You are here

Hoffentlich das Letzte, was Sie über die "Illuminati" lesen müssen

Nach Jahrzehnten im „Geschäft“ stelle ich unentwegt fest: Ich bin kein Journalist. Das weiß ich, weil ich noch nie einen „Knüller“ „kassiert“ habe.

So ist es auch im vorliegenden Beitrag. Alle Kollegen sind mit dem hier zu erörternden Thema längst fertig. Ich fange erst damit an.

Jede Zeitschrift, jede Zeitungsredaktion hat schon seit Monaten gewusst, dass Dan Browns Thriller „Die Illuminati“ verfilmt wird. Ihre „Storys“ über „Illuminaten“ und sonstige Geheimorden erschienen also pünktlich zur Premiere des Films.

Film und Blätter bilden in diesem Fall eine synergetische Einheit. Notabene: „Synergie“ (wörtlich „Zusammenwirken“) war, falls Sie es nicht wissen, das Schlagwort schlechthin der „Neuen Ökonomie“, die uns neulich die Weltfinanzkrise beschert hat.

Das nur nebenbei. Im oben erwähnten Fall hat die Synergie wirklich gut funktioniert. Film und Printmedien haben sich gegenseitig beflügelt. Einerseits bekamen die Filmgesellschaften und die Kinos kostenlose Werbung; die Blätter wiederum hatten Gelegenheit einen „Dauerbrenner“ zu thematisieren und erhielten die Illustrationen obendrein gratis vom Film.

Nachdem ich Sie nun in die Feinheiten des Geschäfts eingeweiht habe, die nächste Frage:

Warum geilen „Storys“ über die „Illuminati“, bzw. „Illuminaten“ so sehr auf? Glauben Sie mir. Die Chefredakteure finden stets neuen Anlass, um über diesen Themenkomplex zu berichten. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Ich habe mindestens zwei- oder dreimal darüber geschrieben – natürlich in den üblichen schillernden Farben.

Ich gebe zu: Die Antwort auf meine Frage ist gar nicht kompliziert. Bei den „Illuminati“ handelt es sich um jene geheimnisvollen Dinge, die uns fast automatisch neugierig machen. Denn jeder macht sich Gedanken über die, wie soll ich es sagen, mysteriöse Seite des Lebens.

In meiner Kindheit gab es in den USA eine (damals) sehr bekannte Komikerin namens Martha Raye. Sie erschien im Fernsehen zusammen mit einem ehemaligen Boxer Rocky Graziano, den sie „Bubu“ nannte. In ihren Skizzen passierte stets etwas geheimnisvoll Bedrohliches, was ihnen jedesmal einen Schreck einjagte. Leider fallen mir momentan keine Beispiele ein. Ich kann mich nur daran erinnern, dass Martha Raye bei diesen Gelegenheiten immer in die starken Arme von Rocky gesprungen ist. Dann sagte sie ihm, während er ebenso verschreckt aussah wie sie: „It’s bigger than the both of us, Bubu.“ Es ist größer als wir beide. Das Publikum lachte. Ich auch.

Nicht anders läuft es bei den Illuminaten und Co. Immerhin: Es geht um eine Geheimordnung, die im Hintergrund alles steuert – sowas ist schon aufregend. Kein Wunder, dass soviele Menschen in die großen Verschwörungstheorien geradezu verliebt sind. Mit „Aktenzeichen XY“ usw. gibt’s immer den kleinen Nervenkitzel. Und es passieren wirklich soviele Sachen, für die wir keine Erklärung haben. Das Leben ist letztendlich wie ein James-Bond-Film. Geheimkräfte sind stets am Werk, und man sucht nach dem Superhelden 007 und Co., die uns vor Bösewichten retten sollen. Dan Brown hat diese Sache bestens verstanden.

Verdammt aufregend die Geheimorden, und wer weiß? Vielleicht gibt es sie wirklich. Und wir sind nur Roboter usw.

Ehrlich gesagt, habe ich „Die Illuminati“ nicht gesehen. Dafür habe ich das Buch gelesen. Auf Englisch heißt es „Angels and Demons“. Was heißt gelesen? Die ersten 1200 Seiten waren tatsächlich spannend. Ein „page-turner“ sagen wir über ein spannendes Buch. Die zweite Hälfte fand ich aber ziemlich strapazierend.

Nun wissen Sie meine Meinung über die „Illuminati“. Wie gesagt: Hoffentlich ist dies das Letzte, was Sie über dieses Thema lesen müssen.

PS: Der Sprachbloggeur macht ab Freitag Urlaub. Vielleicht komme ich dazu während dieser Zeit neue Beiträge zu schreiben. Vielleicht mache ich eine „kreative Pause“. Ich mache es nach Lust und Laune. Das menschliche Gemüt ist bekannterweise wie das Wetter – es regnet stets, wenn man Picknick machen will.

Kommt Zeit, kommt Ratte: eine mutige Selbstentblößung

Mit obigem Titel verweise ich auf ein besonderes Problem des Fremdsprachlers – zumindest dieses Fremdsprachlers.

Bis auf den heutigen Tag muss ich stets achtgeben, dass ich gewisse deutsche Wörter einigermaßen richtig auszuspreche. Konkret: Ich habe häufig Schwierigkeiten, zwischen bestimmten langen und kurzen Vokalen zu unterscheiden. „Ratte“ und „Rat“, „Stadt“ und „Staat“, „ermannen“ und „ermahnen“.

Während Sie längst den Unterschied frohlockend automatisiert haben, muss ich, wenn ich solche Wörter über die Lippen bringe, jedes Mal eine bewusste Entscheidung treffen.

