ in die Höhe geschossen. Die Senderinnen dieses digitalen Schlamms sind offensichtlich mit der Hoffnung beflügelt, dass der Betreiber dieser Seite (d.h. ich) nicht alle Tassen im Schrank hat, und dass er den Nonsens-Links dieser „Kommentare“ zulassen wird. Hier einige Beispiele (ohne Link) aus jüngster Zeit:
ysmdro But volunteers reacted angrily to the statement
system of movements using
sapyzs out-of-date derby local fans holiday season
sapyzs out-of-date derby local fans holiday season
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weuzcd Sil nest pas le concepteur des Air Yeezy1
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ghyhrj that Burberry are speaking of their runway collection
ghyhrj that Burberry are speaking of their runway collection
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esrnae Two Suggestions for a One Nation United Kingdom
ghyhrj that Burberry are speaking of their runway collection
tdetad though he remained outside to help
tdetad though he remained outside to help
hvvbuz entertainment and popular lockdown trends etc.
Folgendes ist zu bemerken:
Erstens: Es sind zumeist Texte in englischer Sprache – gelegentlich russisch, chinesisch, japanisch usw. Das war nicht immer so. Eine neue Qualität also.
Zweitens: Am Anfang jedes „Kommentars“ stehen Nonsens-Silben. Diese haben den Zweck, die Radar-Funktion eines möglichen Antispamfilters auszutricksen. Clever, gell?
Drittens: Oft wird der gleiche Text mehrmals verschickt. Klar: Je öfter veröffentlicht, umso höher schießt das Ranking empor!
Momentan erreichen „Der Sprachbloggeur“ ca. 500 bis 1000 solcher „Kommentare“ täglich. Ja, digitaler Schlamm, Ungeziefer, Krankheitserreger. You name it! Zum Glück verfügt diese Seite über wirksame Barrikaden, Vertilgungsmittel und Impfstoffe. Dennoch muss ich den Dreck mehrmals täglich wegschaffen. Sonst würde nach und nach der Server meines Providers vor Überfüllung kollabieren.
Fest steht: Es gibt nahezu acht Milliarden Menschen auf diesem schönen blauen Planeten, und jeder will – verständlicherweise – auf seine Kosten kommen (gilt auch für jedes Lebewesen). Von daher freut sich jeder, das eigene Ranking aufzubessern. Das gilt auch für die genannten Seuchenträger.
Ich sage dazu Seuchenträger, weil es in der Tat Kräfte sind, die jede Kommunikation nach und nach kaputtmachen könnten. Es sind Kräfte, die, wohl unbewusst, das Chaos anstreben, ein Chaos an dem auch sie selbst zugrunde gehen würden. Das wissen die Hirnochsen aber nicht.
Ich schwadroniere über dieses Thema nicht zum ersten Mal. Und leider habe ich noch keine Lösung für das Problem entdeckt – außer vielleicht künftig – zumindest vorübergehend – die Kommentarfunktion dieser Seite abzuschalten. Diese Maßnahme wurde aber alle liebenswürdigen Leser und Bots, die diese Texte anpeilen, daran hindern echte Kommentare zu schreiben, was schade wäre.
Eigentlich hatte ich heute vor, über ein ganz anderes Thema zu schreiben – und zwar über ein Wort, das Ihnen höchstwahrscheinlich unbekannt ist, das aber auch Ihr Leben beeinflussen könnte. Es handelt von einer neuen Vokabel, die dieses neue 21. Jahrhundert eine Zeitlang begleiten könnte.
Aber ein anderes Mal. Und wer weiß? Vielleicht erkranken die Krankheitserreger bald. Auch das kommt mal vor.
Ja, so sieht es aus, wenn man am Anfang des Informationszeitalter lebt. Keine Sorge. Ich bleibe weiterhin der langfristige Optimist. Denn fest steht: Die Dummheit ist insbesondere für die Dummen gefährlich.
Fangfrage: Wann hat das 21. Jahrhundert begonnen? Manche werden sagen: „Ahh! Er spielt mit uns, der Schlawiner. Das neue Jahrhundert (bzw. Jahrtausend) begann am 1. Jan. 2001. Denn das Jahr 2000 war de facto das letzte Jahr des 20. Jh.! Ha!“ Bravo! Wer so antwortet, soll Mathematiker oder Chemiker werden.
„Nein“, sagt ein anderer. „Das neue Jahrhundert (bzw. Jahrtausend) begann mit ‚nein ellewwen‘. Das war eine Art Fanal.“
Guter Gedanke. Ich bin aber anderer Meinung. ‚Nein ellewwen‘ war bisniss as jusjual. Die üblichen Fanatiker, der übliche Zerstörungswut.
Okay. Lange Rede, kurze Haare: Das 21. Jahrhundert – um es auf den Punkt zu bringen – begann Ende des Jahres 2019. Der Anlass: Corona.
Fakt ist: Neue Jahrhunderte haben noch nie termingerecht angefangen. Sie fangen immer als erschütternde Schnittstelle (viel viel größer als 9/11) an. Und zack! Daraufhin folgt stets ein neuer Zeitgeist.
