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SEPA-Sex – eine inbrünstige Bitte an die NSA (enn-ess-äää)

Glauben Sie auch, dass das Leben hauptsächlich eine Verquickung von Zufällen und Unfällen ist? Von den Abfällen nicht zu reden.

Hier ein Beispiel:

Gestern war ich auf der Bank, wo ich zum ersten Mal eine „SEPA“-Überweisung tätigte. So schlimm war die Sache nicht. Man muss nur darauf achten, dass man die schier endlosen Zahlen richtig einträgt. Sonst erhält womöglich ein Unbekannter das überwiesene Geld und darf es sogar, wenn er will, so die neuen Gesetze, auch behalten.

Am gleichen Tag entdeckte ich – ja, so wollte es der Zufall –, in meinem Sprachbloggeur-Mailkonto eine Email mit Absender „Sparkasse“ Berliner Straße 40-41 in Berlin. Die Mail lautete wie folgt:

„Sehr geehrter Kunde,

Wie Ihnen wahrscheinlich bekannt ist, tritt ab 01.Februar 2014 das neue SEPA-Zahlungssystem in Kraft. SEPA (Single Euro Payments Area) ist das neue vereinheitlichte Zahlungssystem, das europaweit gilt. Mit dem neuen SEPA-System werden Überweisungen nicht nur schneller und zuverlässiger, der Zahlungsverkehr wird durch dieses neue System auch sicherer.

Bitte folgen Sie den Anweisungen des untenstehenden Links…“ usw.

Natürlich war die Mail eine Fälschung. (SEPA macht sicherer. Das ich nicht lache).

Immerhin scheint das Deutsch korrekt zu sein – wohl brav abgeschrieben. Ganz offensichtlich das Werk eines „Phishers“, der im trüben Wasser des Internets nach Leichtgläubigen fischt.

Ich gebe zu: „Phisher“ ist ein witziges Wort. Denn es trifft den Nagel wirklich auf den Kopf. FYI (for your information) übrigens ist diese Vokabel schon seit dem Jahr 2000 im Umlauf, eine Abwandlung, wie jeder weiß, von „fishing“. Einer Quelle zufolge stammt diese cyberenglisch „PH“-Konstruktion von „phreak“. Es existiert außerdem – seit 1983 – eine Rockband namens „Phish“. Möglich auch: Das „PH“ in „Phishing“ könnte durch „phony“ (brit. „phoney“) beeinflusst gewesen sein. Das aber nur nebenbei.

Man erkennt falsche Links immer, wenn man den Kursor am Hypertextlink hält (ohne ihn freilich anzuklicken!). Dann erscheint die wahre Adresse, die leicht als Fälschung zu erkennen ist.

Doch jetzt eine Frage an Sie, liebe NSA, ich meine enn ess äää. Denn sicherlich landet auch diese meine Seite, wie jede Seite, wie auch die Phishing-Mail, die ich von der Fantasie-„Sparkasse“ erhielt, im großen Maul Ihres Rechnerkönigreichs, um dort verschlungen und verdaut zu werden.

Liebe NSA, wenn Sie in der Lage sind, alle Mails zu erfassen, alle Telefongespräche, alle SMSe usw. zu erschließen, warum können Sie um Gottes Willen mit den Phishern, den Spammern und dem restlichen Abfall im WehWehWeh nicht aufräumen? Einfach aufräumen!

Wieso wissen Sie alles über mich, Angela Merkel und über Siemens vielleicht auch, aber nichts über all jene Gangster, die bestimmt mittlerweile Milliarden verschieben und reinwaschen?

Denken Sie nicht an die Steuermilliarden, die Ihnen durch die Lappen gehen?

Wäre das vielleicht keine Motivation für Sie? Na bitte.

Oder soll ich aus ihrer Tatenlosigkeit schließen, dass Sie vielleicht kein Interesse haben, die Phisher hinter Schloss und Riegel zu bringen? Hmmm?
Nur ein paar naive Fragen eines Menschen, der die Welt immer unvollkommener versteht.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Sparkasse

Exklusiv: Unterhaltungen mit Marsmenschen – eine Einleitung

Vielleicht haben Sie die Nachricht schon gehört. Ich meine von dem Stein, der jüngst dem Mars-Rover „Opportunity“ über den Weg gelaufen ist.

Plötzlich war er da. Wie aus dem nichts erschienen. Einfach da, an einem Fleck Mars-Boden, der bereits zwölf Tage zuvor vom Rover befahren worden war, ohne dass vorher ein Stein zu sehen war.

Der Stein sei „mit nichts, was wir bisher gesehen haben, zu vergleichen“, beteuerte ein Sprecher der Nasa.

„Wir erblickten diesen Stein“, so Steve Squyres, einer der leitenden Wissenschaftler des Mars-Projekts. „An den Rändern erschien er weißlich auch in der Mitte. In einer dunklen Vertiefung im Mittelpunkt war die Farbe dunkelrot – wie ein Krapfen.“

Die Nasa behauptet, der Stein bestehe aus Schwefel, Magnesium und außerordentlich vielem Mangan. Was aber keiner zu wissen scheint: wieso er da ist. War hier in den letzten Tagen ein Meteorit eingeschlagen? Wurde er von einer unter Druck stehenden Bodenhöhle hoch geschleudert? Wurde er von einem Rad des Rovers in Bewegung gesetzt? So lauten die gängigsten Theorien.

Ich kenne aber eine andere Erklärung für dieses Phänomen: Dieser „Krapfen“ ist das, was gemeinhin als „Marsmensch“ genannt wird.
Nein, keine Fantasie meinerseits. Ich habe diese Info aus besten Quellen.

Und kein Einzelfall dieser „Krapfen“. Es gibt sie auf dem Mars wie Sand am Meer – und es sind im Übrigen sehr intelligente Lebewesen. Doch warum haben sie sich gerade jetzt erst blicken lassen? Mit Sicherheit haben sie ihre Gründe. Darüber aber möchte ich noch nicht spekulieren.

