Auf dem Weg zum Supermarkt bin ich gestern auf einen Laden gestoßen, der mir bisher gar nicht aufgefallen war: „Golden Face“, hieß er. Es handelt sich um eine Kosmetik-Geschäft.
Ein passender Name für den Kosmetikbetrieb…oder?
Gestern war ich nicht so ganz überzeugt.
Meine spontane Reaktion: Ach du lieber. Schon wieder ein Geschäft mit trendy englischem Namen. Eigentlich weiß ich schon lange, dass ich, wenn Englisch in Werbetexten oder im Namen eines Produkts steht, nicht die eigentlich Zielgruppe bin.
Mit „ich“ meine ich nicht mich, den Sprachbloggeur. Schließlich ist Englisch meine Muttersprache. Wenn sich also jemand mit englischsprachigen Vokabeln angesprochen fühlen sollte, dann ja selbstverständlich ich.
Mit „ich“ meine ich Menschen, die mehr oder weniger das 50. Lebensjahr überschritten haben.
In der Werbeindustrie dient Englisch längst als Signalsprache. Wer unter 40 ist, fühlt sich gleich angesprochen. Hab ich 40 gesagt? Ja, die Grenzen der Jugend gehen immer weiter in die Verlängerung. Vielleicht gibt es doch mal wieder eine Chance, dass auch ich mal als jung erachtet werde!
Englisch klingt „hip“, „cool“, „young“ usw. Das wissen die Leute in der Werbebranche ganz genau.
Zugegeben: Auch die Werbefritzen machen mal Fehler. Zum Beispiel damals mit dem Douglas-Werbespruch, wo es hieß: „Come in and find out“. Erinnern Sie sich noch?
Manche aus der Zielgruppe hatten es wohl auf der Schule versäumt, Englisch zu büffeln und gingen lieber in die Disko oder auf eine Party oder probten Comasaufen usw. Denn diverse hip, cool, younge Menschen haben das mit „come in and find out“ gar nicht richtig kapiert.
Das „come in“ war sicherlich easy. Hallo, willkommen! Come in. Aber “find out”? Das haben die Schüler mit den schlechten Noten in Englisch mit „finde wieder raus“ übersetzt anstatt mit „entdecke“. Denn „to find out“ bedeutet „entdecken“, „mitbekommen“ usw.
Wie gesagt: Obige Story kennen Sie wahrscheinlich schon. Vor sieben Jahren war es aber der letzte Schrei. Alle haben gelacht. Haha. Das war aber damals, und solche Dinge werden schnell wieder vergessen.
Anyway, ich habe das mit Douglas nur deshalb erwähnt, um die Strategie der Werbefritzen genauer zu veranschaulichen.
Aber jetzt zurück zum „Golden Face“. (Vielleicht wird jemand vom besagten Laden auf diese Glosse stoßen. Kann man nie wissen. Das WehWehWeh ist voller Überraschungen).
Als ich gestern auf „Golden Face“ gestoßen bin, hab ich spontan gedacht: Hmm. De AutorIn dieses Ladennamens war mit Sicherheit kein native speaker.
Warum hab ich das gedacht?
Irgendwas hat mich an den Namen auf der Stelle nicht gefallen. Es kam mir – wie soll ich’s sagen? – vom Sprachrhythmus her holprig vor. Übrigens: Der native speaker – wenn er nicht ganz ungebildet ist – denkt sofort an „golden fleece“ – zu Deutsch „goldenes Vlies“, so der Name des kostbaren Fells, nach dem der mythologische Held Jason mal gejagt hatte. Golden Face – golden fleece. Sie sehen: Die zwei Begriffe fließen ineinander, wenn man Englisch denkt. Solche assoziative literarische Querverweise nennt man übrigens „Intertextualität“.
Doch wie schon gesagt: Etwas mit dem Sprachrhythmus hat mich irritiert. Ich hab gleich überlegt: Vielleicht wäre „Face of Gold“ schöner.
Klingt eigentlich nicht schlecht, „Face of Gold“.
Zumindest mir. Fürs deutsche Ohr hört sich „Golden Face“ vielleicht doch besser an.
Das war jedenfalls gestern. Heute bin ich komischerweise wieder unschlüssig geworden. Typische Nebenerscheinung, wenn man lektoriert. Auf einmal ist man seiner Sache nicht mehr sicher. Auf einmal kann ich zwischen „golden face“ und „face of gold“ nicht mehr so genau unterscheiden. O je.
Vielleicht ist „Golden Face“ doch in Ordnung, denk ich heute. Und Morgen? Wie klingt es für mich morgen? Keine Ahnung.
He, Sie sind die Deutschen. Ihnen stört „Golden Face“ als Name eines Geschäfts wahrscheinlich gar nicht. So ein Glück…
Ach du lieber. Schon wieder eine Kleinigkeit über die, man viel erzählen kann. Fehlt nur noch das Happyend…
Eine wahre Geschichte…
Ein Mordfall an einer Tankstelle…auf einer Autobahn im nördlichen New Jersey, USA. Der Räuber wird schnell nervös, ballert gleich los. Der Kassierer fällt tot um. Sein Mörder kratzt sich ca. 350 Dollar aus der Kasse zusammen und haut ab. Wohin?
Am nächsten Tag klingelt es an meiner Tür in München…sechs Uhr in der Früh. Es ist die Polizei. Man will mir ein paar Fragen stellen…
Es stellt sich heraus, dass der Mörder in New Jersey auf einer Überwachungskamera erfasst und das Bild mit Clearview AI-Software untersucht wurde. Mal davon gehört?
Clearview AI-Software wurde vom Australo-Amerikaner HoanTon-That entwickelt. Seine Software saugt weltweit alle Bilder auf, die jemals öffentlich zugänglich im Internet erschienen sind – sprich auf Facebook, Twitter, Instagram etc. etc. etc. Diese werden dann innerhalb Millisekunden durch die schlaue Software bewertet. Sucht man einen, von dem man ein Suchbild hat, so findet man im Nu Bilder, die diesen Menschen darstellen.