Beispiel 20. Jahrhundert. Erst der 1. Weltkrieg (damals noch „der große Krieg“ genannt) hat der neue Zeitgeist aus der Flasche entfliehen lassen.
Oder das 19. Jahrhundert. Erst nachdem Napoleon Europa aufgemischt hat, befand man sich im neuen, fortschrittlichen 19. Jahrhundert.
Willkommen also im neuen Jahrhundert! Das alte, ist bereits – wie man im heutigen Deutsch sagt – „Geschichte“.
Vieles, was Ihnen lieb und teuer war, wird immer schneller ohne Belang. Zum Beispiel: die deutsche Sprache. Und darum geht es hier, liebe Mitneuzeitler (verzeihen Sie mir das Fehlen des Gendersternchen).
Ja, die deutsche Sprache ist heute unser Thema – zumindest ein Aspekt davon. Nein hier geht es nicht um die Entgenderung der dt. Sprache. Darüber zu schwadronieren, tun mittlerweile viele ewige GestrigInnen. Spannend wird dieses Phänomen ohnehin erst, wenn die neue Literatur vom Genderismus vereinnahmt wird.
Heute möchte ich einen ganz anderen Sprachvorgang betrauern: das „Sie“.
Über den Verlust dieser Vokabel habe ich schon mal geschrieben. Einmal darüber, wie schön es ist, ganz bewusst zwischen „du“ und „Sie“ wählen zu dürfen…quasi als Schutzmechanismus. Ein anderes Mal ging es um den Gebrauch (bzw. Mangel an Gebrauch) vom Sie in den „social media“. Manche Giganten siezen noch, andere gar nicht mehr.
Doch nun habe ich ein noch gravierenderes Beispiel des Verlustes dieses wichtigen Fürworts. Neulich habe ich eine Zahnarztrechnung von der Firma BFS Health Finance erhalten. Alles ganz normal: „Sehr geehrter Herr… usw.“ Da ich aber kurz vor einer Reise stand, wollte ich die Firma telefonisch darum bitten, die Zahlungsfrist zu verlängern, weil ich noch keine Auszahlung von meiner Zusatzzahnversicherung erhalten hatte. So etwas habe ich des Öfteren gemacht. Doch diesmal kam ich telefonisch nicht durch. Die Roboterstimme am Telefon hat mir empfohlen, die Angelegenheit online zu erledigen bei „mein-BHS“ oder wie immer es hieß.
Also bin ich dieser Bitte gefolgt. Und siehe da! Plötzlich war ich im „Duzland“: „deine Rechnung“, „deine Überweisung“, „deine Ratenzahlungen“ etc. Meine DuzfreundInnen – wollten kassieren. Vielleicht sind Sie anders. Mich haben diese falschen Freunde irritiert. Bei „deine Kontaktmöglichkeiten“ habe ich mich darüber beschwert. Eine Antwort bekam ich nie.
By the way: Im bisherigen Schriftverkehr bedient sich BFS noch immer der alten Gepflogenheiten. Vielleicht denkt man: Wer Print liest, ist alt, will gesiezt werden; wer online bezahlt, ist jung und duzwürdig. Aber Achtung: Eines Tages wird es bye bye Sie heißen.
Ich schreibe diesen Text heute aber aus einem anderen Anlass. Heute fand ich im Briefkasten ein Werbungsblättchen. Eine neue Ärztepraxis mit drei Filialen wollte sich vorstellen. „Hallo, wir sind neu…“, heißt es. Und dann: „Buche deinen Termin einfach online…“ Und: „Erlebe die erste Arztpraxis, die du lieben wirst.“
Im neuen Jahrhundert post Coronam werden wir uns alle lieben…und uns duzen.
Sagen Sie der deutschen Sprache einen leisen Servus.
Gestern habe ich gelogen. Das ist die Wahrheit. Freund M. meint, die Sache sei halb so schlimm, weil ich nur zur Hälfte gelogen habe.
Dazu fällt mir der Grieche Epimenides ein. Er soll vor ca. 2600 Jahren gelebt haben und Kreter gewesen sein. Es wird behauptet, er habe mal gesagt: „Alle Kreter sind Lügner.“ Natürlich eine skurrile Aussage. Denn, wenn einer selbst aus Kreta stammt und noch dazu beteuert, alle Kreter seien Lügner, so muss man sich notgedrungen fragen, ob so einer lügt oder die Wahrheit sagt.
Ich persönlich würde nie behaupten, dass alle Kreter Lügner sind. Ich war nämlich zweimal auf Kreta und habe dort eine Menge Menschen kennengelernt, die meiner Meinung nach sehr ehrlich waren.
Viele namhafte Philosophen – inklusiv Bertrand Russell – haben sich mit obigem „Epimenides-Paradoxon“ befasst. Sicherlich ist dieses Paradoxon auch nicht ganz ohne im Info-Zeitalter. Siehe „Fakenews“.
