Hallo! Ist jemand aus dem Kreis meiner Leser Naturwissenschaftler?
Heute möchte ich nämlich eine einmalige Gelegenheit verschenken. Genauer gesagt, eine Eingebung verschenken, die für ein/en/e Naturwissenschaftler/in (die Sprache wird immer umständlicher) zum beruflichen Erfolg führen könnte.
Aber vorerst Persönliches: Ich war nicht immer ein Wortschmied. Nein. Einst strebte ich eine naturwissenschaftliche Laufbahn an.
In der zehnten Klasse verbrachte ich die Mittagspause im protozoologischen Labor der Highschool. Ich war das einzige Mitglied des protozoologischen Klubs. Während ich mein von Zuhause mitgebrachtes Sandwich schnabulierte, beobachtete ich Urtierchen unter dem Mikroskop.
Mr. Landowsky, der zuständige Lehrer, bezeichnete mich als sein kleines Pantoffeltierchen – auf Englisch: „little paramecium“. Damit meinte er mit Sicherheit nichts Anzügliches. Damals war die Welt ganz anders: unschuldiger.
Obiges nur einleitend. Meine Karriere als Protozoologe, sprich als Naturwissenschaftler, ging jäh zu Ende, als ich im folgenden Jahr Physik pauken musste. Ich war in diesem Fach leider keine Leuchte.
Jetzt überspringen wir die Jahre. Ich bin nicht mehr Mr. Landowskys kleines Pantoffeltierchen, sondern Geliebter meiner damaligen Lebensabschnittspartnerin Virginia. Wir bewohnen in Santa Barbara ein hübsches Häuschen in den Vorbergen der Santa Ynez Berge. Man schreibt den 9. Februar 1971. Es ist ca. 6h in der Früh. Virginia und ich schlafen den Schlaf der jugendlichen Unschuld. Plötzlich werde ich aus den Träumen gerissen. Denn unser Häuschen scheint hin und her zu schaukeln. Es ist als ob ein Riese unser Häuschen in seiner großen Hand hält und sachte Bewegungen macht. „Was geht hier vor?“ frage ich schlaftrunken.
Virginia, gebürtige Kalifornierin, reagiert gelassen. „Ach, bloß ein Erdbeben“, sagt sie.
Augenblicklich erwacht der junge Forscher in mir aus dem langen Schlaf. Ich springe wie neugeboren aus dem Bett und haste – der Boden bebt noch – zum Telefon. (Notabene: Es gab damals weder Handys noch tragbare Telefone). Ich wähle die amtliche Zeitangabe. Ich glaube, die Nummer lautete „MEridian 6 1212“ und notiere die Zeit (ich besaß keine Uhr).
Ach! Das Wichtigste habe ich vergessen zu erwähnen: Ich war damals als professioneller Astrologe tätig. Ja, ich verdiente mein Geld (es war zwar ein bescheidenes Auskommen), indem ich für Kunden (meistens waren es Kundinnen) Horoskope erstellte und deutete. Keine einfache Arbeit, sollte ich betonen. Ein Horoskop genau mathematisch zu errechnen, erforderte etwa zwei Stunden, es zu deuten noch zwei Stunden. Aus Gründen, auf die ich hier nicht weiter eingehe, habe ich diesen Beruf 1972 an den Nagel gehängt. Das ist aber eine lange Geschichte. Vielleicht ein anderes Mal.
Ich war aber als Astrologe ein kritischer Geist, der naturwissenschaftlich dachte. Und nun war ich neugierig, ob man anhand von einem Ortshoroskop ein Erdbeben wie dieses hätte voraussehen können. Aus der Zeitung – damals gab es noch kein Internet – erfuhr ich, dass das Epizentrum in Los Angeles lag. Ich setzte mich nun hin und errechnete die Stellen der Himmelskörper und studierte das Ergebnis sorgfältig. Ich fand aber nichts, was meiner Meinung nach, ein Erbeben aus astrologischer Sicht hätte veranlassen können. Keine dramatischen Konfigurationen also. Kurzlebige Enttäuschung.
Doch plötzlich hatte ich einen Einfall der besonderen Art. Ich fragte mich: Ist die Errichtung eines üblichen geozentrischen Horoskops – also mit der Erde als Mittelpunkt – vielleicht die falsche Arbeitsweise, um ein Erdbeben vorauszusehen? Womöglich, sann ich. Und nun erstellte ich ein heliozentrisches Horoskop – also eine Momentaufnahme der Lage der Himmelskörper mit der Sonne als Mittelpunkt. Zum Glück besaß ich sowohl geozentrische wie auch heliozentrische Tabellen – „Ephemeriden“ genannt, um diese Positionen zu messen.
Das Ergebnis war vielversprechend, auch wenn ich es hier leider ungenau wiedergeben muss. Die Geschichte liegt nämlich ein paar Jährchen zurück. Ich konstatierte aber folgendes Bild: Im Augenblick des Erdbebens lag die Sonne zwischen Jupiter und Saturn. Die Erde befand sich in einem rechten Winkel zu beiden Planeten. Und da wir außerdem gerade Vollmond hatten, steckte die Erde zwischen Sonne und Mond.
Meine damalige Frage: Kann es sein, dass das Erdbeben durch Spannungen ausgelöst wurde, die von den Stellungen der oben erwähnten Himmelskörper ausgingen? Ich begab mich in die Stadtbücherei und recherchierte Ort und Zeit verschiedener Erdbeben der letzten Jahre. Dann erstellte ich heliozentrische Horoskope für alle meine Beispiele. Und siehe da! Eine ähnliche gespannte Lage der Himmelskörper war auch in anderen Fällen zu bemerken. Aber nur manchmal.
Näheres kann ich zu diesem Thema nicht sagen. Aus diesem kleinen Pantoffeltierchen ist doch kein Naturwissenschaftler geworden, sondern Schriftsteller. Falls Sie Naturwissenschaftler sind und meine Beobachtungen weiter untersuchen möchten, vergessen Sie nur nicht: Sie haben darüber beim Sprachbloggeur erfahren. Sonst gehört Ihnen der Ruhm.
Ein anderes Mal meine Lösung für das Energieproblem.
„Wenn ich den Schal umwickle, dann schaue ich aus wie ein Hipster“, sagte mein Sohn. „Es fehlt bloß die Sonnenbrille.“
„Nein der Schal sieht wirklich gut aus, richtig schick“, konterte meine Frau.
„Das meine ich eben“, sagte mein Sohn.
