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Heute beim Sprachbloggeur: Schnell Geld verdienen!

Ich will Ihnen den Schlüssel verraten, um das perfekte Drehbuch zu schreiben. Es wäre vielleicht eine Chance – vor allem zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise – , schnell das große Geld einzuheimsen. Denn auch in den schlechtesten Zeiten kann man mit Unterhaltung gut verdienen – zumindest wenn der Endverbraucher nicht so viel dafür ausgeben muss. Aufgepasst, liebe Verlage. Hier ist ein klarer Wink mit dem Zaunpfahl.

Aber zurück zu besagtem Schlüssel, der übrigens keine Erfindung von mir ist, eher wohl ein Produkt des Hollywood der 30er Jahre. Meines Erachtens ist er sogar noch viel älter, uralt vielleicht. Ich gebe ihn Ihnen aber in der Formulierung des alten Hollywood – und zwar auf Englisch: Boy meets girl, boy loses girl, boy finds girl. Das war es. Neun einfache Wörter, die es aber in sich haben. Ein Junge lernt ein Mädchen kennen, er verliert sie aus den Augen, und am Ende findet er sie wieder. Ungezählte Hollywoodfilme folgen diesem Handlungsmuster. Kein Wunder. Denn es funktioniert immer (solange die Hauptfiguren glaubhaft wirken, versteht sich). In den US-Filmen der 30er Jahre – als die letzte Weltwirtschaftskrise noch wütete – wurde sie in allen Variationen dargeboten. Ein paar Stunden im Kino taten gut, um die täglichen Sorgen mit Zauber und Happyend zu übergießen.

Auch die Babelsberger der Nazizeit haben die Vorteile dieser Flucht in die Fantasie verstanden. So zum Beispiel im Film „Fasching“. Ich glaube, er wurde während des Kriegs gedreht. Die Handlung ist aber schnell erzählt: Ein netter junger Mann lernt im Zug nach München eine hübsche junge Frau kennen. Es funkt zwischen ihnen, und sie möchten sich wiedersehen. Sie verabreden sich also für den nächsten Tag – beide sind in München fremd –vor der Mariensäule am Marienplatz. Was sie aber leider nicht beachtet haben: Der nächste Tag ist Faschingsdienstag. Im Gedränge am Marienplatz finden sie sich natürlich nicht. Boy loses girl. Nun kommt der traurige Teil: Man sucht, und fast will man aufgeben. Auch dieser Teil des Films ist freilich nicht ohne Unterhaltung, und hie und da wird mit ein bisschen Komik aufgeheitert. Doch dann wendet sich das Glück schon wieder. Boy und Girl finden sich endlich! Eine rührende Szene, und kein Auge bleibt trocken. Nebenbei: Im Film sind nirgends Hakenkreuze oder Soldaten zu sehen. Denn auch die damaligen Propagandisten haben verstanden, dass sie mit Nazisymbolen und -slogans nicht gut ankommen. Doch nun ist der Film aus. Die Lichter im Kino leuchten grell, die Ausgangstüre werden jäh aufgeschlagen, und schweren Herzens kehrt man in die Realität zurück. Schließlich ist Krieg, und man lebt in der Diktatur.

Übrigens: Im angehenden 21. Jahrhundert kann man obige Drehbuchhandlung erheblich variieren – zum Beispiel: „girl meets boy, girl loses boy, girl finds boy“. Auch „boy meets boy“ wäre möglich. Siehe „Brokeback Mountain“. Doch bei so einem Film verlässt man schnell das Reich der seichten Unterhaltung. Die Story endet traurig. Andererseits: Ein tragischer Schluss macht eine Geschichte fast automatisch anspruchsvoller. Denken Sie an Romeo und Julia oder Dido und Aeneas.

Wer gewillt ist, kann sich an die anspruchsvolle Version wagen. Viel Glück. Aber Vorsicht: Sie ist schwerer zu verkaufen als eine seichte Schnulze.

Ach ja. Wissen Sie, warum uns diese einfache Handlung immer wieder becirct? Die Antwort liegt so sehr auf der Hand, dass man sie häufig übersieht. Weil sie Sehnsüchte erweckt– genauer gesagt, Sehnsüchte nach einer seelischen Vervollständigung. Ich vermute, dass dieses Empfinden ebenso ein Teil unserer „Programmierung“ ist wie das Bedürfnis nach Essen, Trinken usw.