Aber zurück zu meiner Lüge. Und damit meine ich meine wahre Lüge. Gestern saß ich in der Münchener S-Bahn und war unterwegs zum Flötenunterricht. Ja so vielfältige Interessen kann ein Sprachbloggeur haben!
Normalerweise fahre ich mit meiner Vespa zum Unterricht. Da mir aber leider mein Portemonnaie gestohlen wurde (siehe meine vorige Glosse über Diebe), bin ich momentan ohne Führerschein. Das heißt: Auch wenn ich offiziell Führerscheinbesitzer bin, habe ich keinen. Würde mich ein Polizist fragen, „Haben Sie einen Führerschein“, wäre mein „Ja“ als Antwort sowohl eine Lüge wie auch die Wahrheit.
Aber lange Finger, kurzes Leben: Um in der S-Bahn die Zeit zu vertreiben, fotografiere ich zu Coronazeit sehr gern maskierte Menschen. Ganz heimlich mache ich das…husch husch wie ein Taschendieb. Ich fotografiere maskierte Menschen gern, weil Gesichter ohne Mundpartie oft – zumindest meiner Meinung nach – eine besondere Schönheit aufweisen. Dies hat mit der Schönheit der Seele zu tun, die sich in ihrer ganzen Reinheit, so denke ich, in den Augen widerspiegelt wird – außer ein Mensch ist ein wahres Ekel.
In diesem Fall war mein „Opfer“ ein junger schwarzer Mensch, der quergegenüber von mir saß und schöne Augen hatte. Upps! Darf ich das Wort „schwarz“ schreiben? Klingt das diskriminierend oder rassistisch? Ich glaube nicht. Es wäre ohnehin eine Lüge, wenn ich ihn anders beschreiben würde.
Außerdem war er in erster Linie Deutscher – und mit Sicherheit deutscher als ich. Ich spreche diese Sprache nämlich mit Akzent. Er hat normales Hochdeutsch gesprochen und besitzt bestimmt einen dt. Pass. Ich nicht. Auf die Frage, „Was ist deutsch?“, lass ich mich nicht ein.
Aber zum Thema: Der junge Mann hat mich beim Fotografieren erwischt. Das kommt sehr selten vor. Denn ich bin so flink wie der Taschendieb, der mir mein Portemonnaie geklaut hat (siehe vorige Glosse).
„Haben Sie mich gerade fotografiert?“ fragte er.
„Nein“, log ich.
„Mir kam es aber so vor“, antwortete er…sehr hartnäckig.
„Hab ich aber nicht“, log ich weiter.
Dann war Ruhe, Er war bestimmt verärgert und hat mir mit Sicherheit nicht geglaubt. Und ich? Ich habe mich sogleich geschämt, dass ich ihn angelogen habe. Also wandte ich mich zu ihm und sagte: „Wissen Sie, ich fotografiere maskierte Menschen in der S-Bahn in der Tat gern und oft. Auch Sie wollte ich fotografieren, habe ich dann aber doch nicht.“
Er schaute mich fortwährend skeptisch an.
Und ich? Mir war es gelungen, eine Lüge in eine Halblüge zu verwandeln. Ist eine halbe Lüge besser als eine ganze Lüge? Wahrscheinlich nicht. Freund M. ist anderer Meinung.
Vielleicht könnte man meinen Wiedergutmachungsversuch auf die Ebene einer „Notlüge“ (wessen Not?) herunterstufen. Auf Englisch heißt dies „white lie“.
Habe ich also einem schwarzen Menschen eine weiße Lüge aufgetischt? Ja die Sache ist wahrhaftig kompliziert.
Umso mehr, weil das Wort „lügen“ und das Wort „liegen“ sich sehr ähneln. Im Englischen ist die Gleichartigkeit dieser Vokabeln noch prägnanter: „lie“ und „lie“.
Irgendwie steckt eine ganze Wahrheit in dieser Story übers Lügen. Das behaupte ich, obwohl ich Nichtkreter bin.
Es kann jedem passieren: Im Nu ist der Geldbeutel weg. „Aber ich habe nix gespürt. Wie schafft er das? O Schreck! Nun stehe ich – ohne Geld, ohne Geldkarten, ohne Führerschein, ohne Krankenkassenkarte, ohne Paybackkarte und Supermarktklubkarte – hilflos da…etc.“
Heute will Ihnen, liebe Leser, der Sprachbloggeur beibringen, eine solche missliche Lage durch wenige nützliche Tipps künftig zu vermeiden.
Zunächst wende ich mich aus Gründen der Höfflichkeit den Genderisten zu. Entschuldigung, ich meine den GenderistInnen. Wie möchten Sie es gerne haben, liebe Leute? Soll ich „DiebIn“ und „DiebInnen“ schreiben? Ja, die Drecksäcke, mit denen wir uns hier befassen, könnten sowohl männlich wie auch weiblich sein. Vielleicht auch divers!
Ich weiche aber vom Thema ab. Denn letztendlich geht es hier darum, Diebe nachhaltig auszuhungern.