„Warte, warte“, jetzt war ich dran. „Was heißt hier ‚Hipster‘?“
„Hipster?“, antwortete mein Sohn. „Weißt du nicht, was ein Hipster ist?“
Ich: „Natürlich weiß ich, was ein Hipster ist, aber Hipster scheint, wie ihr redet, nicht mehr ‚Hipster‘ zu bedeuten.“
Obiges die Quintessenz eines Gesprächs. Und in dem Augenblick fiel mir eine Redewendung ein, die manchmal meine Mutter gebraucht: „What goes around, comes around“ – auch übrigens der Titel eines Justin-Timberlake-Liedes. (Vielleicht stammt der Spruch von ihm? Denn ich kenne ihn von früher nicht). „Alles rächt sich früher oder später“, wäre eine brauchbare deutsche Übersetzung.
Ich behaupte, dass dieser Spruch auch viel über den Begriff „Hipster“ aussagt.
Nicht von ungefähr findet man in Wikipedia zwei völlig unterschiedliche Einträge für dieses Wort. Der eine heißt „Hipster (21. Jt)“, dessen Inhalt erwartungsgemäß nicht gerade schmeichelhaft ist, siehe da; der zweite erscheint als gelehrter Aufsatz über die längst verschwundene Subkultur der „Hipster“ um die Mitte des 20. Jahrhunderts.
Ich werde dort anfangen, wo ich mich wenigstens einigermaßen auskenne. Die „Hipster“ waren nämlich in meiner Kindheit die coolenTypen. „Angelheaded hipsters burning for the ancient heavenly connection to the starry dynamo”, schrieb Poet Allen Ginsberg 1956 in seinem langen dichterischen Aufschrei “Howl” (Heulen), der zum Fanal der Jugendbewegung wurde. Etwa: Engelköpfige Hipster, die sich nach der uralten himmlischen Verbindung zum sternhellen Generator sehnten.
Damalige „Hipster“ waren quintessenziell „hip“. Wenn man, “he‘s hip“ sagte, so meinte man: Ja, er weiß Bescheid. Und so hätte es auch jeder verstanden. Und so war es, bis mit einem Mal der Sinn dieses Wortes ins Gegenteil umschlug. Das passierte in der ersten Hälfte der 1960er Jahre. Damals nannten wir solche Jugendliche „Hippies“ oder „Hippie-Dippies“, die (unserer Meinung nach) nur so taten, als wüssten sie Bescheid – ähnlich wie man heute mit den heutigen deutschen „Hipsters“ umgeht. Dann erneut eine unerwartete Umkehrung. Ab 1966 waren „Hippies“ schon wieder die Coolen. Sie wissen schon: „Flower-Power“, lange Haare, Marihuana, Sex wie die Kaninchen usw. Wieso diese Zeitgenossen (zu denen auch ich eine Zeitlang zählte) als „Hippies“ bezeichnet wurden, weiß ich nicht. Aber egal: Irgendwann schauten auch die neuen „Hippies“ alt aus. What goes around comes around.
In einer der neuesten Inkarnationen taucht das Element „hip“ abermals im positiven Sinn auf: als „hiphop“. Aber nur Geduld, zumal so viele Hiphop-Musiker längst schöne Häuser und Autos und graue Haare haben.
Nun ein gewaltiger Sprung nach hinten zu einer noch älteren Inkarnation unseres Wortes: das Zeitalter der „Hepster“. „Wer „hep“ war – und jetzt reden wir von der Zeit zwischen 1910 und 1945 – war einst der Inbegriff des coolen Typs. Er wusste Bescheid. Manchmal wurde ein solcher als „Hepcat“ bezeichnet, „cat“ im Sinn von „Typ“. Die weibliche Form war „Chick“ (Hühnchen). Aber keiner sagte „Hepchick“, vielleicht weil es wie ein Nießen klingt.
Doch irgendwann schauten auch die „Hepcats“ alt aus. In den 1940er Jahren bezeichnete sich die neue Generation von „Coolcats“ nurmehr als „Hipcats“; entsprechend wurde das alte Wort „Hepster“ in „Hipster“ verwandelt. Damals hieß es in einem „hip“ Lied: “It’s not hip to be hep“, etwa: Man ist nicht mehr im Bild, wenn er sich für„hep“ hält.
Nebenbei: Meinen diversen gelehrten Quellen zufolge tauchte der inzwischen museale Begriff „hep“ 1908 zum ersten Mal im Printmedium auf. Hinzu: Ein emsiger Forscher in Wikipedia berichtet, dass der „hepcat“ womöglich aus der Wolofsprache (in Senegal beheimatet) stamme. In dieser Sprache bedeute „hepicat“ „einer, der die Augen offen hält“, einer also, der Bescheid weiß. Keine Ahnung, ob das wirklich stimmt. Fest steht jedenfalls: Der„hip“-Wortschatz insgesamt ist in afroamerikanischen Kreisen in den USA entstanden – die Geheimsprache einer verfolgten Minderheit klingt oft „hip“.
Die heutigen „Hipster“, zu denen mein Sohn nicht zählt, sind also die Ururururenkel einstiger „Hepster“. Nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder voll „hep“ werden.
Ich besuchte neulich einen Vortrag in englischer Sprache. Die Zuhörer waren Studenten, Doktoranden, Professoren und diverse sonstige Interessierte – wozu auch ich zählte. Thema und Schauplatz lasse ich hier unerwähnt. Keinen Grund jemanden unnötig auf den Schlips zu treten.
Ich war jedenfalls wohl der einzige native speaker zugegen. Englisch war auch für den Redner eine Fremdsprache, die er allerdings sehr gut beherrschte. Nur manchmal hat es mit der Aussprache gehapert.
Das kann leicht passieren, insbesondere, wenn man ein englisches Wort nicht fix im Ohr hat. Denn die englische Orthographie kann manchmal sehr unlogisch sein. Nicht verwunderlich, dass der Redner über das Wort „ravine“ – zu Deutsch „Schlucht“ stolperte. Seiner Aussprache nach klang dieses Wort wie „ra-wein“. Ein verständlicher Fehler. „Devine“ (erraten), „divine“ (göttlich), „vine“ (Ranke), „combine“ (verbinden) usw., klingen alle, als würden sie sich auf „ra-wein“ reimen. Doch leider ist „ravine“ kein „ra-wein“, sondern ein „ra-wien“. Mein tiefstes Mitleid gilt allen non-native speakers. Es ist wirklich schrecklich mit meiner Muttersprache.
Mir fiel ebenfalls auf, dass der Redner manchmal Probleme mit dem Wortakzent hatte. Auch dies ist verständlich. Denn die Regeln sind alles anders als überschaubar. Wir sagen „psyCOLogist“, dafür aber „pychoLOGical“. Wie soll man das wissen, wenn man es nicht mindestens tausendmal gehört hat? Der Redner machte, z.B., aus „opporTUnity“ eine „opPORtunity“. Wie gesagt: eine schreckliche Sprache. Nicht einmal die Amerikaner und die Engländer sind immer einer Meinung, wenn es um den Wortakzent geht. „CONtroversy“ (Auseinandersetzung) sagt der Amerikaner „conTROversy“, der Engländer .