Ich bin überzeugt, ich bin nicht der einzige englische oder amerikanische Muttersprachler, der mit diesem Problem zu kämpfen hat. Komischerweise betrifft es fast ausschließlich die Aussprache des langen und des kurzen „A“. „Betten“ und „beten“ zu unterscheiden, schaffe ich meisterhaft. Auch „poppen“ und „popeln“, „Tuch“ und „Tucke“ rollen mir geradezu fließend von der Zunge.

Als ich aber neulich am Telefon Freund Fritz erzählte, dass die Altgriechen am Gastmahl den Wein aus Schalen und nicht aus Gläsern tranken, merkte ich, dass ich „Schalle“ gesagt hatte. Ich pausierte kurz und wiederholte das Wort – diesmal mehr oder weniger richtig als „Schaaaaaale“. Auch die Ausprache von „Gastmahl“ erforderte bei mir eine gewisse Konzentration. Ich neige dazu „Gaaaastmall“ zu sagen. Diese Gefahr, das kurze und das lange „A“ durcheinander zu bringen, begleitet mich - wie Ohrensausen stets im Hintergrund - täglich durchs Leben, . Sie können sich vorstellen, wie ich darunter leide.

Vielleicht fragen Sie sich, wie ich nachts, von so einer Bürde geplagt, überhaupt schlafen (oder „schlaffen“?) kann (oder „kan“)? Ganz einfach: Kleinmut war für mich schon immer ein Fremdwort.

Aber warum ausgerechnet das „A“? Notabene: Ich stelle mir diese Frage hier als einer, der Deutsch auf dem zweiten Bildungsweg gelernt hat, zum ersten Mal. Und siehe da! Die Antwort ist mir eben eingefallen (eingefahlen?).

Stets zu Ihren Diensten ist der Sprachbloggeur.

Und jetzt wird das Geheimnis gelüftet: Ich bringe gerade diese Vokale so restlos durcheinander, weil wir Englischmuttersprachler das lange „A“ nicht kennen! Jawohl! So einfach ist es. Vor allem kennen wir es in Amerika nicht. Wir verfügen zwar über Wörter die ähnlich lauten wie das lange „A“, wir sprechen sie aber stets kurz aus – zum Beispiel „cot“ (Feldbett) „rot“ (verfaulen) „sot“ (Trunkenbold). Die Engländer haben es vielleicht ein bisschen einfacher. Wo wir Amerikaner das „Bad“ ein „bäth“ nennen (das „th“ wird selbstverständlich gelispelt), sagt der Engländer etwas das vokalisch ans deutsche „Bad“ erinnert. Dennoch ist dem Engländer sein „bath“ allemal kürzer als dem Deutschen sein „Bad“.

Nun habe ich Ihnen eine Schwäche aufgedeckt, die Ihnen erlauben wird, mich (und mir Ähnlichen) aus der Allgemeinheit aufspüren zu können. Falls Sie mal einem begegnet sind, der sich mit obigem Sprachfehler bemerkbar macht, können Sie davon ausgehen, dass Sie es möglicherweise mit mir zu tun haben, oder zumindest einem wie mir. (Als Geheimforscher in Sachen Sprache bin ich ja manchmal in der Republik unterwegs).

Man weiß nie, wo ich zufällig auftauchen könnte, um meine frohe Botschaft des Sprechenmüssens zu verkünden.

Seien Sie aber versichert: Auch wenn es heißt, ich müsste meine Anonymität wegen eines einfachen Vokals preisgeben, werde ich nie und nimmer verstummen. Der Sprachbloggeur bleibt im Einsatz – stets dem Wort auf der Spur.

Ja, und so muss es sein. Wenn man aufhört auf das Wort zu achten, wird es dann eines Tages wirklich heißen: „Kommt Zeit, kommt Ratte“.

Was die Maus erzählte

Können Sie sich vorstellen, wie Ihnen die Welt erscheinen würde, wenn Ihre Netzhaut nicht in Ordnung wäre? Nein, das können Sie sich nicht vorstellen, wenn Sie es nie erlebt haben.

Hier also – im wahrsten Sinn des Wortes – ein Augenzeugenbericht:

„Ich schaute über den Bodensee, aber das Wasser kam mir nicht flach vor. Mitten in meinem Gesichtsfeld erblickte ich einen Buckel – ja, einen Buckel auf dem Wasser. Es war mir sofort klar, dass es diesen Buckel in Wirklichkeit nicht geben könnte. Aber meine schlechte Netzhaut nimmt die Welt wellenartig wahr. Und oben auf dem Buckel sah ich einen Katamaran schweben.“

Ende des Zitats. Der Urheber bleibt anonym. Jeder hat das Recht auf seine Privatsphäre.

Was ich sagen will: Das, was das Auge als die Wirklichkeit wahrnimmt, ist nichts anders als ein Konsens. Er entsteht, wenn die meisten Menschen die Welt auf einer gewisser Weise erleben.

Und nun die nächste Frage: Wie klingt der Ruf einer Türkentaube? Erst letzte Woche habe während meines morgenlichen Spaziergangs ein Türkentaubenpärchen entdeckt. Man findet sie fast immer zu Zweit. Ich lauschte, und es kam mir vor, als würden sie „hu-hu-HUU“ rufen. (Manche hören übrigens ein „ku-ku-KUU“). Aber nun wollte ich etwas genauer hinhören. Ich stellte fest, dass ich mir das „H“ eingebildet hatte. Der Ruf war eindeutig vokalisch. Etwa: „u-u-UU“ oder vielleicht „uh-uh-UUH“. Übrigens: Bei uns in den USA heißen sie „mourning doves“, also „Trauertauben“. Das „uh“ oder „hu“ oder „u“ oder „ku“ wird konsensmäßig als trübsinnig wahrgenommen. „Mourning“ ist allerdings gleichlautend mit „morning“. Vielleicht kommt der Name aber daher? Ich glaube, dass sie ohnehin viel häufiger frühmorgens in die Welt rufen.

