Haben Sie gehört? Die Dudenin schafft Fakten. Ab sofort heißt die weibliche Person, die Sie zum Essen oder zum Kaffee und Kuchen einladen, eine Gästin. Und sollte sie sich als Ekelin entpuppen, dürfen Sie sie als „Bösewichtin“ bezeichnen. Die Dudenin hat die Botschaft verstanden: Entweder mit der Zeit fließen oder aus der Zeit fallen!
Was die meisten Menschen – die Dudenin inklusiv – sicherlich nicht ahnen: Ich habe das Wort „Gästin“ vor Jahrzehnten erfunden! Doch leider zu früh. Mir erschien es als Sprachneuling in diesem Land geradezu logisch, dass, wo es „Gäste“ gibt, die „Gästinnen“ auch da sein müssten.
„No no no“, wurde mir gütig eingeschärft. „Das sagen wir nicht. Es gibt in unserer Sprache nur den Gast und die Gäste.“
Wenn es so ist, ist es ebenso, hab ich damals gedacht und die Info dankend entgegengenommen.
Auch „Bösewichtin“ stand damals auf meiner Liste der Möglichkeiten in der Fremdsprache. Doch auch diese Vokabel, so ließ ich mir erklären, existiere nicht.
Und hier noch ein Beispiel meiner zukunftsweisenden Sprachinstinkte. In einem Text, den ich einst für die Münchener Abendzeitung geschrieben hatte, ging es um die britische Königin, die mit etwas nicht einverstanden war. Leider habe ich den Zusammenhang vergessen. Spielerisch habe ich geschrieben: „Die Queen war nicht amüsiert“.
„No no, Herr Blumenthal. Das sagen wir nicht so. ‚Amüsieren‘ hat nämlich eine ganz andere Bedeutung in unserer Sprache. Man amüsiere sich, z.B., wenn man ins Theater geht. Sie möchten vielmehr ‚Die Queen war nicht erfreut‘ sagen.“
Jahre lang habe ich deshalb, wenn es um den Missmut der Queen ging, sie als unerfreut darstellte.
Das war ja damals. Inzwischen schreibt jeder, dass die Queen, wenn ihr eine Laus über die Leber läuft, nicht „amüsiert“ ist.
Was lernen wir daraus?
Ganz einfach: Wehe, wenn der Quotenausländer versucht, die Adoptivsprache mit Neuem zu bereichern. Um es auf den Punkt zu bringen: Einmal rügte ein Textchef, als ich für eine Sprachformulierung in meinem Text argumentierte, „Na na na, Herr Blumenthal, so geht es nicht. Schließlich ist es unsere Sprache nicht Ihre.“
Erst letzte Woche habe ich das gleiche erlebt. Ich hatte in einem – bisher unveröffentlichten – literarischen Werk über einen „formschönen Indianer“ geschrieben. Damit meinte ich einen gutaussehenden Menschen, der als Gegenstand und nicht als Person betrachtet wird. Ja klar, es steckte ein Häppchen Ironie in der Formulierung. „Nein, dass darfst Du auf Deutsch nicht so sagen“, tadelte eine liebe Freundin. „‘formschön‘ bezieht sich nur auf Dinge nicht auf Menschen.“
Vergebliche Liebesmühe dagegen zu argumentieren. Dennoch habe ich meine formschöne Formulierung nicht fallenlassen.
Eigentlich wollte ich heute gar nicht jammern. Komisch aber, wie man so leicht abgelenkt wird, wenn man über sich selbst nachdenkt. Heute wollte ich vielmehr darüber schwadronieren, wie sehr die Sache mit der Gendergleichheit von Sprache zu Sprache rein willkürlich gehandhabt wird.
Während dt. Genderrechtler ins Feld ziehen, um die Ebenbürtigkeit der „Gästin“ mit dem „Gast“, die „Schauspielerin“ mit dem „Schauspieler“, die „Journalistin“ mit dem „Journalist“ durchzusetzen, verlangen die angelsächsischen Kameraden genau das Gegenteil. Nur ein paar Beispiele: Früher unterschieden Anglophonen zwischen „actor“ und „actress“ – wie eben Deutschsprachige. Heute gibt es nur noch den „actor“. Gleiches gilt für den „poet“. Die „actress“, die „poetess“ sind out. Allein die männliche Form ist in. Das wäre, als wollte der dt. Genderist „dier SchauspielerIn“ zugunsten „der Schauspieler“ entsorgen!
Aber zum Schluss eine besonders knifflige Frage: Wie nennt man das Organ, in dem ein Fötus heranwächst? Ja, jeder weiß, dass das „Gebärmutter“ heißt. Aber was ist, wenn die Mutter als Transsexual zum Mann migriert ist und trotzdem schwanger wird? (ist schon geschehen). Wie bezeichnet man dieses Organ unter solchen Umständen? Ganz klar: Gebärvater!
„Die Ungarn werden das russische Vakzin verimpfen.“ Diese Nachricht habe ich letzte Woche vielleicht im Spiegel-Online gelesen. Schön für die Ungarn möchte man sagen. Denn Sputnik V, der russische Impfstoff, scheint wirklich ordentlich gegen Covid19 zu schützen.
Doch Hand aufs Herz. Haben Sie das Wort „verimpfen“ gekannt? Wahrscheinlich nicht. Auch mein Word-Programm reagiert verschnupft, wenn ich es schreibe. Ein roter „He!-ich-kenne-diese-Vokabel-nicht“-Strich erscheint unter dem Wort.
Mein Duden ist nicht weniger ahnungslos.
Mit gutem Grund: „Verimpfen“ existiert in der dt. Sprache nicht.
Oder sagen wir lieber: „Verimpfen“ existiert nicht mehr in der dt. Sprache. Denn wer im Grimmschen Wörterbuch, einem Werk des dem 19. Jhs., schmökert, stößt sehr wohl auf diese Vokabel.
Hier der Eintrag im O-Ton:
„VERIMPFEN verb. impfend verbrauchen: die vorräthige lymphe verimpfen, durch impfung übertragen, dann überhaupt übertragen: seinen hasz auf den sohn verimpfen.“
Schon im 19. Jh. also, konnte man in Deutschland eine „vorräthige Lymphe“ – gemeint ist wohl ein Impfstoff – verimpfen. Man konnte allerdings auch Hass und sonstige Ideen und Gefühle auf Beliebigen verimpfen, d.h. übertragen. Im letzteren Sinn ähnelt diese Vokabel das heutige „einimpfen“, das übrigens ebenfalls im Grimmschen Wörterbuch zu finden ist.