Aber nochmals. Besagte Redner sprach ein gutes Englisch, und seine Fehler waren wirklich geringfügig. Und Gott weiß, was ich für Fehler in dieser mir fremden deutschen Sprache ständig mache. Wer im Glashaus sitzt, wirft nicht mit Raweins.
Als ich 1975 in München eintraf, war ich beeindruckt, dass viele Menschen Englisch verstanden. Doch schon bald entdeckte ich das schmutzige kleine Geheimnis der Deutschen: Die meisten von ihnen unterhalten sich viel lieber auf Deutsch als auf Englisch. Denn das Englischsprechen strengt nach und nach mächtig an.
Mir fiel damals ebenfalls ein, dass Deutsche gewisse Lieblingsfehler begingen, wenn sie Englisch talken. Und jetzt komme ich zu meinen Tipps.
Fangen wir mit dem einfachsten an. Man sagt auf Deutsch: „mit fünfzehn Jahren“, „mit dreiunddreißig Jahren“ usw., wenn man übers Alter redet. Dieses „mit“ wird automatisch mit-übersetzt, wenn man dann im Englischen übers Alter sprechen will. Also: „with fifteen“, „with thirty-three“ usw., sagt der Deutsche gern. Doch diese Formulierung ist leider falsch. Es muss „at“ heißen. Also: „I started school at the age of five” (oder „at five“).Es handelt sich zwar um eine Kleinigkeit. Beseitigt man diesen kleinen Fehler, so klingt das gesprochene Englisch viel schöner. Ja. Bitte einprägen.
Noch ein kleiner Fehler: Für Deutsche ist die Aussprache von „ths“ ein wahrer Zungenbrecher. Das Wort „months“ klingt deshalb oft wie „mon-thes“, wenn ein Deutscher Englisch redet. Ich weiß: Das lispelnde „th“ mit einem scharfen „s“ zu kombinieren, ist gar nicht so angenehm. Üben. Üben. Üben.
Last but not least etwas knifflig: Ich möchte Ihnen hier den Unterschied zwischen „fewer“ und „less“ beibringen. Diese Wörter werden beide im Deutschen mit „weniger“ übersetzt. Auf Englisch sind sie aber so penibel zu unterscheiden wie Maiglöckchenblätter und Bärlauch.
„Fewer“ bezieht sich nur auf Nomen, die zählbar sind. Man kann „months“, „stones“,“ravines“ und „glasses“ zählen. Folglich hat man „more“ oder „fewer“ „months“, „stones“, „ravines“ und „glasses“. „Less“ verwendet man ausschließlich mit unzählbaren Nomen.„Freedom“ kann man nicht zählen – auch nicht „information“ („eine Information mitzuteilen“ kann man auf Englisch nicht sagen – sondern „to communicate a piece of information“). Man kann „friends“ zählen nicht aber „friendship“. Auch „time“ zählt man nicht, nur „minutes“, „hours“ und „years“. Man hat also „more“ or „less“ „freedom“, „information“,„friendship“ und “time”.
Alles klar?
Ein Lehrer sollte mit Fakten nicht überstrapazieren. Ich denke: Das wäre es für heute. Lehrbücher zu und ab in die Pause.
Er heißt “PingwinekRico”. Oder vielleicht ist “er” eine “sie” oder eine Mehrzahl. Das lässt sich nicht ohne weitere Forschungen feststellen.
Fest steht: „PingwinekRico“ macht sich in letzter Zeit große Mühe, einen Kommentar beim Sprachbloggeur veröffentlichen zu dürfen. Hier eine kurze Liste der Überschriften seiner jüngsten Versuche:
„How You Can Choose The Very Best Free Cams Adult Websites“.
„My Free Cams Related Articles“.
“How To Get A Free Advertising System”.
Sie sehen. Seine Texte sind englischsprachig und scheinen einen pornografischen Hintergrund zu haben. Denn auf sog. „Cam“-Seiten wird hier aufmerksam gemacht.
Neugierig klickte ich auf einen der vielen Kommentare PingwinekRicos, die ich seit Tagen wie Kuckuckseier im Vorveröffentlichungsnest vorfinde. Was ich aber entdeckte, war ein ellenlanger englischer Text. Hier der erste Satz eines “Kommentars” in spe: „So when Tennyson says, ‘Individuality itself seemed to dissolve and fade away into boundless being’, he is accurately describing the experience of transcending. free sex cams...usw.“ Zu Deutsch: “Wenn also Tennyson behauptet, ‚Individualität schien selbst sich aufzulösen und ins endlose Sein dahinzuschwinden‘, beschreibt er mit Genauigkeit das Erlebnis der Transzendenz. Kostenlose sex Cams…usw“
Notabene: Letzte drei Worte erscheinen im „Kommentar“ in „Hypertext“-Format, d.h., als Link zu einer externen Seite, in diesem Fall eine Sexseite.
Der übrige Text – gespickt mit weiteren „Hyperlinks“ – scheint tatsächlich ein Essay über Tennyson (falls Ihnen der Name unbekannt ist, handelt es sich um den viktorianischen Lyriker Alfred Lord Tennyson) oder über die Transzendenz zu sein. Das kann ich nicht 100%ig bestätigen, denn ich habe den ellenbogenlangen Text nur kurz angelesen und schnell wieder gelöscht.
Fest steht jedenfalls: Dieses Format gilt für alle „Kommentare“, die ich in letzter Zeit von „PingwinekRico“ erhalten habe.
Ein hartnäckiger Mensch oder Spammerverein. Aber dann habe ich gedacht: Es wäre interessant, „PingweinekRico“ zu mailen, um zu fragen, was er/sie mit seinen „Kommentaren“ bezweck/t/en. Ich meine: ob er es ernsthaft für möglich hielt, a.) dass ich seinen „Kommentar“ zulassen würde und b.) dass jemand seine ellenlangen Texte in englischer Sprache durchforsten würde, um einen Hinweis auf eine vielleicht mit Virus infizierte Sexseite zu bekommen. Ohnehin: Wenn man unter „Sex Cams“ googelt, bekommt man im Nu 144 mio. Treffer!
Dann kam ich auf die Idee, den Namen/Begriff „PingwinekRico“ selbst zu googeln. Und siehe da: Es waren nur 209 lausige Hinweise.
„PingwinekRico“ erscheint in diesen jedenfalls als „Mitglied“ in verschiedenen Foren: einem übers Pferderennen, einem über Autismus und in einigen in polnischer Sprache. Er scheint außerdem ein Neuling zu sein. Denn seine Spuren lassen sich vor dem Mai 2013 kaum zurückverfolgen. Er wäre gern „Mitglied“ des Sprachbloggeur-Forums, wenn ich nicht jedesmal seine Mails löschte. Aber, so ist das Leben, wie Alfred Lord Tennyson einst sagte.
