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Sind Sie noch immer Charlie?

Erinnern Sie sich, als letzte Woche jeder noch „Charlie“ war? War ein Gaudi, gell? Ein gemütliches Gefühl der Solidarität, etwas, das Englisch Sprechende mit den Worten „warm and fuzzy“ bezeichnen, d.h., „warm und weich“, das Gefühl, das man, eingewickelt in einer warmen, Kaschmirdecke an einem kalten Abend, oder im Verlauf einer intimen Zweisamkeit, empfindet.

Ja, warm and fuzzy.

Wären damals nur die Juden im koscheren Supermarkt dran gewesen, hätte wohl kaum einer, „je suis Juif“ bekundet. Manche hätten vielleicht gedacht: „Ja mei, aber machen die nicht das gleiche in Gaza?“ usw. Oder wenn es nur Polizisten gewesen wären, hätten sich die Proteste wohl auch in Grenzen gehalten mit der Begründung: Tja, Pech gehabt, Arbeitsrisiko halt.

Es waren aber Blattmacher der Redaktion des satirischen Zeitschrift „Charlie Hébdo“, die massakriert wurden, genauer gesagt, es war ein Angriff gegen die freie Presse, gegen die Grundwerte der europäischen Gesellschaft also. Starker Tobak – erst recht in der Grande Nation. Auch für die islamische Welt, die momentan mit einem ernsthaften Image-Problem zu kämpfen hat, gab der Überfall Grund zur Sorge. Da meldeten sich in vielen islamischen Ländern verschiedene Stimmen aus der Politik – und aus dem Volk – , um sich vom feigen Mordüberfall zu distanzieren und ihn als „nicht im Einklang mit dem Islam“ usw. zu bezeichnen. Auch die um Gunst werbende Hamas drückte ihr Beileid aus. Dito die Hisbollah. Nur für den Mord an die Juden im koscheren Supermarkt zeigten sie Verständnis. Der Attentäter wurde sogar zum Märtyrer erklärt.

Egal. Alles ohnehin nur vorübergehende Regungen, die bald in Vergessenheit geraten. Denn schließlich geht das Leben – zumindest für die Lebenden – weiter. Gell?

Aber wie der Zufall es haben wollte, geschah beinahe zeitgleich mit – allerdings ohne Bezug zu – dem Massaker in Paris ein anderes furchtbares Ereignis: der grausame Überfall auf das Dorf Baga im nördlichen Nigeria. Noch nie von Baga gehört – oder vielleicht nur am äußersten Rande des Bewusstseins? Zur Erinnerung: Anhänger der fanatischen Boko-Haram-Bewegung in Nigeria hatten, während Gesinnungsgenossen in Paris rumballerten, diese Kleinstadt Baga dem Erdboden gleich gemacht. Augenzeugen berichteten von ca. 2000 Toten. Manchen Quellen zufolge waren es vielleicht nur einige Hunderte. Wer will aber über Zahlen streiten, es sei denn, man macht gerade ein Geschäft?

Haben irgendwo entsetzte Massen ausgerufen: Je suis Baga? Sicherlich haben hie und da manche mit dem Kopf fassungslos geschüttelt. Aber nur kurz. Und wie lange hat das Entsetzen wegen des Mordes in Pakistan an 143 Schüler gehalten, die vom Taliban verübt wurde?

Seien wir ehrlich: Menschenleben sind im Grunde billig – nicht nur für ihre Mörder, sondern auch für uns. Mit einer Ausnahme: Sie gewinnen stets an Wert, wenn sie als Symbol für etwas instrumentalisieren lassen.

Man könnte fast meinen, dass jedes Verbrechen wie ein Wort ist. Das heißt: Man versteht am besten diejenigen der eigenen Sprache. Denn nicht jeder hat ein Talent für Fremdsprachen.

Tote in Baga? Was soll’s. Es waren ohnehin Afrikaner (bzw. „Neger“). Tote in Pakistan? Ja, der Taliban. Die bringen sich ständig gegenseitig um usw.
Habe ich gesagt, dass Verbrechen wie Wörter sind? Ich sollte mich präziser ausdrücken: Sie sind Modewörter. Das heißt: Sie haben meistens ein Verfallsdatum. Wer letzte Woche Charlie war, ist es diese Woche vielleicht nur noch ein bisschen. Ist ja normal, dass die Dinge altern.

Es wird aber lustiger: Kaum eine Woche nach der Mordserie protestieren bereits in islamischen Ländern Hunderttausende gegen die Veröffentlichung der neuen, posthumen Ausgabe von „Charlie Hébdo“, die für Europäer gleichsam als „Souvenirheft“ millionenfach gedruckt und begehrt wird.

Während Europäer Schlange stehen, um ein kostbares Exemplar zu ergattern, regen sich Muslime wegen des Coverbildes auf. Dieses zeigt nämlich einen Menschen mit Turban, der weint und deklariert „Je suis Charlie“. Die Protestierenden halten diese Figur indes für eine „Mohammed-Karikatur“. Ich bin übrigens anderer Meinung. Ich glaube, dass diese Figur lediglich ein Symbol für die islamische Welt darstellen soll. Als zusätzliches Zeichen der Versöhnung steht auf dem Cover der Spruch: „Tout est pardonné“, also „alles ist verzeihen“.

In Niger starben bisher ein Dutzend Menschen wegen der heftigen Randalen. Sieben Kirchen wurden in Brand gesteckt. In Tschetschenien wurde die neue Ausgabe des „Charlie Hébdo“ von der dortigen Regierung als nützliches Mittel instrumentalisiert, um das ganze Land gleichzuschalten. Auch in Peschawar, wo der Taliban neulich 143 Schüler ermordeten, schwärmen tausende Protestierende auf die Straßen…

Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll. Ich bin total ratlos und war ohnehin nie Charlie.

Hype für Fortgeschrittene (mit hübschem Beispiel aus dem Leben)

Haben Sie auch neulich Post von der Deutschen Bahn erhalten? Bei mir schneite erst vor ein paar Tagen eine Art Faltbrief von der DB ins Haus rein.