Mein Interesse an diesen Kreaturen, vulgo „Marsmenschen“, gilt lediglich der Sprache. Denn sie sind in der Tat der Sprache mächtig. Der Clou aber: Ihre „Sprache“ ist, wie ich neulich erfahren habe, für unsere Vorstellungen ebenso gewohnheitsbedürftig wie ihre steinige Gestalt. Genauer gesagt: Ihre ist eine Gedankensprache.

Wer jemals einen Gedanken gefasst hat, weiß, wovon ich rede: keine Nomen, Verben usw. sondern lediglich durch Willen bewegte Bilder.

Machen wir die Probe aufs Exempel: Übersetzen Sie selbst in die Gedankensprache folgende Sätze: 1.) „Ich will das erst sehen, bevor ich es glaube.” 2.) „Wenn der Mond hinter dem Horizont verschwindet, sieht man noch mehr Sterne.“

Verstehen Sie, wie ich‘s meine? Beide Sätze werden, wenn man sie in die Gedankensprache übersetzt, zu durch den Willen bewegten Bilderkomplexen. „Wörter“ im üblichen Sinn findet man in dieser Sprache nicht. Es gibt also für die Gedankensprache keine Wörterbücher.

Solche Bilderkomplexen sind die Grundlage für jede Verständigung mit anderen Wesen, die für diese Sprache empfangsbereit sind.

Auch wir Irdischen machen mitunter diese Erfahrung. Sicherlich haben Sie selbst das erlebt, was man unter „Gedankenübertragung“ versteht. Aber anders als die Marsmenschen wissen wir selten, wer der Urheber des Gedankens war: ich oder der andere. Manchmal fragen wir, ob wir beide zeitgleich das Gleiche gedacht haben.

Für „Marsmenschen“ besteht diese Unsicherheit nicht. Die Gedankenübertragung ist die einzige Sprache, die sie verstehen.

Ist Mars der Reise wert? Wenn Sie sich gern mit Steinen unterhalten, dann ja.

Schon jetzt versucht die NSA, Google und vielleicht, wie ich erfahren habe, auch Facebook dieses Verfahren zu patentieren…

Des Sprachbloggeurs Führer für unschlüssige Zeitrechner

Wie heißt dieses Jahr? Nein, kein Witz. Ich frage im Ernst. Leben wir im Jahr „zwanzigvierzehn“ oder „zweitausendvierzehn“? Oder vielleicht im Jahr „zweitausendUNDvierzehn“. Möglich wäre auch „zwanzighundert(und)vierzehn“.

Die Frage ist ernst, weil es dazu noch keine endgültige Antwort gibt.

Die ersten zehn Jahre des neuen Jahrtausends waren dank Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“, der bereits 1968 auf der großen Leinwand zu sehen war, easy zu meistern. Dreißig Jahre hatten wir Zeit, um diese erste Jahreszahl des neuen Jahrtausends einzuüben. Und da es auch eine deutsche Buchhandelskette mit diesem Namen gab, war alles schnell in Butter.

Klar, dass auf „zweitausendeins“ „zweitausendzwei“ folgte. Doch dann schrieb man 2010. Und schon fing das echte Grübeln an. Sogar der Duden hatte sich zu diesem Thema geäußert.

In einem kurzen online Text aus der Zeit erörterte der renommierte D.-Verlag die verschiedenen Möglichkeiten: „zweitausendzehn“, „zweitausendundzehn“ und „zwanzighundert(und)zehn“. Seltsamerweise aber nicht „zwanzigzehn“. Duden wollte sich jedenfalls nicht festlegen.

In einem amerikanischen Wikipedia-Beitrag mit der Überschrift „2010“ wurde die Problematik der Aussprache ebenfalls direkt thematisiert. Der Autor dieses Artikels erwähnte zwei, eigentlich drei, Varianten: „two thousand (and) ten“ und „twenty ten“. Auch hier kam jedoch keine Empfehlung.

Fest steht: Angelsachsen und Niedersachsen handhabten die Jahreszahlen im vorigen Jahrhundert konsequent unterschiedlich. George Orwells Roman heißt, z.B., auf Englisch „Nineteen Eighty Four“, auf Deutsch „Neunzehnhundertvierundachtzig“. Franzosen hingegen räumten sich im vergangenen Jahrhundert in dieser Sache stets eine gewisse Flexibilität ein. Die Jahre des 20. Jahrhunderts fingen entweder mit einem „dix-neuf-cent…“ also „neunzehnhundert…“ oder einem „mille-neuf-cent…“, „tausendneunhundert…“ an.

Im einundzwanzigsten Jahrhundert haben sich die Franzosen nun eindeutig für „zweitausendund…“ usw. entschlossen. Momentan leben wir im Jahr „deux mille quatorze“, Zweitausendvierzehn.

Ende 2013 führte CNN eine Meinungsumfrage via Telefon über dieses Thema durch. 52 Prozent der Befragten nannten das kommende Jahr „two thousand and fourteen“. 46 Prozent peilten das Jahr „twenty fourteen“ an. „Two thousand fourteen“, (also ohne „and“) stand komischerweise nicht zur Debatte. Amerika hat sich scheinbar noch nicht entschieden. Diese Unschlüssigkeit gilt, nehm ich an, auch für Großbritannien.

Und Deutschland?

Auch hierzulande wurde, wie es scheint, noch keine bindende Entscheidung getroffen. Vielleicht bleibt es im deutschen Sprachgebiet wie bei der Vokabel „Email“, dessen Artikel in Deutschland „die“ und in der Schweiz „das“ lautet.

Ich googelte gestern „zweitausendvierzehn“ und das Suchprogramm registrierte ca. 20.000 Treffer; Ich machte das gleiche für „zwanzigvierzehn“ und bekam ca. 320.000 Treffer. Also doch „zwanzigvierzehn“? No comment. Morgen könnte es ohnehin ganz anders aussehen. Fest steht nur: „ZweitausendUNDvierzehn“ wird höchstwahrscheinlich ein Rohrkrepierer bleiben.