Warum will ich dies mitteilen? Ganz einfach: Ich will kundtun, was für ein Wunderwerk die dt. Sprache ist! Bedenken Sie: Sie sind noch nie mit dem Wort „verimpfen“ konfrontiert worden und wissen trotzdem, was gemeint ist, wenn Sie lesen, dass die Ungarn Sputnik V verimpfen.
Sprachwissenschaftler würden sagen, dass das Präfix „ver-“ noch produktiv ist. Das heißt: Man kann mit ihm jederzeit neue deutsche Wörter produzieren, und jeder wird sie verstehen. Sagte ich, z.B., dass der ehemalige US-Präsident seine Zeit „vertwittert“ hatte, verstünde jeder, was da gemeint ist.
By the way: Wissen Sie, woher dieses Wort „impfen“ kommt? Die Sache erfordert allerdings Kenntnisse über das Gesetz der faulen Zunge. Dieses Gesetz besagt, dass Wörter kein Genussmittel sind wie Schokolade oder Sorbet, die man gern auf der Zunge zergehen lässt. Wörter will man so schnell wie möglich konsumieren, um rasch zum nächsten zu gelangen.
Dieses Gesetz wirkt auch, wenn fremdsprachliche Begriffe verdeutscht werden. Man nimmt keine Rücksicht auf die ursprüngliche Aussprache.
Von den Römern lernten die Germanen die feine Kunst des Veredelns und Pfropfens von Obstgehölzen. „Imputare“ nannte die Römer diese botanische Technik. Das Wort war aber für die germanische Zunge zu umständlich. Daraus wurde „impfen“.
Nun wissen Sie mehr über dieses Thema als Sie jemals erhofft haben. Aber warum nicht? Während eines Lockdowns hat man Zeit.
Stellen Sie sich vor: Bald wird es die Geimpften und die Verungeimpften geben. Und eines Tages paff! Corona wird so plötzlich verschwinden, wie sie gekommen ist. Das war schon immer der Fall mit Pandemien.
Ach du lieber! Jetzt fällt mir ein: Ich wollte auch über „Vakzination“ und „Inokulierung“ erzählen, hab mich aber in der Verimpfung verfangen. Wahrhaftig: Es gibt auf dieser Welt so viel zu erklären!
Die Sprachjury hat wieder zugeschlagen: wie immer aber mit den Augen auf die Vergangenheit gerichtet, eine Sichtweise, die lediglich auf Hinterteile zeigt.
Worum geht es? Den Medienberichten zufolge wurden nun die „Anglizismen des Jahres 2020“ gekürt. Und wie heißen die Sieger dieses spannenden rückwärts gewandten Wettbewerbs? Wahrscheinlich wissen Sie es schon. Solche Nachrichten werden gern in den Massenmedien hinausposaunt, um müde Seelen aufzupäppeln.
Die Siegervokabel war:
„Lockdown“! Na klar „Lockdown“. Es geht noch weiter: Den zweiten Platz teilten sage und schreibe fünf(!) Konkurrentinnen: “Social Distancing”, “Homeoffice”, “Homeschooling”, “Shutdown” und – last but not least – “Superspreader”! Ob es ein Preisgeld gibt?
Treue Leser dieser Seite wissen natürlich, dass der Sprachbloggeur schon vor ein paar Monaten übers Thema „Lockdown“ ausführlich referiert hatte – ohne daraus einen Wettbewerb ins Leben rufen zu müssen.
Unterdessen richten wir in diesem kleinen Tante-Emma-Wortladen, während sich eine Jury mit Vergangenem beschäftigt hat, unser Auge auf Aktuelles.
Von daher wenden wir uns heute dem „Leerverkauf“ zu. Auf Englisch heißt dies „short selling“. Die engl. Version interessiert uns aber kaum.
Mit „Leerverkauf“ ist Folgendes gemeint. A borgt von B eine Wertsache, üblicherweise Aktien (notabene: er kauft sie nicht). Allerdings muss er B für die vereinbarte Ausleihzeit eine gewisse Summe hinterlegen, eine Art Pfand.
Warum will A diese Aktien bzw. Wertsachen ausleihen? Weil er spekuliert! Er hofft, bzw., glaubt, dass besagte Wertsache, wenn die Ausleihzeit um ist, weniger Wert haben wird als am Anfang. Falls dem so ist, muss B ihm die Wertdifferenz ausbezahlen. Kurz gesagt: A macht einen Gewinn.
Keine Ahnung, warum diese Masche „Leerverkauf“ heißt. Die Sache ist weder leer noch ein Verkauf. Ein „Leerverkauf“ ist also insofern wie ein Leberkäse, der, wie jeder weiß, weder Leber noch Käse beinhaltet.
Es dürfte also jedem klar sein, dass es hier allein ums Zocken geht. Dieses Spielchen mit dem Leerverkauf ist besonders bei den sog. „Hedgefonds“ beliebt. Erinnern Sie sich? 2005 wurden diese Investmentgesellschaften vom damaligen Bundestagsvizepräsidenten Franz Müntefering als „Heuschrecken“ angegriffen. Nebenbei: „Hedge“ lässt sich mit „Hecke“ übersetzen. Die „Hedgefond“-Spekulanten umgeben ihre Investitionen – zumindest theoretisch – mit einer Art „Hecke“ wohl zum Selbstschutz.
Es wurde in jüngster Zeit sehr viel über den „Leerverkauf“ geschrieben. Vor allem deshalb, weil es einem Socialmedia-Flashmob (alle diese Begriffe gelten als Neudeutsch) gelungen war, einen Hedgefond namens Melvin Capital, ein Leerverkaufgeschäft derart zu sabotieren, dass Melvin Milliarden Euro Verluste einstecken musste.
Die Fakten: Melvin hatte sich die Aktien einer maroden Computerspiel-Firma „Gamestop“ „leergekauft“, in der Hoffnung, der Wert dieser Aktien würde während der vereinbarten Leihfrist noch weiter abstürzen, was Melvin einen dicken Gewinn eingebracht hätte. „Klassisches Hedgefondgeschäft also.