Alles jedenfalls eine Frage der Wahrnehmung. Aus gleichem Grund wird das Hundegebell je nach Konsens wahrgenommen. Im Englischen hört man ein „woof“ oder „bow-wow“ oder „arf“. (Notabene: Das „W“ ist als „U“ auszusprechen). Im Deutschen meint man ein „wau-wau“ zu hören. Wenn man aber genau hinlauscht, wird es klar, dass das Hundegebell rein vokalisch ist. Dito das „miau“ der Katzen. Das „M“ bilden wir uns schlichtweg ein.

Ich gebe zu: Ich habe Ihnen nichts Neues beigebracht. Dieses Erkenntnis hat jeder Mensch, ohne dass sich ein Schlaumeier wie ich mit Sentenzen über die Wahrnehmung wichtig machen muss.

Dennoch: So offensichtlich es ist, dass das, was man sieht und hört, konsensabhängig ist, haben Philosophen seit Jahrtausenden daraus komplizierte Gedankensysteme gemacht.

Das wird sich vielleicht bald ändern. Denn nun haben fleißige Genetiker am Max-Planck-Institut in Leipzig Mäusen menschliche FOXP2-Gene verpflanzt.

Das FOXP2-Gen wird von den Jungfrankensteinern als maßgebend fürs Sprachliche in Menschen angesehen. Wer weiß? Vielleicht werden die Mäuse – und später wohl auch andere Tiere – mal richtig zu sprechen anfangen.

Wenn schon, dann weiß ich, was die Mäuse als erstes zu sagen haben werden. Etwa Folgendes: „Pfui! Der Käse schmeckt scheußlich! Schon wieder einer dieser billigen Fertigkäse aus dem Supermarkt! Ich mag lieber einen würzigen alten Gouda oder einen pfiffigen Gruyère. Immer diese verdammten Sparmaßnahmen beim Max Planck! Warum müssen ausgerechnet wir die Folgen eurer Scheißfinanzkrise ausbaden? Ihr Menschen haben wirklich nicht alle Tassen im Schrank. Wetten, dass euch der Horizont des Bodensees flach vorkommt.“

Hier wird das Geheimnis des Ursprungs der Sprache gelüftet

Vorgestern abend war „Der Sprachbloggeur“ im Internet unerreichbar. Da der darauffolgende Tag den zwanzigsten Jahrestag der Niederschlagung der Studentenbewegung am Platz des himmlischen Friedens in Peking markierte, hätten Sie vielleicht denken können, dass die lange Hand der chinesischen Regierung den „Sprachbloggeur“ ausgeschaltet hatte, weil die Chinesen befürchteten, ich hätte die Absicht, etwas über den damaligen Protest zu veröffentlichen.

Wäre schon möglich, dass ich zu den unzähligen potenziellen Staatsfeinden gezählt werde.

Aber nein. Die Chinesen spielten hier, soweit ich das beurteilen kann, keine Rolle. Der Server, Heimat dieser Glosse, war einfach abgestürzt, und somit war jede Spur dieser wie auch anderer von diesem Server abhängigen Internetseiten verschwunden. So schnell passiert es im Zeitalter der elektronischen Information.

Doch nun habe ich das Thema Platz des himmlischen Friedens aufgegriffen. Und ich komme nicht umhin darüber zu staunen, wie zwanghaft die chinesische Regierung jene schrecklichen Ereignisse von vor zwanzig Jahren unterdrückt.

Eigentlich tun mir die Kaderisten leid - müssen soviel Lärm machen, um Schweigen zu erzwingen.

Hier haben wir es mit einem Bilderbuchbeispiel des Verstummens der Sprache zu tun – mit einem Bild der Antisprache also.

Doch jetzt weiter zum Geheimnis der Geburt der Sprache.

Vielleicht kennen Sie die alte Geschichte. Der Lehrer fragt: „Fritzchen, was ist ein Zeitwort?“

Fritzchen zuckt mit den Achseln. „Ich weiß es nicht.“

„Ich werde es dir erklären“, sagt der geduldige Lehrer. „Zeitwörter sind Wörter, an die man ein ‚ich’, ‚du’, ‚wir’ und so weiter anhängen kann. Das ist ja einfach, nicht wahr?“

Fritzschen schüttelt den Kopf.

„Gut, dann sag mir ein Beispiel.“

Fritzchens Augen leuchten: „Ich Esel, du Esel, wir Esel…“

Fritzchen ist nichts vorzuwerfen. Er hat verstanden, dass Sprache aus Einzelwörtern besteht, Einzelwörtern, die man notfalls miteinander verbinden kann.

Oder noch ein Beispiel. Ich sage „Hilfe!“ oder „Feuer!“. In beiden Fällen klingt es so, als würde ich einen Befehl erteilen. Doch diese Wörter sind – grammatisch gesprochen – Substantive, keine Verben. Auch Bleistift ist ein Substantiv. Sagt man aber „Bleistift!“, dann hat man wieder etwas Ähnliches produziert wie „Hilfe!“ oder „Feuer!“ „Bleistift!“ sagt man, wenn man dringend einen braucht.

