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Sanktionieren oder nicht sanktionieren – das ist die Frage

Hey Germans! Vielleicht kommen Sie mit folgendem Satz besser zurecht als ich armer Migrantler.

Ich bin auf ihn in der Schweizer Wochenzeitschrift „Die Weltwoche“ gestoßen. Nein, hier keine exotische Schweizer Zungenbrecher, sondern waschechtes hochgestochenes (auf Englisch „high faluting“) Feueilleton-Deutsch.

Der Satz kommt in einem Artikel über Inzest (man sagt auf Englisch: „a family that plays together stays together“) des Literaturwissenschaftlers Hans Ulrich Gumbrecht vor. Zitat: „Die Ödipus-Geschichte illustriert dann, dass Geschlechtsverkehr zwischen Eltern und ihren Kindern im antiken Griechenland sanktioniert wurde, während auf der anderen Seite der Geschwisterehe – als Normalform in den mythischen Erzählungen über die Götter des Olymps – im Alltag die rechtliche Möglichkeit und gängige Praxis der Verheiratung mindestens mit Bruder- oder Schwesterkindern entsprach.“

Bitte, liebe deutsche Muttersprachler. Lassen Sie mich hier nicht im Stich, bloß weil dieser Satz so furchtbar verschachtelt ist. Ich bin mir selbst nicht im Klaren, ob er überhaupt grammatisch korrekt ist. Denn ich denke, es muss hier eigentlich heißen die und nicht der „Geschwisterehe“ und „der rechtlichen Möglichkeit und gängigen Praxis“ . Oder? Sprachliche Außenstehende wie ich fühlen sich schnell verunsichert, wenn sie an der Richtigkeit eines Satzes in der Fremdsprache zweifeln – erst recht, wenn der Autor ein Literaturwissenschaftler ist.

Aber egal: Mir geht es hier ohnehin um das Wort „sanktioniert“. Hoppla, habe ich gedacht, nachdem ich obigen Satz das erste Mal gelesen hatte. Hat der Autor grad eben behauptet, dass man im antiken Griechenland Geschlechtsverkehr zwischen Eltern und ihren Kindern sanktionierte, also billigte? Das kann nicht wahr sein. Ich habe den Satz abermals gelesen und wurde allmählich stutzig. Nun holte ich meinen Duden.

Und siehe da! „Sanktionieren“ hat zwei Bedeutungen.

Hier O-Ton-Duden: „[öffentlich, als Autorität] billigen, gutheißen {und dadurch legitimieren}: Umweltzerstörungen aus ökonomischen Motiven sanktionieren…“

Und:

„Mit Sanktionen belegen: die soziale Umwelt sanktioniert (bestraft) jeden Regelverstoß.“

Soll das heißen, dass jemand, wenn er etwas sanktioniert, dieses Etwas nach Lust und Laune billigt oder missbilligt?

Ist diese Doppeldeutigkeit zu sanktionieren?

Neues Thema (aber verwandt):

Als ich noch ein Frischling in diesem mir fremden Land war, erhielt ich eines Tages ein Schreiben von der Münchner Polizei. Darin erfuhr ich, dass das Verfahren gegen mich wegen einer Verkehrswidrigkeit „eingestellt“ wurde.

„Eingestellt“? Was soll das bedeuten, grubelte ich etwas unsicher und forschte in meinem Wörterbuch. Dort las ich, dass „einstellen“ verschiedene Bedeutungen hatte – unter anderen – „to set up“, was ich in dem Augenblick im Sinne von „ins Rollen bringen“ verstand. Ich war entsetzt, weil ich von meiner Unschuld überzeugt war.

Umgehend rief ich bei der Polizei an, um mich zu beschweren. „Schon gut“, sagte die ruhige Stimme am anderen Ende. „Die Sache wurde eingestellt.“

„Ja, deshalb rufe ich an. Ich bin nämlich unschuldig.“

„Ja, eben. Von daher haben wir das Verfahren eingestellt.“

„Ich bin aber unschuldig!“

„Eingestellt haben wir den Fall. Verstehen Sie? Finished. Alles OK. Nix. Kapiert?“

Kurze Stille meinerseits. „Ach so“, sagte ich endlich etwas kleinlaut. „Sie meinen, Sie haben das Verfahren eingestellt?“

„Ja, eben. Das versuche die ganze Zeit zu erklären.“

„Warum haben Sie es mir denn nicht gleich gesagt?“

Mein Rat: Immer vorsichtig sein, wenn Sie sanktioniert werden.

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