Dem war aber nicht so. Denn ein „Flashmob“ hatte sich ausgerechnet diese Aktien eifrig aufgekauft, um den Wert künstlich in die Höhe zu treiben. Tausende von Kleinstinvestoren machten mit, und bald hatte die sieche Firma „Gamestop“ einen Wert wie Siemens oder Amazon oder so. Melvin Capital wurde folglich in die Knie gezwungen, musste nach Fristende blechen.
Ja, all dies klingt wie ein Märchen. Ist aber keins. Willkommen im Informationszeitalter. Nichts wird so sein wie früher. Die Info-Revolution zeigt täglich ihre wenig erforschten Möglichkeiten. Und sie wächst schnell heran!
Fazit: Die Spielregeln auf verschiedenen Fronten müssen stets neu geschrieben werden…
…und die Zeiten des „Leerverkaufs“ sind nun gezählt…
Würden Sie sich gern mal mit einem Känguru unterhalten? Dies ist kein frivoler Aufhänger, um Ihre Aufmerksamkeit einzufangen, sondern eine ernste Frage.
Vor einer Woche bin ich auf einen Artikel in der New York Times gestoßen,
dessen Überschrift prangte: „Wissenschaftler sagen, dass Kängurus mit Menschen kommunizieren können“. Klar, dass so eine Überschrift neugierig macht. Doch der Inhalt hat enttäuscht. Man erfährt lediglich, dass sich Kängurus in der Gefangenschaft an ihre „Menschen“ wenden, um ihren Hunger kundzutun.
Genauer gesagt: Sie nörgeln. Das kennen Sie schon von Hunden und Katzen.
Katzen miauen und gucken einen in die Augen, Hunde verschieben den Futternapf mit gezieltem Nasenschub, oder sie winseln.
Kängurus schauen ihren „Menschen“ mit großen Augen an und zeigen auf die Box, wo ihr Futter gelagert ist. Das wiederholen sie…bis es bei dem Menschen schnackelt.
Kein besonderes Kunststück, sondern nur Logik und nicht viel anders als das, was Jungtiere machen, um das Muttertier auf ihren Hunger aufmerksam zu machen. Denken Sie ans Vöglein mit großaufgeschlagenem Schnabel.
Damit will ich nicht behaupten, dass Tiere auch mal anderes zum Ausdruck bringen können als nur ihren Hunger kundzutun. Das weiß jeder Hundebesitzer bzw. Katzenfan.
Vor ca. 60 Jahren wurde es in der Wissenschaft modisch, Primatenjungtieren unsere Menschensprache beibringen zu wollen. Da aber Primaten (in diesem Fall Schimpansen und Gorillas) keine Stimmbänder haben wie wir, kamen die Forscher auf die Idee, ihren Primaten eine Art Gestensprache – ähnlich der der Taubstummen – als Sprechmittel zu verwenden.
Der wohl berühmteste sprechende Gorilla war Koko, eine Gorilladame, die erst vor ein paar Jahren, ziemlich betagt, verstarb (bzw. verendete).
Ich habe vergessen, wie viele Worte Koko beherrscht haben sollte. Es waren jedenfalls, wenn man ihrer Betreuerin glaubt, über ein tausend. Da die Betreuerin auch als Kokos Chefdolmetscherin diente, kann man nicht wissen, wie sehr das Wunschdenken seitens der Dolmetscherin einen Einfluss auf diese Wortzahl hatte. Fest steht jedenfalls: Koko konnte einiges „sagen“ und verstehen.
Hier ein Auszug aus einem Telefoninterview zwischen einem Reporter und Koko – übermittelt von der Betreuerin (By the way: Dieser Dialog findet man in meinem Buch über Wolfskinder „Kaspar Hausers Geschwister“, erschienen bei Steiner Verlag – ja, Schleichwerbung):
Frage: Was willst du zu Weihnachten?
Koko: Süßigkeiten, Medizin-Süßigkeiten (d.h. Vitamin C), Apfel.
Frage: Bist du glücklich?
Koko: Ich gut….
Frage: Wie ist das Leben unter Menschen für dich?
Koko: Menschen gut. Ich durstig…
Es geht weiter, wir belassen es aber bei diesem Ausschnitt, denn das Übrige befasst sich zumeist mit demselben Thema: das Fressen.
Ob Koko wirklich wusste, was Weihnachten ist, halte ich übrigens für fraglich.
Fakt ist: Tiere bedürfen keiner Menschensprache. Sie müssen nicht übers Wetter reden oder sich über Politik oder TikTok unterhalten. Sie passen sich einfach ihrer Situation in der Gruppe an. Nur wenn sie unter Menschen leben (und abhängig werden), halten sie es für nötig, auf ihren Hunger und noch ein paar Bedürfnisse aufmerksam zu machen.
Nebenbei: Untereinander verwenden auch „sprechende“ Primaten kaum oder gar keine erlernte Gestensprache. Denn Tiere wissen immer, was sie miteinander zu bereden haben: Fressen, Machtverhältnisse und Sex. Wie der Mensch halt.
In den 1930er Jahren wollte Prof. Winthrop Kellogg seinen kaum einjährigen Sohn Donald mit einem Schimpansenbaby namens Gua als Geschwister erziehen. Das Ziel: Gua sollte zu einem Donald werden. Kellogg musste aber das Experiment jäh abbrechen. Denn alles geschah anders: Donald war auf dem Weg eine Gua zu werden. (S. Kaspar Hausers Geschwister für die Details).
Und jetzt wissen Sie alles, was Sie über kommunizierende Kängurus zu wissen brauchen.
„Zoom Bombing“? Wort des Jahres 2021 oder 2022? Oder vielleicht Unwort des Jahres 2021 oder 2022? Bin gespannt. Sie auch?
Doch nun zu den Fakten: Covid zum Dank hat sich der Gebrauch der Zoom-App (auf dem Markt seit 2011) schnell in die Höhe gezoomt. Zehn Jahre Zoom, 20 Jahre Wikipedia und in diesem Jahr wird der PC – nein, nicht „political correctness“, sondern der Personal Computer – 40 Jahre alt. Jawohl. Kein Zurück mehr. Info-Revolution ist!