Im beschriebenen Fall hatte der junge Mann auf dem Suchbild große Ähnlichkeiten mit einem Foto von mir, das ca. 1975 entstanden ist. Die Ähnlichkeit mit dem Mörder ist in der Tat frappierend. Natürlich ist noch zu klären, wieso ich plötzlich so alt aussehe und noch dazu es geschafft hat wie durch Zauberhand von New Jersey nach München zu gelangen.
Tja. Da hapert es wohl mit der Clearview AI-Software.
Ach übrigens. Hab ich oben „Eine wahre Geschichte“ geschrieben? Natürlich ist Obiges glatt gelogen. Was ich gerade erzählt habe, ist lediglich eine Erfindung meiner sehr lebendigen Fantasie. Sorry. Dennoch habe ich drei Dinge bewiesen:
Erstens: dass ich s e h r fantasiereich bin
Zweitens: dass es reichlich Raum für den Missbrauch von Clearview AI-Software gibt
Drittens: dass sich das Lügen manchmal lohnt, wenn es gewinnbringend eingesetzt werden kann. Fragen sie den Goebbels, den Putin…den…Sprachbloggeur? Ja, es stimmt: Lügen haben zwar kurze Beine, doch man muss sie erstmal sehen!
Stellen Sie sich vor: Sie – ja, Sie – haben eine große Ähnlichkeit mit jemandem, nach dem gefahndet wird. Noch dazu – Ihr Pech: Sie wohnen in der gleichen Großstadt mit dem Gesuchten und sind in etwa gleich alt. Dank Clearview AI haben die Fahnder vielleicht Sie und nicht den wahren Übeltäter geschnappt. Und plötzlich stehen Sie da in Erklärungsnot.
Auch diese Möglichkeit habe ich mir ausgedacht. Es ist jedenfalls allemal plausibler als die Lüge, die ich am Anfang dieses Textes aufgetischt habe.
Hoan Ton-That (der Name ist vietnamesisch; der Software-Entwickler stammt aus Australien und lebt jetzt in San Francisco) ist ein gutaussehender junger Mann, ca. 30, mit langen Haaren und weichen androgynen Gesichtszügen, die bald viel männlicher wirken werden. Er ist außerdem nicht auf den Mund gefallen. Darüber hinaus ist er von seiner Software und deren Nutzen (z.B., in der Verbrecherbekämpfung) überzeugt. Ich glaube, dass er nicht schlecht verdient.
Wenn ich das noch in Erinnerung habe, wird Gesichtserkennungssoftware in China – besonders im Gebiet der Uiguren – erfolgreich angewendet. Aber vielleicht auch in Ihrer Stadt!
Ja, schon. Man will die Kriminellen hinter Gittern bringen. Ist doch besser für alle. Aber irgendwas gefällt mir bei der Sache trotzdem nicht. Gestern hat mir Spiegel-Online ein Angebot gemacht: Für 4,95 Euro monatlich kann ich „SPON“ fortan ohne Werbung sehen. Will ich weiterhin kostenlos einklinken, dann muss ich das übliche „Tracking“ in Kauf nehmen.
Gesichtserkennungssoftware, Tracking-Software. Hand aufs Herz: Möchten Sie zu Weihnachten wirklich ein neues Handy haben?
Achtung, Hysteriker*Innen. Ich kenne jemanden, der im Januar bei Webasco war, als die chinesische Kollegin eine Schulung für Webasco-Mitarbeiter, äähm, Mitarbeitende, äähm, Mitarbeiter*Innen führte.
Bisher ist diese Person ohne Symptome, weder Fieber noch Husten, und das gleiche gilt für mich. Wahrscheinlich bleibt es dabei. Toitoitoi!
Doch dann hab ich gedacht: Vielleicht ist das Coronavirus auch über den Rechner ansteckend? Wer weiß? Ich meine: wie ein Computervirus…
Wäre es so, dann ist Vorsicht wahrlich geboten. Besser gesagt, gute Nacht!
Immerhin leben wir im Informationszeitalter, und alles ist möglich, oder?
Irgendwo habe ich gelesen, dass ein Sprachdienst – hab vergessen, ob Alexa, Siri oder ein anderer – auf einmal angefangen hat, Spanisch anstatt Englisch zu reden – als würde die Sprachroboterin Botschaften an jemanden (oder an etwas) heimlich übermitteln. Interessant, hmm?
Aber zurück zu den Viren.
Für Sprachmigranten, wie ich einer bin, ist es besonders verwirrend, wenn ein und dasselbe Wort…wie soll man es sagen?...bisexuell?... ist.
Das gilt nämlich für den/das Virus.
Einst habe ich mir als Lernender dieser Sprache eingeprägt, dass ein Virus nur dann ein „das“ ist, wenn man mit wissenschaftlichen Kollegen drüber spricht. „Virus“ ist eigentlich ein lateinisches Wort und bedeutet „Schleim“, „Gift“, „Pflanzensaft“. Als es ins Deutsche einwanderte, haben die Herren Wissenschaftler (damals gab es kaum eine Frau Wissenschaftlerin) es schlicht und einfach zum Neutrum erklärt.
Erst im Lauf der Zeit haben wenige gelahrte Bürger aus diesem Neutrum ein Maskulinum gemacht – und zwar deshalb, weil „virus“ mit „-us“ endet, was im Lateinischen generell als ein männlich aufgefasst wird.
Alles klar? Aus diesem Grund habe ich gedacht, dass ein Computervirus – weil der Begriff wirklich nicht aus gelehrten Kreisen stammt – ein „der“ sein müsste. Hu-ii, Hab ich mich getäuscht! Für die meisten Deutschen ist das Computervirus, nämlich…ein „das“. Vielleicht denkt man an – das „Digitalungeziefer“.
