Vor ein paar Tagen stieß ich in einer Schweizer Zeitschrift auf die Formulierung „die Political-Correctness“. Ich wurde gleich stützig. Denn eigentlich hatte ich hier mit dem Artikel „das“ gerechnet.
Meine Begründung: Das englischsprachige Suffix „-ness“ ist eindeutig mit dem dt. Suffix „-nis“ verwandt. Da man, z.B., „das Missverständnis“ sagt, könnte man schließen, dass...Okay. Ich gebe zu. Das mit „-nis“ haut nicht jedes Mal hin. Denken Sie an „Säumnis“, das (die) so wohl „die“ als auch „das“ Säumnis heißen kann. Ein „Hindernis“ bleibt allerdings immer ein Hindernis.
Hmm, überlegte ich. Vielleicht sagt man nur in der Schweiz die Political-Correctness, zumal die Schweizer „das Email“, und nicht wie in Deutschland „die Email“ sagen. Sie machen manches gern anders als die Deutschen.
Der Deutsche denkt an „die Post“ (warum nicht an „der Brief“?), während der Schweizer „das Schreiben“ im Kopf hat. Keine Ahnung.
Nach diesen kurzen Betrachtungen fragte ich meine Frau, welcher Artikel für sie zu „Political-Correctness“ am besten passt.
„Klar“, antwortete sie ohne lang zu zögern. „Es heißt die Political Correctness“.
„Aber warum?“
„Weiß ich nicht“, antwortete sie, als hätte man kein Bedürfnis (notabene: Neutrum) auf so eine Frage zu antworten. Deutschmuttersprachler reagieren stets lässig, wenn sie etwas über ihre Sprache verstehen, das dem Migrantler nicht logisch erscheinen kann. Es steckt natürlich eine Portion Sadismus in so einer Reaktion. „Es ist einfach so.“
(Upps! Eigentlich müsste ich im Jahr 2020 „DeutschmuttersprachlerInnen“ schreiben. Alles sonst wäre für Studierende der dt. Sprache gar nicht politisch korrekt und führte langfristig in die Irre).
Aber zurück zu meiner Frau. Denn auf einmal bemühte sie sich freundlicherweise doch um eine Antwort. Vielleicht hat sie mir meine linguistische Verzweiflung angesehen. „Wahrscheinlich heißt es ‚die‘ und nicht ‚das‘ Political-Correctness, weil man an ‚die‘ politische Korrektheit denkt. So würde ich jedenfalls argumentieren.“
„Sag ehrlich. Kommt es dir nicht ein bisschen wunderlich vor, dass ausgerechnet der Begriff ‚Political- Correctness‘ in der deutschen Sprache weiblich ist? Als verträte der Begriff ausschließlich der Interessen von Frauen? Wenn du mich fragst, sollte ‚Political-Correctness‘ – wenigstens aus Gründen der Fairness – neutral sein. Oder?“
„Ach! Diese männliche Überempfindlichkeit! Aber wieso? Es ist halt, wie es ist. Schau. Gerade hast du ‚Fairness‘ gesagt. Fällt dir nicht auf, dass auch ‚Fairness‘ weiblich ist?“
„Irgendwie unfair.“
„Ich weiß, was du meinst, mein lieber Mann. Aber auch du betonst immer wieder, dass keine Sprache fair sein kann.“
Natürlich hatte meine Frau recht. Sprache ist in dem Sinne unfair. Noch dazu: Sie ist selten logisch!
Und daher folgende Überlegung: Wenn Sprache weder fair noch logisch ist, warum wird sie in den letzten Jahren so arg zurechtgebogen, um eine sprachliche Fairness künstlich zu äffen? Sie wissen mit Sicherheit, was ich damit meine.
Upps! Habe ich „äffen“ geschrieben? Hoffentlich sind keine Spione von PETA in der Nähe. (Achtung! Heißt es „der“, „die“ oder „das“ PETA? „People for the ethical treatment of animals”). Sonst droht heftige und möglicherweise gefährliche Kritik.
Nebenbei: Wie lautet die Mehrzahl von „SpionIn“?
Stopp! Heute schwadroniere ich nicht über die Gender-Correctness, die momentan die bekanntesten europäischen Sprachen pandemisch befallt. Vielleicht ein anderes Mal.
Die gute Nachricht: Endlich weiß ich, dass „Political-Correctness“ weiblich ist. Den Fehler mit dem das PC mache ich bestimmt nie wieder.
„Hilfe! Kann mir jemand bloß sagen, was ich mit meinem Leben anfangen soll?!“
Sie kennen diese Problematik vielleicht, liebe Lesende? Denn es scheint sich tatsächlich um eine sehr verbreitete Zeitgeistkrise ums eigene Dasein zu handeln – im anno Coronae I nochmals verschärft.
Doch keine Sorge. Sie sind beim Sprachbloggeur, wo jedes Jammern fremd ist. Hier suchen wir nach Lösungen. Hier schwelgt man nie in Larmoyanz.
Daher die vorliegende Lebenshilfe – bzw. mein Tipp: Werden Sie YouTube-Influencer!
Wer heute ziellos durch die steinigen Schleusen des Lebens abprallt, hat dank WehWehWeh größere Chancen denn je zu reüssieren. Man kann sich nämlich selbst zu einem vermarktbaren Produkt machen!
Hoffentlich klingt das nicht verrucht…als würde ich eine Art Prostitution empfehlen. Weit davon entfernt natürlich! Der Influencer braucht nie intime Körperteile preiszugeben. Fakt ist: Ein YouTube-Influencer darf keine intimen Körperteile entblößen.
Es geht lediglich um Einflussnahme, wie das Wort „Influencer“ schon sagt.
Was für Einfluss? Denn mit etwas muss man ja bezirzen! Nicht wahr?
Die besten Chancen für einen raschen Erfolg (Betonung auf „rasch“) hat ein Einflussnehmer, wenn er (oder sie) noch jung und hübsch ist. Hilfreich ist auch, wenn man sich sparsam bekleidet (Badeanzug, Shortshorts usw.). Denn er (oder sie) beeinflusst am besten, der versteht des Publikums Sehnsüchte zu erwecken.
Junge Männer (solange sie noch niedlich sind) finden ihre „Beeinflussten“ hauptsächlich in den Reihen der Teenie-Mädchen, was verständlich ist. Der Beeinflusser muss lediglich über Persönliches erzählen und irgendwie charmant wirken. Man redet, z.B., über Dating oder übers Verliebtsein. Auch persönliche Probleme kommen gut an. Etwa: „Ich leide unter einer Körper-Dystrophie“. Wer nicht weiß, was das ist (ich, zum Beispiel): Die „Körper-Dystrophie“ beschreibt eine Unzufriedenheit mit Teilen des eigenen Körpers (Beine zu kurz, Nase zu groß usw.).