Letztendlich wird sich das Problem (wenn man es überhaupt als „Problem“ bezeichnen sollte), von allein lösen. So ist es eben mit den Sprachen. Wörter beißen sich nur mittels eines Konsenses durch. Wenn etwas richtig klingt, ist es halt richtig.

Nächstes Jahr, also 2015, werden wir alle schlauer sein.

Schumis Unfall – Breaking News im globalen Dorf

„Weißt du, warum Deutsche so gern übers Wetter reden?“ fragte mich mein Sohn, ein Pragmatist.

„Ich denke, man redet übers Wetter, um einem anderen Menschen wenigstens etwas sagen zu können. Manche ertragen die Stille nicht“, antwortete ich.

„Oder vielleicht sind Deutsche wirklich vom Wetter besessen“, sagte mein Sohn, „Das Thema ist für uns vielleicht so brennend interessant, weil das Wetter in unserem Breitengrad so wechselhaft ist.“

Ja, er hat recht. Das Wetter ist hier ziemlich wechselhaft…

Es muss aber nicht immer nur das Wetter sein, was die Menschen zusammenschweißt. Man kann auch unterhaltsame Gespräche über das „Selfie“ führen („Was? Machst auch du Selfies?…usw.“) oder über Schumi. („Schrecklich, was dem Michael Schumacher passiert ist. Es hat mich wirklich betroffen…usw.“). Oder die Geschichte von Frau Merkels Beckenbruch beim Langlaufskifahren. („O Gott. Jetzt geht die Welt endgültig zugrunde. Es hat auch der Merkel erwischt…usw.“)

Alles Gesprächsfetzen aus dem großen Dorf. „Global Village“ auf Englisch.

Können Sie sich noch erinnern? Es war Marshall McLuhan, der den Begriff „Global Village“ als erster formulierte. Er starb 1980, ohne jemals eine einzige Email geschickt zu haben, ohne den WehWehWeh gesurft zu haben. Er kam auf die Idee des globalen Dorfes lediglich durch das Fernsehen.

Nebenbei: Die Breaking-News über Schumis Unfall erfuhren wir, d.h., meine Frau und ich, in der „Heute Sendung“. Es war das erste Thema an dem Tag. Zuerst teilte der Nachrichtensprecher die Begebenheiten nüchtern mit – im Hintergrund sah man ein Schumi-Foto. Dann folgten die Videoaufnahmen vom Unfallort und wieder die Umstände. Schließlich wurde ein Reporter live vor dem Krankenhaus in Grenoble ausführlich vom Nachrichtensprecher befragt. Der Reporter wiederholte alle bereits bekanntgemachten Fakten. All dies dauerte ca. fünf Minuten. Also ein Drittel der gesamten „Heute Sendung“ handelte von Schumis Unfall. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Es ist nicht, als ob der Schumacher diese Aufmerksamkeit nicht verdient hätte. Immerhin hatte er beim Formel 1 sehr oft gesiegt. Und ohnehin, wer möchte täglich Berichte übers Sterben in Syrien sehen, oder übers Völkermord im Kongo, im S. Sudan oder im längst vergessenen Darfur. Manchmal fühlt man sich so hilflos, wenn man die Bilder sieht. Oder Berichte über Hungersnot. Und das mit Israel und Palästina geht einem mitunter wirklich auf den Keks.

„Warum muss man das gleiche fünfmal wiederholen?“ fragte mich meine Frau, während der Reporter vor dem Krankenhaus in Grenoble mit ernster Stimme über Schumis Verletzungen berichtete.

„Es waren nur dreimal“, korrigierte ich.

Übrigens: In den Xinhau-Nachrichten aus China kann man lauter lustige „Selfies“ beäugen. Ja, so was ist halt der Kitt, mit dem eine Nation zusammengehalten wird: mit „Selfies“ oder mit dem Drama um den Eisbrecher, Xuelong („Schneedrache“), der in der Antarktis, nach der Rettung des russischen Forschungsschiffes Akademik Schokalski selbst eines Eisbrechers bedarf.

Sorry. Ich möchte, wenn ich mir übers globale Dorf Gedanken mache, die Ernsthaftigkeit von Schumis Unfall – auch nicht vom Merkel‘schen Beckenriss – nicht schmälern. Ich wünsche beiden gute Besserung – ebenfalls eine baldige Befreiung vom ewigen Eis fürs Xuelong.

Klar. In jedem Dorf, auch im globalen Dorf, reagiert man besorgt über das Wohlergehen der Nachbarn und dergleichen.

Und manchmal denkt sich jemand einen cleveren Namen aus für etwas, das es schon lange gibt: zum Beispiel, das „Selfie“. Auf einmal reden alle im Dorf vom „Selfie“.

Vielleicht deshalb redet man auch gern übers Wetter.

Warum ich heute glücklich bin

Es hätte schlimm enden können. Sehr schlimm, und dann wäre dieser heute ein ganz anderer Text geworden.

Das Unglück taucht immer auf wie aus dem nichts.

Ich stand vor der Papiertonne mit meinem Papiermüll und war dabei Kartonfetzen, alte Eierschachteln, Zeitungswerbung usw. durch den Schlitz im Deckel der blauen Papiertonne zu befördern. Dann ist es passiert…flutsch, gefolgt von einem leisen „klack-klack-klack-klick-klack-rumpa-rumpa“ und dann Stille. Große Stille.

Was ist geschehen? Meine Ringe, d.h. mein Ehering und der Ehering meines Vaters, die ich beide am Ringfinger der linken Hand trage, flutschten widerstandslos vom Finger ab und verschwanden in der Papiertonne.

So einen Augenblick muss man erst verdauen. Man merkt, wie sehr man manchmal an kleinen Dingen hängt, Dinge, die einen idealen Wert haben.