Wie dem auch sei: Ich glaube nicht, dass Sie durch die Lektüre dieser Glosse ein oder einen Virus aufschnappen werden – zumindest kein Coronavirus.
Was das Digitalungeziefer betrifft: Das kann man im Infozeitalter nie wissen. Die Gangster bleiben stets aktiv – so dumm wie Viren.
By the way: Ich habe gelesen, dass echte Viren, wenn sie vom Tier auf den Menschen überspringen, immer weniger „virulent“ (ein Wort, das von „Virus“ abgeleitet wird!) werden. Der Grund: Diese Kleinstviecher möchten selbst überleben. Wenn sie alle Infizierte umbringen, dann bringen sie sich folgerichtig selbst um. Deshalb verläuft die Coronavirus-Infektion in nur 2% aller Fällen tödlich.
Und jetzt Themenwechsel: Es gibt nämlich noch ein deutschsprachiges Wortzwillingspärchen, das jeden Sprachmigranten in den sprachlichen Wahnsinn zu treiben fähig wäre: Zölibat.
Über das Thema Zölibat wird in den Medien momentan eifrig diskutiert. Manche halten ex-Papst Benedetto für einen Gegner der Lockerung dieses Zustandes unter Geistlichen und Papst Francisco für einen Befürworter. Der Spiegel hat geschrieben: „Zwei Päpste streiten um den Zölibat“.
He, hab ich gedacht, sollte es nicht das Zölibat heißen?
Vielleicht handelt es sich um einen Fehler, mutmaßte ich. Nein, der Fehler war meine Mutmaßung. Es stellt sich nämlich heraus, dass nur das Fußvolk – sprich die in Kirchensachen Ungebildeten – „das“ Zölibat“ sagen und schreiben. Für Theologen gilt das Zölibat als ein „der“. Komisch, gell?
Meine Theorie: Die Sprache selbst leidet an einem Virus. Und kein Mensch weiß sich dagegen zu wehren. Atemmasken für Sprachen gibt es leider nicht.
Heute ein paar hoffnungsvolle Worte für Ausländer – oder wie man in heute sagt: für AusländerInnen.
Hand aufs Herz: Welche Satz gefiele Ihnen besser, würden Sie ihm, z.B, in einem Roman oder in einem Gedicht begegnen:
eins) Heute ein paar hoffnungsvolle Worte für Ausländer
zwei) Heute ein paar hoffnungsvolle Worte für AusländerInnen.
Oder die folgenden Sätze – z.B., als Teil eines Dialogs in einem Liebesroman:
eins) Oh Magda, ich liebe dich mit meinem ganzen Herzen und mache für uns heute Abend ein Verlobungsfest. Es kommen alle unsere Freunde.
zwei) Oh Magda, ich liebe dich mit meinem ganzen Herzen und mache für uns heute Abend ein Verlobungsfest. Es kommen alle unsere FreundInnen.
Mögen Sie lieber die einfache – no frills – Variante (d.h. „eins“) oder die neuartige PC-Version („zwei“)?
Ich gebe zu. Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Schließlich will man auf die Gleichberechtigung Rücksicht nehmen.
Deshalb werden heutzutage Zeitschriften in Deutschland für die „Studierendenschaft“ veröffentlicht. Der Deutsche Journalistenverband (DJB) verschickt monatlich eine Zeitschrift an seine 32.000 Mitglieder. Schon immer heißt diese Zeitschrift „Journalist“, was doch naheliegend ist. Ab jetzt allerdings wird die Hälfte der Auflage unter den Namen „Journalist“ die andere Hälfte unter den Namen „Journalistin“ gedruckt…und alles nach dem Zufallsprinzip verschickt.
Ich finde die Idee gar nicht schlecht. Und deshalb hier mein Vorschlag: Wie wäre es, wenn die Zeitschrift „Frau im Spiegel“ ab jetzt ebenfalls in zwei Ausführungen erscheint, die Hälfte mit dem bisherigen Titel, die andere Hälfte als “Mann im Spiegel“!
„Aber Herr Sprachbloggeurin, Frau im Spiegel ist eindeutig eine Frauenzeitschrift, während Journalist/in den Bedürfnissen beiden Geschlechtern dient“, könnten Sie einwenden.
„Mag sein“, erwidere ich, „aber ist das noch zeitgemäß? Dann bringe man meinetwegen auch Themen, die Männer interessieren könnten! Z.B. Texte über Angelruten oder Zinnsoldaten aus dem 19. Jahrhundert! Das wäre der Renner. Oder?“
Nebenbei: Die Kämpfe um die Inklusivität (zu Deutsch Miteinbegriffensein) werden nicht nur in der deutschen Sprache ausgefochten. In Spanien gehören die gleichen Auseinandersetzungen zur Tagesordnung. Auch in Frankreich. Da nennt man das Phänomen „écriture inclusive“. Écriture bedeutet „Schrift“. Z.B.: Will man „liebe LeserInnen“ auf Französisch schreiben, heißt es heutzutage „cher.e.s lecteur.rice.s“
Allerdings: In Frankreich gibt es die Academie Française. Sie gilt (notabene „sie“) als die letzte Instanz (notabene „die“) in Sache Sprache. Die Academie hat bereits beschlossen, alles beim Alten zu lassen.
Ach! Beinahe vergessen. Ich wollte an die Ausländer unter meinen Lesern ein paar hoffnungsvollen Worte adressieren. Diese folgen gleich:
Als ich frisch in Deutschland angekommen war, hab ich mich in eine junge Frau namens B. verknallt. Wir führten unsere seufzenden Gespräche stets auf Deutsch, ihre Muttersprache, meine…Lernsprache. Einmal sagte sie mir – leider hab ich das Thema des Gesprächs vergessen: „Es kommt auf die Situation drauf an“ oder so ähnlich. Ich war irgendwie überrascht, dies zu hören. Denn so viel wusste ich schon damals: Es müsste im richtigen Deutsch „Es kommt auf die Situation an“ heißen. B. hat also einen grammatikalisch falschen Satz gesprochen. War das Dialekt? Umgangssprache? Oder nur schlechtes Deutsch. Heute weiß ich, dass es alle drei waren.