Auch junge, reizende Frauen dürfen über obige Themen vortragen. Dazu hätten sie auch andere brennende Themen: Etwa Erfahrungen mit Make-up, Diät, Körperertüchtigung, wie man Cellulite am Po strafft – vielleicht verraten sie auch Peinlichkeiten über ihre „Tage“.
Junge (männliche)Homosexuelle (insbesondere, wenn sie noch niedlich und charmant sind) finden ebenso mühelos ein großes Publikum. (Auch Mädchen zählen zu ihren Fans – träumen davon, sie „umzupolen“). Diese Jungs können, z.B., übers „coming out“ erzählen oder über ihre Sehnsucht nach einem Partner, übers Dating schlechthin oder über den gescheiterten Versuch „es“ mit dem anderen Geschlecht zu realisieren.
Und hier noch ein Lieblingsthema für alle junge Influencer**I**nnen: Sie interviewen Mama und Papa und stellen Fragen wie: „Wann hast du es zum ersten Mal gemacht?“, oder „Wie viele Partners hast du gehabt?“, „Hast du Drogen genommen?“ etc.
Die Klickzahl, die man (oder frau) für die oben erwähnten Selbstdarstellungen erreicht, schnellen im Nu in Millionenhöhe hoch. Im Ernst.
Wissen Sie, was das bedeutet? Ja! Bald klingelt es in der Kasse! Tsching! Tsching!
Denn Influencing ist zum big business geworden. Einflussnehmer mit hohen Besucherzahlen bekommen Geld für ihre Redseligkeit, und zwar durch Werbung. Als Influencer können Sie sogar s e h r reich werden!
Bisher klingt es vielleicht, als wäre Influencing lediglich ein Geschäft für junge und hübsche Knaben und Mädchen. Weit davon entfernt! Man darf in jedem Alter sein – auch alt und runzlig! Und trotzdem kann man Einfluss nehmen! Man braucht lediglich ein „Produkt“, das man verkaufen kann. Und die meisten Influencer dürfen sogar anständig angezogen bleiben. Verschwörungstheorien zum Beispiel! Das wäre ein gutes Thema. Oder Aktivismus! Oder Sie bewerten Produkte wie Fotoapparate, Handys, Rechner etc. etc. Oder Sie zeigen Videos von verrückten Dingen: z,B., von Kindern, die vom Fahrrad runterplumpsen, vom Fuchs im Garten, der von der Hausmieze verjagt wird, vom Enkelkind, das stepptanzt oder Cola aus der Nase schnäuzt usw.
Sie sehen: Für jeden Topf sein Deckel! Dazu auch eine Aufgabe fürs Leben! Und nicht zu vergessen: Geld! Geld! Geld!
„Hilfe! Kann mir jemand bloß sagen, was ich mit meinem Leben anfangen soll?!“
Sie kennen diese Problematik vielleicht, liebe Lesende? Denn es scheint sich tatsächlich um eine sehr verbreitete Zeitgeistkrise ums eigene Dasein zu handeln – im anno Coronae I nochmals verschärft.
Doch keine Sorge. Sie sind beim Sprachbloggeur, wo jedes Jammern fremd ist. Hier suchen wir nach Lösungen. Hier schwelgt man nie in Larmoyanz.
Daher die vorliegende Lebenshilfe – bzw. mein Tipp: Werden Sie YouTube-Influencer!
Wer heute ziellos durch die steinigen Schleusen des Lebens abprallt, hat dank WehWehWeh größere Chancen denn je zu reüssieren. Man kann sich nämlich selbst zu einem vermarktbaren Produkt machen!
Hoffentlich klingt das nicht verrucht…als würde ich eine Art Prostitution empfehlen. Weit davon entfernt natürlich! Der Influencer braucht nie intime Körperteile preiszugeben. Fakt ist: Ein YouTube-Influencer darf keine intimen Körperteile entblößen.
Es geht lediglich um Einflussnahme, wie das Wort „Influencer“ schon sagt.
Was für Einfluss? Denn mit etwas muss man ja bezirzen! Nicht wahr?
Die besten Chancen für einen raschen Erfolg (Betonung auf „rasch“) hat ein Einflussnehmer, wenn er (oder sie) noch jung und hübsch ist. Hilfreich ist auch, wenn man sich sparsam bekleidet (Badeanzug, Shortshorts usw.). Denn er (oder sie) beeinflusst am besten, der versteht des Publikums Sehnsüchte zu erwecken.
Junge Männer (solange sie noch niedlich sind) finden ihre „Beeinflussten“ hauptsächlich in den Reihen der Teenie-Mädchen, was verständlich ist. Der Beeinflusser muss lediglich über Persönliches erzählen und irgendwie charmant wirken. Man redet, z.B., über Dating oder übers Verliebtsein. Auch persönliche Probleme kommen gut an. Etwa: „Ich leide unter einer Körper-Dystrophie“. Wer nicht weiß, was das ist (ich, zum Beispiel): Die „Körper-Dystrophie“ beschreibt eine Unzufriedenheit mit Teilen des eigenen Körpers (Beine zu kurz, Nase zu groß usw.).
Auch junge, reizende Frauen dürfen über obige Themen vortragen. Dazu hätten sie auch andere brennende Themen: Etwa Erfahrungen mit Make-up, Diät, Körperertüchtigung, wie man Cellulite am Po strafft – vielleicht verraten sie auch Peinlichkeiten über ihre „Tage“.
Junge (männliche)Homosexuelle (insbesondere, wenn sie noch niedlich und charmant sind) finden ebenso mühelos ein großes Publikum. (Auch Mädchen zählen zu ihren Fans – träumen davon, sie „umzupolen“). Diese Jungs können, z.B., übers „coming out“ erzählen oder über ihre Sehnsucht nach einem Partner, übers Dating schlechthin oder über den gescheiterten Versuch „es“ mit dem anderen Geschlecht zu realisieren.
Und hier noch ein Lieblingsthema für alle junge Influencer**I**nnen: Sie interviewen Mama und Papa und stellen Fragen wie: „Wann hast du es zum ersten Mal gemacht?“, oder „Wie viele Partners hast du gehabt?“, „Hast du Drogen genommen?“ etc.