40 Jahre PC. Und nun – wie es der Zufall will – komme ich nach 40 Jahren wieder in Kontakt mit meinem lieben Freund R. Kein Kontakt seit 40 Jahren! Stellen Sie sich das vor! Wir waren damals Analogbabys! Wir haben’s bloß nicht gewusst! Und nun schicken wir uns Schnellnachrichten (ich verrate die App nicht – hier keine Schleichwerbung).
Aber zurück zum „Zoom-Bombing“. Sie wissen, was das ist, oder? So nennt man es, wenn „Trolls“ Zoom-Konferenzen angreifen und mit allerlei Unsinn – digital – „bombardieren“. D.h. mit Pornoeinschübe, Rassismus, Lieder von Udo Lindenburg – you name it., um Schock und Schrecken zu erwirken.
Wer sind diese „Zoom-Bomber“, die „Trolls“?
Früher hätte ich auf Heranwachsende, hauptsächlich männlichen Geschlechts und dazu sehr häufig eingeschworene Selbstbefriediger getippt, die durch lauter Schabernack die Kunst der Selbstdarstellung, bzw. der Selbstentfaltung praktizierten.
Kurzer Abstecher: Im heutigen Spiegel-Online kann man einen Selbsterfahrungsbericht über ein „revolutionäres“ Sexspielzeug lesen, das dem Mann einen weiblichen Orgasmus nachempfinden lässt. Ich hab den Selbsterfahrungsbericht nicht angeklickt. Er befand sich unter dem „for-pay-Content“.
Aber zurück zum „Zoom-Bombing“: Ich glaube nicht, dass das alte Profil des anarchistischen Jugendlichen noch gilt. Grund für diesen Gesinnungswandel meinerseits ist ein 11 minutiges Video vom Sturm aufs US-Capitol, das ich neulich entdeckt habe. Haben Sie‘s gesehen?
Die Angreifenden waren eindeutig Männlein und Weiblein, wenn auch die Männer (es sei denn, es haben sich Transsexuelle darunter vermischt – kann man nie wissen) in der Überzahl waren. Deren Alter betrug – über den Daumen gepeilt – zwischen 30 und 60. Sicherlich waren sowohl Jüngere wie auch Ältere dabei.
Was ich hier beschreibe, ist schlicht und einfach den althergebrachten Mob, den es immer gegeben hat. Schauen Sie sich die Geschichtsbücher an. Ich werde Sie mit Beispielen nicht behelligen – mit einer Ausnahme: Mit dem Mob (Anhänger von J. Caesars), der vor 2050 Jahren das Haus des Orators Cicero auf dem Mons Palatinus in Rom verwüstete…. Früher war der Mob allerdings ausschließlich männlich.
Willkommen also im Zeitalter der „Boom-Zombies“! Im WehWehWeh sind die „Boom-Zombies“ heftig auf dem Vormarsch. Überall, wo sie die Gelegenheit wittern, brechen sie mit ihrer Anarchie und Schabernack ein.
Dagegen wirken die Graffitis, die ich neuerdings auf der Straße entdeckt habe, geradezu altmodisch: „Quarantäne – soziale Kontrolle“ (gähn); „COVID 1984 – Fuck Bill Gates“ (gähn); „Fuck each other not the planet” (siehe oben unter „Jugendliche“).
„Boom-Zombies“. Prägen Sie sich diesen Begriff ein.
Zum Schluss ein kurzes Interview mit einem echten „Boom-Zombie“. Ich darf natürlich keinen Namen verraten. Auch die Stimme wird digital verfremdet.
Sprachbloggeur: Seid ihr viel?
Boom-Zombie: Wir sind Millionen.
Sprachbloggeur: „Was wollt ihr?
Boom-Zombie: Wir wollen eine neue Weltordnung.
Sprachbloggeur: Vielleicht kannst du mir das etwas näher erläutern.
Boom-Zombie: Keiner darf uns mundtot machen. Keiner darf uns unserer Freiheit rauben, und die Mieten sollen sinken. Ja und das mit dem Klima auch.
Sprachbloggeur: Klingt gut. Aber wie möchtet ihr das bewerkstelligen?
Boom-Zombie: Durch eine Revolution!
Sprachbloggeur: Gegen wen?
Boom-Zombie: Gegen den Feind! Wen sonst?
Hier bricht das Interview leider ab. Urplötzlich. Etwas mit dem Wlan, denk ich. Da bin ich aber überfragt. „Liebe deinen Boom-Zombie wie dich selbst“ glaube ich dennoch kurz gehört zu haben, bevor die Verbindung endgültig zusammenbrach.
Wie sollte man „dirty trick“ ins Deutsch übersetzen?
„Dirty ist einfach“, also „schmutzig“ oder „dreckig“. Und „trick“? Da stehen einige Möglichkeiten zur Wahl: „Finte“, „Dreh“, „Kunststück“, „Kunstgriff“, „Masche“.
Doch versuchen Sie nun, Teil A und Teil B vernünftig (sinnvoll) zu kombinieren. Achtung: Das Ergebnis muss idiomatisch klingen. „Schmutzige (bzw., dreckige) Finte“? Nein, zu groß die Betonung auf die Unsauberkeit. „Schmutziges (dreckiges) Kunststück“ oder „schmutziger (dreckiger) Kunstgriff“? Nein, aus gleichen Gründen. „Schmutziger (dreckiger) Dreh“ oder „schmutzige (dreckige) Masche“? Hmm. Jetzt kommen wir der Sache näher – zumindest nach meinem Sprachgefühl. Mir persönlich gefiele am besten „dreckige Masche“.
Ende der Geschichte? Leider nicht. Denn letztendlich ist eine dreckige Masche lange kein dirty trick. Es fehlt die Sprachtradition!
Sage ich „dirty trick“, denke ich automatisch an amer. Gangsterfilme der 1930er Jahre (oft war in diesen Filmen die Rede von den d.t.s) oder an Richard Nixon, den man einst „tricky Dickie“ nannte, weil er so oft gemogelt hatte. Querhinweise halt.
Bei „dreckiger Masche“ weiß ich lediglich, dass die Masche dreckig war. Punktum.
Ja, das mit dem Übersetzen ist fürwahr ein tricky business. „He doesn’t have all his cups in the pantry” wäre unwirksam für “er hat nicht alle Tassen im Schrank“. Besser wäre „He’s got bats in the belfrey.“ Also: Er hat Fledermäuse im Glockenturm…
Stopp! Heute wollte ich nicht über die Kniffligkeiten des Übersetzens referieren, sondern über dirty tricks, ja, über richtige dreckige Maschen.
