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Das Geheimnis der Zwanziger

Im Moment habe ich den Kopf so voll mit Worten, dass ich kaum mehr denken kann.

Das wird Ihnen aber zum Vorteil gereichen. Denn ich wende mich nun den Zahlen zu und werde Ihnen das Geheimnis der Zwanziger lüften.

Vielleicht wussten Sie gar nicht, dass es hier ein Geheimnis zu lüften gibt.

Es gibt es sehr wohl, obgleich ein Deutsch Sprechender nur selten auf diesen Gedanken kommen wird. Punkt! Ein Franzose weiß sofort, wovon ich rede.

Wissen Sie, wie man auf Französisch „achtzig“ sagt? Antwort: „quatre-vingt“, zu Deutsch „viermalzwanzig“.

Warum zählen die Franzosen so komisch? Vergleichen Sie das italienische „ottanta“ und das spanische „ochenta“. Eigentlich müßte ein Franzose „huitante“ für „achtzig“ sagen. Und das tun die Welschen in der Schweiz und ich glaube auch die Belgier – bin aber nicht ganz sicher.

Warum sagt ganz Paris aber „viermalzwanzig“, wenn man „achtzig“ meint?

Ich wäre nie auf die Antwort gekommen, wenn ich nicht zufällig neulich in Dänemark gewesen wäre, wo ich mein Interesse für die dänische Sprache entdeckt habe.

Fakt ist: Jeder Dänisch Lernende stolpert über die Zahlen in dieser skandinavischen Sprache. Bis „neunzehn“ („nitten“) ist die Welt noch in Ordnung. Doch dann kommt „tyve“, „zwanzig“, wörtlich „zweimalzehn“. Übrigens: Versuchen Sie bitte nicht, „tyve“ auszusprechen. Glauben Sie mir, ihre Aussprache wird garantiert falsch sein, wenn Sie keine dänische Mutter haben.

Auf „tyve“ folgt „tredive“, also „dreißig. Dieses Wort ist noch unmöglicher auszusprechen, scheint aber „dreimalzehn“ zu bedeuten, was nicht weiter schlimm ist. Auch „dreißig“ bedeutet „dreimalzehn“.

Ab jetzt wird’s knifflig: „Vierzig“ heißt auf Dänisch „fyrretyve“. Ein unmögliches Wort, das die Dänen auf „fyrre“ gekürzt haben. Die Zahl bedeutet wörtlich „viermalzehn“, was ebenso logisch ist wie „vierzig“, das auch „viermalzehn“ ist. Nur: „Tyve“ kann sowohl „zehn“ wie auch „zwanzig“ bedeuten. Fragen Sie mich nicht, warum es so ist. Mit dem dänischen Wort für „fünfzig“, „halvtredsindstyve“, wird man schier verrückt. Nicht einmal die Dänen wollen dieses Wortungeheuer in den Mund nehmen. Sie haben es auf „halvtreds“ reduziert. Die Langform bedeutet aber wörtlich „zweiundhalbmalzwanzig“. Alles klar?

„Sechsig“ ist „tresindstyve“ – die Dänen belassen es aber bei „tres“. Wörtlich: „dreimalzwanzig“. Es folgt: „Dreiundhalbmalzwanzig“, „viermalzwanzig“ und „vierundhalbmalzwanzig“. Das sind, ins Deutsche übersetzt, die dänischen Vokabeln für „siebzig“, „achtzig“ und „neunzig“. Irgendwie haben sie es mit den Zwanzigern.

Aber kehren wir nun zum französischen „quatre-vingt“ zurück. Sicherlich ist Ihnen die Ähnlichkeit mit dem dänischen „viermalzwanzig“ bereits aufgefallen. Nur Zufall?

Nein. Wir schreiben das Jahr achthundertundetwas n.Chr. Damals hatten die Vorfahren der Dänen, die Wikinger, die halbe Welt erobert. Auch das damalige Frankenreich war fest in den Händen dieser „Nordmänner“, wie man sie damals nannte. Manche von ihnen haben sich im nördwestlichen Frankenreich niedergelassen. Deswegen heißt diese Gegend „Normandie“.

Zwar haben die Nachkommen der dort ansässigen Wikinger die Landessprache, Französisch, übernommen. Ihre Art zu zählen aber haben sie zumindest teilweise in der neuen Sprache beibehalten .

Warum die Wikinger in Zwanzigereinheiten zählten? Keine Ahnung. Vielleicht hat es ihnen Spaß gemacht, die Zahl ihrer Finger und Zehen zu kontrollieren. Nicht zu vergessen: Damals gab es noch kein Fernsehen, kein Internet und keine MP3s.

Aber genug für heute. Keine Worte mehr, keine Zahlen. Ende des Geschichtsunterrichts.

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