Heute pauken wir den Wortschatz der Gleichberechtigung, liebe Lernende. Ich brauche nicht zu betonen, wie wichtig es ist, diesen Wortschatz zu meistern. Umso mehr, falls Sie zu den Privilegierten gehören…was ich allerdings nicht wissen kann. Denn ich sehe Sie nicht.
Aber lange Hose kurze Beine. Jetzt ans Eingemachte!
Im Grunde möchte ich lediglich das mit Ihnen teilen, was ich selber neulich gelernt habe. Ich bin nämlich in der Wochenendausgabe der Münchener Abendzeitung ( „AZ“ genannt) auf ein Interview mit der Filmemacherin Doris Dörrie gestoßen. Frau Dörrie leitet ein Seminar über „weiße Privilegiertheit“.
Es scheint wohl eine neue Vokabel zu sein, diese „Priviligiertheit“. Man hätte wahrscheinlich in Altdeutsch „Privileg“ oder noch besser „Bevorzugung“ oder „Sonderrechte“ gesagt.
Aber die Zeiten ändern sich nun mal und ebenfalls die Sprache.
Wie schon gesagt. Ich kann nicht wissen, wer meine Leser sind – erst recht nicht, ob sie privilegiert sind oder nicht…oder ob sie überhaupt Menschen sind. Manche könnten Bots sein. Kommt heute immer häufiger vor.
Hier geht es lediglich darum, Ihnen mit dem passenden Wortschatz zum Thema aufzuwarten. Denn die AZ hat nämlich mit dem erwähnten Interview ein kleines „Glossar“ des „Privilegiertheitsseins“ mitgeliefert. Da findet man alle wichtigen Termini, die „Privilegierten“ (gemeint sind „privilegierte Weißen“) verhelfen sollten, Ihrer Privilegien bewusst zu werden. Hier nun einige Beispiele:
Oben auf der Liste steht „critical Whiteness“. Ich bin mir leider nicht sicher, ob dieser Begriff bereits die Dudenaufnahmeprüfung bestanden hat. Sicherlich wird das bald der Fall sein. Im früheren Deutsch hätte man dieses Konzept vielleicht mit „Selbstkritik seitens weißhäutiger Europäer bezüglich ihrer besonderen Privilegien in der europäischen Gesellschaft“ wiedergegeben.
Zugegeben: „Critical Whiteness“ sagt all dies viel knapper. Vielleicht deshalb sind manche der Meinung, man sollte diese umständliche dt. Sprache endlich zu Grabe tragen, und stattdessen Englisch reden.
Als Gegensatz zu den privilegierten Weißen findet man im Glossar „POC“. Damit sind „people bzw. person of color” gemeint. Das sind diejenigen, die wegen der Privilegiertheit der Weißen eben unterprivilegiert bzw. unprivilegiert sind.
Die Lösung zu dieser Problematik – so das Glossar – wäre für den weißen Privilegierten „color blindness“ zu praktizieren, also Farbenblindheit.
Aber Achtung! Bevor Sie mit obigen neuen Begriffen losziehen, folgender Hinweis: Es gibt nämlich in meiner engl. Muttersprache den Begriff „colored people“ – singular: „colored person“. Diese Formulierung darf man ja nicht mit „people/person of color“ verwechseln. Das wäre ebenso tückisch wie „schwül“ mit „schwul“ zu verwechseln – was übrigens manche Menschen mit Migrationshintergrund – unabhängig von ihrer Hautfarbe – tun.
Und letztlich steht im Glossar folgender Terminus „kulturelle Aneignung“. Falls Sie mit diesem Begriff keine Erfahrung haben, hier die Erklärung. Ich zitiere: „…die Übernahme und Beschreibung fremder Kulturen und Lebenswirklichkeiten durch KünstlerInnen, die dieser Lebenswirklichkeit selbst nicht angehören.“
Ich wünschte, ich könnte obige Definition verstehen. Wenn ich mich nicht irre, bedeutet es, dass ich als Amerikaner die Werke von Goethe ins Englische nicht übersetzen dürfte, weil ich Wolfgangs Lebenswirklichkeit nicht angehöre. Oder habe ich etwas falsch verstanden?
Lustigerweise hat ein Albaner, dessen Familie viele Jahre in München lebt, einen Leserbrief zum erwähnten Interview geschrieben. Er sei zwar weißhäutig, schreibt der Münchner mit Balkan Migrantenhintergrund, habe sich aber nie als privilegiert empfunden. Im Gegenteil. Er musste ständig gegen Vorurteile kämpfen.
O o. Jetzt wird's schwierig. Was sagen Sie dazu, Frau Dörrie?
Comments
Täter-Opfer-Umkehr
Die unausgegorene, gewollt transatlantische Terminologie vergisst natürlich die, Albaner, Bosnier oder Kroaten, die hier undifferenziert zu Tschuschen gemacht werden. Die Geschichte der Bevölkerungsgruppen ist überall anders. Warum nicht von Altbayern „critical Wessiness“ gegenüber den Ostdeutschen einfordern?
Wir leben in einer Welt, in der jeder sein Geschlecht frei wählen und Amplebreasting betreiben darf, aber die auslegungsfähigere Hautfarbe in Stein gemeißelt scheint und das Blackfacing der Zwarte Pieten die unheiligen Absichten des niederländischen Nikolauses demaskieren soll. Vielleicht findet ja bald eine Täter-Opfer-Umkehr neuen Stils statt und die angeschwärzte Kulturfreiheit der amerikafernen Niederländer mit ihrer eigenen Geschichte wird wieder Menschenrecht. Dann sind die Einzeltäter die, die sich heute als Retter der Gruppenopfer gerieren.
Die Regeln der alten Sittenwächter waren wenigstens einhaltbar, denn sie besaßen eine Gültigkeit von Jahrhunderten und waren mitsamt ihrer stabilen Begrifflichkeit allen vertraut. Insofern ein Vorläufer der Rechtsstaatlichkeit, die jetzt von der ochlokratischen Shitstormtyrannei abgelöst wird.
Komische Phase,
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