Womit ich endlich auf Donald Trump zu sprechen komme. Vielleicht ist er nicht mehr US-Präsident, wenn Sie diese Glosse lesen. Er war jedenfalls ein Meister der dirty tricks. In diesem Text geht es allerdings nur um die sprachlichen.
Will sagen: Mit knappen Floskeln vermochte Trump Menschen, Länder und Institutionen in den Schlamm zu ziehen, zu demütigen, zu beschämen, zu erniedrigen. Diese Strategie nennt man auf Englisch „sloganeering“. „Slogan“ ist übrigens eine keltische Vokabel und bedeutet „Schlachtruf“. Mit garstigen Slogans zu hantieren, ist nun mal eine Art Kriegsführung.
Auf Deutsch nennt man diese Kunst „Sprüche klopfen“. Trump war ein Meister.
Allein wegen des Slogans „Fake news“ hat er es verdient, in die Geschichte einzugehen. Mit dieser Floskel schaffte er es, jede Wahrheit als Lüge zu verkaufen – und umgekehrt! Seine Fans jubelten stets.
(By the way: „News“ auf Englisch ist trotz dem „s“ keine Mehrzahl. Richtig ist: „The news is on“ und niemals „the news are on”. Prägen Sie sich dies ein! Der Fehler ist weit verbreitet).
Noch ein dirty trick aus dem Slogankasten dieses einstigen Machthabers: Er pflegte seine Gegner bzw. Rivalen mit Spitznamen niederzumachen. Die Masche ist besonders raffiniert. Diese Slogans sind in Europa weniger bekannt als etwa „fake news“. Seine Fangemeinschaft plapperte ihm all dies jedenfalls begeistert nach.
„Sleepy Joe“, z.B., um Joe Biden als trägen Opa zu diffamieren, wobei Biden gar nicht schläfrig ist. Im Gegenteil. Der Name klebte aber wie Fliegenpapier – auch in der seriösen Presse. Das ist das Tückische. So schnell prägt man sich ein Spitzname ein. Man merkt die Einflussnahme kaum.
Oder „crooked Hillary“, die krumme bzw. korrupte Hillary oder „cheatin‘ Obama“ (betrügerisch) und „Wild Bill“ (Clinton).
Im Grunde ein einfaches Mittel, um Menschen und Dinge schwarzweiß zu malen. Schauen sie sich den Wiki-Beitrag über Trumps „Nicknames“ an. Die Beispiele sind umfangreich. In der Sprache der Philosophie heißt diese Praxis übrigens: Reduktionismus. Auch ein interessantes Thema.
Ja, der gewesene Präsident war ein Großmeister der dirty tricks. Die gute Nachricht: Nichts auf Erden hält ewig. Letztendlich haben auch Fake-News nur kurze Beine.
Vielleicht hätten Sie Interesse an einer Dreierbeziehung? Dann sind Sie hier goldrichtig. Ich könnte Ihnen nämlich einen Hinweis vermitteln, wo Sie Genaues zu diesem spannenden Thema finden: Und zwar im Spiegel…allerdings im sogenannten „Spiegel-plus“-Content, d.h. Sie müssten etwas dafür bezahlen.
Achtung: Auf Journalistisch sagt man „Content“; auf Deutsch „Inhalt“.
Falls ich Ihr Interesse erweckt habe: Das Phänomen der Dreierbeziehungen heißt „Polyamorie“. Ein hübsches Wort für die sechshändige Liebe, nicht wahr? Halb Griechisch („poly“=“viel“), halb Lateinisch („amor“, also „l’amour!“). Genau genommen, bezieht sich der Begriff „Polyamorie“ auf eine Beziehung zwischen 2+X Menschen. Wir bleiben jedoch anstandshalber bei drei. Kompliziert genug.
Um die Wahrheit zu sagen, habe ich den oben erwähnten „for-pay“-Artikel nicht gelesen, und ich habe dies auch nicht vor. Folglich vermag ich nicht zu berichten, ob es bei besagten Dreierbeziehungen um zwei Männer und eine Frau, zwei Frauen und ein Mann, drei Frauen oder drei Männer handelt. Vielleicht ist eine Mischung aus Diversen, Männer und Frauen gemeint. Bin leider überfragt.
Ist aber egal. Denn was mich im Punkto „for-pay-Content“ besonders interessiert, ist allein die Tatsache, dass es sich selten mit Themen befasst, die wir üblicherweise unter „Nachrichten“, also Weltgeschehen, verstehen, sondern mit Trivialitäten, dessen Hauptzweck nur der Unterhaltung bzw. der Ablenkung dient.
„Trivial“ sagt man auf Deutsch, um etwas zu bezeichnen, das keine wesentliche Bedeutung hat. Als Hauptwort existiert „Trivia“ im Deutschen allerdings nicht; im Englischen schon, wo es den Sinn „Belanglosigkeiten“, „Bagatellen“ „Kleinigkeiten“ hat.
Diese Vokabel „trivia“ leitet man übrigens vom lateinischen „trivia“ ab, Mehrzahl von „trivium“. Auf Latein ist ein „trivium“ der Ort, wo drei Wege (tres viae) zusammenlaufen.
Welch Zufall! Oben war die Rede von einer Dreierbeziehung. Hier nun geht es um ein Wort, dass „drei Wege“ bedeutet! So spannend kann das Leben sein!
Aber zurück zum „trivium“ bzw. „trivia“. Was tun Menschen, wenn sie in der ländlichen Öde aus drei verschiedenen Richtungen aufeinandertreffen? Sie plaudern! Auf Englisch heißt das: :“they shoot the breeze“, „die Brise schießen“. Schönes Bild – als wären die ausgetauschten Worte kleine Windstöße (gilt nur für Zeiten ohne Corona). Vielleicht redet man ein wenig über Politik, doch meistens erzählt man sich gegenseitig spannende Bagatellen.
Ich persönlich finde solche Plausche nicht nur in Ordnung. Ich behaupte, dass der Drang zu Trivialität wichtig und wertvoll ist. Er führt nämlich aus der Einsamkeit, dient also der Seelengesundheit und sogar dem Gemeinsinn! Es ist ebenso, wie wenn man mit dem Nachbar übers Wetter redet.