Die Klickzahl, die man (oder frau) für die oben erwähnten Selbstdarstellungen erreicht, schnellen im Nu in Millionenhöhe hoch. Im Ernst.
Wissen Sie, was das bedeutet? Ja! Bald klingelt es in der Kasse! Tsching! Tsching!
Denn Influencing ist zum big business geworden. Einflussnehmer mit hohen Besucherzahlen bekommen Geld für ihre Redseligkeit, und zwar durch Werbung. Als Influencer können Sie sogar s e h r reich werden!
Bisher klingt es vielleicht, als wäre Influencing lediglich ein Geschäft für junge und hübsche Knaben und Mädchen. Weit davon entfernt! Man darf in jedem Alter sein – auch alt und runzlig! Und trotzdem kann man Einfluss nehmen! Man braucht lediglich ein „Produkt“, das man verkaufen kann. Und die meisten Influencer dürfen sogar anständig angezogen bleiben. Verschwörungstheorien zum Beispiel! Das wäre ein gutes Thema. Oder Aktivismus! Oder Sie bewerten Produkte wie Fotoapparate, Handys, Rechner etc. etc. Oder Sie zeigen Videos von verrückten Dingen: z,B., von Kindern, die vom Fahrrad runterplumpsen, vom Fuchs im Garten, der von der Hausmieze verjagt wird, vom Enkelkind, das stepptanzt oder Cola aus der Nase schnäuzt usw.
Sie sehen: Für jeden Topf sein Deckel! Dazu auch eine Aufgabe fürs Leben! Und nicht zu vergessen: Geld! Geld! Geld!
Sind Sie eine Minderheit?
Ich schon. Ich bin zum Beispiel Linkshänder. Haben Sie gewusst, dass wir Linkshänder diskriminiert werden? Im Ernst. Ob Gemüseschäler ATM-Maschinen, einarmige Banditen, Schraubenzieher…fast alles dreht sich um die Fingerfertigkeit des Rechtshänders.
Ist Ihnen jemals aufgefallen, dass eine Füllfeder…besser gesagt: die Schrift selbst… für Rechtshänder günstiger zu handhaben ist?
Wenn ich einen Füller in die Hand nehme, verschmiere ich fast immer!
Noch schlimmer: Keiner scheint sich für meine schwierige Lage zu interessieren. Wir Linkshänder haben nämlich keine Lobby! Nicht einmal bei den Grünen, die meistens ein Herz für Minderheiten haben!
Ich bin aber kein Jammerer. War nie einer, was vielleicht schade ist. Denn die Jammerer (und viele Minderheiten jammern gern) sehen ihre Gesichter in der Zeitung oder in den Online-Nachrichten und dürfen ergiebig über eine gefühlte Diskriminierung abreagieren. Und dann zack! Es erscheinen lauter Seite-Drei-Artikel über die diskriminierten Jammerer.
Sie sagen: Ich bin eine Minderheit. Ich werde diskriminiert. Ich fühle mich in diesem Land nicht akzeptiert…etc.
Wie gesagt. Ich jammere nicht. Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass ich eine Minderheit bin.
Ach ja. Hab ich beinahe vergessen! Ich bin auch Ausländer, was auch eine anerkannte Weise ist, eine Minderheit zu sein. Upps! Hab vergessen. „Ausländer“ sagt man nicht mehr. Ich meine, ich bin Mitbürger mit Migrantenhintergrund. Manche von uns – ich meine Leute mit einem Migrantenhintergrund – jammern gerne, weil sie keine Inländer sind.
Man fühlt sich als Migrantler (bzw. Migrantlerin) diskriminiert, wenn, z.B., einer, der keinen Migrantenhintergrund hat, einen, der doch einen Migrantenhintergrund hat, fragt, woher diese(r) kommt. Prompt fühlt man sich diskriminiert, weil dadurch auf den eigenen Minderheitstatus aufmerksam gemacht worden ist.
Einmal – das war schon lange her – suchte ich nach einer Wohnung. Ich stieß in der Zeitung (damals gab es noch kein Internet) auf eine Annonce, die eine Wohnung, die mich interessiert hätte, inserierte. Also rief ich an (damals gab es auch keine Handys), um mich über die Wohnung näher zu informieren.
Die Dame am anderen Ende der Strippe vernahm sofort, dass ich einen Migrantenhintergrund hatte und sagte: „Es tut mir leid. Ich vermiete nicht an Ausländer.“ (Damals gab es den Begriff „Mitbürger mit Migrantenhintergrund nicht“).
Wissen Sie, was ich antwortete? Ich sagte: „Gute Dame, ich bin kein Ausländer. Ich bin Amerikaner!“
Mei. Das hat ins Mark getroffen. Sie wusste nicht, wie sie antworten sollte. Es dauerte eine Weile, dann sagte sie: „Ach. Oh. Ahh. Ja, mein Schwager lebt in Brooklyn.“ Notabene: Brooklyn ist ein Stadtteil in New York. In New York, liebe Leser, sind auch Sie der Ausländer, will sagen, der „foreigner“. Ich aber nicht.
Notabene: Amerikaner gelten manchmal hier in Deutschland nicht immer als richtige Ausländer. Das kommt daher, dass wir bis Corona die stärkste Macht auf der Welt waren und ehemalige Besatzungsmacht obendrein. Na ja, die Macht kommt, die Macht vergeht. Kluge Amerikaner konnten schon immer die „Amerika-Karte“ spielen, wenn sie in Deutschland Probleme hatten. Dies half allerdings nicht immer. Als ich einmal mein Buch „Wie ich die deutsche Sprache eroberte“ einem angesehenen dt. Verlag zur Publikation angeboten hatte, bekam ich die Antwort von einer Lektorin. „Sie schreiben witzig und schön und obendrein mit Tiefgang. Nur leider sind sie der falsche Ausländer.“
By the way: Eins lassen die „Biodeutschen“ nie aus der Hand – und das gilt auch für die Anhänger**Innen der Willkommenskultur: nämlich die dt. Sprache selbst. Gelingt es einem (bzw. einer) Ausländer(in) die dt. Sprache – in Wort und Schrift – zu „erobern“, ist das für einen „Biodeutschen“ selten eine Freude. „Ja, Sie schreiben ein s c h ö n e s Deutsch!“, heißt es…als hätte der Affe das Reden gelernt (s. Kafka).