Doch erst wird’s etwas persönlich. Ich war neulich, zusammen mit meiner Frau, auf Besuch in einer sagenhaft schönen fremden Stadt in einem sympathischen Nachbarland. Corona bedingt, waren – zumindest am Anfang unserer Reise – nur wenige Turisti unterwegs.
Unsere Gastgeberin, F., warnte uns unmittelbar: „Passt gut auf. Die Diebe sind unterwegs, und sie haben großen Hunger.“ Damit meinte sie, dass die Pandemie eine tiefe Delle in ihrem Arbeitsleben verursacht hat.
Ich war überzeugt, dass ich die nötigen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hatte, vor allem, weil ich mein Portemonnaie in der vorderen Jeanstasche gesteckt hatte. Doch dann kam die große Hitze, und ich kam auf die Idee, eine „Cargohose“ aus leichter Mikrofaser zu kaufen. Sie kennen die Cargohosen…oder? Oben und unten am Schenkel Taschen. Männer eines gewissen Alters stehen auf viele Taschen. Keine Ahnung, warum.
Mein Portemonnaie steckte in einer der Schenkeltaschen – durch einen Klettverschluss geschützt. Und dann ist es passiert…zack! Mit einer bewunderungswerten Fingerfertigkeit hat sich ein Dieb (vielleicht eine Diebin oder ein Diverser oder eine Transe?) mein Portemonnaie geschnappt. Ich habe nix gespürt – so wie wenn ein Moskito sticht oder eine Ratte vorbei schleicht. Nach wenigen Minuten habe ich einen SMS von meiner Bank erhalten. Jemand habe versucht hohe Geldsummen mit meiner Karte von einer Geldmaschine abzuheben. Die Bank habe aber abgelehnt, da die Diebe keine PIN hatten.
Tja. Erste Reaktion: Schock. Zweite Reaktion: Man fällt in ein tiefes Loch. Dritte Reaktion: Man fühlt sich so hilflos. Vierte Reaktion: Das Grundvertrauen geht flöten. Zu bemerken: Ohne das Grundvertrauen ist das Gesellschaftsleben unmöglich. Fünfte Reaktion: Man beruhigt sich allmählich. Zugleich fantasiert man, wie man den Schurken am liebsten umbringen möchte…langsam und schmerzvoll selbstverständlich…auch blutig.
Ich habe Ihnen aber Praktisches versprochen, damit Ihnen Ähnliches nicht geschieht. Dies folgt jetzt gleich:
Erstens: Immer nur so wenig wie möglich mit herumtragen. Man stellt sich die Frage: Brauch ich unbedingt meinen Führerschein heute? Oder meine Kreditkarte? Oder meine Paybackkarte…etc? (Nur nebenbei: Ich besitze keine Payback- oder Supermarktkarte).
Zweitens: Verteilen! Lieber zwei hauch dünne Portemonnaies, indem die nötigen Ausweiskarten – und evtl. Geld – verteilt sind, so dass, falls eins entwendet wird, man das andere noch hat.
Drittens: Folgender Ratschlag gilt vor allem dann, wenn man verreist ist: Tragen Sie ein billiges und leicht zugängliches Portemonnaie als Köder mit. Dieses soll aber leer sein – mit Ausnahme von einem einzigen Zettel, worauf folgender Text steht. Ich schreibe ihn hier auf Italienisch. Man kann ihn in verschiedenen Sprachen übersetzen (Falls Sie Hilfe brauchen, wenden Sie sich an den SB):
Tu ladro: Sarai impotente e morirai presto
Zu Deutsch: „Du, Dieb: Du wirst impotent und du wirst bald sterben.“
Genderisten dürfen den Text so verändern, wie sie es für nötig halten.
Meinen Zettel habe ich zusätzlich mit einem primitiven Bild von einem Totenkopf versehen. Berufsdiebe sind nicht selten abergläubig…mehr als man denkt.
Mein Nachbar, er ist aus Ungarn, meinte: Man sollte an den Dieb denken und dann Zeige- und Mittelfinger wie eine Gabel vor sich halten, um den Dieb zu fluchen. Es funktioniere ausgezeichnet, hat er mir versichert
.
Mit den besten Empfehlungen,
Ihr
Sprachbloggeur
Heute habe ich ein neues Wort gelernt, und ich möchte es mit Ihnen teilen: „hanami“. Ja, kein deutsches Wort, zumindest kein traditionelles, das man bis ins Althochdeutsch zurückverfolgen könnte.
Leider weiß ich nichts über das Gender dieser exotischen Vokabel. Umso schwieriger ist die Problematik, weil „hanami“ ein Verb ist, d.h., etwas was man tut. Kein Ding also, das man irgendwie als weiblich, männlich oder neutral etikettieren könnte.