Was tat ich nach dem ersten Schock? Vorsichtig öffnete ich den großen, schweren blauen Deckel der Tonne und begann im Chaos des Papiermülls nach meinen Ringen zu suchen. Bergungsarbeit halt. Man fängt sachte an, in der Hoffnung, dass das Gesuchte nicht allzu weit in den Tunneln, Höhlen und Kanälen des Papiergewühls verschwunden ist.

Ich versetzte Kartonfetzen, entsorgte Taschenbücher, Toilettenpapierrollen, die jemand nicht mehr haben wollte, alte Kuverts, Werbeblätter, Verpackungen usw., schob sie hin und her, in der Hoffnung dass die Ringe nicht allzu weit weggerollt waren.

Und siehe! Beginner’s luck. Ein Ring trat schnell in Erscheinung: der Ehering meines Vaters. Plötzlich war er da, als wäre das das Selbstverständlichste auf der Welt. Er lag auf einer papiernen Unterlage, als würde er einen Mittagsschlaf halten. Ich griff vorsichtig nach ihm und holte ihn erleichtert aus dem Papierchaos. Vielleicht ist auch mein Ehering in der Nähe, sann ich und beseitigte wieder sachte neue Papierebenen, die ich dann um mich auf den Boden herunterwarf. Vergebliche Liebesmühe. Er war nirgends aufzutreiben. Nun grub ich tiefer in der Tonne, so tief, dass ich fast den Tonnenboden erreichte, und kaum mehr wegen der vielen Schatten und des schlechten Lichtes da unten etwas klar hätte sehen können. Zusätzlich erschwerend war die Tatsache, dass ich bisher den schweren blauen Tonnendeckel auf meinem Kopf balanciert hatte, denn es gab keine andere Möglichkeit, den Deckel in offener Stellung zu halten.

Mir war jetzt klar: Um weiter zu kommen, würde ich Werkzeug brauchen. Ich kehrte in meine Wohnung zurück, legte meines Vaters Ring in die Sicherheit meines Schreibtisches nieder und holte eine Taschenlampe und zwei Besen. Der eine sollte als Stütze dienen, um den schweren blauen Deckel offen zu halten. Mit dem zweiten wollte ich im Müll wühlen.

Ab in die Arbeit. Stück für Stück entfernte ich nun das Altpapier aus der Tonne. Bald stand ich knöcheltief im Papiermüll. Doch keine Spur vom Ring. Vielmehr verspürte ich die wachsende Verzweiflung. Umso mehr war ich entschlossen, wenn nötig, den ganzen Inhalt der Tonne auszuleeren. Ja, die Tonne war groß, die Menge des Papiermülls schien schier endlos, und der Ring war klein. Trotzdem wollte ich nicht resignieren. Ich wühlte weiter und beleuchtete die sichtbar gemachten Oberflächen und Höhlen mit meiner Taschenlampe.

Als ich ein großes, sperriges Stück Kartonage aus der Tonne zu entfernen beabsichtigte, erspähte ich an der hinteren Wand der Tonne einen Halbkreis aus Metall. Mein Ring? Oder vielleicht, wie ich vermutete, lediglich eine Niete, die in der Tonnenwand zu Zwecken der Lüftung eingestanzt war. Das wollte ich jetzt näher untersuchen und benutzte dafür den zweiten Besen, genauer gesagt die Kunststofföse an der Spitze des Besenstiels als Sonde. Ich langte mit der Öse direkt in die Niete und hielt sie fest gegen die Tonnenwand. Es war aber keine Niete. Es war tatsächlich mein Ehering. Nicht zu früh sich freuen, mahnte ich mich trotzdem. Die Situation war immer noch sehr prekär. Eine falsche Bewegung…

Sachte verschob ich den Ring, den ich mit der Öse gefangen hielt, entlang die Tonnenwand... bis ich ihn mit meiner Hand ergreifen konnte. Gerettet. Erleichterung.

Als Nächstes räumte den Papiermüll, der sich um mich aufgestapelt hatte, wieder in die Tonne, nahm meine zwei Besen, meine Taschenlampe und meinen Ring und kehrte in meine Wohnung zurück. Nein. Kein Gefühl des Triumphs. Ein Gefühl der großen Dankbarkeit.

Denn die kleinen Dinge können auch große Dinge sein.

Ich bin dankbar, dass ich nicht der Erfinder der „Enkelkindmasche“ (siehe Spiegel-online) bin. Ich bin dankbar, dass ich keine Kinderprostituierten weltweit vermittele. Ich bin dankbar, dass ich keine Daten aus dem Netz entwende. Ich bin dankbar, dass ich meine zwei Ringe wiederhabe, und dass ich Ihnen heute eine frohe Botschaft fürs neue Jahr bringen kann, ohne von eigenem Verlust bedruckt zu sein.

Ich bin dankbar, dass ich Sie als Leser habe, und ich bin dankbar, dass ich Freude habe, für Sie diese Glossen zu schreiben.

Ein gutes, gesundes, erfolgreiches 2014 wünscht Ihnen Ihr Sprachbloggeur.

PS: Das Verlieren-und- Wiederfinden ist eine altbewährte Handlungstechnik der Weltliteratur. Manchmal sind es auch Menschen, oft Geliebte, die sich verlieren und wiederfinden. Nicht von ungefähr ist diese Technik beliebt. Wir freuen uns immer, wenn das, was dem Anschein nach verlorengegangen ist, doch wieder in Erscheinung tritt.

Die Grammatik der Politik: Anfängerkurs

Als Wladimir Putin die „Pussy Riot“ vors Gericht ziehen ließ, habe ich damals geweissagt, dass es public-relationsmäßig unmöglich sein würde, Frauen, die sich als „Muschirandaliererinnen“ bezeichneten, für schuldig zu befinden, ohne das Justizsystem ins Lächerliche zu ziehen. Und sollte sie trotzdem schuldig gesprochen werden, würde man sie auf Geheiß des Staatsoberhaupts alsbald laufen lassen.