Als ich einmal mit meinem Textchef (damals war ich Zeitschriftjournalist) über eine knifflige Formulierung diskutieren wollte, erwiderte er blitzschnell: „Nein, so nicht. Schließlich ist es unsere Sprache, Herr Blumenthal, nicht Ihre.“ Ende der Diskussion.
Und jetzt verstehen Sie ein wenig, wie es ist, liebe Lesende, eine Minderheit zu sein.
In meinem Fall ist das Minderheitsdasein besonders vielfältig, und ich habe bisher nur einige meiner Qualifikationen preisgegeben. Hier aber noch ein Beispiel: In meiner Jugend hatte ich – und nun wird es sehr persönlich – einen Bauchnabel, der sich nach außen erhob wie ein Pfropf. Das nannten wir in New York ein „outie“. Es war nur eine Minderheit von Menschen, die einen solchen Bauchnabel hatten. Mit den Jahren aber bin auch ich zum „innie“ geworden. Es ist einfach so passiert. Keine Ahnung, wie.
Sie können es sich kaum vorstellen, wie schön es ist – zumindest auf einem Gebiet – keine Minderheit mehr zu sein!
Wir schreiben nicht nur anno Coronae I, sondern – falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist – gleichfalls anno sancti Floydii I, weshalb eifrig nun nach Zeichen und Symbolen des Rassismus geahndet wird. Liebgewonnene Denkmäler werden gestürzt, Opfer jeglicher gefühlten Diskriminierung verkaufen ihre traurigen Geschichten an Zeitungen und Verlage, erzählen über YouTube, Twitter etc. etc. Nix ist wie es war.
In diesem Sinne möchten nun die Grünen/Bündnis90 mittels einer Unterschriftsaktion dazu beitragen, das Wort „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen. „Es gibt keine Rassen, es gibt nur Menschen“, heißt es auf deren Webseite.
Angesichts dieser Sachlage fühle ich mich nun als Sprachbloggeur verpflichtet, Folgendes zu fragen: Was ist eigentlich eine „Rasse“? Und nun folgt etwas Sprachgeschichte…
Das Wort „Rasse“, so unschuldig wie dieser Text, kursiert durch die europäischen Sprachen mindestens seit dem 15. Jh. im Sinne von „Stamm“, „Nation“ oder „Ethnie“: auf Französisch (race), auf Spanisch (raza), auf Italienisch (razza) usw. Möglich ist, dass das lateinische „radix“ („Wurzel“) oder das arabische „ra’as“ („Kopf“) als Ahnherr dahintersteckt. Egal. Fest steht: Gäbe es diesen Begriff nicht, hätte man es neu erfinden müssen. Alles braucht einen Namen.
Doch nun ein Sprung ins 19. Jh. Und jetzt geht’s los…
Darf ich vorstellen: den französischen Grafen Arthur de Gobineau (1816-1882).
Aus Gründen, die ich im Detail leider vergessen habe, litt der junge Arthur an etwas, was man heute als „Minderwertigkeitskomplex“ bezeichnen würde.
Diese Gemütsstörung Gobineaus wurde offenbar verschärft, weil der dünnhäutige Arthur an die Herkunft seiner Mutter, eine Kréolin – also teils europäische, teils afrikanische Abstammung – litt. Denn sonst floss durch die Adern der Familie väterlicherseits nachweislich über endlose Generationen nur blaublutiges französisches Adelsblut.
Vielleicht deshalb kam dieser mürrische junge Mensch Mitte der 1850er Jahre auf die Idee, sein „Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen“ zu verfassen. Mit „Menschenrassen“ meinte er allerdings nicht das, was Sie denken.
Als „Toprasse“ für Gobineau galt nämlich die „Arier“. Und damit meinte er nicht die Deutschen. Diese betrachtete er als „Mischvolk“ aus Kelten und Slawen und von daher minderwertig. Reine Arier waren, z.B., Skandinavier oder blaublutige Franzosen wie seine Familie (väterlicherseits)! Klar, dass auch Juden zu den Untermenschen zählten.
„Rasse“ für Gobineau hatte wenig mit dem zu tun, was wir heute als „Menschenrassen“ bezeichnen. Seine Rassen waren eigentlich nur die traditionellen Stämme, Nationen und Ethnien der früheren Zeit. Siehe oben.
Gobineaus Buch wurde jedenfalls eifrig gelesen. Dem bekennenden „Rassisten“ Richard Wagner schmeckte die Theorie Gobineaus erwartungsgemäß wenig. Als Antwort darauf verfasste er ein eigenes Werk zum Thema, „Heidenthum und Christenthum“, bei dem die Deutschen eine höhere Wertstellung bekommen durften. Auch der Wagner-Schwiegersohn, Houston Stewart Chamberlain, legte ins Zeug, um eine eigene Rassentheorie – auch auf Ethnien basiert – aus dem Boden zu stampfen.
Und nicht zu vergessen: Wir schreiben hier das 19. Jh., d.h., das Zeitalter von Charles Darwin und vom sog. „social darwinism“, als sich viele Hobbywissenschaftler immer neue Theorien über die Evolution der „Menschenrassen“ zusammendichteten.
Ein Leser dieser Werke war leider der junge österreichische Gefreite Adolf H….
Genau genommen, weiß ich nicht, wer zuerst auf die Idee kam, die Menschheit als Ganzes in „Farben“, also „weiß“, „schwarz“, „gelb“ und „rot“, einzuteilen. Fest steht aber: Dieser neue Gebrauch des Begriffs „Rasse“ sollte den alten ablösen. Klar, dass es sich um eine Simplifizierung handelte. Immerhin: Es fehlte jegliche Wertschätzung! So habe ich’s in der Schule gelernt. Und wenn es dieses Wort nicht gäbe, müssten wir ein neues mit der gleichen Bedeutung erfinden!
(Kurz zu „Rassismus“. Die Endung „-ismus“ bedeutet immer, dass aus etwas – in diesem Fall das Wort „Rasse“ – eine Ideologie gemacht worden wird. Da sind wir aber wieder bei Gobineau, Chamberlain usw.)
Aber nun zurück zum Grundgesetz, wo mit juristischer Spitzfindigkeit jede Kategorie, bei der eine Diskriminierung möglich wäre, fein aufgelistet werden sollte. Insofern ist es logisch, dass auch das Wort „Rasse“ nicht fehlen durfte.
Macht sich das Grundgesetz durch den Gebrauch des Wortes „Rasse“ “ rassistisch“?
Hier nun Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. Nun dürfen Sie selbst ein Urteil über diese Frage fällen:
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen odeer politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“
In eigener Sache: Die nächsten paar Woche keine neue Beiträge. Bin auf Geheimmission.