Aber was tut der verliebte Ausländer in einer derartigen Situation? Ich habe B. nicht korrigiert. Wäre zu riskant, überlegte ich. Ich hab die Sache lediglich zur Kenntnis genommen und auf sich beruhen lassen.
Seitdem bin ich, was die dt. Sprache betrifft, lieber MitausländerInnen, sehr vorsichtig geworden – auch wenn ich merke, wie die MuttersprachlerInnen mit der eigenen Sprache umgehen.
Über dieses Thema habe ich schon mal geschrieben.
Schaden tut’s aber nicht, es noch mal aufzugreifen. Man wiederholt sich eh nie. Es entsteht immer etwas Neues, wenn man ein Lied zum zweiten Mal singt.
Leider weiß ich nicht mehr, was der Anlass der ersten Veröffentlichung war.
Immerhin erinnere ich mich noch an die Aussage. Ich war (damals) der Meinung, es wäre an der Zeit, diesen verruchten Spruch endlich aus dem Giftkabinett zu holen, um es zu rehabilitieren.
„Jedem das seine“ kam nur deshalb in Verruf, weil es die Nazis missbraucht haben. Zur Erinnerung: Dieser Spruch stand am Eingangstor im KZ Buchenwald, in Schmiedeeisen gegossen, quasi als „Denkansatz“ für die Insassen, die sich in dieser Anlage unweit der Goethe-Schiller-Stadt Weimar misshandelt wurden. Ich kenne Weimar (und schätze die Stadt sehr); ich kenne Buchenwald auch, doch Buchenwald schätze ich nicht, verstehe aber, warum es wichtig ist, so ein Monument der Grausamkeit fürs Nachkommen zu erhalten.
Keine Ahnung, wer der nationalsozialistische Scherzkeks war, der auf die Idee kam, ausgerechnet diesen Spruch auf einem Schmiedeeisentor am Eingang zum KZ gießen zu lassen. Vielleicht lässt sich dies googeln. In den meisten KZs stand eher der Slogan „Arbeit macht frei“ am Schmiedeeiseneingangstor.
Nebenbei: „Arbeit macht frei“ hat man bei Annähern einem Lager (z.B. Auschwitz) sehen und lesen können – als sollte man denken, dass fleißige Arbeit der Schlüssel zu einer künftigen Befreiung wäre. Im KZ Buchenwald war der Spruch „Jedem dem seine“ so angebracht, dass er nur von innen zu lesen war.
„Jedem das seine“ ist lediglich die dt. Übersetzung eines uralten lateinischen juristischen Satzes „suum cuique“. Schon Cicero hat ihn gebraucht. (Schauen Sie in Wikipedia nach, das macht das Leben einfacher). Vor dem Buchenwaldzeitalter konnte man die dt. Übersetzung des alten lat. Spruchs ohne Bedenken anwenden. Und danach? Noch im Jahr 1947 hat der dt. Lyriker Karl Schnog diese Worte als Titel seines Gedichtbands verwendet. Heute kaum mehr möglich.
Und nicht zu vergessen: „Suum cuique“ wurde mal auf den Schwarzer Adlerorden des Königs Friedrich I gestanzt. (Auch ein Wikipedia-Faktoid).
Auf Englisch gilt „to each his own” schon immer als harmlose Binsenweisheit. Bisher jedenfalls: Denn im Zeitalter von #metoo (thanks for the info, Wikipedia) müsse man erklären, dass sich das Wort „his“ in diesem Spruch nicht nur auf Männer bezieht, sondern „generisch“ zu verstehen sei. Man dürfe heute im Sinne der Gleichberechtigung auch „to each their own“ bzw. „to each her own” sagen. Nicht vergessen!
Da ich Amerikaner bin, hatte ich damals keinen Augenblick gezögert, ein Kapitel meines Buches „Kaspar Hausers Geschwister – auf der Suche nach dem wilden Menschen“ (Thema: homo ferus, die sog. Wolfskinder), mit dem Titel „Jedem das seine“ zu versehen. Als Überschrift kam mir dieser Spruch geradezu passend vor. Denn ich wollte in dem dafür vorgesehenen Kapitel darauf hinweisen, dass Forscher und Wissenschaftler zu jeder Zeit die Bedeutung des Phänomens der Wolfskinder nach eigenem Gutdünken auslegten. Jedem, also, das seine!
Neulich wurde mein Buch von einem gewissen Professor rezensiert. Leider mochte er mein Buch nicht – nicht allerdings wegen dem, was das Buch ist, sondern wegen dem, was das Buch nach seinem Geschmack nicht ist. Mein Buch sei – seiner Meinung nach – zu „populär“ geschrieben, und habe die allerneusten Ideen (die schnell wieder verjähren) nicht berücksichtigt.
Obendrein beanstandete er meinen Gebrauch des alten Spruchs „Jedem das seine“ als Kapitelüberschrift. Was soll ich sagen? Jedem das seine!
Doch nun wissen Sie alles, was Sie brauchen, um selbst „Jedem das seine“ in einem Satz vernünftig zu verwenden.
Über dieses Thema habe ich schon mal geschrieben.
Schaden tut’s aber nicht, es noch mal aufzugreifen. Man wiederholt sich eh nie. Es entsteht immer etwas Neues, wenn man ein Lied zum zweiten Mal singt.
Leider weiß ich nicht mehr, was der Anlass der ersten Veröffentlichung war.
Immerhin erinnere ich mich noch an die Aussage. Ich war (damals) der Meinung, es wäre an der Zeit, diesen verruchten Spruch endlich aus dem Giftkabinett zu holen, um es zu rehabilitieren.