Eine besonders triftige Spur seines (ja, ich glaube, dass er ein Er ist) Daseins entdeckte ich bei „Stop Forum Spam“, so heißt eine Seite, die Statistiken über Forum-Spanner sammelt. Dort erfuhr ich, dass der geheimnisvolle „PingwinekRico“ seine IP-Adresse in Wroclaw, ehemals Breslau, registriert hat.
Noch eine interessante Entdeckung: Als ich seinen Namen bei Google ursprünglich eingab, fragte mich das Suchprogramm: „Meinen Sie: Pingwinek Rico?“, d.h., als zwei Wörter und nicht ein Wort.
Ich tippte auf diese Alternative und fand Webseiten, die meistens in polnischer Sprache waren. Ich verstehe leider nur wenig Polnisch, und ich wollte meinen lieben Freund M. mit dieser Dummheit nicht belästigen. Ich vermute aber, dass„Pingwinek“ der Name eines Spielers oder einer Figur einer polnischen Gamingseite ist. Denn ich entdeckte tatsächlich einen „Pingwinek“ auf einer solchen Seite.
Ich vermute zudem, dass mein Spammer männlich, polnisch und ohne Deutschkenntnisse ist und dass er als freier Mitarbeiter bei der Spammermafia (oder wie auch immer man sie nennen will) tätig ist. Mit Sicherheit stammen seine ellenlangen englischsprachigen Texte, die mit Hypertext-Links zu Sexseiten gespickt sind, nicht von ihm. Seine Englischkenntnisse sind wahrscheinlich so schlecht wie meine Kenntnisse der polnischen Sprache.
Schade, dass ich Ihnen nicht mehr über „PingwinekRico“ berichten kann. Ich wäre gern bereit, ihm ein richtiges Forum beim Sprachbloggeur anzubieten, wenn er ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern würde. Aber so ist das Leben, sagte Tennyson. Und auch die Spammer haben es nicht so ganz leicht wie es vielleicht manchmal scheinen mag.
O schöne deutsche Sprache! Wie kühn, wie einfallsreich, dass zwei Wörter, die sich, wie ein Ei dem anderen gleichen, so unterschiedliche Bedeutungen haben!
Grund für diese Bewunderungsbekundung: Kaum komme ich auf die Idee, von meinem kleinen Laster zu erzählen, so fällt mir ein, dass ein Leser sich fragen könnte: „Warum schreibt der Sprachbloggeur von seinem kleinen Laster, zumal die amerikanischen Laster an sich viel größer sind als die unseren?“
Zwei deutsche Wörter namens „Laster“: das eine ein Mann, das andere ein Ding. Und so ein Ding.
Das nur zur Einleitung, aber jetzt zum kleinen Laster... Nein, doch noch nicht. Denn mir fällt gerade eine Anekdote ein: Ich war einmal bei einem Geistlichen eingeladen (ich verrate hier die Konfession nicht, jedem seine Fantasie). Im Lauf unserer höflichen Unterhaltung kamen wir auf die Laster zu sprechen. Und hier meine ich nicht die „18 Wheelers“ – auch „semis“ (sprich „ssem-meis“) der Country-Western-Lieder (die Sattelzüge der deutschen Autobahn), sondern die „ausschweifenden Lebensweisen“, die das irdische Dasein zeitgleich versüßen und versalzen.
Besagter Geistlicher beteuerte: „Ich möchte es nicht abstreiten. Ja, auch ich habe Laster.“
„Sie?“ fragte ich und wollte so naiv wie möglich klingen, um ihn in die Falle zu locken. „Was könnten Sie für Laster haben?“
„Tja“, antwortete er. „Einmal habe ich, es war am Tag des Herrn, eine Biene getötet, weil sie mich erschreckt hatte. Das halte ich für ein schweres Laster.“
Ich war verwundert, und dachte: Vielleicht hat er doch (er war nämlich ziemlich betagt und döste gelegentlich ganz plötzlich ein) an einen schweren und nicht an ein schweres Laster gedacht. Seine Beichte hat meine Erwartungen jedenfalls herb enttäuscht. Hoffentlich passiert das mir jetzt nicht mit meiner eigenen Laster-Beichte.
In meinem Fall handelt es sich aber wirklich um ein kleines Laster – ein sehr kleines sogar. Wer über meine großen Laster erfahren möchte, dem empfehle ich meine belletristischen Werke. Die sind aber noch nicht erschienen. Doch keine Sorge. Den Neugierigen zuliebe putze ich schon lange eifrig die Klinken zahlloser Verlagshäuser.
Mein kleines Laster hat jedenfalls nichts mit Bienen zu tun. Nein. Mein Laster gilt den Schreibinstrumenten: Ich bin nämlich in Schreibzeug, d.h., mechanische Bleistifte, Füllfederhalter und gelegentlich auch Kugelschreiber vollauf verliebt.
Ist doch logisch. Täglich lasse ich die Finger über eine Tastatur spazieren gehen, die Augen stets auf ein leuchtendes Display fixiert. Manchmal freue ich mich, wenn es auch anders, also stromlos, geht. Lyrik, zum Beispiel, will ich nur mit meinem hübschen mechanischen Bleistift (und nur in englischer Sprache) formulieren. Briefe bring ich am liebsten mit dem Füllfederhalter aufs Papier. Und jetzt wird’s noch persönlicher.
Schon lange sehne ich mir nach einem schönen lasterhaften Füllfederhalter. Für mich aber eine schwierige Suche. Ich bin nämlich Linkshänder. Das heißt: Wenn ich mit einem Füllfederhalter schreibe, hinterlasse ich bisweilen unansehnliche Tintenflecken. Das frustriert den Perfektionisten ungemein.
Aber dann entdeckte ich eines Tages ein Geschäft in der Hohenzollernstraße in München, das sich „Ellenwoods“ nennt. Nein, hier keine Schleichwerbung. Hier die Lebensrettung für einen Menschen, der sein kleines Laster ausleben möchte. Mit Herrn Ellenwood – nicht, so weit ich weiß, sein richtiger Name, teile ich offenbar dieses Laster für Schreibgeräte. Nur: In seinem Fall handelt es sich um ein besonders großes Laster. Denn er hat sein Peccadillo zu einer Lebensaufgabe gemacht. Er kann eifrig und informativ über jedes Schreibinstrument, das es gibt, lange vortragen. Was meine Suche betrifft: Er beteuerte sehr überzeugend, dass es ja einen Füllfederhalter gäbe, der für Linkshänder wie mich geeignet ist – ohne das ich enttäuscht vor dem üblichen Gekleckse stehe. Er legte mir den corpus delecti gleich in die Hand und meinte, ich sollte nun eine Weile damit schreiben. Ja, und es hat tatsächlich funktioniert! „Noch eine Frage, Herr Ellenwood“, sagte ich. „Kann man mit diesem Füllfederhalter so flexibel umspringen wie mit einem Kugelschreiber? Meine bisherigen Füllfederhalter streikten immer, wenn ich mich nicht ständig mit ihnen beschäftigte?“
„Mit diesem Füllfederhalter haben Sie dieses Problem nicht“, sagte er. „Man kann ihn genauso einsetzen wie einen Kugelschreiber.“
Ich verrate die Marke nicht, denn hier wirklich keine Schleichwerbung. Nur so viel werde ich verraten: Ich habe den Füller gekauft und lebe mein Laster seit Monaten endlich vollauf aus. Ich fahre bestens mit meinem Laster, bin trotzdem kein Lasterfahrer geworden.