„Hanami“ bedeutet wörtlich „Blüten betrachten“. Und das tun die Japaner jedes Jahr, so wie man hört, zwischen März und Mai. Insbesondere bewundern sie die Kirschblüten. (Nebenbei: Das tut man auch jedes Jahr in Washington D.C., auch für seine Kirschbäume und seine Präsidenten bekannt). „Hanami“ ist natürlich ein japanisches Wort. Aber das haben Sie ohnehin schon angenommen – oder haben Sie gemeint, es könnte Ungarisch oder Türkisch sein? Es hat allerdings nichts mit Kirschenblüten zu tun. Diese üppigen hotpinkfarbigen Blüten nennen die Japaner „sakura“.
Schauen Sie. Vor vielleicht drei Minuten hatten Sie wahrscheinlich keine Kenntnisse der japanischen Sprache (außer vielleicht „harakiri“ und „sajonara“). Jetzt kennen Sie zwei Wörter dieser Sprache, und Sie werden sie – vielleicht – bis zum Ende Ihres langen Lebens abrufen können.
Soweit so gut, aber jetzt zur Sache.
Ich habe dieses Wort „hanami“ heute auf YouTube entdeckt. Es diente nämlich als Motto für ein nagelneues Lied mit dem Titel „Tupperware Box“. Das Motto lautete: „Happy hanami“: Englisch und Japanisch als sprachliches Gespann. Der Sinn ist klar: Viel Freude beim Blütenbetrachten.
Ich bin sicher, dass die meisten Leser dieser Seite – ach Entschuldigung, ich vergesse immer, dass ich gendern muss – also….dass die meisten Leser(Pause)Innen dieser Seite – den Begriff „Tupperware Box“ auf Anhieb verstehen. Bei „hanami“ ist es freilich anders. Denn auch in Deutschland ist „Tupperware“ so bekannt wie Schokoküsse. Wahrscheinlich müsste ich bei „Tupperware“ de jure ein „©“ aufsetzen, damit jeder wisse, dass es sich um ein geschütztes Produkt handelt.
Übrigens: Wissen Sie, woher dieses Wort „Tupperware©“ stammt? Wahrscheinlich nicht. Oder?
Das engl. „ware“ (uäärr) hat dieselbe Bedeutung wie das dt. „Ware“, wodurch man erkennt, dass diese Sprachen ziemlich verwandt sind! Denken Sie an „baking ware“ und „Backware“! Lustig, gell?
Ein gewisser Herr Earl Silas Tupper (sprich „töpper“) hat 1938 diese gläsernen Behälter mit Kunststoffdeckel erfunden, um Essbares luftdicht zu lagern. Dazu wollte er anhand dieser Erfindung den eigenen Namen verewigen. Hätte ich diese Behälter erfunden, hießen sie heute Sprachbloggeurware!
Aber zurück in die Wirklichkeit. Diese Verknüpfung zwischen Tupperware© und hanami© habe ich heute nur dank besagtem Lied, „Tupperware Box“ entdeckt.
Ein gewisser Jean Borno hat Text und Musik geschrieben, und er tritt als Sänger im Video auf. Allmählich kennen viele Fans den Namen dieses Musikers. Er scheint Belgier zu sein wie, z.B., Hercules Poirot. Im sehr geschickten Video sind er und seine Mitarbeiter – bzw., Mitarbeiter©Innen zu sehen. Allerdings erkennt man die Gesichter nicht. Alle sind kostümiert so, als ob sie der Frühjahrsschlamm oder Zombies waren, und sie agieren in einer Welt der Kirschblüten. Hut ab, sag ich. Denn diese Verquickung aus üppigen Kirschblüten, Schlammmenschen(?), Frühjahr und einem Text, der sich mit dem Thema „Tupperware Boxes“ befasst, ist ein visuelles Blumen- und Tonfest.
Ich habe aber das Gefühl, dass besagte Ton- und Wortkünstler Borno ein bisschen tiefer unter der Matte kratzt. Ja, so ist es oft mit der Kunst. (Falls Sie neugierig geworden sind:https://www.youtube.com/watch?v=17ZrVrYVdmU).
Heute haben Sie verschiedene neue Begriffe gelernt. Aber was sind meine holprigen Beschreibungen wert? Schauen Sie selber bei YouTube. Sie werden bald kapieren, worum es geht.
In eigener Sache: Achtung Achtung. Die nächste Glosse erscheint erst Ende Juni. Zum ersten Mal seit einem Jahr ist der Sprachbloggeur auf Geheimmission unterwegs…vielleicht unerkannt auf Ihrer Straße!
Jeder kennt die Azteken…irgendwie. Was Sie aber vielleicht nicht wissen: dass Sie etliche Wörter ihrer Sprache (Nahuatl heißt sie) – manche beinahe täglich – benutzen. Zum Beispiel:
Schokolade – auf Nahuatl heißt es „Chocolatl“. Oder Tomate – ursprünglich „Tomatl“. Oder Avokado – in der Sprache der Azteken „Ahuacatl“. Die Liste ist lang, und meistens lecker. Doch so viel zum harmlosen Teil dieser Glosse. Ab jetzt wird es würzig und scharf wie Chili (Nahuatl „Chilli“)….