„Jedem das seine“ kam nur deshalb in Verruf, weil es die Nazis missbraucht haben. Zur Erinnerung: Dieser Spruch stand am Eingangstor im KZ Buchenwald, in Schmiedeeisen gegossen, quasi als „Denkansatz“ für die Insassen, die sich in dieser Anlage unweit der Goethe-Schiller-Stadt Weimar misshandelt wurden. Ich kenne Weimar (und schätze die Stadt sehr); ich kenne Buchenwald auch, doch Buchenwald schätze ich nicht, verstehe aber, warum es wichtig ist, so ein Monument der Grausamkeit fürs Nachkommen zu erhalten.
Keine Ahnung, wer der nationalsozialistische Scherzkeks war, der auf die Idee kam, ausgerechnet diesen Spruch auf einem Schmiedeeisentor am Eingang zum KZ gießen zu lassen. Vielleicht lässt sich dies googeln. In den meisten KZs stand eher der Slogan „Arbeit macht frei“ am Schmiedeeiseneingangstor.
Nebenbei: „Arbeit macht frei“ hat man bei Annähern einem Lager (z.B. Auschwitz) sehen und lesen können – als sollte man denken, dass fleißige Arbeit der Schlüssel zu einer künftigen Befreiung wäre. Im KZ Buchenwald war der Spruch „Jedem dem seine“ so angebracht, dass er nur von innen zu lesen war.
„Jedem das seine“ ist lediglich die dt. Übersetzung eines uralten lateinischen juristischen Satzes „suum cuique“. Schon Cicero hat ihn gebraucht. (Schauen Sie in Wikipedia nach, das macht das Leben einfacher). Vor dem Buchenwaldzeitalter konnte man die dt. Übersetzung des alten lat. Spruchs ohne Bedenken anwenden. Und danach? Noch im Jahr 1947 hat der dt. Lyriker Karl Schnog diese Worte als Titel seines Gedichtbands verwendet. Heute kaum mehr möglich.
Und nicht zu vergessen: „Suum cuique“ wurde mal auf den Schwarzer Adlerorden des Königs Friedrich I gestanzt. (Auch ein Wikipedia-Faktoid).
Auf Englisch gilt „to each his own” schon immer als harmlose Binsenweisheit. Bisher jedenfalls: Denn im Zeitalter von #metoo (thanks for the info, Wikipedia) müsse man erklären, dass sich das Wort „his“ in diesem Spruch nicht nur auf Männer bezieht, sondern „generisch“ zu verstehen sei. Man dürfe heute im Sinne der Gleichberechtigung auch „to each their own“ bzw. „to each her own” sagen. Nicht vergessen!
Da ich Amerikaner bin, hatte ich damals keinen Augenblick gezögert, ein Kapitel meines Buches „Kaspar Hausers Geschwister – auf der Suche nach dem wilden Menschen“ (Thema: homo ferus, die sog. Wolfskinder), mit dem Titel „Jedem das seine“ zu versehen. Als Überschrift kam mir dieser Spruch geradezu passend vor. Denn ich wollte in dem dafür vorgesehenen Kapitel darauf hinweisen, dass Forscher und Wissenschaftler zu jeder Zeit die Bedeutung des Phänomens der Wolfskinder nach eigenem Gutdünken auslegten. Jedem, also, das seine!
Neulich wurde mein Buch von einem gewissen Professor rezensiert. Leider mochte er mein Buch nicht – nicht allerdings wegen dem, was das Buch ist, sondern wegen dem, was das Buch nach seinem Geschmack nicht ist. Mein Buch sei – seiner Meinung nach – zu „populär“ geschrieben, und habe die allerneusten Ideen (die schnell wieder verjähren) nicht berücksichtigt.
Obendrein beanstandete er meinen Gebrauch des alten Spruchs „Jedem das seine“ als Kapitelüberschrift. Was soll ich sagen? Jedem das seine!
Doch nun wissen Sie alles, was Sie brauchen, um selbst „Jedem das seine“ in einem Satz vernünftig zu verwenden.
Googelt Google Google? Wenn ja, wird (er? es? sie?) auch diese Glosse zum Thema „Google“ gegoogelt haben.
Nein, heute kein tiefschürfender Traktat über Google als Datenkrake. Anyway, wer kann das? Nicht einmal Google! Dieser Betriebsmoloch hat sich längst in wirre Zuständigkeitsbereiche zerteilt, nennt sich pro forma „Alphabet“ (oder meine ich „Google“? muss ich mal googeln). Google weiß längst alles. Das sagen alle – außer vielleicht die Chinesen, die Iraner oder die RussInnen. Doch auch da bin ich mir nicht ganz sicher.
Nebenbei: Gerade habe ich die Gender-Frage bezüglich Google gegoogelt: Auf einer Seite namens „Gute Frage“(vielleicht kennen Sie sie) heißt es, dass 88% der Befragten für das, 11% für die und 0% für der Google gestimmt haben. Wer mathematisch bewandert ist, hat bereits festgestellt, dass 88+11=99. Was mit dem fehlenden 1% passiert ist, vermag ich leider nicht zu sagen. Über Gender-Fragen muss man ohnehin heute besonders vorsichtig sein. Übrigens, es waren, wenn ich das noch in Erinnerung habe, 17 Menschen, die an der Beantwortung dieser mir wichtigen Frage bei „Gute Frage“ teilgenommen haben.
Bleiben wir also bei der Mehrheitsmeinung. Es heißt für mich fortan das Google.
Seit 2017, im Februar, besitzen wir (d.h. meine Frau und ich) keinen Fernseher mehr. Der ist damals hops gegangen, und irgendwie sind wir nie wieder dazugekommen einen neuen Apparat zu besorgen. Der alte war übrigens ein altes Röhrengerät. Insofern habe ich über den letzten Jahren mehrere Episoden von „Hilfe, ich bin ein Sternchen, hol mich hier raus“ verpasst sowie auch unzählige Tatort-Folgen, diverse Filme, TV-Dramen, Tiersendungen etc. Leider vergesse ich immer wieder, mein „Magenta-Konto“ bei Telekom zu kündigen. Allmählich geht das ins Geld.