Doch W.P. hat die „Muschirandaliererinnen“ nicht laufen lassen. Sie kamen ins Gefängnis. Nicht anders war sein Umgang mit den Greenpeace-Aktivisten und natürlich mit dem Erzfeind Michail Chodorkowski. Diese aber nur nebenbei erwähnt.

W.P. ist aber nicht das Thema dieser Glosse. Er dient hier lediglich als Beispiel eines grammatischen Problems. Genauer gesagt, dass es in der Grammatik für eine einzige syntaktische Situation manchmal mehr als eine richtige Antwort gibt – was, ich gebe zu, eine frustrierende Erkenntnis für jede(n) Sprachenlernende(n) sein kann.

Aber nun ein anderes Beispiel. Diesmal der englischen Grammatik entnommen.

Hier erfahren Sie, wie ich einer Gruppe Studenten – die meisten waren Deutsche – die Feinheiten des englischen Verbalsystems zu erläutern versuchte.

(Wie ich überhaupt in diese Situation kam, ist eine etwas längere Geschichte, die ich an dieser Stelle nicht zu schildern vorhabe. Sie ist ohnehin hier irrelevant).

Um meinen Studenten das nicht gerade einfache Verbalsystem der englischen Sprache zu veranschaulichen, erteilte ich eine Übung aus einem uralten (1957) britischen Lehrbuch, „Modern English Practice“. Zweck der Übung war, die Lücke im jeweiligen Satz mit der passenden Verbalform zu ergänzen. Folgende Zeiten standen für diese Übung zur Wahl: einfache Vergangenheit, Perfekt, Futur, zweite Vergangenheit und auch alle entsprechende Verlaufsformen. Am ersten Tag paukte ich diese Übungssätze mit einer einzigen Studentin.

Hier ein Satz aus dieser Übung: „Since the war we…… (build) up an efficient export sales organization, which….. (introduce) our biscuits into several countries that formerly…… (never, import) any biscuits.”

Besagte Studentin ergänzte die Lücken folgendermaßen: “have been building”, “has introduced” und “never imported”. Ich war mit ihren Lösungen einverstanden.

Am nächsten Tag nahmen mehrere Studenten an dieser Klasse teil. Ich entschloss mich, die Übung vom vorigen Tag auch mit der neuen Gruppe durchzuarbeiten. Die Studentin vom vorigen Tag war übrigens ebenfalls zugegen. Diesmal ergänzte ein Student die Lücken mit folgenden Antworten: „have built“, „introduces“ und „never imported“. Ich war mit seinen Antworten einverstanden.

„Verzeihung“, fragte die Studentin vom vorigen Tag. „Gestern haben Sie ganz andere Antworten für richtig erklärt“, und prompt zitierte sie die gestrigen Lösungen. „Welche sind also die richtigen?“

Es war ein Augenblick der Wahrheit, wie sich jede(r) Lehrer(in) nur wünscht. „Tja“,, sagte ich. „Sie sehen wie grausam die englische Grammatik sein kann. Fakt ist: Sie erlaubt bisweilen mehr als eine richtige Antwort fürs gleiche Problem. Aber nicht verzagen. Das ist auch eine gute Nachricht: So wird einem eine gewisse Freiheit gewährt. Doch freuen Sie sich nicht zu früh. Manches bleibt trotzdem falsch.“

Auch in der Politik gibt es Alternative, die grammatisch einen Sinn ergeben, liebe Studenten der Grammatik der Politik. Aber auch hier bleibt manches immer falsch…

Ein dunkler Text, und ich weiß nicht, warum ich ihn heute unbedingt schreiben wollte. Doch so dunkel der Text auch sein mag, werden die Tage ab jetzt immer länger. In diesem Sinn wünscht der Sprachbloggeur allen Lesern und Nichtlesern frohe Weihnachten und helle Stunden.

Mandela und der Sprachenjunkie…

Ja, liebe Freunde der deutschen Sprache, hier eine frische Folge aus der endlosen Sprachengeschichte eines Menschen mit Migrationshintergrund, der unermüdlich bestrebt ist, diese ihm fremde Sprache zu beherrschen. Und ausgerechnet heute, am Tag der Trauerfeier für Nelson Mandela, erscheint dieser Text. Egal. Ich mache weiter. Nähere Gründe unten…

„Sorry, lieber Sprachbloggeur“, schärfte mir Freund Harald vor vielen Jahren ein, „Keiner kann eine Sprache beherrschen – auch nicht die deutsche Sprache.“

Rückblick: Harald war der erste echte Deutsche, der bereit war, mit mir lange Gespräche in seiner Muttersprache zu führen – obwohl dieses Unterfangen sehr viel Geduld erforderte.

„Sprachen beherrschen Menschen“, sagte Harald weiter, „nicht umgekehrt.“

Nebenbei: Etwas Anderes brachte mir Harald bei – und zwar nicht bewusst, also nur quasi durch sein Beispiel. Ich beobachtete, dass seine Sätze immer klar und einfach formuliert waren – das Gegenteil von meinen also. Sprechneulinge drücken sich oft sehr kompliziert aus.

Wenn es mir gelingt, klar und einfach zu schreiben, denke ich immer an Harald,.

Das nur einleitend. In dieser Folge meiner endlosen Geschichte können Sie nun zuerst zwei Beispiele meines Sprachfortschrittes lesen:

Beispiel eins: Folgenden Satz von Henrik Broder las ich gestern in der neuen „Weltwoche“: „…die anderen sagen, man solle den Einfluss des Fernsehens nicht überschätzen.“

Alsbald dachte ich: Ich finde, dass hier „überbewerten“ schöner klingt als „überschätzen“. Zu bemerken: Auch Migrationshintergründler entwickeln einen eigenen Geschmack in der Fremdsprache.

