Wir schreiben nicht nur anno Coronae I, sondern – falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist – gleichfalls anno sancti Floydii I, weshalb eifrig nun nach Zeichen und Symbolen des Rassismus geahndet wird. Liebgewonnene Denkmäler werden gestürzt, Opfer jeglicher gefühlten Diskriminierung verkaufen ihre traurigen Geschichten an Zeitungen und Verlage, erzählen über YouTube, Twitter etc. etc. Nix ist wie es war.
In diesem Sinne möchten nun die Grünen/Bündnis90 mittels einer Unterschriftsaktion dazu beitragen, das Wort „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen. „Es gibt keine Rassen, es gibt nur Menschen“, heißt es auf deren Webseite.
Angesichts dieser Sachlage fühle ich mich nun als Sprachbloggeur verpflichtet, Folgendes zu fragen: Was ist eigentlich eine „Rasse“? Und nun folgt etwas Sprachgeschichte…
Das Wort „Rasse“, so unschuldig wie dieser Text, kursiert durch die europäischen Sprachen mindestens seit dem 15. Jh. im Sinne von „Stamm“, „Nation“ oder „Ethnie“: auf Französisch (race), auf Spanisch (raza), auf Italienisch (razza) usw. Möglich ist, dass das lateinische „radix“ („Wurzel“) oder das arabische „ra’as“ („Kopf“) als Ahnherr dahintersteckt. Egal. Fest steht: Gäbe es diesen Begriff nicht, hätte man es neu erfinden müssen. Alles braucht einen Namen.
Doch nun ein Sprung ins 19. Jh. Und jetzt geht’s los…
Darf ich vorstellen: den französischen Grafen Arthur de Gobineau (1816-1882).
Aus Gründen, die ich im Detail leider vergessen habe, litt der junge Arthur an etwas, was man heute als „Minderwertigkeitskomplex“ bezeichnen würde.
Diese Gemütsstörung Gobineaus wurde offenbar verschärft, weil der dünnhäutige Arthur an die Herkunft seiner Mutter, eine Kréolin – also teils europäische, teils afrikanische Abstammung – litt. Denn sonst floss durch die Adern der Familie väterlicherseits nachweislich über endlose Generationen nur blaublutiges französisches Adelsblut.
Vielleicht deshalb kam dieser mürrische junge Mensch Mitte der 1850er Jahre auf die Idee, sein „Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen“ zu verfassen. Mit „Menschenrassen“ meinte er allerdings nicht das, was Sie denken.
Als „Toprasse“ für Gobineau galt nämlich die „Arier“. Und damit meinte er nicht die Deutschen. Diese betrachtete er als „Mischvolk“ aus Kelten und Slawen und von daher minderwertig. Reine Arier waren, z.B., Skandinavier oder blaublutige Franzosen wie seine Familie (väterlicherseits)! Klar, dass auch Juden zu den Untermenschen zählten.
„Rasse“ für Gobineau hatte wenig mit dem zu tun, was wir heute als „Menschenrassen“ bezeichnen. Seine Rassen waren eigentlich nur die traditionellen Stämme, Nationen und Ethnien der früheren Zeit. Siehe oben.
Gobineaus Buch wurde jedenfalls eifrig gelesen. Dem bekennenden „Rassisten“ Richard Wagner schmeckte die Theorie Gobineaus erwartungsgemäß wenig. Als Antwort darauf verfasste er ein eigenes Werk zum Thema, „Heidenthum und Christenthum“, bei dem die Deutschen eine höhere Wertstellung bekommen durften. Auch der Wagner-Schwiegersohn, Houston Stewart Chamberlain, legte ins Zeug, um eine eigene Rassentheorie – auch auf Ethnien basiert – aus dem Boden zu stampfen.
Und nicht zu vergessen: Wir schreiben hier das 19. Jh., d.h., das Zeitalter von Charles Darwin und vom sog. „social darwinism“, als sich viele Hobbywissenschaftler immer neue Theorien über die Evolution der „Menschenrassen“ zusammendichteten.
Ein Leser dieser Werke war leider der junge österreichische Gefreite Adolf H….
Genau genommen, weiß ich nicht, wer zuerst auf die Idee kam, die Menschheit als Ganzes in „Farben“, also „weiß“, „schwarz“, „gelb“ und „rot“, einzuteilen. Fest steht aber: Dieser neue Gebrauch des Begriffs „Rasse“ sollte den alten ablösen. Klar, dass es sich um eine Simplifizierung handelte. Immerhin: Es fehlte jegliche Wertschätzung! So habe ich’s in der Schule gelernt. Und wenn es dieses Wort nicht gäbe, müssten wir ein neues mit der gleichen Bedeutung erfinden!
(Kurz zu „Rassismus“. Die Endung „-ismus“ bedeutet immer, dass aus etwas – in diesem Fall das Wort „Rasse“ – eine Ideologie gemacht worden wird. Da sind wir aber wieder bei Gobineau, Chamberlain usw.)
Aber nun zurück zum Grundgesetz, wo mit juristischer Spitzfindigkeit jede Kategorie, bei der eine Diskriminierung möglich wäre, fein aufgelistet werden sollte. Insofern ist es logisch, dass auch das Wort „Rasse“ nicht fehlen durfte.
Macht sich das Grundgesetz durch den Gebrauch des Wortes „Rasse“ “ rassistisch“?
Hier nun Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. Nun dürfen Sie selbst ein Urteil über diese Frage fällen:
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen odeer politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“
In eigener Sache: Die nächsten paar Woche keine neue Beiträge. Bin auf Geheimmission.
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