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Das Duzen: Zu Risiken und Nebenwirkungen…

Die deutsche Sprache und ich, wir passen zueinander wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.

Was ich damit sagen will: Ich duze und sieze wirklich gerne.

Auch andere Sprachen unterscheiden in der zweiten Person zwischen Intimbereich und Distanz. Wenn ich täglich nur Spanisch, Französisch oder Italienisch spräche, würde ich vielleicht meinen, auch diese Sprachen passten zu mir „comme un gant“ (wie ein Handschuh) oder so. Heute geht es aber um das Deutsche.

„Faust aufs Auge“. Komische Redewendung. Denn sie kann auch das Gegenteil von „gut zueinander passen“ bedeuten. Die Franzosen sagen in dem Fall – hier grob übersetzt: „Es passt wie eine Schürze auf die Kuh“.

Warum duze und sieze ich so gerne? Ganz klar! Weil ich ein „control freak“ bin, also jemand, der alles unter Kontrolle haben will. Und das kann man dank dem Duzen und Siezen geradezu ausgezeichnet.

Aber nun erzähle ich ein Erlebnis, das meine Fähigkeit, alles mit „Du“ und „Sie“ unter Kontrolle zu halten, schwer, sehr schwer geprüft hat. Es war am vorigen Mittwoch. Ich bin – wir nennen sie Frau A., wobei ich in Wirklichkeit keine Ahnung habe, wie sie heißt – auf der Straße begegnet. Man beschreibt Frau A. am einfachsten als Stimmungsbombe. Sie strahlt positive Energie aus wie ein Geysir Wasser. Natürlich duzt sie einen und jeden. Neulich erzählte sie mir, sie sei 83 Jahre alt.

Ich habe sie trotzdem immer hartnäckig gesiezt. Man solle Menschen grundsätzlich siezen, wenn sie älter sind – so habe ich es gelernt. Es sei denn, sie bieten einem das Du an.

„Grüß dich!“ sagte sie mit dem üblichen orkanartigen Schwung. Auf einmal kam mir mein herzliches „Grüß Sie.“ als Retourkutsche recht blutarm vor.

„Ist das nicht ein toller Morgen!“ fuhr sie fort. „Der Nebel löst sich auf. Die Luft ist frisch. Ich fühle mich g r o ß a r t i g! Und noch dazu hat mir mein Arzt gesagt, der Krebs ist auf den Rückzug!“

„Ach“, sagte ich, „Ich wusste gar nicht, dass Sie Krebs haben“

„Ja“, antwortete sie. „Im ganzen Körper. Aber mit so einer wie mir hat er keine Chance! Er kann positive Menschen überhaupt nicht leiden!“

Nebenbei: An diesem Tag war mein Grundtenor, wie soll ich sagen, etwas säuerlich. Kommt auch mal beim Sprachbloggeur vor. Und dann ging mir auf dass ich mich von diesem tsunamiartigen Schwall positiver Energie seitens Frau A. ebenso irritiert fühlte wie wohl ihre Krankheit. Das muss etwas bedeuten, sinnierte ich. Negatives will sich aus dem Staub machen, wenn das Positive zu stark wird.

Ich war mir also sicher, dass Frau A. etwas sehr Wichtiges erzählt hatte.

„Ich liebe das Leben und das Alter!“ sagte sie weiter und klopfte mir dabei kräftig auf die Schulter. „Und der Tod, der ist ein alter Freund! Man hat das nur vergessen! Warum die Leute vor ihm Angst haben, ist mir schier ein Rätsel!“

Der langen Rede kurzer Sinn. Natürlich, habe ich sie gleich geduzt – trotz schlechter Laune. Heute geht es uns beiden blendend.

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