„Hilfe!“ ruft man, wenn man Hilfe braucht. Wer käme auf die Idee „Unterstützung!“ oder „Beistand!“ zu schreien. „Feuer!“ sagt man, wenn es brennt, nicht aber „Brand!“

Nur ein paar Beispiele, um Ihnen Einblick in den Ursprung der Sprache zu gewähren. Die ersten Wörter waren stets Ausdrücke der Unmittelbarkeit. Um richtige Gedanken zu fassen, braucht man Ruhe. Das kam freilich erst später.

Ruhe lässt sich auf Chinesisch mit „himmlischer Friede“ übersetzen. Ja, und gerade den wünschen wir den Kaderisten eindringlich. In China muss man die Sprache offensichtlich neu erfinden, damit die chinesischen Server nicht ganz abstürzen.

Deutsch denken

Letzte Woche war ich im Paradies. So heißt das Obstgeschäft um die Ecke, und glauben Sie mir, der Name ist gut gewählt. Doch ich will hier nicht nur Schleichwerbung machen. Ich will von einem Gespräch berichten, das ich im Paradies mitgehört habe.

Während eine Kundin mit den Augen genau folgte, legte die Geschäftsführerin, nennen wir sie Frau M., zwei Papayahälften auf die Waage.

Frau M.: „Welchen möchten Sie?“

Kundin: „Den.“

Frau M.: „Das da?“

Kundin: „Ja.“

Frau M. nahm das bevorzugte Stück, lieferte einen kurzen, heiteren Kommentar zur Qualität der Ware und tütelte den guten Teil ein. Ende der Geschichte.

Ist Ihnen hier etwas Außergewöhnliches aufgefallen? Ich vermute: nein. Ich gehe vielmehr davon aus, dass sich obiges Gespräch täglich tausendfach in diversen Obstmärkten wiederholt – ohne die geringste Irritation zu verursachen.

Nur ich musste rätseln.

Nachdem die Kundin das Paradies verlassen hatte, fragte ich Frau M., „Sagen Sie, woran haben Sie eben gedacht, als Sie die Kundin ‚Welchen möchten Sie?’ gefragt haben?"

Frau M. kennt mich lange genug, um zu wissen, dass ich meine Fragen nicht von ungefähr stelle. Dennoch wusste sie immer noch nicht, worauf ich hinaus wollte. „Wie meinen Sie das?“

„Ich meine: Sie haben eben ‚Welchen möchten Sie?’ gesagt, und ich habe nach einem grammatischen Bezug gesucht. Ich fragte mich: Warum hat sie ‚welchen’ und nicht ‚welche’ gesagt? Ich habe nämlich an ‚die Hälfte’ gedacht. Sie offensichtlich nicht.“

„So genau habe ich das Ganze nicht in Erinnerung.“

„Irgendeinen Bezug hatten Sie in Gedanken sicher. Denn die Kundin hat mit ‚Den da’ gleich geantwortet. Sie reagierte also auf Ihr ‚“Welchen?’, als wüsste sie, um was für ein ‚den’ es sich handelte. Doch dann setzten Sie mit ‚Das da?’, also mit einem Neutrum, fort., was niemanden zu stören schien.“

„Man redet halt im Eifer des Gefechts“, lachte Frau M. „Hauptsache man hat sich verständigt. Aber ich habe wahrscheinlich an einen ‚Teil’ gedacht.“

„Aha! Das würde das ‚Wen’ erklären. Sie haben an ‚Teil’ gedacht, ich wiederum an ‚Hälfte’. Ein anderer hätte die zwei Teile bzw. Hälften vielleicht als ‚Stücke’ aufgefasst. Dann hätte er gefragt, ‚Welches möchten Sie?’“

„Sie machen mich ganz verrückt mit Ihrer Fragerei. Soviel denke ich nicht, wenn ich spreche. Ich rede einfach darauf los.“

Tja. Ein deutsches Phänomen, liebe Muttersprachler. Obiges Gespräch könnte ich schwerlich ins Englische übersetzen, ohne es reichlich mit Fußnoten zu versehen. Fazit: Wer Deutsch spricht, muss nicht nur auf das Gesprochene achten. Er muss in der Lage sein, zugleich die Gedanken seines Gesprächspartners zu lesen. Sonst würde er nie verstehen, was mit „den da“ gemeint ist. Das habe ich erst jetzt im Paradies kapiert.

Der Sprachbloggeur deutet das Pfingstwunder

Mir fällt gerade der passende Spruch zu Pfingsten ein. Es handelt sich um ein amerikanisches Idiom, das kaum älter als dreißig Jahre sein dürfte. Es zählt meines Erachtens zu den schönsten Redewendungen meiner Muttersprache: „When the going gets tough, the tough get going“. Etwa: Wenn alles beschwerlich wird, dann setzen die Hartnäckigen erst recht an.

Die verbale Schlichtheit des Englischen lässt sich im Deutschen leider nur schwer nachbilden.

Ich probiere es dennoch: Schlägt es dich nieder, dann nieder mit dem Schlag. Naja. Der Schuh passt nicht ganz, aber man empfindet die Schlichtheit der Ausdrücksweise immerhin ein bisschen nach.

Was hat dies mit Pfingsten zu tun? Eigentlich nichts. Da Sie aber bis hierher gelesen haben: Vielleicht gibt es noch Überraschungen und Neuigkeiten zu erleben.