Er war auf Glanzpapier gedruckt. Auf der Adressenseite las man den Spruch „Jetzt Grün sehen“ (natürlich grün gedruckt) und darunter in einem Kästchen die Worte „GO GREEN“. Die aufgedruckte Briefmarke zeigte grüne Bäume auf einem hellgrünen Hintergrund, daneben das Wort „Infopost“.

Ich schaute auf die Kehrseite. Unterhalb der weißen Lasche war die hübsch abstrahierte Darstellung eines Immergrüns mit der spritzigen Aufschrift „Tanne statt Tonne“. Netter Spruch, dachte ich.

Ich zog die Lasche hoch und sah auf ihrer Rückseite zwei abstrahierte Tannen mit der Aufschrift: „Ihr ‚Ja‘ für zwei Bäume“.

An diesem Punkt gelangt, so nehm ich an, werfen die meisten Menschen eine derartige Mitteilung schnurstracks in den Müll. Ich nicht. Ich war noch immer neugierig und faltete den Faltbrief auf. Er war lang wie ein Leporello.

Aber jetzt genug Details. Sonst werde ich Sie bald einschläfern. Lediglich die Kernbotschaft dieses Sendeschreibens möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: Der Adressat sollte animiert werden, eine Postkarte vom Leporello abzutrennen und diese – unterschrieben – an die DB zurückschicken.

Mit dieser Unterschrift hätte die DB das Recht, Sie endlos mit Email-Werbung zu berieseln. Als Köder für diese Bewilligung versprach die DB für jedes „Ja“ einen Baum zu pflanzen. Und:

„Zudem erhalten Sie für Ihre Unterschrift 250 Prämienpunkte, die Sie bis zum 31.03.2015 für die Pflanzung eines zweiten unter www.bahn (etc.) an das Bergwaldprojekt spenden können.“

Wie bitte? dachte ich. Heißt das, dass ich 250 Prämienpunkte bekomme, aber nur um sie für einen zweiten Baum auszugeben?

In diesem Augenblick fiel mir das Wort „Hype“ ein – was nicht bedeutet, dass ich diesen Dreh der DB-Marketingleute nicht bewunderte. Das Verwirrspiel mit Prämienpunkten, Umweltgewissen usw. ist echt klasse.

Doch so viel zum im Titel versprochenen Beispiel. Jetzt geht’s ums Spachliche, also um die Vokabel „Hype“ – sprich „heipp“.

Dieses amer. Fremdwort hat sich erstaunlich schnell im deutschen Wortschatz eingebürgert. Es steht sogar schon im Duden, besitzt also sozusagen zwei Pässe. Wörter haben es oft viel einfacher als andere Migranten. „Hype“ war obendrein kein Flüchtling.

Etwas stört mich an diesem Wort aber. Und zwar: Warum heißt es der und nicht die „Hype“? Dieses Wort stammt nämlich vom griechischen „Hyperbole“ („Übertreibung“) und ist auf Greichisch weiblich. Auch die deutsche Version, „Hyperbel“, ist weiblich. Trotzdem sagt man heute der „Hype“. Das verstehe ich nicht.

Zweites Problem: Dieses Wort wird im Deutschen so wohl im Singular wie auch im Plural benutzt: „der Hype“ und „die Hypes“.

Englischsprechende, wie ich einer bin, halten es für abartig, wenn ein Wort wie „Hype“ in der Mehrzahl gebraucht wird. Es klingt so…unenglisch. In meiner Muttersprache unterscheiden wir nämlich sehr streng zwischen Wörtern, die zählbar sind (also „house“, „apple“ „car“ usw.) und denen, die unzählbar sind. Das sind meistens abstrakte Nomen, etwa „freedom“, „wisdom“, „information“ und halt „hype“.

Ich bin der Meinung, dass nur Prämienpunkte zählbar sind. Fürs dt. Ohr ist jeder einzelner Punkt wohl ein „Hype“ für sich. Das wissen die Marketingleute, nehm ich an. Sie kennen ihre Pappenheimer. Auch Pappenheimer sind zählbar.

Mehr muss man über Hype nicht erklären.

PS: Bin nächste Woche wieder auf Forschungsreise. Noch unklar, ob ich nächste oder erst übernächste Woche den nächsten Beitrag veröffentliche.

Über das Vergessen (dazu ein paar Dankbarkeitsbekundungen)

Was? Schon wieder geht ein Jahr zu Ende! Wo war ich bloß die ganze Zeit? Ja, wo war ich bloß?

Haben Sie gewusst, dass ein Mensch, je länger er lebt, sich an immer weniger erinnern kann? Am Schluss hat er – wenn er Glück hat – vielleicht 5% seiner Lebenserfahrungen vor dem Vergessen gerettet.

Womöglich sind 5% sogar etwas hochgegriffen.

Manchmal frage ich mich, wo die restlichen 95% geblieben sind.

Ja, man geht manchmal wie ein Schlafender durchs Leben, der die meiste Zeit nur träumt. Oder wie ein Flugzeug auf Autopilot.

Zum Beispiel die kurze Liebschaft mit A. in meiner Jugend. Sie hielt nur eine Woche. Ich kann mich noch heute bestens an die ersten zarten Annäherungen erinnern – Detail für Detail sogar. Der Rest existiert nur als einige wenige Fetzen des Bewusstseins. Habe ich so tief geschlafen? Wieso ist das alles heute unzugänglich geworden?

Informatiker unterscheiden zwischen Daten und Information. Ersteres sind jene gespeicherten Fakten, die nicht mehr zugreifbar sind. Letzteres die Fakten, die noch ins Bewusstsein gerufen werden können.

Es ist immer passend am Ende eines Jahres ans Vergessen zu denken. Denn ich weiß aus Erfahrung, was mit den Ereignissen eines jeden Jahres geschieht. Allmählich wird 2014 an Profil verlieren, was mit 2013 schon der Fall ist. Auf einmal weiß man nicht mehr, ob die Italienreise 2012 oder 2011 war. Und wann waren wir dann in London? Aber genug. Vielleicht ist Ihr Gedächtnis besser als meins.