Freund M. schlenderte letzte Woche an einem Modegeschäft irgendwo im Münchner Schwabing vorbei. Nicht ganz vorbei. Denn es stand eine schier endlose Schlange maskierter Menschen, die auf Einlass ins Geschäft warteten. M. wurde neugierig.
Da er weder schüchtern noch auf den Mund gefallen ist, fragte er einen Anstehenden höflich, worum es hier ging.
„Die neuen Sneaker von [Piiiip!! Piiiip!! Notabene: Keine Schleichwerbung beim Sprachbloggeur! Wir bleiben selbstständig und frei!] sind eingetroffen“, antwortete der Befragte, ein Mann, der – so hab ich’s verstanden – zwischen 25 und 30 war.
„Man steht an, um Sneaker zu kaufen? Sind sie so besonders?“ fragte M.
„Es handelt sich um eine limitierte Edition der Firma [Piiip!!]“, erklärte der maskierte Kunde.
„Darf ich fragen, was diese Sneaker kosten?“
„220 Euro.“
„Im Ernst?“
„Klar.“
Am nächsten Tag rief mich M. an: „Du. Ich hätte für dich ein Thema für dein Bloggeur-Dings.“ Dann erzählte er mir obige Geschichte. Nicht nur. Er hatte die Sache noch ausführlicher recherchiert.
„Stell dir vor“, sagte er. „Manche dieser Sneaker können bis über 400 Euro kosten!“
Ich gebe zu. Das habe ich nicht gewusst.
„Nix aber für mich“, setzte er fort. „Ich mag lieber die schlichten Sneaker, weißt du, im klassischen Stil. Diese teuren – du sollst dir die Bilder anschauen – sind so klobig, so als würdest du die Schuhkartons anziehen. Potthässlich, wenn du mich fragst.“
„Ich besitze keine Sneaker“, antwortete ich. „Und du?“
„Nein, eigentlich nicht. Aber es wäre ein tolles Geschäft. Vor allem zu Corona-Zeit. Zum Beispiel für arbeitslos gewordene Künstler und Hoteliers…“
„…Du meinst: Sie könnten Sneaker verkaufen?“
„Ich sehe. Du verstehst von der Sache nichts. Man kann da Millionen verdienen. Schau, ich habe gelesen, dass die meisten Sneaker in Asien hergestellt werden…aber dann…dann werden sie nach Asien re-importiert und als europäische Modeartikel nochmals verkauft! Und dazu noch teurer! Ich sage Dir…Millionen könnte man verdienen! Außerdem kann man Sneaker nicht nur anziehen oder verkaufen. Man kann sie auch sammeln!“
„Wie sammeln?“
„Ja, du kaufst dir verschiedene Sorten, und bald kannst du ein Museum öffnen. Ich schwöre: Die Leute würden Geld ausgeben noch und nöcher, bloß um seltene Auflagen zu begaffen.“
„Was ist, wenn die Leute dann das Interesse verlieren? In den USA vor 30 Jahren gab es diese mit Linsen oder so was gefüllten Kleintiere – sie hießen ‚Beanie Babies‘ und waren damals der letzte Schrei. Manche wurden nur in kleinen Zahlen produziert und erzielten Preise von über tausend Dollar (heute wären das zweitausend oder noch mehr). Und dann eines Tages: Paff! Der Zauber war weg. Die zu produzieren, kostete übrigens nur ein paar Cents; und plötzlich hatten sie wieder einen Wert von nur ein paar Cents. Könnte auch mit Sneakern passieren…“
„Mag sein, deswegen jetzt einsteigen und schnell wiederverkaufen“, sagte M. „Sonst könnte es werden wie die Tulpenmanie in den Niederlanden im 17. Jh..“
„Eben…“
„Oder vielleicht doch nicht…“
Liebe Sneaker-Fans. Ich werde dieses Gespräch jetzt abbrechen. Das Wichtigste wurde ohnehin schon gesagt, und bisher hatte all dies nix mit Sprache zu tun. Diesen Missstand werde ich nun richten. Schließlich bin ich ein Sprachbloggeur.
Fakt ist: Während des ganzen Gesprächs rebellierte mein englischsprachiges Ohr gegen das Wort „Sneaker“ im Sinne von ein Paar „Turnschuhe“.
Denn für mich klingt das Wort „Sneaker“ wie die Hälfte eines Paars“. Sneaker“ ist auf Englisch ein Singular. Nur auf Deutsch wird es als Mehrzahl gebraucht, was in Ordnung ist – im Deutschen. Man sagt: „ein Läufer“ und „zwei Läufer“. Nein, das ist kein gutes Beispiel. Heute hieße es zwei „LäuferInnen“. Bei „Räuber“ wirkt das Beispiel besser: „ein Räuber“, „zwei Räuber“. Für mein Ohr aber muss dieses Schuhwerk – wie auf Englisch – in der Mehrzahl „die Sneakers“ heißen. Sonst fehlt etwas Sinngebendes: wie eine Butterbreze ohne die Butter.
Nebenbei: Ich weiß nicht, warum diese Fußbedeckung „Sneaker“ (bzw. „Sneakers“) heißen. Denn „to sneak“ bedeutet auf Englisch „schleichen“. Mit Sneakern schleicht man aber nicht – erst recht nicht, wenn sie so klobig sind. In meiner Kindheit sagte man, dass du mit Sneakers schneller rennen könntest als mit normalen Schuhen, was wahrscheinlich auch gestimmt hat. Lederschuhe waren nämlich viel schwerer als Sneakers. Nebenbei: Können Sie sich erinnern, als die Sneaker in Deutschland „Sportschuhe“ und „Turnschuhe“ hießen?
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe nix gegen die neue Mode. Was ich hier schreibe, ist eigentlich nur ein Plädoyer für den Gebrauch des Wortes „Sneakers“ auch in der dt. Sprache. Ist das zu viel verlangt? Ich hoffe, ich habe Sie beeinflusst.
Verdammt! Alles für die Katz! Am Schreibtisch wollte ich endlich für Ordnung sorgen, aber am Schluss nur neues Chaos!
Zur Sache: Ich habe vor etlichen Tagen einen kurzen Artikel über Kim Kardashian (nein, mit Kim Jong Un nicht verwandt) aus der Zeitung ausgeschnitten. Doch jetzt find ich ihn in der neuen Schreibtischordnung nicht mehr!