Zum Beispiel das Wort „Pfingsten“. Eigentlich eine schreckliche Verunstaltung einer griechischen Vokabel. Auf Griechisch hieß dieser Feiertag „Pentekoste“, was eigentlich „fünfzig“ bedeutet, genauer gesagt, der fünfzigste Tag nach Ostern, aber das wissen Sie bestimmt schon längst . Die Germanen waren mitnichten in der Lage, dieses griechische Wort korrekt auszusprechen. Manche schafften gerade noch ein unbeholfenes „Pinkoston“ zu sagen. Doch auch das war für die Mehrheit wohl zuviel. Für Germanen war das Aussprechen eines „P“s am Anfang eines Wortes eine wahre Herausforderung. Es wurde meistens in ein „Pf“ verwandelt, ein nasser Genuss für jeden Gegenüberstehenden.

Ich brauche Ihnen über die Geschichte dieses Feiertags eigentlich nichts zu erzählen. Die kennt ohnehin fast jeder . Für den einen oder anderen, der nicht vielleicht Bescheid weiß, hier nur ganz kurz: „Pentekoste“ ist ein Begriff aus dem Wortschatz Griechisch sprechender Juden in der Antike. Letztendlich war er die Übersetzung des hebräischen „Schewuot“, des Namens eines jüdischen Feiertags. Das Wort bedeutet auf Hebräisch „Wochen“. Gemeint sind sieben Wochen, also fünfzig Tage. Das sind die fünfzig Tage nach dem Passachfest – christlich gesagt: nach Ostern. Fünfzig? Warum nicht neunundvierzig? Immerhin geht es um sieben mal sieben. Aus dem gleichen Grund, warum wir „acht Tage“ sagen und eine Woche meinen.

Das besondere am Pfingsten war das Pfingstwunder. Luther schreibt in seiner Übersetzung des Neuen Testaments, dass man begann „zu predigen in anderen Zungen“. Die englische „King James Bible“ übersetzt mit „to speak in tongues“. Auf Griechisch hieß es „lalein heterais glossais“, wörtlich „in anderen Zungen zu brabbeln“.

Keiner weiß genau, was damit gemeint ist. Manche mutmaßen, dass alle in verschiedenen Sprachen redeten und sich trotzdem gegenseitig verstanden haben. Schon möglich. Das wäre praktisch das Gegenteil der Sprachverwirrung am Babelturm. Andere verstehen unter diesem „in anderen Zungen predigen“ ein sinnloses Gebabbel, das trotzdem auf geistiger Ebene verständlich war. In der heutigen Psychologie heißt „Glossolalie“ das Hervorbringen fremdartiger Laute im Zustand religiöser Ekstase – so jedenfalls Duden.

So etwas habe ich selbst erlebt, als ich vor vielen Jahren einmal in der Stadt Buffalo im US-Bundesstaat New York auf eine „holy roller“ Kirche stieß. „Heilige Wälzende“ heißt das wörtlich. Es handelte sich um fundamentalistische Christen. Ich war auf der Jefferson Avenue mit einem Bekannten unterwegs. Plötzlich hörten wir aus einem Haus ein fürchterliches Schreien. Wir wurden prompt neugierig. Jugendliche sind häufig so mutig oder dumm. Soviel wir wüssten, war gerade ein Gewaltverbrechen im Gang . War aber nicht der Fall. Vielmehr entdeckten wir „holy rollers“, die ekstatisch herumtanzten, während der Prediger ihnen etwas vorpredigte – zum Rhythmus eines begleitenden Schlagzeugs. Bei manchen der heiligen Wälzenden sah man nur noch das Weiße ihrer Augen. Manche fielen sogar in Ohnmacht. Andere machten komische Geräusche, die mit Sprache nichts zu tun hatte – Glossolalie also.

Vielleicht waren es „Pentekostale“. Das weiß ich aber nicht. Ich habe sie nicht gefragt. Sie redeten aber in Zungen und waren, da bin ich mir sicher, überzeugt, dass sie sich gegenseitig verstanden haben. Schlägt es dich nieder, dann nieder mit dem Schlag.

Die Informationsrevolution: eine vorläufige Bilanz

Vorab eine Statistik. Es gibt in Deutschland genau dreitausendsiebenhundertdreiundfünfzig Fernsehsender und zwölftausendvierhundertneunundzwanzig Zeitschriften.

Die Frage: Wie schaffen sie es, genügend Inhalt – auf Neudeutsch „Content“ – zu finden, um abertausend Stunden Sendezeit und Millionen gedruckte Seiten zu füllen?

Ich übertreibe freilich maßlos mit meiner Statistik. Maßlos übertreiben tun wir Schriftsteller aber gerne, um die Aufmerksamkeit des Lesers auf unseren Text zu ziehen. (Nun habe ich Ihnen einen „trick of the trade“ verraten).

Zurück zu meiner Frage: Auch wenn es sich um nur dreißig oder vierzig Sender handelt und „nur“ mehrere Hundert Zeitschriften, Zeitungen usw., wie gelingt es ihnen, täglich, wöchentlich oder monatlich immer wieder Neues zu präsentieren?

Die Antwort liegt auf der Hand: Das tun sie nicht!

Das tun sie nicht, und trotzdem leben wir im Informationszeitalter. Vielleicht erinnern Sie sich: Vor zwanzig Jahren wurde in den Medien ständig darüber berichtet, dass sich die Menge an Information jährlich verdoppelt – oder hieß es verzehnfacht oder verhundertfacht? Ich weiß es nicht mehr. Es hieß jedenfalls, dass sich die Informationsmenge derart potenziere, dass der Menschen eigene Computer – sprich das Hirn – mit dem Angebot bald restlos überfordert werden würde. Überall stieß man auf aufrichtige Vorschläge (auch ich habe damals welche geschrieben), wie man mit der kommenden Datenlawine umzugehen habe.