Notabene: Im Uni-System des Mittelalters bedeutete „Trivium“ jene drei Lehrgänge der sog. „Artes Liberales“, die sich mit der Sprachkunst befassten: Grammatik, Logik (auch „Dialekt“ genannt) und Rhetorik.
Das war damals. Heute haben wir „For-pay-Content“.
Die gute Nachricht: „For-pay“ bei Spiegel-plus ist nicht die alleinige Quelle für saftiges digitales Geschwätz. Denn im uferlosen WehWehWeh kann man sich endlos lang mit Belanglosigkeiten beköstigen, ohne einen Cent ausgeben zu müssen! Besonders beliebt sind, z.B.: „Twitter“, oder „Facebook“, „TikTok“, „Instagram“ etc. etc., die sog. „social Media“. Doch das wissen Sie schon.
Dort angelangt, ist es so, als würde man dastehen, wo sich (mindestens!) drei Wege kreuzen und, wenn Sie möchten, stundenlang dies und jenes kommentieren „to your heart’s content!“.
Wenn Sie mich fragen, ist das allemal besser als jede „für-pay“ Dreierbeziehung, und noch dazu: Es kostet Ihnen höchstens ein paar „Cookies“!
Das nennt man Fortschritt!
Traurig aber wahr. Manche Wörter sind mit einem Verfallsdatum versehen. Wann dies passieren soll, steht nirgends auf der Verpackung. Über dieses Thema hat mein Blogista-Kollege Gorg (s. seine Seite „Lustwort“) neulich referiert. Er hat eine beeindruckende Liste der Verflossenen zusammengestellt.
Darüber hinaus besitze ich ein „Kleines Lexikon untergegangener Wörter vom Sprachforscher Nabil Osman (Was!? Schon vor etwa 50 Jahren herausgegeben?!).
Osman ist ein veritabler Impresario der exotischen Vokabeln. Kennen Sie, z.B., „Angelöbnis“ (heute: „Gelöbnis“), „Anerkenntnis“ („Anerkennung“), „Harnprophet“ („Arzt“ – Ein Scherzwort?), „Kläre“ („Klarheit“, hübsch find ich), „kleinfügig“ („geringfügig“, würde gerne verwenden), „niederträchtig“ (nein, Sie kennen das Wort nicht. Es heißt „von einer kleinen Höhe“), „säcken“ („ertränken“), „Unbelieben“ („Unzufriedenheit“)?
Kurzum: Sie finden in diesem Buch eine Kunterbuntheit vor, die von „abergläubig“ (nein, heute sagt man „abergläubisch“) bis „zwier“ (also „zweimal“. Mit Sicherheit kennen Sie Luthers „In der Woche zwier, schaden weder ihm noch ihr“. Notabene: „zwier“ wird als Plural verstanden) erstreckt.
Doch zurück zum Verfallsdatum von Wörtern. Manchmal verschwindet ein Wort nicht als Form – dies verfällt nicht – , sondern lediglich als Sinnträger.
Denken Sie, liebe Deutsche, an die Vokabel „Führer“, einst eine handelsübliche Bezeichnung für jemanden, der…ja…führt! Dann tauchte der Braunauer (passender Name) auf. Heute käme niemand (bzw., eine niedrigfügige Minderheit) auf die Idee, ein Staatsoberhaupt in Deutschland als „Führer“ (bzw. „Führerin“) zu bezeichnen. „Fremdenführer“, „Marktführer“ und „Geschäftsführer“ gehen noch allemal.
Oder „Endlösung“. Können heutige Probleme noch eine „Endlösung“ haben? Nein, natürlich nicht. Sie finden nur noch „Lösungen“ oder vielleicht „schlüssige Lösungen“. Auch eine „endgültige Lösung“ gälte m.E. als Grenzfall heute.
Fassen wir zusammen: Kaum wird ein Wort als ideologischer Dienstleister instrumentalisiert und peng! Ende der Vorstellung.
Gleiches (wenn lange nicht so abgrundtief degoutant wie bei den obigen Vokabeln) ist dem englischen „gay“, das einst „heiter“ oder „lebensfroh“ bedeutete, passiert. Im alten Sinn kann man diese altgediegene Vokabel auf keinen Fall verwenden.
Nebenbei: Französisch „gai“, das auch früher „lebensfroh“ bedeutete, gibt es nicht mehr. Heute ist die „Gaité Parisienne“ allein eine Bezeichnung für die Pariser Schwulenszene.
Oder englisch „punk“. Früher „Halbstarker“. Seit dem 1980er Jahren ist es ein terminus technicus aus der Musikbranche geworden und erschwert maßgeblich den Gebrauch des Wortes im originalen Sinn.
Und nun kommen wir endlich zu den „Querdenkern“. Über diese Bewegung habe ich auf dieser Seite erst vor kurzem geschrieben. Heute befassen wir uns nur mit dem Phänomen des Sprachwandels. Genauer gesagt: Sie, liebe Leser, sind unmittelbare Augenzeugen der Geburt eines neuen ideologischen Begriffs.
Früher war ein „Querdenker“ einer, der außerhalb von gängigen Lösungsansätzen (nie „Endlösungsansätzen“) dachte. „To think outside the box“, sagt man auf Englisch. Auch ein nettes Bild.
Das Wort wird wohl nie wieder diesen Sinn tragen. Denn, liebe Augenzeugen, das Verfallsdatum dieses Begriffs wurde erreicht, und zwar unwiderruflich. Ab jetzt bezieht sich dieser Begriff allein auf „Coronamaßnahmengegner“. Die Chancen stehen gut, dass auch jenseits dieser „Coronamaßnahmengegnerbewegung“ der Begriff künftig manche neuen Aufgaben finden wird. Müssen wir erst abwarten.
Sagen Sie also ruhig „lebe wohl“ zum alten „Querdenker“. Der neue ist schon da.
Hoppla! Es ist kurz vor Sylvester! Will ich das Jahr auf so einer düsteren Note beenden? Weit gefehlt! Ich bleibe wie immer ein kurzfristiger Pessimist, dafür aber ein langfristiger Optimist. Der Unterschied zwischen diesen zwei Einstellungen ist keinesfalls kleinfügig.