Besagte Azteken waren einst das mächtigste Volk Zentralmexikos. Ihre Hauptstadt, Tenochitlan, wurde auf einer Insel mitten in einem großen See gebaut. Und das Aussehen dieser Stadt hat die ersten Besucher aus Europa – es waren Spanier – prompt ins Staunen versetzt: prächtige Paläste und Tempel, hohe Pyramiden, steinerne Häuser, Prachtstraßen und Gassen. Vielleicht ein wenig Florenz der Medici mitten in Mexiko. Notabene: Wir sprechen hier von einer Zeit ab ca. 1300 n.Chr.
Diese Azteken waren, müsste man hinzufügen, keine Chorknaben (mein lieber Freund W. – er lebt abwechselnd auch in Columbia – benutzt anstelle von „Chorknaben“, den Begriff „Säulenheilige“, um diese kultivierten Raubeine zu beschreiben – was ich schön finde).
Gemeint ist: Die Azteken war ein grausames, imperialistisches Volk, das alle Nachbarvölker, eins nach dem anderen zu erobern bzw. einzuverleiben verstanden („Hegemonisten“ würden wir heute sagen) – nicht nur um das eigene Einflussgebiet zu erweitern, sondern ebenfalls wegen der Bedürfnisse ihrer Religion. Diese Religion war nämlich auf dem Opferkult basiert – genauer gesagt: auf dem Menschenopfer. Gern schnappten sich die Azteken deshalb Nachbarkrieger, um sie dann ihren Göttern als Opfergabe zu schenken.
Der Ritus ging folgendermaßen vor sich hin. Aztekische Priester versetzten den ausgewählten Gefangenen (sorry, Girls, hier gab’s keine GefangenInnen) unter Drogen, begleiteten sie zur Gipfelplattform einer heiligen Pyramide, packten das Opfer jählings an allen Gliedern, warfen ihn auf einen steinernen Opfertisch und peng! Sie senkten dem Opfer ein Feuersteinmesser in die Brust, wobei sie unterdessen das noch schlagende Herz aus dem Leib rausrissen und das leblose Opfer die steilen Treppen herunterschubsten.
Wir wissen all dies, weil die oben erwähnten Spanier die raubeinigen Azteken 1519 unter der Führerschaft von Hernan Cortés eroberten.
Hier müsste man aber hinzufügen, dass Haudegen Cortés und Co. die Unterstützung der Nachbarvölker der Azteken genossen. Denn diese von den Azteken arg unterdrückten Stämme haben allzu gern bei der Niederlage der verhassten Imperialisten kräftig mitgemacht.
Doch nun eine traurige Ironie: All dies ist nur wegen eines Missverständnisses den Azteken zugestoßen. Fakt ist, die Azteken wartete sehnlichst auf die Rückkehr ihrer Gottheit Quezlcoatl. Er war eine Art Heilsgott. Der Legende zufolge sollte er eines Tages in Form eines hellhäutigen und- haarigen Menschen von Übersee nach Tenochitlan zurückkehren, um dann quasi ein „messianisches“ Zeitalter einzuläuten. Und siehe da! Nun erscheint der hellhäutige und -haarige Cortés auf einem Schiff. Tja. Für die Azteken dumm gelaufen. Den Rest der Geschichte kennt man.
Und jetzt noch eine traurige Ironie. Diese Geschichte vom hellhäutigen und -haarigen göttlichen „Retter“ erfuhr ein mexikanischer Einwanderer, der sich als Kind (oder junger Mensch) in München niedergelassen hat. Nur: Leider hat er die Story ein bisschen durcheinandergebracht – vielleicht weil er so jung war, als er Mexiko verlassen hat. Seinem Gedächtnis zufolge sei es nicht Cortés, der die Azteken so schrecklich traktiert hatte und das indigene Paradies kaputt gemacht habe, sondern Christoph Kolumbus. Immerhin: Beide Namen fangen mit einem „K“ (bzw. „C“) an.
Der junge Mann wuchs in München heran, heiratete und wurde Vater. Gern erzählte er seinen Kindern eben diese alte Geschichte vom grausamen „Kolumbus“, der die Idylle Altmexikos zunichte gemacht habe. Die Geschichte machte auf die Kinder offensichtlich einen großen Eindruck.
Eines Tages wurden auch seine Kinder erwachsen. Und nun geschah es. Eine Tochter war derart entsetzt, dass es eine U-Bahn-Station in München gibt, die „Kolumbusplatz“ heißt, so dass sie heftig dagegen protestiert hat.
Was machte sie? Klar! Im Zeitalter der „Cancel Culture“ hat sie einen Verein (oder eine Gruppe) gegründet. Und siehe da! Der forschen Tochter war es gelungen, Politiker in München zu überzeugen, dass man den Namen der verruchten U-Bahn-Station unbedingt ändern müsste!
So wie es aussieht, will die Stadt dem Wunsch der Gruppe nachkommen und den verhassten Namen tatsächlich verändern. In was aber?
Hmm. Gute Frage. Mein Vorschlag: Cortésplatz!