Beispiel zwei: In der gleichen Ausgabe dieser Zeitschrift stieß ich auf folgenden Satz des Journalisten Hansrudolf Kamer: „Die Ankündigung einer neuen Luftverteidigungszone im Ostchinesischen Meer hat Japan, Südkorea und auch Amerika zu Protestaktionen veranlasst.“

Hoppla, dachte ich, ich würde hier lieber „auf den Plan gerufen“ anstelle von „zu Protestaktionen veranlasst“ lesen. Doch genug des Selbstlobes.

Nun zum zweiten Teil dieser Folge aus der endlosen Sprachengeschichte:
Hier geht es um das Wort „gleichsam“. Vor etlichen Monaten hatte ich in einer Glosse mein Leid bezüglich dieses Wortes ausgiebig beklagt. Der Grund: Ich war unfähig, es in einem Satz korrekt zu verwenden.

Dem Duden zufolge bedeutet „gleichsam“ „gewissermaßen“, „sozusagen“ und „wie“. Dennoch war ich nicht in der Lage, einen funktionierenden Satz mit diesem verdammten Wort zu schreiben.

Einmal fragte mich mein Lektor, während er einen Text von mir überarbeitete: „Sagen Sie: Was soll das ‚gleichsam‘ hier für einen Sinn haben?“

„Es war schon lange mein Traum, dieses Wort in einem Satz zu schreiben“, antwortete ich.

„Ja, Sie haben recht. Es ist ein sehr schönes Wort. Nur, es passt in Ihrem Satz leider nicht.“

Inzwischen bin ich „Gleichsam-Meister“ geworden, ein Rang, der nur wenige Migrantler erreichen. Ich könnte, wenn ich wollte, „gleichsam“ gleichsam in jedem Satz korrekt verwenden. Doch ich will nicht mehr. Denn das Wort hat für mich seine Allüre verloren.

Fakt ist: Auch viele Deutsche haben, wie ich erfahre, Probleme mit dieser Vokabel, was auch verständlich ist. „Gleichsam“ steht nicht gerade im Top 100 des deutschen Wortschatzes. Es ist ein seltener Begriff, und vielleicht ein bisschen altmodisch. Falls Sie zu den Unsicheren zählen, hier ein bisschen Starthilfe: „Gleichsam“ ist gleich „quasi“. Wo man „quasi“ sagen oder schreiben kann, passt jederzeit ein „gleichsam“. Bespiel: „Tote Menschen kann man leicht instrumentalisieren. Man macht sie quasi zu ‚Posterboys‘.“ „Quasi“ mit „gleichsam“ auswechseln und voilà! Der Satz klingt auf einmal viel edeler.

Aber zurück zu Nelson Mandela. Eigentlich hätte ich heute als Medienmensch einen ganzen Text über ihn schreiben müssen, mit dem Zweck „Kundschaft“ heranzuziehen. Das macht man im Medienbusiness immer. Der Tod (auch die runden Gedenktage) eines Prominenten (Lady Di, Elvis, JFK) wirkt garantiert als Auflagenaufputschmittel.

Nein, ich habe die Gunst der Stunde nicht wahrgenommen. Sprachenjunkies kann man schwer von ihrer Sucht abbringen. To be continued…

In eigener Sache: Nächste Woche keine neue Glosse. Bin auf Geheimreise. Erst wieder zu Weihnachten.

Ein Kratzer auf der Scheibe – oder: der "game-changer"

Hat es „kratsch“ gemacht? Oder „kritsch“? „Ssssnitsch“ vielleicht? Oder war nur Grabesstille? Keine Ahnung. Fest steht nur: Auf einmal war der Sprachbloggeur nicht mehr da. Weg. Als hätte es ihn nie gegeben.

Erst hinterher erfuhr ich von Herrn P., meinem Provider, dass die Serverfestplatte („Scheibe“, nennt er das) „Kratzer“ hatte. Zum Glück konnte alles, was auf der „Scheibe“ gespeichert war, gerettet werden.
Meine und auch andere vom Server betreuten Webseiten sind quasi dem virtuellen Tod gerade noch von der Schippe gesprungen.

Das gibt zu denken. Oder? Now you see it, now you don’t.

Selbstverständlich war ich erleichtert, als die Texte der letzten vier Jahre wieder zum Vorschein kamen. Doch meine Erleichterung währte nur kurz . Denn bald stellte ich fest, dass auf der Seite die Kommentare – alle Kommentare der letzen vier Jahre – fehlten. Ihre Beiträge also, liebe Kommentarschreiber, wichtige Texte, die diese Seite zu einem bunten Dialog machen, waren weg.

Ich gebe zu: Ich mache es meinen Lesern nicht leicht, Kommentare beim Sprachbloggeur zu veröffentlichen. Man muss sich anmelden, dann auf eine Berechtigung warten usw. Schuld daran sind natürlich die Spammer, die Krankheitserreger des WehWehWeh. Seit einem Jahr habe ich über 2 Millionen Spammern den Zugang zu dieser Seite abgeblockt. Aber Roboter sind unermüdlich.

Doch zurück zu den Kommentaren. Deren Verschwinden hat mich sehr traurig gemacht, ein Verlust, der mir wie eine Amputation vorkam. Zum Glück konnte der nette Herr P. mich schnell wieder beruhigen. „Alles bald wieder da“, schrieb er mir in einer Mail.

Und es war tatsächlich so. Alles war bald wieder da.

Ich habe mich gefreut, dass es diesmal gut gegangen ist. Trotzdem wars mir klar: Es wird bestimmt mal wieder neue Kratzer geben: Now you see it, now you don’t.

Ein Kratzer auf der Scheibe kann jederzeit zum „game-changer“ werden. Schade, dass es keine adäquate Übersetzung für diesen englischen Begriff gibt.

Und damit komme ich zu meinem Freund Ludwig, der vor zwei Wochen einen Schlaganfall hatte. Auch das ist wie ein Kratzer auf der Scheibe.
Zufällig hatte ich Ludwig in dem Moment, als er den Schlaganfall erlitt, angerufen. (Ein Wunder, dass er überhaupt ans Telefon ging). Er selbst hatte allerdings nicht erkannt, dass er einen Kratzer auf der Scheibe hatte. Ich schon. Denn er sprach zu mir plötzlich in Flüstertönen und obendrein auf Französisch.