Die Mail traf am Sonntag ein. Der Schock hielt ca. anderthalb Sekunden an.
Normalerweise bekommen ich am Sonntag kaum Emails – außer der, die mir ziemlich regelmäßig meine Babysitterin a.D. in New York sendet. Ja, meine Babysitterin.
Kurzes Flashback: Als sie ca. 13 Jahre alt war, habe ich ihr eines Nachts die Hölle heiß gemacht. Ich war vielleicht drei Jahre alt und hatte Kopfweh. Ich schrie unentwegt. Selbstverständlich war ich unfähig, die Ursache für mein Unbehagen mitzuteilen. Das arme Mädchen war total überfordert und holte endlich ihren Vater. Er trat an wie ein deus ex machina, nahm mit äußerster Ruhe und Autorität das Ruder in die Hand. Kaum stellte er mir Fragen, so habe ich mich auch beruhigt. Ich ging mit ihm ins Bad, wo er eine Aspirin-Tablette spaltete (damals war die Auswahl an Medikamenten sehr bescheiden) und mir die Hälfte verabreichte. Alles war schnell wieder gut.
Aber zurück in die Gegenwart. Denn ich will vom Schock erzählen, die ich am Sonntag erlebte – auch wenn er nur anderthalb Sekunden anhielt.
Im „Inbox“ meines Mailprogramms fand ich eine Email von „Domain Services“ vor: in englischer Sprache geschrieben. Es schien eine Mahnung, eine „Final Notice“ an den Sprachbloggeur zu sein. Er sollte seine „Domain“-Kosten begleichen, und zwar sofort: 75$ für ein Jahr, 119$ für zwei Jahre… 499$ für eine lebenslange „Domain“-Berechtigung.
Erster Gedanke: Hmmm…oder besser Hmmm?
Nach anderthalb Sekunden aber der zweite Gedanke: Gute Nacht! Schon wieder diese Internetgauner! Diese Schlussfolgerung fiel mir ein, weil der Absender dieser scheinbar hehren Verwaltungsorganisation der Internet-Domains lautete „hotmail.com“ und nicht „domains.org“ oder so etwas Seriöses.
Prompt benachrichtigte ich meinen Provider – möge ihm und seinem Server beiden ein langes Leben gegönnt sein – über die Aufforderung der „Domain Services“. Ich bin nämlich nicht sein einziger Kunde. Vielleicht wurde der ganze Server „bespammt“, sinnierte ich. Nein, „Aufforderung“ ist hier das falsche Wort. Denn der Urheber der dämlichen Mail bezeichnete sein Schreiben als „Solicitation“. „Solicit“ auf Englisch ist kein Auffordern, sondern ein Erbeten. „Solicitations“ machen, z.B., e.V.‘s, wenn sie Bettelbriefe in die Welt schießen. Lässt man sich auf eine „Solicitation“ ein, so ist das stets freiwillig (auch juristisch gesehen), und man könnte für die geleistete Zuwendung theoretisch eine Spendenquittung verlangen. Da sich aber die „Domain Services“ in New York City befinden – das nehme ich an wegen der Fax-Nummer, die auf der „Final Notice“ zu lesen steht, konnte ich wohl kaum mit einer Spendenquittung rechnen.
Bis heute übrigens lebt meine Babysitterin in New York City. Nein, sie steckt nicht hinter diesem Schmu.
Das Hübscheste in der „Final Notice“ war im Kleingedruckten zu lesen: Demnach bekomme ich nach 30 Tagen mein Geld zurückerstattet, falls ich mit der Dienstleistung der Organisation nicht zufrieden bin. Damit gewinnen die „Domain Services“ Sympathiepunkte. Man wittert ganz stark das abgebrochene Jurastudium eines der Phisher oder Spammer.
Unsympathisch hingegen ist die Drohung der Jungs, diese Seite, falls das Geld nicht sofort eingezahlt wird, auszuschalten. Habe natürlich nichts bezahlt, bin trotzdem noch da.
Was die Boys bei „Domain Services“ at Hotmail dot com wohl nicht wissen: Schon Dante hat sich vor etwa 800 Jahren eine Strafe in der Hölle für die „Domain Services“ ausgedacht – schrecklicher als jede Tortur, die ich meiner Babysitterin einst aussetzte. Bei Dante heißt es – und hier übersetze ich aus der „terza rima“ des Originals: dass die Betreiber von „Domain Services“ für jede geschickte Mail noch ein Millimeter tiefer in einem Kotgraben versinken.
Mag sein, dass das nicht wie eine schreckliche Strafe klingt. Doch zehn Mails sind gleich ein Zentimeter. Einhundert Mails bedeuten zehn Zentimeter. Nach ein Tausend „Solicitations“ stecken die Jungs der „Domain Services“ bereits ein Meter tiefer in der Kacke.
Ich möchte nicht daran denken, was passiert, wenn „Domain Services“ zehntausend „Solicitations“ verschickt.
Ich gebe zu: Viele Menschen glauben heute nicht mehr an die Hölle oder an eine höllische Strafe. Aber seien Sie ehrlich: Würden Sie gerne die Plätze tauschen mit den Betreibern von „Domain Services“?
In meiner New Yorker Kindheit, haben wir in der Schule die Lehrerin um Erlaubnis gebeten, wenn wir auf die Toilette mussten. Das war eine Zeit, als man im Klo noch nicht rauchte und keine Klopapierknäueln in die Toiletten warf, um diese außer Betrieb zu setzen.
Wir nannten dieses Um-Erlaubnis-bitten „asking permission“.
Nun erfahre ich als Smartphone-Anfänger, dass die sog. „Apps“, also Applikationen, Anwendungen, die ich auf meinem Phone herunterladen möchte, von mir eine oder mehrere „Permissions“ (notabene: dieses Wort hat im richtigen Englisch keine Mehrzahl) verlangen, bevor ich sie installieren darf. Aber was sind das für „Permissions“? Manchmal ist es etwas Offensichtliches. Wenn, z.B., meine Schreibapp, um Erlaubnis bittet, auf die Speicherkarte schreiben zu dürfen, oder wenn meine Nachrichtenapp ins Internet einloggen will. Aber warum will meine Schachapp eine „Permission“ mit dem Namen „read_phone_state“ – zu Deutsch „Telefonstatus lesen und identifizieren“ haben?
