Vielleicht liest mein Blogkollege Gorg von Lustwort (siehe da) diese Glosse. Er hat mir neulich den Vorschlag gemacht, dass wir mal – jeder auf seine Art – gemeinsam ein Thema durchackern – wie zwei Gäule halt. Bekannterweise können zwei Pferde tiefer furchen als eins.
Ein gemeinsames Thema wäre, meinte er, das Hickhack bezüglich der jungen Amerikanerin Amanda Gorman, deren Hiphop-Gedicht an der Amtsvereidigung vom neuen US-Präsidenten Joe Biden große Wellen schlugen – nicht nur weil ihre „Performance“ (notabene: neudeutsches Wort) so süß war, sondern wegen des Identitätskulturkriegs, der dadurch ausgelöst wurde.
Sie wissen schon: Es ging darum, wer das niedliche Hiphop-Erzeugnis in andere Sprachen übersetzen darf. Ich brauche über dieses Thema sicherlich nicht weiter Bericht zu erstatten. Kennt jeder die Story.
Nur eins möchte ich dazu sagen. Falls jemand diese meinen Glossen in eine Fremdsprache übertragen will, bestehe ich nicht darauf, dass der Übersetzer oder die Übersetzerin, alt, weiß und männlich sei und auch nicht, dass dieser Mensch Linkshänder sein müsse wie ich – obwohl das mit dem Linkshänder sein bestimmt für meine Sensibilität eine Schlüsselrolle gespielt hat. Denn meine ersten Versuche mit einem Füllfederhalter zu schreiben, endeten immer mit entsetzlichen Schmierereien, was weder mich noch meine damaligen Lehrerinnen glücklich machte. Ja, Lehrerinnen. Es waren alle miteinander Frauen, die meine ersten Jahre an der Schulbank prägten.
Aber zurück zum gemeinsamen Thema, das ich mit Gorg fuhrwerken könnte. Die Richtung müssen wir noch ausführlicher besprechen. Auch er hat seinen Zweifel gemeldet, was Amanda Gorman betrifft. Zu sehr Eintagsfliege im medialen Zirkus.
By the way: Merken Sie auch, wie einfach es ist, sich vom Trivialen becircen zu lassen? Dazu reihe ich die Amanda Gorman Story ein. Ein Thema wird in den Nachrichten, in Filmen, Unterhaltungssendungen usw. angeboten, und zack! Der Leser konsumiert nicht, er wird selbst konsumiert!
Nun möchte ich Ihnen ein Geheimnis lüften, das ich vor vielen Jahren von einem lieben Bekannten, einem Reporter bei einer Boulevardzeitung, erfuhr.
Es war Ende August. Wir hatten uns zum Mittagessen getroffen – ich glaube, es war in der Kantine besagter Boulevardzeitung, deren Namen ich hier nicht verraten werde.
„Wissen Sie“, sagte er. Ja damals haben sich Menschen, mit denen man auch über persönliche Dinge redete, noch siezen können. „Bald ist die Ferienzeit vorbei. Da brauchen wir einen echten Knüller als neue Serie fürs Blatt. Denn im Lauf des Urlaubs haben viele Leute uns vergessen. Wir müssen sie wieder süchtig machen.“
Haben Sie das gewusst? Ich meine, dass Ihre Gewohnheiten als Medienkonsument(in) eine Ähnlichkeit mit Suchtverhalten hat? Wahrscheinlich nicht. Wer denkt an so etwas?
Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn Sie ihre Lieblingssendungen oder Infoquellen einfach abschalten würden. Ginge die Welt unter?
Zu bemerken: Hier ist die Rede nicht von wichtigen Infos aus der Politik, aus dem Weltgeschehen, der Wirtschaft. Auch das Wetter kann – und oft ist – ein wichtiges Thema. Die Rede ist von den Klatschthemen, die nur hypnotisieren.
O je. Ich merke schon. Ich betrete schwierigen Terrain. Denn Jeder hat unterschiedliche Bedürfnisse, und ich versuche wirklich nicht, meine Leser in Verzichtsfanatiker zu verwandeln. Der Sprachbloggeur ist kein Verbotsverein.
Trotzdem: Es schadet nicht, wenn man wenigstens über diese Dinge ein wenig nachdenkt.
Über ein gemeinsames Thema mit Gorg möchte ich auch nachdenken.
Auf Englisch sagt man: „Put your thinking cap on!”
Einstweilen: Lesen Sie weiter!
Add new comment