Man will vorerst nicht glauben, dass der Freund, den man Jahrzehnte lang kennt, dabei ist, ein Schlaganfall zu erleiden. „Ludwig, ist was?“ fragte ich.

„Non, non.“

Ich rief den Notarzt.

Es geht Ludwig inzwischen wieder bestens. Tagelang aber hatte seine Scheibe noch immer einige kleine Kratzer. Er wirkte abwesend (wie in „nicht da“). Bisweilen fielen ihm Wörter nicht ein – was für ihn ungewöhnlich ist. Mir fallen Wörter ständig nicht ein – und zwar in zwei Sprachen. Die Lücken haben ihn aber geärgert.

Nun sind alle Wörter wieder da und noch etwas: „Stell dir vor“, sagte er zu mir. „Ich habe das Gefühl, dass ich Klavier einfühlsamer spiele als früher.“

Nein, keine Einbildung seinerseits. Ein Kratzer auf der Scheibe kann tatsächlich die Dinge im Hirn neu ordnen.

Beispiel Lachlan Connors, ein Teenager aus Colorado. Nach einer schweren Gehirnerschütterung wurde er aus heiterem Himmel zum Musiker. Inzwischen spielt er Klavier, Banjo, Ukelele, Mandoline, Harmonika usw. Das Phänomen ist den Neurologen bekannt.

Hier trotzdem keine Empfehlung, sich eine Gehirnverletzung zuzuziehen. Gleiches gilt für die Festplatte.

Schade, dass es auf Deutsch keine adäquate Übersetzung für „game-changer“ gibt.

Wie es zur Schlammschlacht zwischen Justin und Miley kam

Vorstandsvorsitzender 2: Wir können schon anfangen. Bubu kommt nicht.

Vorstandsvorsitzender 1: (ruft) Wurm! Sicherheitszelt schließen!

(Wurm, der dem Vorstandsvorsitzenden 1 zu Füßen liegt, erhebt sich, eilt zum Eingang und zieht von oben nach unten an einem großen Reißverschluss. Dann legt er sich neben dem Vorstandsvorsitzenden 1 wieder hin, der ihn kurz am Kopf streichelt.)

Wurm: Wau wau.

Vorstandsvorsitzender 3: Armer Bubu, er wäre gern gekommen.

Vorstandsvorsitzender 1: Heute muss einer schließlich vorsichtiger sein. Man weiß nie, mit wem man sich verplappert hat, mein Lieber. Das muss ich dir nicht ausführlich buchstabieren, oder? Du weißt schon: enn ess äääj.

Vorstandsvorsitzender 3: Früher war alles einfacher.

Vorstandsvorsitzender 1: Ja, früher!

Vorstandsvorsitzender 3: Ich gebe zu: Mich macht dieses Informationszeitalter nervös. Man weiß nie…

Vorstandsvorsitzender 2: Jammere nicht so. (Er wendet sich an Vorstandsvorsitzenden 1) Sag mal, muss der da (er zeigt auf Wurm) unbedingt hier sein?

Vorstandsvorsitzender 1: Der? Was für eine Frage! Vielleicht solltest du dir auch einen anschaffen. Viel wirksamer als Beruhigungsmittel. Und auch billiger! Nicht wahr, Wurm? (Er fährt ihm kurz über die Haare).

Wurm: Wau wau.

Vorstandsvorsitzender 2: Wenn du meinst. Nur nicht, dass er hinterher alles nachplappert. Du weißt schon: enn ess äääj. Eine Geheimsitzung im Sicherheitszelt ist schließlich eine Geheimsitzung.

Vorstandsvorsitzender 1: Aber woher. Ich habe ihn bestens erzogen. Er hat das Sprechen längst verlernt, dafür folgt er auch den kompliziertesten Kommandos. Und schreiben kann er auch. Braver Wurm.

Wurm: Wau wau.

Vorstandsvorsitzender 3: Mich hätte es genauso treffen können wie Bubu.

Vorstandsvorsitzender 2: Das meine ich auch. Die Spionen sind überall. Wenn einer ja wüsste, dass wir miteinander kollaborierten. Sei bloß nett zu deiner Frau – und deiner Mätresse. Haha.

Vorstandsvorsitzender 1: Ja, schon gut. Fangen wir mit dem Wesentlichen endlich an. Ideen brauchen wir, Ideen!

Vorstandsvorsitzender 2: Ja, eben, und ich habe eine: Wie wäre es mit einem saftigen Zeitungskrieg? Deine gegen meine, quasi. Eine schöne, schmutzige Schlammschlacht – wie ja in den guten alten Tagen – ich meine vor der Informationsrevolution…

Vorstandsvorsitzender 3: (träumerisch) Ja, vor der Informationsrevolution!

Vorstandsvorsitzender 1: Werdet bitte nicht so sentimental. Die Zeiten sind endgültig vorbei. Erzähle mir lieber von deiner Schlammschlacht.

Vorstandsvorsitzender 2: Ganz einfach. Wir kaufen uns die exklusiven Rechte – also print und didschital – für Justin und Miley. Deine Medien ziehen Justin durch den Schlamm und meine Miley! Man bringt selbstverständlich so viel Haut wie möglich. Das mögen die Leser. Und was die Leser mögen, liebt die Werbung noch mehr.

Vorstandsvorsitzender 1: Du bist genial, mein Lieber! Wenn du nicht die Konkurrenz wärst, würde ich dich sofort abwerben! Und du (er zeigt auf Vorstandsvorsitzenden 3): Deine Medien werden für die berechtigte Entrüstung sorgen. Ihr spielt die moralische Keule quasi, damit die Sache schön rund läuft! Braver Wurm! Wer ist mein braver Wurm. Möchte Wurm einen Keks?