Das klingt ominös – und ist es auch. Denn wenn ich diese „Permission“ erteile, darf der App-Hersteller die Identität derer, mit denen ich telefoniere, kenntlich machen. Gott weiß, wozu er dies braucht.
Um die Sache auf die Schliche zu kommen, mailte ich meinen Freund Andreas Itzchak Rehberg. Er ist eine (bzw. DIE) Koryphäe auf dem Gebiet der Android-Telefone und -Tabletten in Deutschland und Autor mehrerer sehr spannender und informativer Bücher zum Thema. Mit seiner Genehmigung zitiere ich Auszüge aus seiner Antwort: „In den wenigsten Fällen steckt da eine böse Absicht des Entwicklers dahinter“, schrieb er, womit er mich auf der Stelle beruhigte. Dann teilte er mir verschiedene Gründe dafür mit, warum sich ein Apphersteller, diese komische „Permission“ erbittet. Hier zwei davon: 1.) „Das verwendete Werbe-Modul verlangt es“ 2.) „Naivität des Entwicklers“. Es handelt sich jedenfalls um harmlose Dinge. Um etwaige Verunsicherungen auszuräumen, sollte ich, riet er mir, bevor ich eine App herunterlade, auf die Zahl der Installationen im Playstore und um die Bewertungen achten.
Und gleich kam die Retourkutsche:
„Du, nun habe ich eine Frage“, schrieb er. „Ich sagte gerade einem Kollegen, dass da etwas ‚in' Dutt‘ wäre. Der schaute ganz verDUTTzt. Und jetzt frage ich: Woher kommt dieses ‚Dutt‘? So viel weiß ich: Det stammt aus meine Heimat. Jedenfalls: Wenn etwas ‚in Dutt‘ ist, ist es futsch, kaputt. Und was hat das mit den Haarknäueln zu tun, wie die Frauen sie in den 1960er Jahren trugen?“
Um auf Itzchaks Frage zu antworten, brauche ich freilich keine „Permissions“. Ich werfe lediglich einen Blick in mein Küppers „Wörterbuch der deutschen Umgangssprache“ und werde sogleich fündig.
Also, Itzchak, Folgendes: Nach Küpper hat der „Dutt“ mehrere Bedeutungen. Aber fangen wir von Vorne an. Ursprünglich ist ein „Dutt“, so Küpper, „eine kleine Erderhebung“. Wieso nennt man eine Erderhebung „Dutt“? Küpper nimmt dazu keine Stellung. Aber ich! Ich habe dazu eine Theorie: Es gibt nämlich neben dem Wort „Dutt“ auch die Vokabel „Dutte“, die die „weibliche Brust“ bezeichnet. Es liegt nahe, dass man eine kleine Erderhebung als „Brust“ auffasst – vor allem in der Zeit, als man noch keine Smartphones hatte, um sich mit dämlichen „Permissions“ abzulenken.
Aber weiter. Irgendwann bekam dieses Wort im norddeutschen Raum den Nebensinn „Kopf“ oder „Schädel“. Von daher hob der Nordmensch an, seinem Kumpel zu drohen "eins auf den Dutt zu geben."
(Unterdessen benutzte man „Dutt“ schon immer im Sinne von „Knäuel“ und „Klumpen“. Das mit dem „Frauenzopf“ ist erst um 1850 belegt. Aber das nur nebenbei).
Allmählich versteht man, wie etwas "in den Dutt gehen" kann, wenn es kaputt gegangen ist.
Nun hoffe ich, dass ich auch dich, lieber Itzchak, in der Sache mit dem „Dutt“ weitergebracht habe. In der Mehrzahl übrigens „Dutte“ oder „Dutts“. (wie „Permissions“).
Ach. Beinahe habe ich vergessen, etwas Ärgerliches zu erwähnen. Und zwar, dass es mir unverständlich ist, dass die deutsche Übersetzung für „Permission(s)“ ausgerechnet „Berechtigung(en)“ lauten muss!
Mir wäre, ehrlich gesagt, „Erlaubnis(se)“ lieber. Nie habe ich meine Lehrerin um eine Berechtigung gebeten, wenn ich aufs Klo musste. Und niemals schmissen wir unsere Dutte in die Toilette. Ich rede freilich von einem anderen Jahrhundert, als Permission noch keine Berechtigung war.
„Es sind die Dinge des Alltags, die häufig für Probleme sorgen“, sagte mir letzte Woche Frau M., Inhaberin des Paradieses.
Paradies: Sie wissen vielleicht schon: duftende Melonen, anmutige Mangos, cremig nussige Avocados…
„Wie meinen Sie das, Frau M.?“
„Ich meine: Ich habe jetzt vergessen, ob, wenn man Mopsgeschwindigkeit sagt, schnell oder langsam gemeint ist.“
„Mopsgeschwindigkeit? Das Wort kenne ich gar nicht. Trotzdem würde ich rein gefühlsmäßig auf langsam tippen“, antwortete ich.