Was ist aus dem drohenden Hirninfarkt im Infoüberflusszeitalter geworden? Hand aufs Herz. Fühlen Sie sich im Jahr der Terabytes vom Angebot überwältigt?

Ein kurzer Rückblick für jüngere Leser: Fernsehzuschauer in Deutschland hatten bis 1989 die Möglichkeit, zwischen ZDF, ARD und einem Regionalsender zu wählen. In Bayern hatten wir auch ORF. Mehr war nicht drin. Trotzdem guckte man nur eine Sendung auf einmal an. Damals gab es den Spiegel, den Stern, die Zeit, die Bunte oder Quick. Als „Wissensmagazin“ hatte man PM und das „Zeitmagazin“. Eigentlich schon damals zuviel für ein einziges Hirn zu verarbeiten. Man traf also eine Wahl.

Und heute? Ich glaube, es hat sich nichts auf dem Gebiet der Medien verändert – wenn man vom Internet absieht. Man konsumiert weiterhin nur soviel Informationen, wie man verarbeiten kann/will.

„Aber Herr Sprachbloggeur, das Angebot ist nunmal größer, und das bedeutet, dass es doch mehr Content gibt als früher“, sagt ein Skeptiker.

„Nein. Wenn überhaupt, dann vielleicht eher weniger“, antworte ich provokativ.

„Wie kann das sein, wenn das Angebot de fakto größer geworden ist?“

„Weil alle das Gleiche bringen: Berichte über aussterbende Tiere, Klimaerwärmung, Jubiläumsberichte (200 Jahre Darwin, 60 Jahre BRD, 70 Jahre 2. Weltkrieg), Leben nach dem Tod, Poltergeister, Islam etc.“ Jede Redaktion weiß ganz genau, was die andere macht. Man will nur selten Neues wagen. Denn die Marketingleute haben Angst, einen Fehler zu begehen.“

Lieber Leser, wirklich Neues finden Sie momentan nur im WehWehWeh – zum Beispiel, wenn Sie den Sprachbloggeur und alle seine Links lesen. Hier gibt es wirklich ein Überangebot, und Sie werden bestimmt Tolles verpassen. Momentan auch kostenlos – für Konsumer und Hersteller. Aber keine Sorge. Eines Tages bin auch ich ein Angesteller bei Google. Dann darf ich wieder schreiben, was die anderen gerade schreiben. Dafür habe ich dann mehr Geld in der Tasche. .

Die Leiden der jungen Werte

„Die Zeitschriften werden immer dümmer“, sagte mir mein Sohn letzte Woche. „Mir kommt es vor wie das ewige Anschleimen. Man will gefallen, und im Grunde wissen die gar nicht, was uns interessiert. Alle machen das Gleiche – wie halt die Lemminge: Sechszig Jahre Bundesrepublik, Facebook und Twitter. Ätzende Themen. Das Wichtigste fehlt aber.“

„Und was soll das sein?“

„Ich suche nach einem bestimmten Wort. Gestern habe ich es meinen Freunden gesagt. Es fällt mir momentan nicht ein.“

„Vielleicht Ehrlichkeit?“

„Nein, nein. Das war es nicht. Und je mehr ich darüber nachdenke, umso schwieriger wird es, mich zu erinnern.“

„Intelligenz?“

„Nein, ein völlig anderes Wort.“

„Macht nichts. Es fällt dir sicherlich wieder ein.“

Und so war es. „Ich hab es“, sagte mir mein Sohn zwei Tage später. „Werte. Es fehlt an Werten. Genau das ist es. Wie heißt es auf Englisch…values.“

„Ich bin ganz auf deiner Linie. Aber wie würdest du die fehlenden Werte wiederbeleben? Das ist die große Frage.“

„Indem man endlich über die wichtigen Dinge schreibt oder über sie Filme dreht und so weiter.“

„Das Verzwickte ist aber, es gibt keinen Konsens, was einen Wert hat. Nazis, Islamisten, Linke und auch Zentristen sind alle der Meinung, ihre Werte seien die einzigen wahren. Es wird zu einem richtigen Wettbewerb um die Werte.“

Ich werde nicht weiter aus diesem Gespräch zitieren, und ich bereue, dass ich es überhaupt geführt habe. Es ist traurig, wirklich traurig zuzuschauen, wie sich ein junger Mensch mit den Schlingen und Bedeutungsvernebelungen dieses Wortes auseinandersetzt. Und trotzdem glaube ich genauso fest wie mein Sohn an die Existenz von zuverlässigen Werten.

Letztendlich eine komische Vokabel, „Wert“. Der Etymologie nach ist es mit „kaufen“ und „verkaufen“ verwandt – genau die „Werte“, die mein Sohn in den Medien anprangerte.

Um die Wahrheit zu sagen: Ich hätte gehofft, dass „Wert“ und „Wort“ aus dem gleichen Wortstamm abzuleiten wären. Betrachtet man das englische „word“ und „worth“, möchte man an eine solche Verknüpfung fast glauben. Der Schein trügt aber. „Wort“ – übrigens mit dem lateinischen „verbum“ verwandt – bedeutete ursprünglich „das Gesagte“.

Seltsam: Auch wenn ein Wert verwertbar ist, muss es nicht heißen, dass er wertvoll ist. Und noch eigenartiger: Wertloses kann durchaus wertvoll sein.

Es handelt sich also um ein Wort, das mit seinem innigsten Sinn Versteck spielt. Kein Wunder, dass man mit ihm soviel Schindluder treibt. „Schindluder“ bedeutet übrigens „totes Tier“.