Aber genug der Spekulationen. Ab in die Arbeit, und wenn Sie Ihr erstes Honorar kassiert haben, denken Sie daran: Sie haben das Drehbuchschreiben beim Sprachbloggeur gelernt.

Die deutsche Sprache im Jahr 2109 – eine Vorschau?

Ich mache es mir heute nicht einfach.

Ich versuche ein Phänomen zu erfassen, dass ich bereits seit vielen Jahren beobachte.

Das erste Mal vielleicht um das Jahr 1980 in Kalifornien. Damals galt es ausschließlich als Merkmal eines kulturellen Phänomens, das man nur bei den „valley girls“ vernahm. So nannte man jene jungen gewissermaßen verzogenen Frauen (und Mädchen) aus guter Familie, die damals im „San Fernando Valley“, einem riesigen Vorort von Los Angeles, lebten. Die „valley girls“ sind eine Art Prototyp der schnoddrigen, wohlhabenden „party girls“ à la Paris Hilton und Co. Besonders auffällig war ihre Art zu reden. Sie hatten nämlich die Gewohnheit, jeden Satz, den sie sprachen, so zu betonen, als wäre er eine Frage. „Mein Name ist Sandra? Ich wohne in Canoga Park? Ja, und ich gehe in die Hollywood High School?“ usw. Es klang, als würden sie alles in Frage stellen, was sie zu behaupten hatten.

Ich weiß nicht, woher das Phänomen stammte. Irgendwie glaube ich, dass die ersten „valley girls“ diese Tonlage von der kokettierenden Stimme eines damals beliebten Sternchen entlehnt hatten. Vielleicht war es die junge Madonna. Das sage ich nur ganz spontan. Möglicherweise irre ich mich. Diese Art zu sprechen machte jedenfalls Schule. Denn sie blieb nicht nur an den „valley girls“ hängen. Die zögernde, fragende Tonlage wuchs ständig an Einfluss unter der Jugend und breitete sich peu à peu in den ganzen USA aus. Und: nicht nur als Mode unter jungen Frauen. Auch junge Männer – Schüler und Studenten – drücken sich heute so aus.

Wenn ich jemanden so reden höre, kommt es mir vor, als wäre er (oder sie) nicht in der Lage, sich festzulegen – was ausgezeichnet zu einem Zeitalter passt, in dem alles als relativ gilt. Dies ist die Sprache der Zaudernden, der gespielt Schüchternen. Sie kann im Zuhörer aber kein Vertrauen erwecken.

Ich komme auf dieses Thema zu sprechen, weil ich eben diese Tonlage auch im Deutschen vernehme – nur unter jungen Menschen, versteht sich. Gestern, zum Beispiel, hörte ich einen Bericht im Radio über die Bischofskonferenz in Köln. Junge Katholiken wurden nach ihrer Meinung zum ungeschickten Bischof Williamson, dem Holocaustleugner, gefragt. Zunächst antworteten ein Student und eine Studentin auf die Frage. Beide redeten klar und – wie soll ich es sagen? – ganz „normal“. Dann sprach eine 15jährige Schülerin. Auch sie war nicht auf den Mund gefallen. Doch jeden Satz, den sie sprach, endete sie mit einer leichten Erhebung der Stimmlage, als würde sie eine Frage stellen anstatt eine zu beantworten.

Deshalb meine Frage: Werden Deutsch und Englisch künftig zu Tonsprachen wie Chinesisch? Erleben wir in der Gegenwart die ersten phonetischen Vorbereitungen zu einem künftigen Dinesischen oder Chinglischen? Notabene: Chinesisch ist nicht die einzige Tonsprache dieser Welt. Thai, Vietnamesisch, auch Schwedisch werden "vertont". Möglicherweise zählte auch das Altgriechische zu den Tonsprachen.

Eins steht jedenfalls fest: Während Sie diesen Text lesen, wird die Grundlage der deutschen Sprache des 22. Jahrhunderts in aller Ruhe vorbereitet. Kann man, soll man, was dafür oder dagegen unternehmen? Wenn Sie mich fragen: Das Beste, was man sich erhoffen kann, ist ein guter Platz in der ersten Reihe. Ich bin neugierig darauf?

Denglisch, nein Danke. Jetzt haben wir Wirtschaftskrise!