Eins steht fest: Er war aus einem deutschen Tagesblatt, und KK wurde als „Reality-Star“ etikettiert. Was sonst im Text stand, hat mich eigentlich nicht besonders interessiert. Lediglich der Begriff „Reality-Star“. Und daher nun folgende Frage: Was ist ein „Reality-Star“? Ein „Wirklichkeitsstern“?
„Star“ besitzt, wie jeder weiß, längst den dt. Pass (anders als ich) und wird gendergerechterweise für Menschen beider Geschlechter verwendet (von daher gibt es keine „StarInnen“) und weist üblicherweise auf Menschen aus der Unterhaltungsindustrie hin, die es bis nach ganz oben geschafft haben, die ja leuchten! Die dt. Sprache hat sogar mittlerweile in eigener Produktion ein Pendant zum Original, die Vokabel „Sternchen“, aus dem Boden gestampft, um – zugegeben abschätzig – jene Unterhaltungspersonen zu kennzeichnen, die schlussendlich als Sternschuppen runterpurzeln. „Starlets“ heißen sie auf Englisch. Auch das mittlerweile mit dt. Aufenthaltstitel.
So weit so gut. Ab jetzt aber wird’s philosophisch. Denn ich möchte wissen, ob das Wort „Reality“ im Begriff „Reality-Star“ irgendwie mit dem Konzept „Realität“ bzw. „Wirklichkeit“ verwandt ist.
Hoffentlich wird das, was nun folgt, Sie nicht ganz erschrecken. Denn ich werde an dieser Stelle den ersten Satz aus einem Traktat des österreichischen Philosophen Ludwig Wittgenstein zitieren. Sein Buch „Über Gewissheit“ fängt nämlich folgendermaßen an: „Wenn du weißt, dass hier eine Hand ist, so geben wir dir alles übrige zu.“
Wittgenstein untersucht in seinem Buch den Begriff „Gewissheit“. Seine Aufforderung an ein unbestimmtes „Du“ lautet also: Dieser möge die Gegenwärtigkeit (sprich „Realität“) einer Hand nachweisen. Falls dieses „Du“ dies könne, so sei dann auch Wittgenstein bereit, die Gegenwärtigkeit alles Sonstigen zuzugestehen.
Alles klar?
Und jetzt zurück zur Berufsbezeichnung von Kim Kardashian: „Reality-Star“.
Soll man darunter verstehen, dass diese Dame besonders befestigt in der Wirklichkeit ist, so dass man sie praktisch als himmlische Leuchte erachten müsse? Wäre ja schön.
Da ich aber leider zu wenig über KK weiß, außer dass in Fotos oft ihre üppige Brustweite zur Schau gestellt wird, kann ich über sie persönlich nur wenig berichten, was aber ohnehin nicht so wichtig ist. Denn es geht hier lediglich um besagte Berufsbezeichnung und ihren Bezug zum Begriff der Realität.
Eigentlich keine einfache Sache, denn das mit der Realität kann wirklich kniffelig sein. Weshalb wir es nicht einmal als komisch empfinden, wenn einer wie Wittgenstein vorsichtig wird, eine Hand als Hand hinzunehmen.
Der einfachste Beweis dafür, ob eine Hand eine Hand ist, wäre freilich, denjenigen, der nach der Wirklichkeit seiner Hand fragt, bei der Hand zu packen und dann einfach kräftig reinzubeißen.
Wäre eine Lösung.
Und würde jemand KK (oder einen anderen Reality-Star) in die Hand beißen, wüssten wir auch sicherlich etwas mehr die Wirklichkeit.
Auch das ein Schritt näher an die Wirklichkeit.
Und jetzt sind Sie bestens gewappnet, ein eigenes Urteil über die Wirklichkeit und die Wirklichkeit als Show zu fällen. Und all dies nur deshalb, weil ich am Schreibtisch für Ordnung sorgen wollte.
Themenwechsel: Während wir auf die zweite Welle warten, lassen wir uns kurz pausieren und uns lieber anderen Dingen zuwenden. Okay?
Zum Beispiel das Gedankenlesen.
Nein. Hier kein Text über Kunststücke aus dem Varieté, wo der Swami genau errät, welche Spielkarte Sie gerade gezogen haben, indem er diese aus Ihren Gedanken abliest. Das kennen Sie, oder?
Oder vielleicht haben Sie‘s mal selbst erlebt: Sie sind mit einer anderen Person oder mit der Ehe- bzw. Lebensabschnittsperson zusammen. Keiner redet in dem Augenblick, aber plötzlich denken Sie an die leckere Pizza, die Sie letzte Woche beim Abholitaliener vertilgt haben.
Auf einmal sagt Ihr Gegenüber: „Mmm, ich esse Pizza für mein Leben gern.“
Nun die Frage: Hat die andere Person übers Thema Pizza zuerst gedacht, woraufhin Sie, sozusagen, deren Gedanken wie ein Rundfunkgerät empfangen haben? Oder hat die andere Person schlichtweg Ihren Gedanken abgelesen?
Ganz ehrlich: Die Antwort auf diese Frage ist sehr schwer zu ermitteln.
Ich erinnere mich an ein Buch. Es wurde, glaub ich, in den 1960er Jahren geschrieben. Leider habe ich den Titel vergessen. Es handelte von der Parapsychologie, was damals sehr modisch war. Auch das Gedankenlesen wurde im Buch thematisieret. Ist logisch. Damals herrschte noch kalter Krieg, und die Geheimdienste waren allesamt scharf darauf, sich diese parapsychologische Fähigkeit zu bemächtigen. Immerhin: Die Gedanken anderer zu lesen hätte gewisse Vorteile, vor allem in der Spionage. Doch auch – als es noch keine Phones und keine Mails gegeben hat – als Mittel, um wichtige Nachrichten schnellstmöglich auf den Weg zu verschicken.
Wenn ich mich noch entsinne, stand in diesem Buch eine Menge über die Recherchen sowjetischer Wissenschaftler auf diesem Gebiet. Eine hellseherische russische Frau spielte hier der Mittelpunkt der Forschung. Ich glaube aber, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung war. Leider vergesse ich, was genau das Haar in der Suppe war. Vielleicht war sie Trinkerin. Ich kann es beileibe nicht mehr rekonstruieren.
Aber wieso komme ich auf dieses Thema? Weil ich gerade in der Schweizer Weltwoche einen Text über einen Sprachwissenschaftler namens Balthasar Bickel von der Uni Zürich gelesen habe. Er führt nämlich Recherchen über ein Thema, dass er „Evolving Language“ nennt. Will sagen: Sein Institut untersucht das Phänomen des Gedankenlesens.