Hiermit möchte ich konstatieren, dass mein Sohn auf das schwierigste Wort der deutschen wenn nicht jeder Sprache gestoßen ist – unhandsamer als die „Liebe“ sind die Werte. Manche würden dennoch meinen, dass meine Beurteilung lediglich eine persönliche Bewertung sei.

Die gute Nachricht: Eine Wertigkeit ist nicht das Gegenteil von einer Widerwärtigkeit.

Lieber Raubkopierer, liebe Raubkopiererin,

vielen Dank für Ihr Interesse an mein Buch „Der Werwolf nebenan“. Seien Sie überzeugt: Ich fühle mich sehr geehrt, dass Sie ausgerechnet den Kopierschutz meines e-Buchs überlistet haben. Ein klarer Hinweis auf Ihren guten Geschmack.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, wenn ich mir dennoch gewünscht hätte, dass Sie die elf Euro siebzig für das Herunterladen bezahlt hätten. So viel kostet das Buch nämlich, wenn ich mich richtig entsinne. So steht es jedenfalls in meinem Vertrag. „Sie werden sehen. Mit e-books erreichen Sie ein viel größeres Publikum als es je zuvor möglich gewesen wäre!“ Das hat mir der Lektor damals gesagt. „Papier ist von gestern. Digital ist nicht nur die Zukunft, es ist schon die Gegenwart!“ Ja, das hat er mir gesagt.

Und er hat mich wirklich überzeugt. Ein papierenes Buch als privaten Fetisch brauche ich eigentlich nicht, zumal fast jeder mittlerweile einen e-Reader hat. Ja, so waren meine Gedanken.

Und weil ich damit rechnete, das ich meine zehnprozentige Tantieme so oder so bekomme, war das Geschäft perfekt. Das sind immerhin ein Euro siebzehn pro Exemplar. Der Lektor erklärte mir außerdem, dass Käufe im Internet viel spontaner – und schneller – vonstatten gehen als beim Gang in die Buchhandlung. Man drücke lediglich auf eine Taste und – zack! –schon hat man das Buch heruntergeladen. Irre Welt, nicht wahr?

Trotzdem war ich anfänglich etwas zögerlich. Was passiert, habe ich ihn gefragt, wenn jemand den Kopierschutz knackt? Der Lektor hatte für meine Sorgen nur ein müdes Lächeln übrig. „Sie werden sehen“, sagte er, „nicht einmal die besten Hacker in Moskau und Peking werden diesen Kopierschutz austricksen können.“

Er hat sich offenbar geirrt, nicht wahr?

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich möchte hier nicht larmoyant klingen. Ich weiß: Wenn du lachst, so lachen alle mit dir mit, wenn du weinst, so weinst du allein. Trotzdem: Ich habe fünf Jahre meines Lebens in das Schreiben dieses Buchs investiert. Noch nie hat jemand das Phänomen des Werwolfs so gründlich beleuchtet wie ich. Der „Spiegel“ lobte das Ergebnis als „Standardwerk“. In der „Zeit“ hieß es, dass ich „eloquente Wissenschaftsprosa“ geschrieben habe. Nur die PETA hat sich kritisch darüber geäußert. Eine „vertane Chance“ hieß es. Ich hätte „arroganterweise den uralten Mythos von der Überlegenheit des Menschen über das Tier Vorschub geleistet.“

Fünf Jahre meines Lebens habe ich dieser schweren Arbeit gewidmet und habe dafür weniger verdient als eine Putzfrau. Verstehen Sie mich nicht falsch. Das ist nur eine Redewedung. Ich weiß die Arbeit von Putzfrauen wirklich zu schätzen. Fünfhundert Seiten über Werwölfe. Dazu habe ich Originelles, noch nie gekannte Fakten über Wesen und Herkunft dieses kaum verstandenen Phänomens an den Tag gelegt. Und stellen Sie sich vor. Der Verleger war zunächst entsetzt. „Das Buch ist zu lang! Sie müssen es um die Hälfte kürzen. Wer möchte heutzutage soviel lesen?“ J

a, das hat er gesagt, obwohl er vorhatte, das Buch nur digital zu verlegen. Vielleicht hat er nur an die Kosten des Korrekturlesens gedacht. Ich weiß es nicht. Ich bekam jedenfalls beinahe einen Herzinfarkt. Soviel Arbeit, und alles für die Katz. Ich war mächtig verzweifelt. Glücklicherweise fiel mir in dem Augenblick eine mögliche Rettung ein. Da ich Franz Beckenbauer seit unserer Kindheit kenne – ja, wir spielten am Bolzplatz zusammen (damals galt ich als der bessere Stürmer) – habe ich dem Verleger ein Angebot gemacht: Lässt er das ganze Buch, so wie es ist, zu, so wird der Franz das Vorwort schreiben. Der Verleger war sofort Feuer und Flamme. Deshalb werden auch Sie lesen können, was der Franzerl über Werwölfe zu sagen hat.

Aber genug der Rede. Nun haben Sie ein bisschen über mich, den Autor erfahren. Was Sie nicht wissen: Jeder der mein Buch als Raubkopie erschlichen hat, wird auch diesen Text, den Sie gerade lesen, automatisch miterhalten. Dank einem guten Freund – er ist Programmier – ist es mir gelungen, diesen offenen Brief an jeder Raubkopie meines Buches „Der Werwolf nebenan“ (nicht mein Titel übrigens, stammt vom Verleger) anzuhängen. Der Text fehlt völlig in den gekauften Exemplaren. Im elektronischen Zeitalter ist alles möglich.