Neueste Nachricht: Deutsch sprechen ist wieder – wie soll ich’s sagen – „in“. Im Klartext: Denglisch ade.

Ich habe diese Botschaft – zwar etwas weniger überspitzt – in einem schönen Artikel der Autoren Sebastian Balzter und Julia Löhr in der Wochenendausgabe der FAZ (14./15. Februar 2009) aufgeklaubt. Darin erfährt man: Die deutschen Großfirmen besinnen sich wieder auf die Landessprache.

Der Grund dafür: Es hat sich herausgestellt, dass viele Mitarbeiter internationaler Unternehmen sich präziser auf Deutsch verständigen als auf Englisch, was nicht überrascht. Lange wurden Meetings auf der Chefetage mit Vorliebe "in English" geführt, mit dem Resultat: Wer die Fremdsprache am besten beherrschte, ergriff am ehesten und am häufigsten das Wort. Die Fremdsprachengenies waren , was die Geschäfte betraf, allerdings nicht immer die hellsten. Wer hingegen gute Ideen hatte, die er (oder sie) nicht in fließendem Englisch habe ausdrücken können, sei verstummt. Ein Lehrbeispiel der darwinschen Selektion.

Ein typischer Fall: In den Jahren 1999 bis 2003 hat die fusionierte Daimler-Chrysler-Firma 30 Milliarden Euro Verluste gemacht. In der gleichen Zeitspanne erzielte Porsche erhebliche Gewinne. Bei ersterer Firma talkten deutsche Manager Englisch, bei letzterer Deutsch. Ob die Sprachwahl eine Rolle in der finanziellen Situation gespielt habe, sagen die Autoren, bleibe freilich dahingestellt.

Ist es nur Zufall, dass manche deutsche Unternehmen zur deutschen Sprache zurückfinden? Neulich habe der Englisch sprechende Vorstandsvorsitzende Josef Ackermann vor Journalisten beteuert – auf Deutsch: „Wir heißen Deutsche Bank und sind Teil von Deutschland.“

Warum erzähle ich alldies? Nein, Sie werden hier keiner müden oder passionierten Polemik gegen das Denglische ausgesetzt. Im Gegenteil. Ich will lediglich darauf hinweisen, was ich stets behaupte: Die ganze Trubel um das Aufgehen des Deutschen im Englischen war schon immer eine Freizeitbeschäftigung aufgeregter Puristen – und natürlich nervöser Verlage, die stets auf der Suche nach aufregenden Themen sind.

Doch nun verrate ich Ihnen ein schmutziges kleines Geheimnis: Die deutsche Sprache war nie in Gefahr, vom Englischen einverleibt zu werden – auch wenn das Englische bis heute als hip, cool und modisch gilt.

Wir befinden uns aber in einer Weltwirtschaftskrise. Man wird im Allgemeinen sparsamer – was auch für die Sprache gilt. Das Spielerische passt momentan nicht so ganz zu der Stimmung der Zeit. Mal sehen, wieviele der allseits beliebten englischen Wörter der Gegenwart den deutschen Pass erhalten werden. Ich vermute, dass der Begriff „shareholder value“ ganz vergilben wird. Der „Airport“ wird sicherlich wieder zum „Flughafen“ werden.

Über die Reinheit der Sprache zu spekulieren, ist nunmal ein Luxus sorgloser Zeiten. Eine Sprache ist (und war schon immer) ein kollektives Projekt. Allen Unterweisungen und Rotstiftmarkierungen der Deutschlehrer zum Trotz verändert sich die Sprache. Das ist ihre Natur.

Herzliches Willkommen in der Wirtschaftskrise, einer Zeit der gnadenlosen Korrektur. Das Thema Denglisch wird bald so sehr nach gestern klingen wie die dicken Boni und die unantastbaren Manager der Gegenwart es sind.

Das Wort als Ware

Welchen Wert hat ein Wort? Es handelt sich hier selbstverständlich um eine Fangfrage, die ich stelle, weil ich weiß, dass es im internationalen Blätterwald gang und gäbe ist, freie Mitarbeiter nach Wörtern (z.B., in den USA) oder Anschlägen (in Deutschland) zu bezahlen. Jedes Wort bekommt also einen fixen Wert. Fragen Sie mich nicht nach der Höhe. Ich habe keine Statistik erhoben und will es auch nicht.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich übe hier keine entrüstete Kritik an einem Wirtschaftssystem. Jede wirtschaftliche Leistung hat nunmal ihren Wert. Warum nicht auch die Arbeit der Wortschmiede?