Diesem Prof. Bickel zufolge wird man in den nächsten zehn Jahren – zumindest im Labor – in der Lage sein, das zu verstehen, was eine Versuchsperson denkt. Man müsse lediglich, um dies zu bewerkstelligen, ein paar Elektroden ans Hirn anbringen.
Hier gebe es allerdings einen Haken – zumindest beim jetzigen Stand der Dinge: Will man einem die Gedanken mittels Elektroden hervorlocken, muss zuerst der Schädeldeckel abgetrennt werden. Das ist zum Glück beim heutigen Stand der Medizin ein Klacks! Kann jeder Medizinstudent schon im 3. Semester. Die Frage ist nur: Wie viele Testpersonen wären bereit, den eigenen Schädeldeckel lüften zu lassen, damit ein Halbgott in weißem Kittel seine Gedanken abzulesen vermag? Zweifelsohne gibt es welche, so wie es auch Leute gibt, die deklarieren, dass Bill Gates das Coronavirus aus dem Boden gestampft hat.
Zum Glück aber ist Bickel zuversichtlich, dass man bald in der Lage sein wird, die Gedanken anderer zu deuten, auch ohne Hilfe einer Kreissäge.
Vielleicht fragen Sie, was dieses Forschungsgebiet für einen Sinn hat? Und jetzt das Positive: Bickel hofft, z.B., dass durch diese Technologie eines Tages Menschen, die ihr Sprachvermögen durch einen Schlaganfall usw. verloren haben, verholfen werden könnten. Einen „Quantensprung in der Kommunikation, der evolutionär von größter Bedeutung ist“, meint er.
Sicherlich hätte auch das Zhōnghuá Rénmín Gònghéguó Guójiā Ānquánbù (chin. Geheimdienst) auch erhebliches Interesse an diese Technologie. Ebenfalls die Kollegen aus anderen Ländern.
Aber jetzt werde ich vielleicht zu spekulativ.
Ich hätte freilich als Sprachbloggeur ein paar ganz andere Fragen zum Thema. Etwa: Werden Gedanken als Sprache gesendet? Kommen sie als Worte an? Oder haben Gedanken eine eigene „Sprache“, die nichts mit Chinesisch, Deutsch, Englisch usw. zu tun hat?
Und was ist, wenn der Gedankensender eine andre Sprache redet als der Gedankenempfänger? Versteht der Empfänger die Botschaft dennoch? Oder unterscheiden sich die Gedankengrammatik und vielleicht der Gedankenwortschatz von Sprache zu Sprache?
Schon jetzt wird’s knifflig…und das gleich am Anfang unserer Gedankenspielerei…
Endlich Klarheit! Erst gestern hab ich in der Münchener Abendzeitung erfahren, wie gefährlich Sprache sein kann – besonders in anno Coronae I, also im ersten Jahr unseres neuen Zeitalters.
Es sind, so hieß es, vor allem die Zisch- und die Reibelaute (z.B.: sss, sch, fff, wwww usw.), die zu einem Schicksal bis zum Intubieren und zum noch Ärgeren führen könne.
Nur als Beispiel: Sprechen Sie den folgenden Satz langsam und deutlich vor einem trockenen Spiegel aus. Sie werden die heimtückische Wirkung Ihres verbalen Kommunikationsorgans auf frischer Tat ertappen: „Ach du freches Scheusal!“
Zwei Phänomena werden beim Gutachten des Spiegels auffallen: 1.) Besagter Spiegel wird wegen des Sprechakts anlaufen, was zweifelsfrei beweist, dass, gesetzt den Fall, Sie wären mit dem Coronavirus infiziert (Gott behüte!), so würden sie Schicksalskameradinnen schnell gewinnen und 2.) Auf der Spiegeloberfläche werden Sie Spuckspuren feststellen.
Kein Witz! Seit mehreren Wochen gibt mein Flötenlehrer – notgedrungen – Musikunterricht via Skype (hier übrigens keine Software-Schleichwerbung). Manchmal sitzt mein Lehrer mehrere Stunden vorm Bildschirm seines Laptops. Am Ende des Tages – so hat er es mir geschildert – muss er eine Schicht Spuckreste vom Display wischen wie Mücken von der Windschutzscheibe.
Nun, stellen Sie sich vor, wie es wohl sein muss, wenn man mit anderen im Gespräch ist – auch beim passenden Abstand. Logisch! Man wird vom Gegenüber ständig angehaucht bzw. angespuckt! So intim sind die zwischenmenschlichen Beziehungen, liebe Mitexistierende.
Hat der (oder die) andere jene verruchten Viren in petto, dann gute Nacht. Denn prompt entsteht die Möglichkeit einer Infektion!
Noch schlimmer ist laut der Abendzeitung das Lachen! Auf die Wirkung des Singens brauche ich gar nicht einzugehen.
Fest steht: Der Mund war schon immer die Erzschleuder der Menschengeschichte – für Gut und für Übel. Alles, was einem Mund entflieht, wird einen weiten Weg zurücklegen – egal, ob Lob oder üble Nachrede…oder Mikroben!
Hier ein Beispiel aus Amerika: Ein Freund wartete in seinem Wagen an der Ampel. Im Wagen vor ihm rauchte einer. Passiert oft. Ist eigentlich normal. Doch kaum erreichte der Zigarettenrauch Nase und Mund meines Freunds, erwägte er: Was ist, wenn der Raucher Corona-positiv ist? Oder noch schlimmer, eine jener Superschleuder? Zwar befand er sich vielleicht sieben oder acht Meter von besagtem Raucher entfernt, man kann es aber nie wissen.
Am übernächsten Tag ging es meinem Freund plötzlich schlecht und am Tag danach noch elender…so verliefen die nächsten drei oder vier Tage. Beinahe wollte er sein Testament schreiben. Allerdings: Er hatte weder Fieber noch Halsweh. Am fünften Tag war aber alles wieder gut. Man weiß es nie. Und in den USA kann das Testen ein teurer Spaß sein.
Oder noch ein Beispiel: Die Studenten in der Wohnung quergegenüber von mir verbringen viel Zeit auf dem Balkon. Manchmal sitze auch ich auf dem Balkon, Es liegen etwa zwölf Meter zwischen uns. An manchen Tagen schwebt der Marihuana-Rauch dennoch rüber zu mir. Ganz ehrlich: Mag ich den Geruch nicht. Es erinnert mich zu sehr an Stinktier, aber live and let live, gell?. Soll ich durch den Hof schreien: He! Bitte raucht eure Joints drinnen? Aber was wäre, wenn diese netten Kiffer virenpositiv wären? Was denn? Schließlich vermag ich den Rauch nur deshalb zu riechen, weil eine kräftige Lunge ihn in meine Richtung hingepustet hat!