Thema zwei: Seit Jahren ist es mein Usus am Ende eines Jahres hier ein paar Dankbarkeitsbekundungen auszusprechen. Auch in diesem Jahr soll das der Fall sein. Denn es gibt jedes Jahr vieles, wofür ich dankbar bin.

Zum Beispiel, dass ich ich bin und nicht „Dschihadi-John“ (oder wer sich auch immer hinter diesem Namen verbirgt). Welch dröge Vorstellung: seine Zeit mit dem Ermorden von Unschuldigen zu verbringen und dies obendrein im Namen eines „barmherzigen“ Gottes!

ich bin auch dankbar dafür, dass ich nie auf die Idee gekommen bin, Schulkinder – auch im Namen eines Gottes(!) – gezielt abzuschlachten. Und ich bin dankbar, dass ich nicht bereit bin, Menschen leiden und sterben zu lassen, nur weil ich mich an der Macht festgebissen habe.

Ich bin dankbar dafür, dass ich keine hilflosen alten Menschen ausfindig mache, um mich dann als das verschollene Enkelkind auszugeben, um sie dann kaltschnäuzig auszunehmen. Ich bin auch dankbar, dass ich diese Masche nicht erfunden habe.

Ich bin dankbar, dass ich keine verfälschten Medikamente herstelle, um sie profitabel zu verkaufen. Ich bin dankbar, dass ich noch nie auf die Idee gekommen bin, millionen von Spams durch die Welt zu schleudern.

Ich bin dankbar, dass ich kein Bedürfnis habe, andere für eigene geschäftliche Zwecke zu missbrauchen. Ich bin dankbar…

Wissen Sie, es gibt vieles, wofür ich dankbar bin. Zum Beispiel, dass Sie meine Zeilen lesen. Ja, Sie. Denn ich schreibe immer in der Hoffnung, dass Sie das lesen werden, was ich geschrieben habe. Ohne Sie bin ich kein Schriftsteller, sondern Tagebuchschmied.

Auch wenn ich ein schlechtes Gedächtnis habe (oft vergesse ich, worüber ich vor ein paar Monaten geschrieben habe), macht es mir Spaß, für Sie zu schreiben. Wenn man die Details einer Liebschaften vergessen kann, warum nicht auch andre schöne Dinge?

In diesem Sinn: Ihnen ein gutes, gesundes und glückliches 2015.

Ihr Sprachbloggeur

Des Sprachbloggeurs Weihnachtsbotschaft

Ich muss, liebe Lesende, nach Weihnachten daran denken, das Geld, das viele Geld, das mir in letzter Zeit wie durch ein Wunder zugeflogen ist, abzuholen. Doch jeden Tag vergesse ich an meine Gönner zurückzuschreiben, um die Modalitäten des Transfers zu erfahren. Dann zack! Es geht wieder los, und prompt trifft die nächste frohe, lukrative Botschaft ein. Mehr Geld!

Meistens kommen die Mails aus Afrika, Urwiege der Menschheit – oder meine ich „der Menschlichkeit“? Zum Beispiel, die Mails vom Reverend Robert David oder von Sister Edith, die mir neulich im Namen von Jesus Christus anschrieben, oder Mrs. Hala Almofty, die mir liebenswürdigerweise im Namen des allmächtigen Allah beglückwünschte. Diese Wohltäter teilen mir jedesmal dasselbe mit: dass ausgerechnet ich auserwählt wurde, um eine Unsumme zu erben. Meistens sind es Dollarbeträge.

Ja, dieses Jahr weihnachtet es bei mir besonders kräftig.

Aber wie kommen diese gütigen Menschen auf mich? Das frag ich mich oft. Keine Ahnung. Man freut sich dennoch. Geld ist schließlich Geld, gell? Und wie der römische Kaiser Vespasian einst verlautbaren ließ: pecunia non olet. Geld stinkt nicht.

Die kinderlose Juliana Desmond, zum Beispiel, lebte, nachdem ihr steinreicher Ehemann gestorben war, in Saus und Braus. Doch nun ist sie an Krebs erkrankt, und plötzlich will sie ausgerechnet mich als ihren Erben einsetzen. Ulkig. Vielleicht war sie mal Leserin des Sprachbloggeurs. Nur eine Theorie. Aber in solchen Augenblicken denke ich, dass sich der öffentliche Auftritt doch lohnt!

Und dann kam die Mail von Mrs. Joan Williams, die mich im Auftrag vom Uno-Chef Bank-ki Moon persönlich kontaktierte. (Notabene: Frau Williams schrieb tatsächlich „Bank-ki Moon“ und nicht „Ban-ki Moon“). Ich zähle, so meinte sie, zu den 5000 „Scam-Opfern“, die weltweit durch skrupellose afrikanische Phisher um eigenes Geld gebracht wurden. Nun will sie Buße tun. Von daher soll ich sage und schreibe 5 mio US-Dollar erhalten. Fakt ist: Ich war nie das Opfer skrupelloser afrikanischer Phisher. Ich sage aber nix. 5 mio sind schließlich 5 mio. Gell?

Aber was soll ich mit dem viel Geld machen?

Nur eins steht fest. So bald das amerikanische Finanzamt von der Sache Wind bekommt, wird es heftig zulangen. Vielleicht wissen Sie’s nicht. Wir amerikanische Staatsbürger werden, wenn wir mehr als 90.000 Dollar im Jahr im Ausland verdienen, doppelt besteuert. In Klartext bedeutet das, dass ich meine Millionen nicht nur mit dem deutschen Fiskus teilen muss, sondern auch mit den Amis. Komisch, nicht wahr?

Es gibt auf der ganzen Welt nur zwei Länder, die ihre im Ausland lebenden Bürger dazu zwingen, eine jährliche Steuererklärung abzugeben. Das sind die USA und Äthiopien.

Auf Englisch werden wir „Expatriates“ genannt. Früher war ich überzeugt, dass das Wort „Expatriot“ heißt – als wär ein im Ausland lebender US- Staatsbürger gleichsam ein gewesener Patriot. So einfach bekommt man auch die eigene Muttersprache in der falschen Kehle, wissenS‘.