Doch auch ohne Fernseher kann man heutzutage fernsehen. Via Streaming! Jeden Tag schau ich mir um zwölf Uhr im ARD die Heute-Sendung an. Und wenn Freund René einen Filmauftritt hat, sehe ich ihn – alles halt am Rechner.
Außerdem pflege ich als kleine Ablenkung und als Fernsehersatz (vor allem wenn ich mit dem Schreiben oder Recherchieren die Nase voll habe) YouTube-Videos anzuklicken – meistens sind das kürzere Videos und nur zu bestimmten Themen.
Ab jetzt hagelt es von mir Kritik:
Früher verfügte das gute Google über einen Algorithmus, der passend zu mir war. Meine Vorlieben sind nämlich Videos über Musiktheorie wie auch übers Mandolinenspielen. Eine Zeitlang habe ich mich auch für Jordan Peterson-Vorträge interessiert. Vermittels des alten Algorithmus konnte ich davon ausgehen, dass gerade solche Videos auf mich dank dem Cookie-Geschäft warteten, wenn ich YouTube anpeilte. Ein paar andere Themen wurden zwar einem auch angeboten, aber man musste weiter scrollen, um sie überhaupt wahrzunehmen. Meistens blieb dieser Schuster bei seinen Leisten.
Das war damals. Inzwischen hat das gute Google den Algorithmus verändert, will wohl meinen Horizont erweitern. Genauer gesagt: Ich bekomme alles Mögliche angeboten, was mir nie im Sinne gekommen wäre, zu suchen. Vielleicht betreibt das kluge Google dadurch wirklich pädagogische Ziele.
Zum Beispiel gestern. Auf einmal wimmelte die YouTube-Seite vor lauter alten Filmaufnahmen aus den frühen Jahren des 20. Jh., die Hinrichtungen zeigten – oder zumindest die Augenblicke, bevor der Delinquent ins Jenseits befördert wurde. Da ich wie jeder andere schwach und neugierig bin, habe ich mir zwei – sehr kurze – Filme dieser Gattung angeschaut: ein Garottieren aus Spanien (igitt) und Aufnahmen von zwei Terroristen in Bulgarien, die kurz nach Verkündung der Todesstrafe gefilmt wurden. Das hat mir dann gereicht. Die diversen Galgenszenen habe ich mir dann erspart. Zudem war die YouTube-Seite voll mit unterschiedlichen Videos, die zeigten, wie mann sich am besten rasiert. Hab mir eins kurz angeschaut, es hatte bereits hunderttausende Hits. Ehrlich gesagt, interessiere ich mich nicht besonders für Männer, die mit Rasierschaum am Gesicht übers Rasieren reden. Und dann fand ich Videos, die vorpubertäre Knaben und Mädchen beim genderfreien Ringkampf zeigten. Notabene: Die Kinder waren sehr dürftig angezogen. Paradies für Pädophilen! Warum, frag ich mich, wird mir all dies plötzlich angeboten? Ganz klar: einem neuen Algorithmus geschuldet. Verdient Google, wenn einer an diesem Circus teilnimmt?
Oh ja. Beinahe die Interviews vergessen, die Menschen zeigen, die sich noch ans 19. Jh. erinnern. Wer Zeit und Lust hat, kann Stunden mit so einer drögen Unterhaltung verbringen.
Ich könnte obige Liste endlos fortführen. YouTube hat für jeden Geschmack etwas – auch wenn man’s nicht will. Falls Sie beispielsweise Interesse haben, die Stimme vom Zar Nikolai II zu hören, Sie finden sie!
Ich habe vom obigen Tatbestand einem Freund in den USA berichtet. Seine Antwort: Willkommen im 21. Jh. am dritten Planeten von der Sonne.
Vielleicht soll ich mir einen Fernseher doch wieder gönnen.
Ob Google über Google googelt? Jetzt wird’s spannend…
Hilfe! Die Menschen sind weg! Oder wenn sie doch da sind, dann nur in weiter Entfernung! Ich glaube, es hat etwas damit zu tun, dass wir jetzt in den 20er Jahren des jungen Jahrhunderts angekommen sind. Endlich sind wir in der Z u k u n f t gelandet!
Vielleicht muss ich all dies etwas deutlicher zum Ausdruck bringen.
Vor ein paar Jahren – da waren wir noch nicht in den 20er Jahren – habe ich beim Kundendienst der Süddeutschen Zeitung angerufen. Ich wollte nämlich zwecks Urlaub die Zustellung unterbrechen.
Die übliche Roboterstimme ratterte mir am Telefon eine Menge Optionen vor. Dann sollte ich – nach dieser mühsamen Unterweisung – noch dazu – meine Abo-Nummer auf die Telefontastatur eintippen.
Ca. zehn Minuten waren schon vergangen, und ich hing immer noch an der Strippe. Auf einmal wurde mir das Prozedere zu viel, und ich begann sehr ungebührliche Dinge in den Hörer zu schreien. Und dann passierte es. Die Roboterstimme sprach mich ruhig an. „Ich kann Sie nicht verstehen“, sagte sie. „Ich werde Sie mit einem unserer Mitarbeiter verbinden.“
Notabene: Die Roboterstimme sagte „mit einem unserer Mitarbeiter“ und nicht „mit einem oder einer unserer MitarbeiterInnen“. Etwas ist bei der SZ gendertechnisch wohl schiefgegangen.
Nun hörte ich die Stimme eines echten Menschen, die eines Mannes in diesem Fall. Oder vielleicht klang er oder sie wie ein Mann und war keiner. Keine Ahnung. Ich hab ihm jedenfalls mein Anliegen vorgetragen. Er war außerordentlich zuvorkommend. Am Schluss erzählte ich ihm von meiner Irritation mit der Roboterstimme.