Sprache hingegen riecht man nicht, aber sprechen tun fast alle – auch meine kiffenden Nachbarn – und gewiss mit vielen Zisch- und Reibelauten, wie es halt ist, wenn man sich in einer Sprache wie Deutsch unterhält. Bekomme auch ich vielleicht von ihrem Gespräch etwas ab (nicht mit!)? Ohne es zu riechen?
Die Sache ist äußerst heikel!
Meine Überlegung: Gibt es vielleicht eine sichere Sprache? D.h.: eine, die nicht so leicht infiziert wie etwa das Deutsch?
Natürlich denke ich spontan an meine englische Muttersprache. Doch – laut einem Experten (in der AZ zitiert) – ist das Englische eine besonders ansteckende Sprache. Das Wort „thunderstorm“ , z.B., könne ganze Legionen flachlegen.
Mit den slavischen Sprachen ginge es auch nicht. Denn da wird heftig gezischt. Auch Ungarisch geht auch nicht. Schade Und erst recht kein Französisch (Beispiel „Tour Eiffel“) oder Italienisch („paparazzi“).
Doch dann ist mir das Hawaiianisch eingefallen! Immerhin: Diese polynesische Sprache verfügt über sehr wenige Konsonanten und sehr viele Vokalen. Denken Sie an „aloha“ oder „Honolulu“ oder „kela a me keia“ (=“jeder“). Diese Hawaiianer hatten sogar mal eine Königin namens Liliuokalani!
Um die Welt so weit wie möglich coronafrei zu halten, würde es sich vielleicht lohnen, wenn wir alle Hawaiianisch redeten. Das wäre mein Vorschlag.
Ich hoffe, dass ich Sie mit diesem Text ein bisschen aufgeklärt habe. Wie jeder (kela a me keia) weiß (oder wissen soll): Das Reden war schon immer gefährlich aber das Schweigen noch gefährlicher!
Hallo, Gott hier. Nein, ihr Fanatiker! Nicht gleich den Sprachbloggeur der Gotteslästerung bezichtigen. Er hat momentan genug auf dem Buckel.
Ich sollte mich vielleicht deutlicher ausdrücken. Eigentlich bin ich nicht das, was ihr üblicherweise unter „Gott“ versteht. Ich bin hier lediglich eine Stimme. Noch nie vom brennenden Busch gehört? Wahrscheinlich nicht. Wer ist denn heute noch bibelfest? Und welcher Verlag käme heute auf die Idee, die Bibel zu veröffentlichen, wenn es ganz frisch wäre, ohne es an manchen Teilen zu kürzen und an anderen Teilen ein bisschen mehr Liebesgeschichte, scharfe Szenen, PC usw. einbauen zu wollen.
Aber egal. Ich bat den Sprachbloggeur darum, mir heute seine Glosse zu überlassen, und zwar aus einem ganz bestimmten Grund:
Ich höre nämlich allerorts, dass manche von Euch, mir eure Corona-Pandemie in die Schuhe zu schieben versuchen. Großer Geist! …als hätte ich nix Besseres zu tun!
Zum Beispiel: In Mexiko hat es neulich gehagelt. Und siehe! Einer stellte fest, dass manche Hagelkörner Zacken hatten, so dass sie Coronaviren ähnelten. Oho! Ein Zeichen von Gott, hieß es!
Im Ernst!
Manche sind sogar überzeugt, sie seien vorm Virus geschützt, wenn sie in ihren Gotteshäusern ihre Gottesdienste feiern. Und noch schlimmer: dass sie erst recht infiziert werden, wenn sie nicht in ihre Gotteshäuser gehen!
Wieso denken sie das? Glaubt mir: Ich habe mit der Sache nichts zu tun.
Ja, und dann gibt es solche, die behaupten, dass ich durch diese Pandemie die sündige Menschheit bestrafe! Gute Nacht! Leider habe ich den Grund für diese „verdiente“ Strafe vergessen.
Wahrscheinlich etwas mit Sex. Dieses Thema spielt eine besonders große Rolle bei euch. Wieso, weiß ich nicht. Als würde es mich interessieren, was ihr miteinander treibt. Das ist eure Sache, und wenn ihr in die Bredouille geratet, na bitte. So lernt man halt, was funktioniert und was nicht funktioniert. Learning by doing, gell?
Habt ihr eine Ahnung, wie schwierig es wäre, Gott nach euren Vorstellungen zu sein! Irgendwie haltet ihr mich für den Weihnachtsmann, als müsste ich jedem sein Gewissen ausspionieren. Bin ich vielleicht ein Superüberwachungscomputer?
Mein Vorschlag: Ihr sollt lieber über euch selbst wachen. Viel effizienter wäre das – und ergebnisvoller.
Schließlich bin ich sehr beschäftigt. Weshalb ich diesen Gastbeitrag beim Sprachbloggeur sehr kurz halte.
Außerdem geht mir eure Sprache schwer über die Lippen. Ganz ehrlich: Ich habe keine Ahnung, wie ihr es schafft, diese tückischen Laute zu verwenden, um miteinander zu kommunizieren.
Wo ich herkomme, drückt man alles viel knapper – und genauer – aus. Keiner käme auf die Idee, so ein umständliches System zu gebrauchen wie eure Sprachen verlangen.
Zum Beispiel: Alles was ihr bisher in diesem Text gelesen habt, hätte ich in der Sprache, die ich üblicherweise benutze, in dem Zwinkern eines Zwinkerns mitteilen können. Und es wäre sofort druckreif gewesen! Könntet ihr euch so etwas vorstellen?
Aber egal. Ich habe diese Gelegenheit, mit euch zu reden nicht deshalb in Anspruch genommen, um über meine oder eure Sprache zu erzählen. Ich wollte lediglich eins für allemal klar machen, dass ich nichts mit eurer Pandemie zu tun haben. So etwas schafft ihr ganz allein und ohne mich.
Und jetzt, dass ihr all dies wisst, würde ich empfehlen, dass ihr nun das Problem der Pandemie nicht als Problem betrachtet, sondern als Chance. Ja, als Chance. Mehr verrate ich nicht.
Gott segne euch.
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