Vielleicht ist es okay, wenn das amerikanische Finanzamt seinen Anteil meiner Millionen für sich absahnt. Denn schließlich war auch jeder Expatriot mal ein richtiger Patriot, oder? Außerdem könnte ich jederzeit, wenn ich wollte, in die alte Heimat zurückkehren und mir – da ich sowieso unbescholten bin – eine hübsche Knarre ergattern –mehrere sogar. Und mit dem vielen Geld, das mir übrigbleibt (auch nachdem der amer. und der dt. Fiskus zulangten), könnte ich mir mühelos die teuersten und geilsten Waffen gönnen, die es gibt. Selbstverständlich nur die legalen.

Irgendwie schön ein Weltbürger im 21. Jahrhundert zu sein.

Danke Afrika! Danke Deutschland! Und danke USA!

Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest.

Das wünscht mit ganzem Herzen Ihr Sprachbloggeur

Integrieren Sie sich: Schpiek Doitsch, plies

Nein danke, von mir kein passioniertes Plädoyer für oder gegen den Gebrauch der deutschen Sprache zuhause bei Familie Ausländer.

Ich hab’s jedenfalls nicht getan. Im Gegenteil. Ich habe mit meinen Kindern konsequent Englisch gesprochen. Wahrscheinlich der Grund, weshalb ich bis heute gewisse Fehler mache, wenn ich Deutsch spreche – und schreibe. Vielleicht haben die Politiker doch recht, gell?

Erst letzte Woche stellte ich fest, dass ich, obwohl ich als Migrantler Jahrzehnte lang in Deutschland lebe, das Wort „Salz“ unentwegt mit dem falschen Artikel versehe. Ich war felsenfest überzeugt, dass es der und nicht das Salz hieß. „Der Salz der Erde“ tönte ich, wenn ich meine Deutschkenntnisse zur Schau stellen wollte. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass hier der Artikel falsch ist.

Bei der Vokabel „Zucker“ war die Fehlleistung andersrum. Das Zucker sagte ich stets.

Ja, vielleicht haben die Stimmviehtreiber doch recht. Vielleicht hätte ich dahoam mit der Familie doch nur Deutsch reden müssen. Zum Glück haben es die Kinder richtig gelernt.

Zum Beispiel gestern waren wir, d.h., meine Frau und ich, zu einem leckeren und prächtigen Essen eingeladen. Pute stand zwar nicht auf der Tageskarte, trotzdem kam ich im Lauf des Gesprächs dazu, über Puten (nicht Putin) zu reden. Ich sagte aber der Pute. Meine Frau korrigierte leise. Verdammt, dachte ich. Schon wieder ein Fehler.

Und ich dachte reumütig: Wenn wir daheim bloß die Sprache der Leitkultur benutzt hätten, dann wäre meine Pute bestimmt weiblich gewesen, und jeder hätte gedacht: Mei, ist der ja integriert. Aber nein. Ich talkte stets Englisch mit Frau und Kindern.

Zugegeben: Das Englische hat irgendwie einen anderen Stellenwert als viele Migrantensprachen. Meine Sprache wird sogar als Pflichtfach in der deutschen Schule unterrichtet und ist oft unentbehrlich für den Beruf. Gleiches kann keiner behaupten, dessen Muttersprache, Bangla, Ma’alula oder Tagalog ist.

Im Nachhinein denke ich, dass Freund E. es vielleicht richtig gemanagt hat. Er, wie ich, gebürtiger Amerikaner, hat nie mit seinen Kindern English getalkt. Im Gegenteil. Jahrelang hab ich ihm eingeschärft: „Es wäre für sie eine einmalige Gelegenheit! Es wird ihnen später auch in der Schule und im Berufsleben weiterbringen!“ Seine Antwort war stets: „Yeah yeah.“

Inzwischen ist sein Sohn J. im Gymnasium. J. erzählte mir neulich von seiner Englisch Schularbeit. Eine Frage lautete: „Bitte mit der richtigen Präposition ergänzen: There are many cars parked___ the street.“ J. antwortete die Frage mit „on“, was eigentlich richtig ist. Vielleicht hat ihm sein Vater irgendwie doch durch Osmose etwas Englisch ins Ohr gesetzt. Die Lehrerin war mit J.‘s Antwort allerdings nicht einverstanden. Sie meinte, es müsse „in“ heißen.

„Welche Antwort ist denn richtig?“ fragte mich J.

„ˈOnˈ“, erwiderte ich. „Deine Lehrerin hat’s falsch im Ohr.“

„Das habe ich auch gemeint“, funkte nun E. dazwischen.

„Sag es ihr denn.“

„Sinnlos. Sie glaubt uns ohnehin nicht“, entgegnete J. resigniert.

„Sag ihr denn, dass sie sich mit dem Sprachbloggeur in Verbindung setzen sollte …“

Das hat die Lehrerin bisher leider nicht getan. Wahrscheinlich ist auch sie davon überzeugt, dass Migrantler zuhause lieber Deutsch reden sollten.
Verdammt! Ich habe irgendwie doch ein Plädoyer über dieses Thema geschrieben!

PS: Nächster Beitrag in zwei Wochen. Bin weiterhin auf Forschungsreise.

Kennen Sie den Witz mit dem Fanatiker und seinem Opfer?

Fanatiker: Mach dich fertig. Ich werde dich töten.

Zufallsopfer: Augenblick, bitte. Ich muss hier etwas fertig machen. (er werkelt weiter) Also jetzt. Tut mir leid, ich habe nicht genau aufgepasst. Was haben Sie gesagt? Ich soll etwas fertig machen? Tja, gerade das hab ich eben getan. Als würden Sie meine Gedanken lesen.

Fanatiker: Nein, nicht dass du etwas fertig machen sollst. Ich hab gesagt, du sollst dich fertig machen, denn ich werde dich töten.

Zufallsopfer: Ach soooo. Sie wollen, sozusagen, mich fertig machen. Naa?

Fanatiker: So kann man es auch sagen.

Zufallsopfer: Und warum, wenn ich fragen darf?