„Ich werde Frau B. morgen früh fragen“, sagte sie. Damit meinte sie ihre scharfsinnige Mitarbeiterin, die meistens vormittags arbeitet. „Ich schreibe ihr einen Zettel. Denn sie benutzt diesen Ausdruck manchmal. Aber wie kommen Sie auf langsam, Herr Sprachbloggeur? Ich stelle mir vor, dass Möpse auf ihren kleinen Beinchen wie Raketen von dannen schießen.“
„Das kann ich mir kaum vorstellen. Meine Freundin Blanche in San Francisco hatte einst einen Mops – bzw. eine Möpsin, Pudgie, was ‚pummelig‘ auf Deutsch bedeutet. Pudgie war das trägste Tier, dem ich je begegnet bin. Sie bewegte sich kaum vom Fleck. Nur wenn es zum Fressen gab, hörte man das Klickklickklick ihrer langen Krallen. Manchmal rutschte sie auf dem Linoleumboden aus, weil die Krallen so lang waren. Blanche musste den Hund regelmäßig zur Hundepflege bringen, und das Tier hat sich dort jedesmal wahnsinnig aufgeregt. Wussten Sie, dass die Augen eines Aufgeregten Mopses aus den Augenlöchern herausspringen können? Sie baumeln dann runter wie an einem Gummiband befestigt. Dann muss man sie sorgfältig wieder reindrücken.“
„Igitt. Aber noch eine Frage. Wieder eins dieser kleinen Dinge aus dem Alltag. Was meinen Sie: Wenn man sagt, dass etwas passt wie die Faust aufs Auge, verstehen Sie das als positiv oder negativ?“
„Bin ich froh, dass Sie diese Frage stellen. Endlich fühle ich mich nicht mehr allein gelassen. Wissen Sie: Für mich ist die deutsche Sprache manchmal ein Buch mit sieben Siegeln. Schön zu wissen, dass das auch mal für Muttersprachler gilt. Ich denke jedenfalls, dass das mit der Faust aufs Auge negativ gemeint ist.“
In diesem Augenblick warf Frau M. einen Blick um den Laden.„Nein keine anderen Kunden da. Man sagt auch, bitte entschuldigen Sie die Ausdrucksweise, dass Leute zueinander passen wie der Arsch auf den Eimer. Meinen Sie, das sei auch was Negatives?“
„Eindeutig“, sagte ich. „Wissen Sie, früher habe ich gedacht, dass wenn man jemandem einen Bärendienst erwies, das sei was Gutes. Dann habe ich gelesen, dass Bären alles durcheinander bringen, weil sie kein Feingefühl haben.“
„Schau her.“
Am nächsten Tag ein kurzes Gespräch mit Frau B. „Der Zettel über die Mopsgeschwindigkeit war mir zuerst ein Rätsel“, sagte sie, „bis mich Frau M. aufklärte. Aber nun kann ich die Frage beantworten: Selbstverständlich bedeutet ‚Mopsgeschwindigkeit‘ Schnelligkeit. Wissen Sie woher das kommt?“
„Ich bin ganz Ohr.“
„Von dem Kinofilm ‚Traumschiff Surprise‘. Das mit der ‚Mopsgeschwindigkeit‘ soll eine Parodie auf die ‚Warpgeschwindigkeit‘ in ‚Traumschiff Enterprise‘ sein.“
„Warpgeschwindigkeit?“
„Keine Ahnung, was das ist. Nur: Es deutet jedenfalls auf Schnelligkeit.“
Inzwischen habe ich mich selbst mit dem „warp drive“ befasst – eine Wortschöpfung, wie es sich herausstellt, aus der Science Fiction, die eine Geschwindigkeit bezeichnet, die noch schneller ist als die Lichtgeschwindigkeit. „Warp“ bedeutet auf Englisch „verzerren“, was wohl mit einem geschieht, wenn er mit einem Affenzahn – einem Affenzahn? – durch das Weltall saust.
Ach: und noch etwas: Dem Duden-Oxford-Wörterbuch zufolge gibt es keinen eindeutigen Konsens, ob „Faust aufs Auge“ – und „Arsch auf den Eimer“ positiv oder negativ gedeutet werden sollen. Alles klar, liebe Deutsch Muttersprachler?
Ich hoffe Ihnen damit, einen Bärendienst erwiesen zu haben.
„Was! Du hast deinen Salat schon aufgegessen?“
„Ich hatte Hunger.“
„Du bist ein Weltwunder…Faster than a speeding bullet...“
Vertraute Stille. So klingt ein Gespräch am Tisch, wenn ein Ehepaar – in diesem Fall ich und meine Frau – lang miteinander verheiratet sind: Ich stelle etwas fest, sie antwortet darauf, und dann folgt meine Bemerkung – in diesem Fall auf Englisch.
Damit war das Gespräch aber doch nicht zu Ende. Denn wir sind ein bikulturelles Paar, meine Frau Deutsche und ich, wie ich immer wieder zu betonen pflege, Amerikaner.
Dieser Zustand bereichert freilich sehr, kann aber bisweilen für Missverständnisse und Irritationen sorgen. Das war insbesondere der Fall, als ich jünger war. Es hat mich manchmal frustriert, dass meine Frau gewisse kulturbedingte Anspielungen nicht verstand. Zum Beispiel, als ich einmal sagte: „Das klingt wie ein alter Bob Hope Witz.“
Auf diese Bemerkung folgte eine leere Stille, woraufhin ich fragte:„Weißt du nicht, wer Bob Hope ist?“
„Nein, noch nie gehört.“
Ich gebe zu: Männer sind egoistisch (meine Frau würde dies sofort bejahen), und wir möchten, dass unsere Frauen alles, was wir produzieren, sofort verstehen und für gut heißen. Dieses Wunschdenken ist aber besonders fatal in einer bikulturellen Beziehung – zumal Bob Hope für Amerikaner so bekannt ist wie Helmut Schmidt oder Kim Jong Un in Deutschland.
(Für den Fall, dass Ihnen Bob Hope doch kein Begriff ist: Er war Komiker, Schauspieler und Entertainer, dessen Karriere sich von ca. 1940 bis etwa 1990 erstreckte. Er starb 2003 hundertjährig. Nach ihm wurde ein Golf Turnier, „The Bob Hope Classic“ benannt. „Golf ist mein Beruf“, sagte er. „Dank dem Showgeschäft kann ich mir den Mitgliedsbeitrag für den Golfklub leisten.“ An dieser Stelle pflegen Amerikaner zu kiechern).
Aber wie gesagt: Meine Frau kannte den Namen nicht, was mich damals maßlos betrübte. Ein Hinweis, dass ich mein Haus doch auf fremder Erde gebaut hatte. Denn, wenn andere deine kulturelle Anspielungen nicht verstehen, erscheint die eigene Vergangenheit wie verloren! So was kann ängstigen. Noch schlimmer: Weil man um den Verlust der eigenen Identität fürchtet, wird man zunehmend nostalgisch für die good old days.
Aber zurück in die Gegenwart. Längst erlebe ich solche Identitätskrisen nicht mehr. Und deshalb hat es mich nicht im Geringsten irritiert, dass meine Frau nichts mit dem Begriff „faster than a speeding bullet“ anfangen konnte. Nach einer kurzen, vertrauten, ehelichen Pause fragte ich: „Weißt du, worauf ich hinaus wollte, als ich sagte ‚faster than a speeding bullet‘?“
„Eigentlich nicht“, antwortete sie.
„ Die Superman-Sendung im Fernsehen in den 1950er Jahren begann folgendermaßen: ‘Faster than a speeding bullet, more powerful than a locomotive, able to leap tall buildings at a single bound. Look up in the sky! It’s a bird! No. It’s a plane! No. It’s…Superman.’ Das hat jeder Amerikaner gewusst. Aber wer weiß, ob sie es immer noch tun.“
„Ach so.“
Ja, so verläuft die Verständigung zwischen den Kulturen. Und nun stellen Sie sich vor, wie schwierig es ist, wenn man Texte aus dem Lateinischen oder aus dem Altgriechischen ins Deutsche übersetzen will: Es fehlen uns die Metasprache, die Anspielungen, die jeder damals verstand.
Wage ich zu fragen, ob wir Bibel und, ja, Koran auch einigermaßen verstehen können? Nein, natürlich wage ich so eine Frage nicht.