Jeder kennt die Azteken…irgendwie. Was Sie aber vielleicht nicht wissen: dass Sie etliche Wörter ihrer Sprache (Nahuatl heißt sie) – manche beinahe täglich – benutzen. Zum Beispiel:
Schokolade – auf Nahuatl heißt es „Chocolatl“. Oder Tomate – ursprünglich „Tomatl“. Oder Avokado – in der Sprache der Azteken „Ahuacatl“. Die Liste ist lang, und meistens lecker. Doch so viel zum harmlosen Teil dieser Glosse. Ab jetzt wird es würzig und scharf wie Chili (Nahuatl „Chilli“)….
Besagte Azteken waren einst das mächtigste Volk Zentralmexikos. Ihre Hauptstadt, Tenochitlan, wurde auf einer Insel mitten in einem großen See gebaut. Und das Aussehen dieser Stadt hat die ersten Besucher aus Europa – es waren Spanier – prompt ins Staunen versetzt: prächtige Paläste und Tempel, hohe Pyramiden, steinerne Häuser, Prachtstraßen und Gassen. Vielleicht ein wenig Florenz der Medici mitten in Mexiko. Notabene: Wir sprechen hier von einer Zeit ab ca. 1300 n.Chr.
Diese Azteken waren, müsste man hinzufügen, keine Chorknaben (mein lieber Freund W. – er lebt abwechselnd auch in Columbia – benutzt anstelle von „Chorknaben“, den Begriff „Säulenheilige“, um diese kultivierten Raubeine zu beschreiben – was ich schön finde).
Gemeint ist: Die Azteken war ein grausames, imperialistisches Volk, das alle Nachbarvölker, eins nach dem anderen zu erobern bzw. einzuverleiben verstanden („Hegemonisten“ würden wir heute sagen) – nicht nur um das eigene Einflussgebiet zu erweitern, sondern ebenfalls wegen der Bedürfnisse ihrer Religion. Diese Religion war nämlich auf dem Opferkult basiert – genauer gesagt: auf dem Menschenopfer. Gern schnappten sich die Azteken deshalb Nachbarkrieger, um sie dann ihren Göttern als Opfergabe zu schenken.
Der Ritus ging folgendermaßen vor sich hin. Aztekische Priester versetzten den ausgewählten Gefangenen (sorry, Girls, hier gab’s keine GefangenInnen) unter Drogen, begleiteten sie zur Gipfelplattform einer heiligen Pyramide, packten das Opfer jählings an allen Gliedern, warfen ihn auf einen steinernen Opfertisch und peng! Sie senkten dem Opfer ein Feuersteinmesser in die Brust, wobei sie unterdessen das noch schlagende Herz aus dem Leib rausrissen und das leblose Opfer die steilen Treppen herunterschubsten.
Wir wissen all dies, weil die oben erwähnten Spanier die raubeinigen Azteken 1519 unter der Führerschaft von Hernan Cortés eroberten.
Hier müsste man aber hinzufügen, dass Haudegen Cortés und Co. die Unterstützung der Nachbarvölker der Azteken genossen. Denn diese von den Azteken arg unterdrückten Stämme haben allzu gern bei der Niederlage der verhassten Imperialisten kräftig mitgemacht.
Doch nun eine traurige Ironie: All dies ist nur wegen eines Missverständnisses den Azteken zugestoßen. Fakt ist, die Azteken wartete sehnlichst auf die Rückkehr ihrer Gottheit Quezlcoatl. Er war eine Art Heilsgott. Der Legende zufolge sollte er eines Tages in Form eines hellhäutigen und- haarigen Menschen von Übersee nach Tenochitlan zurückkehren, um dann quasi ein „messianisches“ Zeitalter einzuläuten. Und siehe da! Nun erscheint der hellhäutige und -haarige Cortés auf einem Schiff. Tja. Für die Azteken dumm gelaufen. Den Rest der Geschichte kennt man.
Und jetzt noch eine traurige Ironie. Diese Geschichte vom hellhäutigen und -haarigen göttlichen „Retter“ erfuhr ein mexikanischer Einwanderer, der sich als Kind (oder junger Mensch) in München niedergelassen hat. Nur: Leider hat er die Story ein bisschen durcheinandergebracht – vielleicht weil er so jung war, als er Mexiko verlassen hat. Seinem Gedächtnis zufolge sei es nicht Cortés, der die Azteken so schrecklich traktiert hatte und das indigene Paradies kaputt gemacht habe, sondern Christoph Kolumbus. Immerhin: Beide Namen fangen mit einem „K“ (bzw. „C“) an.
Der junge Mann wuchs in München heran, heiratete und wurde Vater. Gern erzählte er seinen Kindern eben diese alte Geschichte vom grausamen „Kolumbus“, der die Idylle Altmexikos zunichte gemacht habe. Die Geschichte machte auf die Kinder offensichtlich einen großen Eindruck.
Eines Tages wurden auch seine Kinder erwachsen. Und nun geschah es. Eine Tochter war derart entsetzt, dass es eine U-Bahn-Station in München gibt, die „Kolumbusplatz“ heißt, so dass sie heftig dagegen protestiert hat.
