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Kanye Wests sauteuere Turnschuhe als Algorithmus?

Zum Beispiel Kanye Wests Turnschuhe – Genauer gesagt: seine Nike Air Yeezy 1 Prototypen. Sie wurden 2008 für den Sänger anlässlich der Grammy-Verleihung handangefertigt. Neulich wurden sie bei Sotheby‘s versteigert. Wissen Sie, wieviel bezahlt wurde?

Antwort: 1,8 mio US-Dollar. Letztes Jahr erzielte ein Paar Nike Air Jordan 1s 615.000 US-Dollar. Leider vermag ich nicht zu sagen, wie viel KW 2008 für die Sneakers ausgegeben hat.

Sie fragen sich natürlich, wer sich so etwas ersteigert, nicht wahr?

Antwort: Es war eine Internet-Plattform namens RARES, die auf seltenes („rar“) Schuhwerk spezialisiert ist. Sicherlich kann man sie im WehWehWeh finden. Denn: Falls Sie Interesse haben, könnten auch Sie einen eigenen Anteil dieser kostbaren Schuhe ergattern. Will sagen: Für den Fall, dass sie wiederverkauft werden, machen auch Sie evtl. einen Gewinn! Ein wenig wie bei der Börse.

Der Verkäufer war ein Schuhwerksammler namens Ryan Chang. Der Name des eigentlichen Käufers bei RARES bleibt selbstverständlich unbekannt. Das ist doch klar. Persönlichkeitsrecht usw.

Ach ja, beinahe vergessen: Kanye West trägt Größe 45-46 (US=12; UK=11).

„So idiotisch“, sagte meine Frau. „Die Leute haben einfach zu viel Geld. Sie sollten lieber mehr Steuer zahlen oder das Geld für den Kauf von Impfstoffen für Afrika etc. zur Verfügung stellen.“

So kann man es auch sehen.

Eigentlich wollte ich heute über Algorithmen schreiben, aber obige Geschichte hat mich unversehens ergriffen. Über Algorithmen habe ich früher mal berichtet. Doch dann gestern habe ich von einer lieben Freundin aus der Jugendzeit einen Link erhalten zur Webseite eines gewissen amer. Zeitgeistkritikers namens Seth Godin. Er ist offensichtlich sehr bekannt. Mir sagte der Name leider nichts. Nicht nur betreibt er einen Blog mit dem Namen „Seth’s Blog“, er schreibt auch unzählige Bücher, tingelt durch die Fernsehanstalten und weissagt über den Zerfall der Wirtschaftsstrukturen, wie wir sie bisher kennen. Er will uns mit anderen Worten ins 21. Jahrhundert führen, in eine Welt, wo keiner mehr mit einer Arbeit auf Lebenszeit rechnen kann.

Neulich „postete“ (notabene: Neudeutsch) Mr. Godin einen Blog über den Begriff Algorithmus, ein Thema, das auch mich in letzter Zeit wieder interessiert. Vielleicht deshalb, weil ich mich momentan frage, wieso YouTube immer weiß, a.) was ich für Videos sehen möchte…oder was dahintersteckt, wenn YouTube versucht mich b.) mit mir unbekannten Themen zu belabern – bzw. zu becircen. Die Sache ist mir unheimlich.

Das Gleiche Phänomen gilt für Amazon. Stets entscheidet Amazon – ohne mein Zutun – , welche Produkte meine „Lieblingsprodukte“ sind bzw. sein sollten.

Seth Godin liefert eine simple Antwort auf dieses verblüffende Prozedere: Alles liegt am Algorithmus. Sie wissen schon: Damit sind jene mathematischen Vorgangsweisen gemeint, die im Internet formelhaft angewendet werden, um uns mit unseren Interessen zu vereinen.

Godin zufolge haben Algorithmen nicht die Funktion, Information bzw. Wissen zu verbreiten, sondern lediglich unsere „Aufmerksamkeit“ („Attention“) willkürlich zu steuern. Ich zitiere:

“The algorithm needs to send attention somewhere, and for a while, it sent it over there. But it almost certainly won’t last. Because the ecosystem is changing, all the time.”

Zu Deutsch (dem Sinne nach): “Der Algorithmus muss diese (Ware namens) Aufmerksamkeit irgendwohin weiterbefördern, weshalb sie eine Zeitlang (quasi willkürlich) irgendwohin geschickt wird. Diese Verquickung hält allerdings nicht ewig. Denn das Ökosystem ist stets im Wandel begriffen.“

Und weiter:

“You can’t post on a same platform twice, because the second time, it’s not the same platform as it was last time.”

Neudeutsch: „Du kannst auf einer Plattform nie zweimal posten. Denn das zweite Mal ist die Plattform eine ganz andere.“

Seth stellt ebenfalls die Frage, wer die Strippenzieher sind? Facebook, Twitter usw. lautet seine Antwort. Ich möchte Google, Microsoft, Amazon etc. hinzufügen.

Ich bin mir nicht ganz sicher, was all dies mit Kanye Wests sehr teuren Sportschuhen zu tun hat. Ich bin dennoch überzeugt, dass da etwas ist, was uns diese Air Yeezy Prototypen von West belehren könnten.

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