Wie dem auch sei. Seien Sie, liebe Leser (damit meine ich alle Geschlechtsrichtungen) guter Dinge. Auch Dummheiten haben ein Verfallsdatum. Schade, dass manchmal schöne Wörter mit ihnen zugrunde gehen müssen.
Empfehlung für 2021: Vertiefen Sie sich in der Geschichte. Ist immer von Nutzen.
Schon mal von der „Cancel Culture“ gehört? Mit Sicherheit. In diesem zu Neige gehenden Jahr ist ihre Wirkung fast so sehr in Erscheinung getreten wie das Coronavirus.
Falls Ihnen aber das Glück zuteilwurde, diesen Begriff irgendwie doch verpasst oder gar im Hirn „gecancelt“ zu haben, hier nun eine kurze Zusammenfassung:
Alles, was die „Cancelnden“ für politisch unkorrekt halten (ob Menschen oder Ideen), wird von ihnen für ungültig erklärt, und zwar mit dem Ziel das Störrische radikal aus dem historischen Bewusstsein – so weit wie möglich – zu löschen. Ein kleines Beispiel aus den USA: Eine Schule in San Francisco mit dem Namen „Abraham Lincoln High School“ wurde neuerdings umbenannt, weil besagter US-Präsident einmal renitente Native Americans (früher „Indianer“) hinrichten ließ. Auch George Washington und Thomas Jefferson, genauer gesagt, jene öffentlichen Monumente, die diese Figuren darstellen, werden von denselben Cancelnden verfemt, weil diese hist. Figuren Sklaven hielten.
Zugegeben. Menschen zu versklaven ist aus unserer heutigen Sicht (zumindest in Europa) nicht mehr zeitgemäß. (In Afrika ist die Praxis komischerweise noch verbreitet!). Auch Lincolns Hinrichtungen, die im Laufe eines großen Aufstands geschahen, wirken auf uns anders als in der damaligen Zeit. In zwischen hat sich die Gesetzgebung sogar verändert.
Auch in Deutschland fasst die „Cancel Culture“ zunehmend Fuß. Proteste, z.B., gegen AfD-Gründer Bernd Lücke (notabene ein Wirtschaftskonservative kein Nazi und längst Ex-Mitglied dieser Partei) finden statt, weil er seine Lehrertätigkeit wieder aufnehmen sollte. Thilo Sarrazin, rotes Tuch für diejenigen, die an eine aus humanitären Gründen uneingeschränkte Migration nach Deutschland glauben, gelingt es kaum an öffentlichen Debatten teilzunehmen. Inzwischen schielen manche hiesige „Cancelnde“ auf Bismarckmonumente – aus Gründen, die ich vergessen habe.
Ach ja: J.K. Rowling: Sie wird von Anhängern der LGBTI etc. Bewegung boykottiert, weil sie sich über die Formulierung „menstruierende Menschen“ als Bezeichnung für „biologische Frauen“ lustig gemacht hat.
Achtung: Es gibt noch immer keine pfiffige dt. Umschreibung für „Cancel Culture“. Vorschläge?
Um gleich für Klarheit zu sorgen: Ich persönlich halte es für angebracht, dass es keine „Adolf Hitler Realschule“ oder eine Goebbels-Allee oder Heinrich Himmler Seniorenheim gibt. Gleiches gälte für Stalin, Osama bin Laden, Pol Pot, Mao, Saddam Hussein usw. also Namensstifter. Das waren aber richtige Verbrecher. Aber jeden, der irgendwie eine Sünde (notabene nach heutigen Maßstäben) begangen hat, gleich aus dem Gedächtnis löschen zu wollen…? Das würde…das Ende der Geschichte bedeuten! He! Kein schlechter Titel für ein Buch! Nebenbei: Mit gleichem Eifer hat die frühe Kirche die Errungenschaften der römischen und griechischen Antike dem Erdboden gleichgemacht – oder der ISIS und die Taliban bezüglich der Zeugnisse der Vorgängerkulturen…
Doch halt! Jetzt steig ich gleich von meiner Kanzel herab. Denn schließlich bin ich Sprachennarr und kein Pamphleten Schreiber. Mich interessiert vielmehr das Wort „cancel“ selbst. Ja, es ist Englisch, doch im ganzen annum Coronae I benutzen es eifrig und dankend jede Menge dt. Feuilletonisten und Medienfritzinnen.
By the way: Ist Ihnen was aufgefallen? Ich meine: Im vorigen Absatz habe ich das Wort „Kanzel“ und dann ein paar Sätze weiter „cancel“ geschrieben. Kann es sein, dass diese zwei Vokabeln verwandt sind?
Die Antwort lautet natürlich ja! Was eine „Kanzel“ ist, weiß jeder. Da oben steht ein Pfarrer und dröhnte eine Sonntagsrede ins gelangweilte Publikum hinein. Was Sie wahrscheinlich nicht wissen: Ursprünglich stand dieses Lesepult vor der eigentlichen „Kanzel“.
„Kanzel“ nannte man nämlich das Gitter, das in einer Kirche den Chorraum vom Mittelschiff trennte. An dieser Stelle hat man dann ein Lesepult errichtet. Im Lauf der Zeit, dem Gesetz der Sprechfaulheit folgend, bezeichneten die Leute das Pult selbst als „Kanzel“. Ein ganz normaler sprachlicher Vorgang.
Und dann gab es auch den „Kanzler“ (und heute die Kanzlerin). Dieser Kanzler war der Vorsteher einer „Kanzlei“, will sagen, einer Behörde, die – durch ein Gitter – vom Gerichtshof getrennt wurde.
Nochmals von Vorne: Die „Kanzel“ war einst lediglich ein Gitter.
Und jetzt Szenenwechsel nach England. Dort in der „chancellery“ schrieb der „chancellor“. (Das „ch“ haben die Engländer von den Franzosen übernommen). Manchmal machte der „chancellor“ einen Schreibfehler. Da er nicht einfach löschen oder mit Radiergummi wegmachen konnte, kritzelte er das falsche Wort mit einem gitterförmigen Muster durch. Das nannten die Engländer „to cancel“, also „mit einem Gitter versehen“.
Alles klar? Wir sind allerdings noch nicht ganz mit unserem Latein fertig. Dieses Wort „Kanzel“ leitet sich nämlich von einem lateinischen Wort „cancelli“ ab, das logischerweise „Gitter“ bedeutete. „Cancelli“ wiederum ist eine Verkleinerung des lat. „cancer“ (sprich „kan-ker“)…nein hat nix mit „Krebs“ zu tun.