Fanatiker: Ich soll dir einen Grund geben?

Zufallsopfer: Ja, bitte.

Fanatiker: (er überlegt)

Zufallsopfer: Na, was ist? Hat‘s Ihnen die Sprache verschlagen?

Fanatiker: Sei nicht so frech, du Glaubensloser.

Zufallsopfer: Und wie kommen Sie ausgerechnet auf die Idee, mich umzubringen?

Fanatiker: Gott will es.

Zufallsopfer: Ach so. Gott will es. Und wie wissen Sie das, wenn ich fragen darf?

Fanatiker: Was stellst du für dumme Fragen! Er hat mit mir gesprochen.

Zufallsopfer: Soso, er hat mit Ihnen gesprochen. Äääm, tut er das oft?

Fanatiker: Ja, natürlich. Täglich. Mit dir spricht er bestimmt nicht. Solche wie du sind ihm zuwider, weil ihr ungläubig seid.

Zufallsopfer: Aber sagen Sie. Vielleicht können Sie mir verraten, was er, wenn er mit Ihnen redet, für eine Stimme hat?

Fanatiker: Wie bitte?

Zufallsopfer: Ja, was er für eine Stimme hat. Hat er eine tiefe Stimme? Eine hohe Stimme? Eine angenehme Stimme? Eine bebende Stimme? Eine sanfte Stimme? Verstehen Sie, was ich meine?

Fanatiker: Ja, schon, aber ich habe mir nie darüber Gedanken gemacht.

Zufallsopfer: Versuchen Sie’s mal…bitte.

Fanatiker: Tja. Irgendwie…hmmm…irgendwie klingt
er….hmmm…ja…irgendwie klingt er wie du.

Zufallsopfer: Wie ich?

Fanatiker: Ja, wie du.

Zufallsopfer: Wenn das so ist, kann es vielleicht sein, dass…ääh… ich Gott bin. Oder?

Fanatiker: Unerhört! Frechdachs! Wie kannst du so was behaupten? Das ist pure Gotteslästerung! Außerdem ist Gott kein Mensch.

Zufallsopfer: Und wieso sind Sie so sicher, dass ich Mensch bin?

Fanatiker: Weil ich dich umbringen werde.

Zufallsopfer: Und wenn ich nicht sterbe? Was machen Sie dann? Dann stecken Sie ziemlich tief in der Klemme, mein lieber scholli.

Fanatiker: Ich mag dich nicht.

Zufallsopfer: Wenn ich aber Gott bin, dann magst du Gott wohl nicht.

Fanatiker: …………

Ja, liebe Lesende, ich will nicht verraten, wie dieser Dialog ausgeht. Fest steht nur: Es handelt sich um einen sehr traurigen Witz. Eigentlich sollte kein Witz traurig sein. Außerdem sollte kein Witz so lang sein wie dieser.

PS: Nächster Beitrag in zwei Wochen. Bin noch immer am Forschen.

"Wir tragen deine Medien zu Grabe, Mann“, sagt der Mittzwanzige

Fernsehfritze: Und? Hatten Sie och soʼn kuschliges, brennofenartiges Gefühl im Bauch, als Sie im Fernsehen die Feier zum fünfundzwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls guckten?

GlaubenS‘ mir, wir ha‘m uns große Mühe jemacht, Ihnen so ein warmes Jefühl zu vermitteln. Kann ohnehin nich jeder dort am Brandenburgtor sein, um die Prominenz zu begucken, ja die alten Legenden wie Lindenburg, ick meine Lindenberg (den Namen bring ick immer durcheinander), Barenboim, Gabriel und wie s‘ alle heißen. Is echt spitze, wat?

Mittzwanziger: Wovon redet der Typ? Was für Feier im Fernsehen?

Fernsehfritze: Sagen Sie mir bloß nicht, Sie haben die
Feierlichkeiten verpasst?

Mittzwanziger: Verpasst? Trimm dich, alter. Wie kann man etwas verpassen, wenn man gar nicht weiß, dass es war? Ich hab keinen Fernseher.

Fernsehfritze: Sie machen Witze. Oder? Jeder hat ʼnen Fernseher. Sie wollen mir nicht etwa weismachen, dass Sie nie MTV oder Viva, oder Nickelodeon, oder Comedy Central gucken?

Mittzwanziger: Was gucken?

Fernsehfritze: O je. Ich bekomme die Krise.

Mittzwanziger: Sie haben sie wohl schon lange, Mann…

Hallo, liebe Lesende, hier spricht der Sprachbloggeur. Ja, obigem Gespräch kann man überall lauschen, wo Fernsehfritze auf Mittzwanzigen trifft. Neulich hab ich eine amer. Statistik (Ofcom Annual Report 2014) gelesen, wissen Sie. Die Frage wurde gestellt: „Welches würde Ihnen am meisten fehlen: Zeitungen, Radio, PC, Handy, TV?“ Von den über 65jährigen hielten sage und schreibe ca. 70% den Fernseher für unverzichtbar. Unter 16-24jährigen waren es nur noch 13%. Dafür hätten von dieser Gruppe 47% das Handy als unentbehrlich eingestuft. Hmmm.

Übrigens: Der Fernsehfritze trägt Bluejeans und eine sehr coole Lederjacke – er ist natürlich ohne Krawatte. Sein Dreitagebart steht ihm, wenn ich ehrlich bin, recht gut, und die Armani-Brille ist durchaus geschmackvoll.

Sein Gegenüber hat ebenfalls einen Jeans an. Es sind Baggies. Man hätte gedacht, er wäre schon aus diesem Alter heraus. Die Schnursenkel seiner Sneakers sind ungebunden. Sein Bart ist schütter. Es scheint ihm nicht zu interessieren, dass die allerneuste Teenie-Auflage dazu neigt, enge Hosen und Jogginghosen zu tragen. Jedem das seine, sagt er achselzuckend unschuldig und denkt dabei nicht an Buchenwald. Fakt ist: Er weiß nur dunkel, was Buchenwald ist. Man erklärt ihm: Das war mal ein Konzentrationslager. Dort war am Schmiedeeisentor zu lesen: „Jedem das Seine“. „Ach, ja, ja, genau“, antwortet er unbeeindruckt.