Lieber Mr. Spielberg,
ist es sinnvoll, werden manche fragen, Ihnen einen in Deutsch geschriebenen Brief zu schicken, zumal Sie diese Sprache höchstwahrscheinlich gar nicht verstehen? Ist es sinnvoll an Sie überhaupt zu schreiben? könnte man ebenso fragen. Hätte ich aber, wenn ich meine Gedanken auf Amerikanisch formulierte, bessere Chancen, sie zu erreichen?
Kaum.
Den Grund für diesen Brief kann ich jedenfalls in einem knappen Satz erläutern: Ich möchte Ihnen meine Meinung über einen Ihrer Filmstreifen mitteilen, über den Film „Krieg der Welten“ – zu Englisch „War of the Worlds“.
Es mag seltsam erscheinen, dass ich im Jahr 2013 meine Aufmerksamkeit auf einen Film aus dem Jahr 2005 wende. Doch ich gehe in den letzten Jahren nur selten ins Kino, und meistens mache ich ohnehin einen Bogen um die „Action-Films“, die sogenannten „Blockbuster“.
Auch um besagten „Krieg der Welten“ hätte ich einen Bogen gemacht. Nur: Als ich am Samstagmorgen Bayern 5 Nachrichten lauschte, kam um 9h25 unter Rubrik „Fernsehtipps“ eine kurze, sehr positive Besprechung Ihres Films, der an diesem Abend um 23.20 ausgestrahlt werden sollte. Der Sprecher – oder Sprecherin – bemerkte, dass es sich um eine besonders intelligent gemachte Filmversion des H.G. Wells Romans „War of the Worlds“ handelte und dass der Regisseur indirekt die Problematik der Flüchtlingskatastrophen in den Kriegsgebieten anpackte oder so ähnlich.
„Heute Abend möchte ich mir einen Film im Fernsehen anschauen“, sagte ich meiner Frau.
„Du schaust Dir kaum Filme an. Was ist das für einen?“
Ich gab weiter, was ich im Radio gehört hatte. Meine Frau meinte, sie hätte vielleicht auch Interesse. Um 23.20 nahmen wir unsere Plätze in der ersten Reihe.
Ich möchte Ihnen die Handlung zusammenfassen, gleichwohl Sie sie natürlich bestens kennen. Aber here goes: Tom Cruise spielt einen Familienvater, einen chaotischen Kindmann, der getrennt von Frau und Kindern (einem Jungen vielleicht 17 und einem Mädchen, etwa 10jährig) lebt. Die Kinder sollen bei ihm – fürs Wochenende oder länger, habe ich schon vergessen – bleiben. Denn die hochschwangere „Ex“ fährt mit ihrem Neuen nach Boston, um ihre Eltern zu besuchen. Die Kinder, wie man feststellt, hegen gewisse Ressentiments gegen Tom Cruise. Ein ungemütliches Zusammensein entfaltet sich. Bisher der Stoff eines üblichen Melodramas. Doch bald ziehen die dunklen Wolken zusammen. Buchstäblich. Es blitzt und kracht da oben, aber der Blitz ist kein normaler, und dieses seltsame Phänomen scheint, wie man in TV-Nachrichtensendungen erfährt, weltweit vonstatten zu gehen. Die Menschen werden nervös, neugierig, beängstigt. Aber jetzt geht’s los. Plötzlich steigen komische dreifüßige fliegende Maschinen aus dem Erdboden. Hinzu sausen riesige Raumschiffe über der Stadt vorbei, oder sie schweben einfach in der Höhe. Und dann: Zapp! Zack! Zing! usw. Teure Special Effects werden ab jetzt großzügig eingeschaltet. Tod und Verwüstung überall. Es bleibt Tom und seinen Kindern nichts anderes übrig als zu flüchten. Eine vergebliche Liebesmühe aber, denn sie werden auf Schritt und Tritt von den Außerirdischen verfolgt. Nun wird es klar: Die Erde wird von Außerirdischen attackiert. Das Mädchen kann übrigens sehr gut kreischen und sich einen tollen erstarrten Ausdruck aufsetzen . Tom hingegen ist ein Überlebenskünstler. Er kapert Autos, kämpft gegen die hysterischen Massen und gegen die Außerirdischen, tut alles, um sich und seine Kinder zu retten. Irgendwann will der Sohn aber auf eigenen Fuß weitergehen. Vater und Sohn streiten sich. Dann die kurze, traurige Trennungsszene, gefolgt vom erneuten Gekreische des Mädchens, von Tod und Verwüstung überall usw. – bis am Schluss, wenn Tom und Co. aufgehört haben zu hoffen, die bösen Außerirdischen von alleine krepieren. Es stellt sich raus: So mächtig sie seien, werden sie von klitzekleinen Bakterien besiegt. Ohnehin hat Tom es geschafft, mit der kleinen Schreierin, nach Boston zu gelangen. Überall tote Menschen, tote Außerirdische und Verwüstung. Nur Boston scheint einigermaßen vor dem Durcheinander verschont verblieben zu sein. Das Mädchen sieht die Mutter. Umarmungen, Tränen. Und siehe da: Auch der Sohn ist präsent! Alle leben! Nur Tom, trauriger Held bleibt außen vor. Trauriger Held, stiller Held. The End.
So viel zur Geschichte. Die Kritik kann ich viel knapper formulieren als die Handlung: Es war ein Erlebnis wie eine Achterbahnfahrt oder eine Fahrt auf der Geisterbahn. Das heißt: Man weiß, von vorne herein, wie es ausgeht. Ein paarmal wird man gegen die Schwerkraft geschleudert oder mit Gruselpuppen konfrontiert. Man weiß aber, dass man am Schluss, aus dem Wägelchen heil auszusteigt, lediglich ein paar Euro leichter. Spannung? Ungewissheit? Von wegen.
Lieber Herr S., dieser Film mit den teuren Special Effects war, um ein anderes Bild zu verwenden, so spannend wie ein Rülpser: Keiner zweifelt, wenn er rülpst, dass die Luft den Ausgang findet. Erst recht nicht, wenn man einen Film mit einem teuren Schauspieler wie Tom Cruise macht. Man rechnet mit einem Sieg und sogar mit einem Happy End und einem „feel good“ Schluss. Eine Reise also von Punkt A bis Punkt B ohne besondere Überraschungen – mit Ausnahme von ein paar Nervenkitzeln. Gemeint sind die Aktionszenen. Hauptaufgabe des Films schien jedenfalls mit Special Effects zu brillieren.
„Zwei Stunden habe ich wegen dieses dummen Films vergeudet“, beklagte sich meine Frau. „Ich hätte die Zeitung lesen können.“
„Für mich keine Zeitverschwendung“, antwortete ich. Nun weiß ich, wie man einen Film nicht macht.“
Falls Sie von mir alternative Handlungsvorschläge für Ihren Film haben möchten, stehe ich wie immer gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
P.J. Blumenthal
Sprachbloggeur
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