Sonst wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen, und vergessen Sie nicht, das Buch auch Ihren Freunden weiterzuempfehlen. Ach ja. Falls Sie selber mal ein Buch schreiben, seien Sie sicher, dass auch ich den Kopierschutz (mit Hilfe meines Freunds des Programmiers) zu knacken wissen werde. In einer vernetzten Welt haben wir alle Gelegenheit uns (zumindest URLmäßig) näher kennenzulernen.

Mit virtuellem Gruß

Ihr

Adrian van der Werff

"Bad bank" oder "ehrenamtlich" – welches wird 2009 Wort des Jahres?

Finden Sie auch, dass das Jahr 2009 rekordverdächtig ist, was neue Wörter und Begriffe betrifft?

Die Wortschmiede aber auch der einfache Verbraucher kommen dieses Jahr reichlich auf ihre Kosten. Und es handelt sich zum Teil um Vokabeln mit richtigem Tiefgang.

So, zum Beispiel „Schweinegrippe“. Das Wort gibt nicht nur den Namen eines Virus wieder. Es schwillt mit Nebenbedeutungen, die auf metasprachlicher Ebene mitvermittelt werden. Etwa: Angst, Hohn, Gleichgültigkeit. Es sind beihnahe soviele Beigeschmäcke wie in einer gut gewürzten Sauce.

Natürlich gehört auch „Conficker“ auf die Liste, oder haben Sie dieses Wort schon vergessen? Denn man hört seit mehreren Wochen nichts mehr über diesen virtuellen Wurm. Warten Sie nur ab. Bald wird es in der Zeitung heißen, dass der gefürchtete Cybererreger einen neuen Termin gesetzt hat, um sämtliche Rechner auf der Welt in blinde Augen zu verwandeln. Alles eine Frage der Zeit. Dann wird fieberhaft nach dem Täter gesucht. Und ich kann Ihnen schon jetzt versprechen: Sollte „Conficker“ die Geschäfte kaputtmachen, wird man mit dem genialen Hacker, der dahinter steckt, kurzen Prozess machen. Denken Sie an die tschetschenischen Oppositionspolitiker.

Und wer möchte an dieser Stelle die „giftigen Papiere“ vergessen? Hätten Sie sich früher vorstellen können, dass Papier giftig sein könnte? In Krimis passiert es gelegentlich. Auch Autoren können giftig sein und verschmähte Liebhaber erst recht. Aber Papier? Hier handelt es freilich um eine sehr gelungene Lehnübersetzung des neuamerikanischen „toxic mortgages“, die „toxischen“ – also „giftigen“ Hypotheken, die Auslöser für die jetzigen Weltfinanzkrise waren. Mit „Papieren“ sind mittlerweile alle wertlose Wertpapiere – nicht nur die Hypotheken – gemeint. Sehr geschickt.

Jawohl! Es macht wirklich Spaß, diese neuen Wörter hier aufzulisten. Doch der Tag ist schnell vorbei, und ich werde diese Aufzählung leider unvollständig lassen müssen. Meine zwei allerliebsten Neuschöpfungen habe ich natürlich für den Schluss aufbewahrt.

Die kennen Sie aber schon, weil ich sie im Titel bereits verraten habe. Meinen Sie auch nicht, dass „bad bank“ als Wortschöpfung kaum zu übertreffen ist? Dieser Begriff ist so nagelneu, dass man ihn noch nicht großschreibt. Aber wenn es so weit ist, wie wird man ihn orthographisch verdeutschen? Wird man ihn zusammenschreiben oder mit Bindestrich zum Tandem machen? Werden beide „B“s großgeschrieben oder nur das erste? Es sind Fragen, für die es momentan keine Antwort gibt. Sicherlich werden uns die Zeitungen es bald vormachen. Doch das Allerschönste an diesem neuen Begriff, ist dass er den eigenen Gegensatz voraussetzt und in die Sprache mitbringt. Ich meine: Wenn es eine „bad bank“ gibt, dann muss man davon ausgehen, dass es auch eine „good bank“ gibt. Ist das nicht schön, die Banken in „gut“ und „böse“ einzuteilen? Ein Signal, dass wir in einem demokratischen Zeitalter leben, wo alles eine Stimme hat.

Aber nun zu meinem zweiten Lieblingswort: „ehrenamtlich“. Zugegeben, dem Anschein nach handelt es sich keineswegs um eine neue Vokabel. Das stimmt aber nicht. Dieses Wort hat in jüngster Zeit eine ganz neue Dynamik gewonnen. Überall wo ich hinschaue, erfahre ich, dass die ehrenamtliche Arbeit total „in“ ist: in den Altersheimen, in den Krankenhäusern, den Schulen und vielleicht bald an Ihrem Arbeitsplatz! Nicht zu vergessen: Wirtschaftskrise is’. Die abgeplagten BWLer sind schwer damit beschäftigt, die Firmen (und die eigenen Stellen) zu retten, koste, was es wolle. Was wäre denn doch sinnvoller als diese kecke Neuheit, die „Ehrenamtlichkeit“, einzuführen? Kostensparend ist es allemal!

Doch nun zu meinem Dilemma: das Wort des Jahres zu wählen. „Bad bank“ und „ehrenamtlich“ sind meines Erachtens beide preisverdächtig, und ich habe große Schwierigkeiten, mich zu entscheiden. Schön wäre es, wenn man dieses Jahr ausnahmsweise zwei Sieger ehren könnte.

Pages

Subscribe to Front page feed