„Ach“, sagte er. „Machen Sie sich keine Sorgen. Wenn der Roboter spricht, sagen Sie einfach gleich ‚Mitarbeiter!‘ ein paar mal. Sie werden sofort mit uns verbunden.“
Das mache ich seitdem immer, wenn ich die SZ anrufe. Und es funktioniert.
Mit dieser Strategie im Kopf habe ich neulich bei IKEA angerufen, um jemanden zu fragen, wo ich auf der Online-Seite Regalböden für ein Billy finde. Denn es war unmöglich dies auf der komplizierten Webseite zu eruieren.
Es begrüßte mich eine muntere Roboterstimme, die sich anders als bei der SZ gar nicht betulich anhörte. „Hej!“ sagte die Stimme. Ich glaube, dass „hej!“ auf Schwedisch „hi“ bedeutet. Ich weiß, dass die Dänen „hei!“ sagen.
Ich fand es zunächst schön, dass die Stimme nicht betulich klang, sondern richtig sympathisch. Es folgte dann die obligatorische Optionsliste. Im Sinne meiner Erfahrungen bei der SZ sagte ich aber freundlich und doch bestimmt das Wort „Mitarbeiter“. Dies wiederholte ich zwei oder dreimal. Vergeblich. Denn die muntere Hej!-Sagerin setzte das Runterrattern der Optionsliste munter fort.
Irgendwann wurde es mir aber zu bunt, und ich begann wüst zu schimpfen. Hat nix gebracht. Es war mir nun klar: Ich musste mir wohl doch eine der Optionen auswählen. Ich habe also „Bestellungen“ gesagt. Doch nun wollte die immerdar muntere Stimme meine Postleitzahl erfragen. Ich antwortete aber nur „Mitarbeiter! Verdammt!“
Immerhin versprach mich die Roboterstimme tatsächlich endlich weiterzuleiten. Von wegen.
Sie sagte lediglich nach wenigen Sekunden ganz mechanisch: „Alle Mitarbeiter sind mit anderen Kunden beschäftigt. Bitte rufen Sie später an.“ Und dann legte der Roboter ein! Klick!
Ich habe dieses Prozedere ein paarmal wiederholt. Immer mit dem gleichen Ergebnis.
Meine Theorie: Bei IKEA sind die Menschen weg – für immer. Heute habe ich in den Nachrichten gelesen, dass Astronomen einen erdähnlichen Planeten entdeckt haben, der ganz in unserer Nähe zu sein scheint, d.h., lediglich 100 Lichtjahre entfernt! Er dreht sich allerdings synchron mit der dortigen Sonne, so dass eine Seite des Planeten immer hell ist, während die andere Seite stets im Dunkel ist.
Ich bin überzeugt, dass IKEA – und vielleicht auch andere Firmen – ihre Mitarbeiter auf diesen Planeten ausgesiedelt haben – wahrscheinlich auf der dunklen Seite, wo man sie besser verstecken kann.
Ich hoffe, dies ist kein Vorzeichen für weitere Entwicklungen im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts.
Leider weiß ich immer noch nicht, wie man sieben Billy-Böden bei IKEA bestellt.
Kennen Sie den alten Witz? Ein Mann setzt sich auf eine Bank im Park, holt sich eine große Tüte hervor und fängt an, die Tauben zu füttern. Im Nu drängen sich die Tauben rege um ihn. Es herrscht bald ein Fressrausch. Feder fliegen, Tauben gurren in dissonantem Chor, Flügel flattern. Der Mann ist Mittelpunkt einer frenetischen Massenbewegung.
Schaulustige staunen über die merkwürdige Anziehungskraft dieses Taubenfütterers. Einer von ihnen pickt sich neugierig so ein Körnchen vom Boden auf und kostet es selbst. „He! Mann! Schmeckt ja ausgezeichnet!“ Auch andere fangen an, nach den Körnchen zu gieren, stehen quasi mit den Tauben in Konkurrenz. Die Szene wird immer chaotischer.
„He!“ ruft einer begeistert, „Dieses Futter schmeckt fantastisch. Wie machen Sie es?“
Der Mann schaut den Fragenden an und sagt: „Mit Cyanid. Ich hasse Tauben.“
Zack! Tauben und Menschen strecken von sich im Nu alle Viere…tot.
Den Witz habe ich nicht erfunden. Er wurde als Comic von einem amerikanischen Comiczeichner, Don Martin gemacht – fürs Mad-Magazin. Bin sicher: Wenn Sie „Don Martin“ und „Feeding Pigeons“ googeln, finden Sie mehr darüber – vielleicht auch den Comic (hab selbst nicht geschaut).
Hmm. Warum heute dieser Witz?…
Ganz klar! Weil es Neujahr ist und Zeit für mein alljährliches Predigt!
Denn immer zu Neujahr pflege ich eine Liste der Dinge aufzuschreiben, wofür ich dankbar bin. Dieses Jahr bildet keine Ausnahme. Zum Beispiel:
Ich bin dankbar, dass ich nicht in Versuchung gekommen bin, eigene Vorteile in Syrien, in Libyen, in Venezuela und in Zimbabwe zu erhaschen.
Ich bin dankbar, dass es mir – bisher – gelungen ist, weder Facebook, Instagram noch Twitter beizutreten. Wer weiß, ob dies auch künftig möglich sein wird?
Ich bin dankbar, dass ich keinen Grund habe, andere Menschen mit Lügen zu strafen, nur um einen privaten Gewinn zu erzielen. Na ja. Das ist nicht ganz wahr. Als Schriftsteller lügt man gern. Man nennt dieses Lügen aber „Fantasie“, was irgendwie doch anders ist als viele andere Lügengattungen.
Ich bin dankbar, dass ich IHRE Miete nicht erhöht habe, weil ich mir unbedingt noch ein Mietshaus ergattern wollte.