„Wie wäre es“, sagt der Fernsehfritze, „wenn ich dir ein Fernsehgerät schenkte?“

„Nur, wenn Sie die Werbung wegmachen und ebenfalls das scheiß Fernsehgebühr“, antwortet der Mittzwanzige.

„Aber wovon sollen wir dann leben?“ fragt der Fernsehfritze? Man vernimmt die Verzweiflung in seiner Stimme.

„Ihre Sache“, sagt der Mittzwanzige.

„Sag mir im Ernst, was ich dir anbieten kann, damit du in die Glotze schaust?“

„Ich brauche Ihre Glotze nicht. Wenn Sie möchten, nehme ich aber gern ein Phablet an. Und wie wäre es mit einem kostenlosen Vertrag? Alles soll nix kosten – wenn’s geht.“

„Ja, aber irgendjemand muss die Zecke bezahlen. Hörst du auch Musik?“

„Ja, gern.“

„Auch Musiker müssen was verdienen.“

„Meinetwegen.“

„Und wie ist es mit den Nachrichten? Willst nicht über die Welt informiert sein?“

„Na klar.“

„Und wer, wenn ich fragen darf, soll die Journalisten bezahlen?“

„Mann, Sie stellen Fragen. Ich bezahle schon 34 Euro monatlich für mein Flatrate. Dazu muss ich Miete bezahlen und Essen kaufen. Meinen Sie, ich schwimme in Geld? Und dann soll ich mir auch das scheiß Fernsehgebühr und die Zeitung leisten? Mit 34 Euro (das ist bereits viel Kohle) sitzt man längst in der ersten Reihe. Sorry, Sie haben den Kontakt zur Wirklichkeit verloren.

In eigener Sache…wieder: Nächster Beitrag in zwei Wochen. Bin weiterhin…ummm…unterwegs.

Hallöchen, hier spricht das Infame

Liebe Leser des Sprachbloggörs. Darf ich mich vorstellen. Ich bin ein Teufel. Nein, nicht der Teufel, lediglich einer von vielen aus der teuflischen Werkstatt.

Der Sprachbloggör, der momentan, ääämmm, anderswo beschäftigt ist, wird es mir hoffentlich nicht übelnehme, wenn ich ihn kurz vertrete – auch wenn er irgendwie unentwegt gegen unsereine schwadroniert.

Bis aber er zurückkehrt, haben wir ein bisschen Zeit füreinander, gell? Zeit, in der ich Ihnen einige tolle Köstlichkeiten anbieten werde. Wer weiß? Vielleicht finden Sie etwas Interessantes! Nicht vergessen: Bald ist Weihnachten.

Wie wäre es, zum Beispiel, mit einem nagelneuen Entertänment-Päckedsch? Nur heute und nur für die ersten hundert Anrufer! Haha, nur ein Witz. Ja, lieber Leser des Sprachbloggörs, Sie bekommen, wenn Sie schnell zugreifen, einhundertfünfunddreißig spannende Fernsehkanäle plus einen superschnellen Internetanschluss fürs Striemink. Obendrein im Preis einbegriffen ist eine eigene Homepage plus dreihundert Gigabyte Speicherplatz in der Claud (klingt fast himmlisch, gell? hihi). Hinzu: Solange der Vorrat reicht, erhalten Sie vier Liter Cola wöchentlich drei Monate lang! Der Preis? Sie bekommen das gesamte Paket für sage und schreibe…neunundreißig Euro monatlich zuzüglich 19% Mehrwertsteuer. Der Vertrag gilt für zwei Jahre mit dreimonatiger Kündigungsfrist.

Ein Schnäppchen! Oder?

Aber vielleicht sind Sie keine Kautschkartoffel. Für die Sportlichen haben wir auch Interessantes – und noch dazu kostenlos. Wie wäre es, z.B., mit der Mitgliedschaft in einer Hooligangang. (Oder als Alternative in einem salafistischen Verein).

Wenn das nicht etwas für alle einsame Seelen wäre, die den Schulterschluss mit Gleichgesinnten suchen! Endlich wieder an etwas Handfestem (haha) glauben! Äkschunn noch und nöcher, sportliche Ertüchtigung. Is was, oder?

Oder Sie sind vielmehr der intellektuelle Typ. Auch für Sie haben wir Hübsches. Z.B., ein eigenes Buch schreiben – und veröffentlichen! Ja! Autor (oder Autorin) werden! Wir können Ihnen zwar keinen Bestseller versprechen – aber wer weiß? Wir verraten Ihnen – sehr preiswert – wie es geht. Lassen Sie endlich die Sau raus. Ist ohnehin gut für die Verdauung und für Sonstiges ebenfalls (haha). Und falls Ihnen Schweinkram u.d.gl. nicht liegt, erklären wir Ihnen zig andere Möglichkeiten, Worte zu Geld zu mutieren. Wie wäre es, z.B., mit einer Liebesgeschichte? Oder mit einem Krimi? Pengpeng! Oder ein Buch über Politik oder Wirtschaft? Wir bringen Ihnen das Wie bei. Sie brauchen nur Fantasie zu haben. Ja, und wir suchen ebenfalls Sofftwärentwickler. Vielleicht träumen Sie schon lange davon, Ihre Idee für ein Spiel an den Mann zu bringen, wo Helden auf Bösewichte rumhaun, bis das Blut nur noch spritzt. Macht Spaß so was. Und Sie verdienen Geld – ein Mordsgeld – wenn Sie gut sind. Wir zeigen Ihnen, wie immer, das Wie!

Im Übrigen bringen wir Ihnen bei, den perfekten Vertrag zu erstellen. Keiner jagt unsere Mitarbeiter ins Bockshorn. Nie und nimmer. Wir kennen alle Tricks.