Dieses „cancer“ ist eine spätlateinische Verballhornung einer lat. Vokabel „carcer“, „Gefängnis.“ Ja, von daher das deutsche „Kerker“.
Und jetzt wissen Sie es: Die „Cancel Culture“ ist irgendwie die Einkerkerung der Geschichte (und der Kultur) im Namen eines ideologischen Denkens!
Frohes Fest!
Sie haben es sicherlich erfahren: Boko Haram hat über 300 Schüler (Jungs, alle miteinander, liebe Sprachpolizei, also keine „*Innene) aus einer Schule im Norden Nigerias entführt. Wissen Sie, warum? Hoffentlich sitzen Sie oder eine Kotztüte vom letzten Urlaubsflug zu Hand haben …
Sie haben diese 300 Schüler deshalb entführt, weil sie…“Verbotenes“ lernen.
Was heißt „Verbotenes“? Ganz einfach: alle Errungenschaften der menschlichen Zivilisation, also Mathe, Geschichte, Naturwissenschaft, Sprachen etc. etc.
By the way: Wissen Sie, was “Boko Haram” bedeutet? Altgediente Leser dieser Seite könnten es noch wissen. Denn ich habe dieses Thema, wenn ich mich nicht täusche, vor etlichen Jahren mal erläutert. Damals hatte ich eine nette Nigerianerin kennengelernt, eine Studentin aus einer Uni irgendwo in Bayern. Sie hat mich in dieser Sache aufgeklärt.
„Boko“ ist eine Verballhornung des englischen „book“. „Haram“ ist ein arabisches Wort, das „verboten“ bedeutet.
Vielleicht kennen Sie den Begriff „Halal“. So werden bei Muslimen auf Arabisch erlaubte Lebensmittel (meistens handelt es sich um Fleisch) bezeichnet. „Haram“ ist das Gegenteil und bezeichnet unerlaubte, also „verbotene“ Lebensmittel. „Haram“ wird auch für andere Lebensbereiche verwendet. Doch für zusätzliche Details reichen meine Kenntnisse des Islam nicht aus.
By the way: „Harem“, also das Wohnquartier der Frauensammlung eines Sultans ist mit dieser Vokabel „haram“ sprachlich verwandt. „Harem“ bedeutet allerdings „Heiligtum“. Man tauscht lediglich ein Vokal aus und zack! Ein neues Wort! Denken Sie an „Hülle“ und „Hölle“.
Aber Bücher verbieten??! Und nur deshalb, weil diese das Wissen von ca. 4000 Jahren Menschengeschichte vermitteln?! Und diese Untat mit einer verkorksten Ideologie rechtfertigen, die Morden, Rauben, Vergewaltigen, Brandschatzen etc. zulässt?!
Genug der Fassungslosigkeit. Eigentlich hatte ich heute vor, über das Wort „Quarantäne“ zu referieren, ein Wort, das ebenfalls mit einem „Verbot“ zu tun hat. In diesem Fall wird einem verboten, um eine Seuche einzudämmen, einen Aufenthaltsort zu verlassen. Der Grad des Verbots kann allerdings variieren.
Neulich haben wir in Deutschland eine „Quarantäne light“ erlebt, jetzt wird dies auf „hart“ intensiviert.
Ich weiß übrigens in dieser Angelegenheit, wovon ich rede. Denn meine Frau war vorige Woche in Quarantäne, und zwar weil, wie es sich herausstellte, dass ihre Physiotherapeutin „positiv“ war. Inzwischen hatten wir beide, meine Frau und ich, den „Test“ und gelten als „negativ“. Schauen Sie, wie schnell uns dieser neue Wortschatz vereinnahmt hat!
„Bücher nein igittigitt!“ ist freilich ein anderes Kaliber des Verbots als ein vorübergehender Hausarrest, der der allgemeinen Gesundheit dient. Im ersteren Fall sind die Verbietenden im Grunde „Querdenker“, die uns ihre Meinung notfalls durch Gewalt aufoktroyieren möchten; im letzteren Fall sind es die Verbotsgegner, die die sich „Querdenker“ nennen. So kompliziert ist die Welt.
Doch nun möchte ich meine persönlichen Einwände gegen diesen Begriff Quarantäne vortragen. Es geht um Folgendes: Mich irritiert die Aussprache dieses Wortes in der deutschen Sprache: „ka-ran-tä-ne“. Als der Begriff plötzlich so allgegenwärtig wurde, bin ich des Öfteren über diese Aussprache gestolpert. Mir wäre „kwa ran-tä-ne“ lieber gewesen. Immerhin werden auf Deutsch Wörter, die mit „qua…“ anfangen, üblicherweise mit „kwa…“ ausgesprochen. „Quatsch“ und „Quark“, zum Beispiel…oder „Qualität“.
Wie kommt es, dass man ausgerechnet dieses Wort anders behandelt?
Meine Theorie: Die Deutschen haben das Wort von Franzosen übernommen.
Auf Französisch heißt es nämlich „quarantaine“ und klingt wie „ka-ran-tenn“.
Letztendlich aber entstammt die Quarantäne der italienischen Sprache, wo sie
„quarantena“, sprich „kwa-ran-te-na“, heißt. Denn so nannten die Venezianer im 15. Jh. die vierzig Tage („quaranta“ = „vierzig“), währenddessen fremde Schiffe im Hafen vor Anker lagen, um zu versichern, dass die Matrosen keine ansteckenden Krankheiten in die Inselstadt importieren.
Vor ein paar Tage rief H., ein Bayerisch sprechender Bekannte an. Wir haben ein bisschen gequatscht, und plötzlich höre ich, dass er „kwarantäne“ sagt.
Nun wurde ich verunsichert.
Gleich am nächsten Tag rief ich I. in Niederbayern an. „Sagt man bei euch „kwarantäne“? fragte ich.
„Nee“, antwortete sie. „Niemand sagt das. Es klingt auch doof.“
Ja, Sie sehen, was ich für Probleme habe, liebe Leser. Und ich wünsche auch Ihnen Probleme des gleichen Schwierigkeitsgrades. Denn diese beleben auch.
Wahre Probleme haben diejenigen, die Bewegungen beitreten, wo behauptet wird: „Bücher…nein!!“
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