Ich bin dankbar, dass ich keinen Bedarf habe, Ihnen verfälschte Medikamente, gepanschte Drogen und verstörte Kinder zu verkaufen.
Ich bin dankbar, dass ich von keiner Ideologie getrieben werde, durch die ich der Meinung wäre, dass nur ich nach meiner Fasson die Welt retten könnte.
Ich bin dankbar für die vielen Liebenswürdigkeiten, die ich von fremden Menschen erlebt habe, die nichts als Gegenleistung verlangten.
Ich bin dankbar, dass ich kein Interesse habe, Ihnen etwas zu verkaufen, was Sie nicht brauchen, damit ich großartig profitiere, um mit dem Geld Investitionen zu tätigen, durch die ich mir noch mehr Gewinn erhoffe (siehe oben).
Ich bin dankbar fürs Wissen um die eigene Sterblichkeit und dass dies immer als Kontrolle dient, wenn ich manche Begehrlichkeiten überbewerte.
Und natürlich bin ich dankbar, dass ich SIE als Leser bzw. Leserin habe und dass Sie mich durch diverse Gedanken- und Fantasiewelten begleitet haben. Ohne Sie wäre es sinnlos diese Texte zu schreiben.
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen ein gutes, gesundes 2020. Und denken Sie stets daran: Falls Sie auf eine Gruppe Menschen und Tauben stoßen, die gierig bunte Körnchen fressen, gehen Sie lieber so schnell wie möglich vorbei. Da gibt’s bestimmt nix zu essen. Glauben Sie mir.
An wen soll ich mich mit folgender Bitte wenden? An den Weihnachtsmann? An Santa Claus? Ans Christkind (sprich Jesus im Kinderalter)? An Mutti und Vati? Geht nicht, sie leben nicht mehr…
Ich möchte mich jedenfalls mit meiner Bitte an jemanden wenden, der für die Ausgabe von Geschenken zuständig ist.
Aber an wen wenden!? Denn das, was ich mir – und Ihnen – wünsche, erhält man nicht einmal bei Amazon oder Notebooksbilliger.
Ich wünsche mir (uns) nämlich einen achten Wochentag und evtl. einen neunten und – wer weiß? – vielleicht einen zehnten. Kein egoistisches Verlangen. Ich wünsche dies nicht für mich (uns) persönlich, sondern für die…Konjunktur!!
Vielleicht erinnern Sie sich. Wir erlebten vor etlichen Wochen etwas, das sich „Black Friday“ nannte. Tagelang erhielt ich (und erhielten Sie) Werbemails von unseren Freunden bei Notebookbilliger, Amazon, etc., die dieses bald eintretende Ereignis mit Leidenschaft und Begeisterung verkündeten…fast wie die Verkündung der heiligen Geburt in Bethlehem.
Aber „Black Friday“? Ein Komischer Name. Denn wenn ich mich richtig erinnere, bezieht (bzw., bezog) sich dieser finstere Begriff auf eine Katastrophe im Jahr 1929, als es den großen Börsencrash in New York gegeben hatte, und die Investoren und Börsenmakler in Scharen aus den Fenstern der Hochhäuser auf die Wallstreet gesprungen sind, um große, blutige Fettlachen auf den Trottoiren zu hinterlassen.
Alles wohl längst vergessen. Denn heutzutage bedeutet „Black Friday“ nix anderes als eine vorprogrammierte Kauforgie. Auf Englisch sagt man „shop till you drop“ oder man spricht vom „urge to splurge” (bitte googeln).
Nebenbei: In den USA bezieht sich “Black Friday“ tatsächlich auf einen einzigen Tag, einen Freitag sogar – und dann ist Schluss. In Deutschland kann „Black Friday“ tagelang anhalten – wie Halloween. Ich versteh das nicht so ganz.
Und dann: Kurz nach „Black Friday“ tritt „Cyber Monday” ein, den es im Jahr 1929 freilich nicht hätte geben können. Auch nicht im Jahr 1999.
Aber weiter: Auf „Cyber Montag“ (der sich in Deutschland wie „Black Friday“ gewöhnlich in die Länge erstreckt) folgt „Super Saturday“. Falls Sie sich für Statistiken interessieren: Im Jahr 2019 wurden am „Super Saturday“ (damit wird übrigens der letzte Samstag vor Weihnachten gemeint) – zumindest in den USA – 34 Milliarden Dollar umgesetzt. Nach Auskunft einer zuverlässigen Quelle („Microsoft News“) ist dieser Betrag Rekordverdächtig. Ich kenne die Zahlen für Deutschland leider nicht.
Und bitte „Green Tuesday“ nicht vergessen. Eigentlich sagte man früher „Green Monday“. Nachdem aber dieser Tag in „Cyber Montag“ umgetauft wurde, hat man den grünen Tag auf Dienstag verlegt.
Fassen wir das Bisherige zusammen. Gegenwärtig haben wir Beinamen für Freitag, Samstag, Montag und Dienstag zusammengestellt. Es fehlen nur noch die entsprechenden Bezeichnungen für Mittwoch und Donnerstag – und natürlich Sonntag.
Als geborener Optimist bin ich überzeugt, dass auch diese Tage bald im wachsenden Kaufrausch des Minuszinszeitalter mit dem passenden Beinamen versehen werden. Vielleicht ist es sogar soweit, und ich weiß es nur nicht.
Und: Falls es weiter so geht, werden wir ganz bestimmt noch einiger Tage bedürfen, um sie für Sonderangebote zu reservieren.
Übrigens: Das, wofür ich hier plädiere, ist gar nicht so abwegig.
Wenn ich mich richtig erinnere, hatten schon die Altägypten eine zehntägige Woche! Auch die Griechen (zur Zeit von Platon) kannten die siebentägige Woche nicht. Das kam alles später. Es sind die Babylonier, denen wir unsere Woche zu verdanken haben. Aber das ist schon lange her.
Manchmal ist es lustig, alles Mögliche neu zu ordnen…nicht wahr?
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