Oder vielleicht interessieren Sie sich fürs Business. Guten Tag. Pliest tu miet ju. Wir sind die Experten schlechthin. Jawohl, Sportsfreunde, Sie sind bei uns an der richtigen Adresse gelangt. Wir sind die Profis non plus ultra. Wir machen Sie reich! R-E-I-C-H! Und mächtig! M-E-C-H-T-I-G. Gesetzt den Fall, Sie bringen das nötige Talent mit. Jeder muss sich auch selbst zu helfen wissen, gell?

Oder wie wäre es mit einem kleinen Krieg – oder meinetwegen mit einem großen? Rufen Sie an. Wir beraten Sie gern.

Doch jetzt fragen Sie sich bestimmt: Wie soll ich die erreichen?
Keine Sorge. Wenn wir Sie auf den Geschmack gebracht haben, dann werden Sie uns jederzeit finden. Ja, liebe Leser des Sprachbloggörs. Der Wunsch allein ist manchmal seine eigene Erfüllung…

Uppps. Ich muss aber jetzt weg. Ich sehe: Der Sprachbloggör regt sich wieder. Ich muss diesen Text so schnell wie möglich (asap) ins Netz befördern, bevor er ganz zu sich kommt. Er ist kein so netter Typ, wissen Sie. Das haben Sie sicherlich selbst schon festgestellt. Und der Teufel weiß, wie er reagieren wird, wenn er diesen Beitrag liest. Mein Rat: Klicken Sie sofort auf „gefällt mir“. Vielleicht fällt es ihm bei genügend Klicks nicht auf, wer hier der Autör ist…

PS - In eigener Sache: Manchmal kommt einem zum Teufel das eigene Werk fremd vor. Kennen Sie das Gefühl? Aber egal. Nächster Beitrag erscheint, wie schon letztes Mal angekündigt, erst in zwei Wochen.

Unerträgliche Dummheiten: zwei Beispiele, zum Beispiel

Zur Einstimmung ein Witz:

Die Ebola, der Isis und das Internet setzen sich in der Kneipe zusammen. Die Ebola sagt: „Ich bin mächtiger als ihr. Nicht nur kann ich tausende Menschen töten, ich kann auch Millionen in Panik versetzen.“

Der Isis sagt: „Ha. Ich bin noch viel mächtiger. Ich kann nicht nur tausende Menschen töten und Millionen verängstigen. Ich kann ebenfalls eine große Länderstrecke erobern.“

„Ha“, sagt das Internet. „Ihr zwei seid beide von gestern. Ich töte niemanden, und trotzdem bin ich in der Lage eine noch größere Panik auszulösen als ihr. Und dann werde ich durch Werbeeinnahmen so reich, dass ich alle Länder erobere – auch eure.“

Soviel zur Einstimmung, und jetzt zwei unerträgliche Dummheiten, die mich momentan beschäftigen…

Erste Dummheit

Am 24. September 2014 starb der Iraner Mohsen Amir Aslani, ein „Gewissensgefangener“, wie ihn die Presse bezeichnete, am Strang kurz nach Sonnenaufgang im Radschaei Schahr Gefängnis. Er habe Gott „beleidigt“, hieß es. Genauer gesagt: Der aufklärerische Aslani hat die Jonasgeschichte, im Koran Yunis genannt, psychologisch – sprich ketzerisch – gedeutet. Er verbrachte bereits neun Jahre im Gefängnis, bevor sie ihn hinrichteten. In jüngster Zeit rechtfertigte der iranische Staat das Todesurteil, indem er dem Angeklagten zusätzlich ein sexuelles Verbrechen ankreidete.

Ich gebe zu: Ich kenne die Version der Jonasgeschichte im Koran nicht. Dafür bin ich mit der Vorlage im Alten Testament bestens vertraut.

Dieses kurze Buch im AT hat mich schon immer sehr beeindruckt. Es erzählt die Geschichte eines widerspenstigen Propheten, Jonas, der seine prophetische Aufgabe entfliehen will: Gott hat ihn nämlich befohlen, nach Ninive zu gehen, um den Bewohnern dieser Stadt mit ernsten Konsequenzen zu drohen, falls sie nicht aufhörten zu sündigen.

Jonas will aber nicht nach Ninive. Stattdessen flüchtet er, besteigt ein Schiff und versteckt sich im Frachtraum. Auf dem hohen See aber gerät das Schiff plötzlich in einen gefährlichen Sturm. Jonas weiß, dass er die Ursache für das Unwetter ist und bittet die Matrosen ihn ins Meer zu werfen – was sie dann tun, wenn auch ungern. Das Wasser beruhigt sich sofort. Das Schiff ist gerettet, und Jonas wird von einem „großen Fisch“ verschlungen, in dessen Bauch er drei Tage verharrt und wo er schließlich Buße tut. Daraufhin spuckt ihn der große Fisch wieder raus. Jonas geht nun endlich nach Ninive und fordert die Bevölkerung auf, Buße zu tun, und siehe da. Alle hören auf ihn und zwar sofort. Ende der Geschichte? Nein. Im Gegenteil. Nun wird’s erst recht interessant. Denn Jonas schmorrt unentwegt wegen Gottes Barmherzigkeit Ninive gegenüber. Gott bemüht sich nun seinem Propheten Jonas, die Barmherzigkeit anschaulich zu machen und erklärt dem Grantler schließlich, dem Sinne nach, dass die Menschen in Ninive Hilfe brauchten – weil sie nur Menschen sind, Menschen, die kaum zwischen links und rechts zu unterscheiden vermögen.

Eine Geschichte über die Toleranz also.

Ich kenne, wie gesagt, nur die AT-Version und nicht die im Koran. 1980 verfasste ich (in englischer Sprache) eine Nacherzählung dieses schönen biblischen Buches mit dem Titel „Commentary on Jonah“. Vielleicht werde ich sie mal – entweder auf Englisch oder auf Deutsch – auf dieser Seite veröffentlichen. Wäre ich Iraner gewesen und hätte meinen „Kommentar“ auf den Text im Koran bezogen, wäre auch ich wohl Mohsen Amir Aslanis Schicksal erlegen. Das gefällt mir nicht.