Wurm: Wau wau!

Vorstandsvorsitzender 3: Ja, die Idee gefällt mir. Ich hoffe allerdings, dass wir hier nicht die Rechnung ohne Wirt machen. Ich meine: Zu Erinnerung: Wir verfügen zwar über Multimedia platforms. Die Social Media sind aber schneller– und billiger!

Vorstandsvorsitzender 1: Und wie wäre es, wenn auch wir unsere Platforms gebührenfrei machten?

Vorstandsvorsitzende 2 und 3: Spinnst du?

Vorstandsvorsitzender 1: Aber bitte. Denkt bloß mit. Uns steht wegen der Deregulierung nichts mehr im Wege, um Kosten zu reduzieren. Alle Träume kann man verwirklichen! Ich hab’s euch schon vorgemacht. Und meine Geheimwaffe gegen die Social Networks funktioniert bestens.

Vorstandsvorsitzender 2: Deine Geheimwaffe?

Vorstandsvorsitzender 1: Da ist sie! Mein Wurm!

Wurm: Wau wau.

Vorstandsvorsitzender 1: Er macht alles, was ich von ihm verlange und kostet lediglich ein paar Kekse. Die Social Media haben nichts Vergleichbares – außer Benutzer, die ständig bedient und gebauchpinselt werden möchten. Haha.

Wurm: Wau wau.

In eigener Sache: Bin nächste Woche schon wieder auf Geheimmission. Erste Berichterstattung übernächste Woche.

Sanktionieren oder nicht sanktionieren – das ist die Frage

Hey Germans! Vielleicht kommen Sie mit folgendem Satz besser zurecht als ich armer Migrantler.

Ich bin auf ihn in der Schweizer Wochenzeitschrift „Die Weltwoche“ gestoßen. Nein, hier keine exotische Schweizer Zungenbrecher, sondern waschechtes hochgestochenes (auf Englisch „high faluting“) Feueilleton-Deutsch.

Der Satz kommt in einem Artikel über Inzest (man sagt auf Englisch: „a family that plays together stays together“) des Literaturwissenschaftlers Hans Ulrich Gumbrecht vor. Zitat: „Die Ödipus-Geschichte illustriert dann, dass Geschlechtsverkehr zwischen Eltern und ihren Kindern im antiken Griechenland sanktioniert wurde, während auf der anderen Seite der Geschwisterehe – als Normalform in den mythischen Erzählungen über die Götter des Olymps – im Alltag die rechtliche Möglichkeit und gängige Praxis der Verheiratung mindestens mit Bruder- oder Schwesterkindern entsprach.“

Bitte, liebe deutsche Muttersprachler. Lassen Sie mich hier nicht im Stich, bloß weil dieser Satz so furchtbar verschachtelt ist. Ich bin mir selbst nicht im Klaren, ob er überhaupt grammatisch korrekt ist. Denn ich denke, es muss hier eigentlich heißen die und nicht der „Geschwisterehe“ und „der rechtlichen Möglichkeit und gängigen Praxis“ . Oder? Sprachliche Außenstehende wie ich fühlen sich schnell verunsichert, wenn sie an der Richtigkeit eines Satzes in der Fremdsprache zweifeln – erst recht, wenn der Autor ein Literaturwissenschaftler ist.

Aber egal: Mir geht es hier ohnehin um das Wort „sanktioniert“. Hoppla, habe ich gedacht, nachdem ich obigen Satz das erste Mal gelesen hatte. Hat der Autor grad eben behauptet, dass man im antiken Griechenland Geschlechtsverkehr zwischen Eltern und ihren Kindern sanktionierte, also billigte? Das kann nicht wahr sein. Ich habe den Satz abermals gelesen und wurde allmählich stutzig. Nun holte ich meinen Duden.

Und siehe da! „Sanktionieren“ hat zwei Bedeutungen.

Hier O-Ton-Duden: „[öffentlich, als Autorität] billigen, gutheißen {und dadurch legitimieren}: Umweltzerstörungen aus ökonomischen Motiven sanktionieren…“

Und:

„Mit Sanktionen belegen: die soziale Umwelt sanktioniert (bestraft) jeden Regelverstoß.“

Soll das heißen, dass jemand, wenn er etwas sanktioniert, dieses Etwas nach Lust und Laune billigt oder missbilligt?

Ist diese Doppeldeutigkeit zu sanktionieren?

Neues Thema (aber verwandt):

Als ich noch ein Frischling in diesem mir fremden Land war, erhielt ich eines Tages ein Schreiben von der Münchner Polizei. Darin erfuhr ich, dass das Verfahren gegen mich wegen einer Verkehrswidrigkeit „eingestellt“ wurde.

„Eingestellt“? Was soll das bedeuten, grubelte ich etwas unsicher und forschte in meinem Wörterbuch. Dort las ich, dass „einstellen“ verschiedene Bedeutungen hatte – unter anderen – „to set up“, was ich in dem Augenblick im Sinne von „ins Rollen bringen“ verstand. Ich war entsetzt, weil ich von meiner Unschuld überzeugt war.

Umgehend rief ich bei der Polizei an, um mich zu beschweren. „Schon gut“, sagte die ruhige Stimme am anderen Ende. „Die Sache wurde eingestellt.“

„Ja, deshalb rufe ich an. Ich bin nämlich unschuldig.“

„Ja, eben. Von daher haben wir das Verfahren eingestellt.“

„Ich bin aber unschuldig!“

„Eingestellt haben wir den Fall. Verstehen Sie? Finished. Alles OK. Nix. Kapiert?“

Kurze Stille meinerseits. „Ach so“, sagte ich endlich etwas kleinlaut. „Sie meinen, Sie haben das Verfahren eingestellt?“

„Ja, eben. Das versuche die ganze Zeit zu erklären.“

„Warum haben Sie es mir denn nicht gleich gesagt?“

Mein Rat: Immer vorsichtig sein, wenn Sie sanktioniert werden.

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