Was machte sie? Klar! Im Zeitalter der „Cancel Culture“ hat sie einen Verein (oder eine Gruppe) gegründet. Und siehe da! Der forschen Tochter war es gelungen, Politiker in München zu überzeugen, dass man den Namen der verruchten U-Bahn-Station unbedingt ändern müsste!
So wie es aussieht, will die Stadt dem Wunsch der Gruppe nachkommen und den verhassten Namen tatsächlich verändern. In was aber?
Hmm. Gute Frage. Mein Vorschlag: Cortésplatz!
Englischunterricht beim Sprachbloggeur! Heute stellen wir zwei nagelneue Wörter vor, die man sich unbedingt einprägen sollte (falls Sie sie nicht bereits kennen). Erst ein wenig vor dem Spiegel üben, um sie dann beim nächsten Treffen mit Freunden…ach Entschuldigung…ich meine natürlich „FreundInnen“…im Schanigarten – wie ja nebenbei fallen zu lassen.
„Schanigarten“ kennen Sie…oder? In München hat sich das Wort erst im anno Coronae I hören lassen. Wie aus dem Nichts. Keine neuzeitliche Erfindung allerdings. Der „Schanigarten“ hat eine lange Tradition, vor allem in Österreich und im südlichen Bayern als Bezeichnung für ein irgendwie überdachtes Freiluftrestaurant.
Keiner weiß, woher das Wort „Schani“ kommt. Manche tippen auf einen legendären ital. Wirt namens Gianni bzw. einen legendären Franzosen namens Jean. Andere meinen, dass „Schani“ Wienerisch für „Schankkellner“ ist. Oder aus „scha na hi“, Dialektwort für „schau nur hin“ entstanden ist. Fest steht: Den Schanigarten gibt es unter diesem Namen bereits seit dem 17. oder 18. Jahrhundert.
Ich wandere aber vom Thema ab.
Also zur Sache: Neulich war ich auf einer Zoomreise in Brooklyn, New York, USA. Dort verkehre ich einmal monatlich mit einer netten Gruppe amer. Schriftstellern – ach Entschuldigung – ich meine SchriftstellerInnen! – mit der ich mich über dies und jenes aus dem Reich der Schriftstellerei unterhalte.
Ein Mitglied dieser Gruppe (haha – ich habe das „*Innen“ geschickt umsteuert!) benutzte zwei Vokabeln, die mir fremd waren: „Stan“ und „Doxing“.
Spontan habe ich freilich an „Stan und Ollie“ gedacht, was mit dem Thema nix zu tun hat. Sie wissen, wer Stan und Ollie waren, oder? In Deutschland kannte man sie früher als „Dick und Doof“ – was ein schreckliches Vergehen ist. Denn Stan Laurel und Oliver Hardy waren begnadete Komiker, die zwischen ca. 1925 und 1955 als Team in zahllosen Kinofilmen zusammenarbeiteten.
Das Mitglied meinte allerdings mit „Stan“ ein gewisses, nagelneues „Kofferwort“, d.h., ein Wort, das aus zwei Begriffen zu einem neuen Begriff zusammengefügt wird, wie z.B.: „Teuro“ (von „teuer“ und „Euro“), oder „Mediathek“ (manchmal „Mediothek“ – von „Medien“ und „Bibliothek“) oder „Motel“ (von „Motor“ und „Hotel“).
„Stan“ ist die Verschmelzung von „Stalker“ (einer der einem anderen nachstellt) und „Fan“ (gekürzt von „Fanatiker“). Wenn also ein Fan – genauer gesagt „FanIn“ – einer prominenten Figur nachstellt, was unter Umständen sehr bedrohlich sein kann, bezeichnet man diese FanIn als „Stan“. Denken Sie an den Mörder von John Lennon. Heute im Internetzeitalter ist die Situation noch übler. Online-Stans sind zu einer digitalen Plage geworden.
Womöglich ist dieser Begriff „Stan“ eine Erfindung des Sängers Eminem. Und wenn von ihm keine Erfindung, hat er ihn wenigstens bekannter gemacht.
Jetzt zum zweiten Wort: „Doxing“, manchmal, zumindest auf Deutsch, „Doxxing“ geschrieben, was darauf hinweist, dass dieses Wort bereits wahlberichtigt in Deutschland ist. Es wird sogar als Verb „doxen“ (bzw. „doxxen“) verwendet.
„Doxen“ tut selbstverständlich jede(r) „StalkerIn“. Sie sammelt im Internet (Google, Facebook usw. zu Dank) Fakten bzw. Faktoiden über einen anderen Menschen, um Peinliches zu dokumentierten und dann zu veröffentlichen. Manchmal dient hier eine gute alte Erpressung als Beweggrund, manchmal hat man bzw. frau das Bedürfnis, jemandem einen Schaden zuzufügen. Ja, einfach so.
Ich hoffe, ich habe Sie mit Nützlichem aufgewartet.
Und jetzt ab in den Schanigarten, liebe Bürger und Bürgerinnen des 21. Jahrhunderts.
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