Ja, warum nicht? Weil sich Worte manchmal nicht mit Gold, Silber, Kokain oder Freikarten zum Tina-Turner-Konzert aufwiegen lassen. Weil Worte manchmal so kostbar sind, dass man ihnen kein Preisschild anhängen kann.

Ende der Predigt, die ich mir nur deshalb ausgedacht habe, weil ich von einem schönen Buch erzählen möchte: „Economy of the Unlost“ von der kanadischen Schriftstellerin (und Altphilologin) Anne Carson. Notabene: „Economy“ ist in diesem Titel als vielschichtiges Wortspiel zu verstehen und lässt sich zeitgleich mit „Wirtschaftssystem“, „Sparsamkeit“ und „Haushalten“ übersetzen. „Unlost“ klingt im Englischen ebenso komisch wie „unverloren“ im Deutschen.

Das Buch handelt von zwei Dichtern: Simonides von Keos, der um das Jahr 468 v.Chr. etwa 90 jährig starb, und Paul Celan. Ich befasse mich hier nur mit Simonides. Aus drei Gründen wurde er in der griechischen Antike berühmt: erstens, weil er ein genialer Dichter war (von dessen Werken allerdings leider nur wenige Fetzen noch erhalten geblieben sind); zweitens, weil er als Erfinder der Gedächtniskunst („Mnemotechnik“) gilt (darüber vielleicht ein anderes Mal); und drittens, weil die Griechen behaupteten, er sei der erste Schriftsteller, der sich Geld, sprich Münzen, für seine Arbeit nahm.

Als gäbe es andere Möglichkeiten, von der Schriftstellerei zu leben! Damals schon. Ein Wortschmied suchte nach einem Gönner. Das waren meistens Könige, Statthalter oder Tyrannen. Für die hat man Loblieder und sonstige Unterhaltungen geschrieben. Als Gegenleistung genoss man die Gastfreundschaft des Mäzens. Und die war nicht ohne. Man war also Berufsschmeichler. Wer keinen Gönner fand, nahm an Wettbewerben teil. Das war aber ein hartes Brot. Der Schriftsteller hatte es nicht leicht. Es hat sich bis heute nichts daran geändert.

Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien Simonides seine schriftstellerischen Leistungen in Rechnung gestellt hat. Er hatte jedenfalls großen Erfolg. Aber seine Art Geld zu verdienen war so ungewöhnlich, dass er bald den Ruf des Geizhalses hatte. Noch Aristoteles, der immerhin 150 Jahre nach Simonides lebte, schimpfte auf diesen geschäftstüchtigen Berufsdichter.

Letztlich aber machte seine Geschäftsstrategie Schule. Bereits die nächste Generation der Dichterkönige, zum Beispiel Bakchylides (ein Neffe von Simonides) und Pindar tingelten auf der Suche nach tiefen Taschen durch ganz Hellas, um ihre Kunst gegen hard cash zu veräußern. Jahrtausende später haben die Gesetze des Kapitals alles längst auf die Reihe gebracht.

Ende der Geschichte? Auf keinen Fall. Wissen Sie, dass die ersten griechischen Schriftsteller, die nur ein paar Generationen vor Simonides lebten, ihre Tätigkeit ausschließlich als Priester des Wortes ausübten? Genauer gesagt: Ihre Worte galten als heilig. Durch Klang, Rhythmus und Sinngebung sollten in kultischen Handlungen wichtige Botschaften mitgeteilt werden.

Und dann mit einem Mal, zack! Das Wort ist zu einer Ware geworden. Glückwunsch. Sie haben soeben beim Sprachbloggeur eingekauft. Klick! sagt der Zähler.

Der Sprachbloggeur ist wieder da!

Dies ist kein Text, nur die Ankündigung, dass Texte dieser Leere, die eigentlich keine Leere ist, folgen werden. Aller Anfang erfordert Vorarbeit. Diese bleibt dem Betrachter aber meistens verborgen. Bis bald wieder. Ihr Sprachbloggeur

P.J. Blumenthal: Schriftsteller aus Leidenschaft

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