Zweite Dummheit

Mich beschäftigt ebenfalls die lebenslängliche Freiheitsstrafe, die ein chinesisches Gericht dem milden, versöhnlichen uigurischen Professor Ilham Tohti verhängt hat. Tohtis Verbrechen: Er hatte sich auf sanfte, friedliche Weise für die Rechte der Uiguren eingesetzt. Die chinesische Regierung – stets den Zerfall des eigenen Machtanspruchs befürchtend – , betrachtete ihn aber als Separatisten und Staatsfeind. Man kann heutzutage vieles kaufen, das made in China ist – nur nicht die Rede- und die Gedankenfreiheit. Fazit: China ist ein Ideenfriedhof geworden.

Gute Besserung.

Ja, und was ist mit dem Witz am Anfang des Textes? Was hat er mit Dummheiten zu tun? Ja, gute Frage.

PS und in eigener Sache: Bin nächste Woche auf Weltreise. Nächster Beitrag in zwei Wochen. Bis Januar wird es einige Erscheinungsunregelmäßigkeiten geben. Bin öfters unterwegs. Nur so erfährt man Neues aus der Welt.

Halsabschneider aller Länder vereinigt euch!

(Wir befinden uns in der Mojavewüste – sprich: mo-ha-we – in Kalifornien: roter Sand, Steine und Kiesel, endlose Öde und Dünen. Der Wind wippt nonstop über die Landschaft, ist trocken und heiß, wie im Umluftherd.)

Vorstandsvorsitzender: (Er ist angezogen wie Dschihadi John, d.h., mit schwarzer Pluderhose, schwarzem Hemd und ebenfalls schwarzer Gesichtsmaske. In seiner rechten Hand trägt er ein Messer) Ich gebe zu. Es wäre realistischer gewesen, wenn wir diese Szene in Syrien oder im Irak hätten drehen können. Man gibt sich trotzdem Mühe, gell? Fangen wir also an. Verflucht, Wurm, Ihre Hände sind nicht gefesselt!

Wurm: (Er trägt einen orangefarbenen Kittel und kniet im Sand) Aber wie soll ich mit gefesselten Händen das Video tätigen, o Herr des Universums?

Vorstandsvorsitzender: Sorry, das hab ich vergessen. Tja, vielleicht war es keine so gute Idee, die Mitarbeiterzahl so drastisch zu reduzieren. Nun bleiben nur Du – ich meine Sie – und ich und müssen alles allein machen. Schade, dass wir keinen Kameramann dabei haben. Ich hätte den DHL-Zusteller bitten sollen mitzumachen.

Wurm: Aber er hätte Geld verlangt – und vergessen Sie die Flugkosten nicht, o Herr.

Vorstandsvorsitzender: Auch ein Argument. Trotzdem, Wurm, die Sache ist verdammt wichtig. Manchmal muss man was investieren, um Resultate zu kriegen. Oder? Schließlich geht es um die Zukunft der Firma! Ach, waren wir mal groß! Können Sie sich noch erinnern?

Wurm:Sie haben aber keine Firma mehr. Sie haben sie verkauft! Genauer gesagt, Sie haben den Namen verkauft. Denn viel mehr blieb nicht übrig.

Vorstandsvorsitzender: Das weiß ich, Sie Blödmann! Und für einen mickrigen Euro obendrein. Unverschämt! Die haben mich regelrecht über den Tisch gezogen! Mich, eine der einflussreichsten Personen im ganzen Geschäft. Fünfundvierzig Objekte hatten wir, Millionen von unseren Zeitschriften und Zeitungen kursierten täglich durchs Land. Wir produzierten mehr Altpapier als alle anderen zusammen. Erinnern Sie sich? Wenn das nicht umweltfreundlich ist!

Wurm:Und nun gibt es nur noch uns zwei – und eine Handykamera.

Vorstandsvorsitzender:Jawohl das Kameraauge als unsichtbares Dritte! Ha! Also, fangen wir an. Es ist unsere letzte Chance, die Geschäfte zu retten. Ist die Kamera auf uns gerichtet?

Wurm:Jawohl, o Herr!

Vorstandsvorsitzender:Dann schalten Sie das Ding mit der Blu-tuß-Fernbedienung ein und auf Los geht’s los!

Wurm: (Sein Gesichtsausdruck wird auf einmal sehr ernst. Er schaut in die Kamera. Der orangefarbene Kittel wippt um seine Schultern im Wind) Sie, Leser in Deutschland. Wegen Ihrer Untreue muss ich jetzt durch diesen Halsabschneider den äußersten Preis be…

Vorstandsvorsitzender:Halt! Stopp!

Wurm:Wieso halten? Ich war gerade in Stimmung gekommen…

Vorstandsvorsitzender: Ich mag es nicht, wenn Sie „Halsabschneider“ sagen und damit mich meinen. Das klingt äääm disrespektierlich. Wir wollen der untreuen Leserschaft ein schlechtes Gewissen einjagen, damit sie wieder nach unseren Zeitschriften und Zeitungen rufen. Wenn Sie mich als „Halsabschneider“ bezeichnen, tun wir das Gegenteil.

Wurm:: Was soll ich denn sagen? Und schauen Sie! Sie umklammern das Messer mit der falschen Hand! Die machen es, wenn ich mich entsinne, immer mit der linken Hand.

Vorstandsvorsitzender: Ich bin aber Rechtshänder. Ich kann Hälse nur mit der schönen Hand abschneiden.

Wurm:O Herr, jetzt mach ich mir ernsthaft Sorgen. Es hat mir mein letztes Geld gekostet, um uns herfliegen zu lassen…

Vorstandsvorsitzender: Tüchtig tüchtig. Sehen Sie. Der Hungerlohn, den ich Ihnen bezahlte, hat doch sein Positives. Er lehrte Sie Sparsamkeit.

Wurm: O Herr, ich fürchte, wir müssen uns die Sache nochmals überlegen. So kommen wir nie auf einen grünen Zweig.

Vorstandsvorsitzender: In der Wüste gibt es ohnehin keine grünen Zweige. Haha. Nicht verzagen, mein lieber Befehlsempfänger, wozu bezahle ich Sie? Sprich nur weiter. Es wird schon klappen…

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