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Wie schreibt man einen Bestseller? Oder: Die älteste Geschichte der Welt

Haben Sie Lust, ein spannendes Buch oder Drehbuch zu schreiben, das das Zeug zum Bestseller oder Blockbuster hat? Dann sind Sie hier richtig. Heute erfahren Sie das Wichtigste zum Thema – kostenlos und compliments of the Sprachbloggeur.

Zuerst aber eine kurze Anekdote über einen Film, den ich, als ich vor vielen Jahren noch ein Frischling in Deutschland war, kennengelernte.

Er hieß „Fasching“ und wurde 1939 in Deutschland S/W gedreht. Die Geschichte ist äußerst simpel: Zwei Menschen, ein sympathischer junger Mann und ein hübsches Fräulein, lernen sich im Zug nach München kennen.

Es funkt heftig zwischen ihnen, und sie führen anfangs schüchterne Gespräche miteinander. Da sie beide „Preißn“ sind, kennen sie sich in München nicht aus. Das wird erhebliche Konsequenzen haben. Denn kurz vor der Ankunft in der „Hauptstadt der Bewegung“ drücken sie den Wunsch aus, sich wiederzusehen. (Von „Hauptstadt der Bewegung“ erfährt man im Film übrigens nichts. Die damaligen Unterhaltungsfilme haben es tunlichst vermieden, Hakenkreuze und dergleichen darzustellen. Das hätte wollen das große Kotzen zur Folge gehabt).

Doch zurück zu den Frischverliebten. Wo sollen sie sich verabreden? Nun erspähen sie im Zug ein nettes Lichtbild der Mariensäule am Marienplatz. Am folgenden Tag wollen sie sich dort treffen. Soweit so gut. Gell?

Leider nicht. Denn morgen ist ausgerechnet Faschingsdienstag, und am Marienplatz wird die Hölle los sein. Tausende werden rumjauchzen und umeinanderhopsen. Wir Zuschauer sehen die hübschen Verliebten, wie sie am Faschingsdienstag am Marienplatz vergeblich nach einander suchen, bis sie endlich von der Menge rumgeschoben und trotz aller Bemühungen in verkehrte Richtungen weggeschwemmt werden. Alles sehr traurig.

Nun wird’s brenzlig: Der nette junge Mann und das holde Fräulein erleben allerlei gefährliche Abenteuer – inklusive versuchte Verführungen durch herzlose Don Juans und liederliche Weibsbilder. Allem zum Trotz halten sie sich aber weiterhin wacker und keusch. Vom jeweils anderen aber: keine Spur. Trotzdem meinen es die Götter gut mit ihnen. Im Wirrwarr des Münchener Fasching verirren sie sich ins Künstlerviertel Schwabing und befinden sich beide – welch Zufall! – auf derselben wilden Feier. Dann passiert es: Kurz vor dem Kehraus (oder war es kurz danach?) finden sie sich wieder. Ein Kuss, die Liebe und natürlich Happy End.

Eine rührselige Geschichte. In Hollywood heißt sie: „boy meets girl, boy loses girl, boy finds girl.“ Nebenbei: Schon die Griechen und die Römer kannten diese Handlung. Noch heute kann man sie in lauter spannenden Romanen der Antike, z.B. „Daphne und Chloe“, „Die Waffen des Eros“ oder die „Äthiopika“, lesen. Die Geschichte geht immer gut aus, trotzdem liest man bis zum Schluss – wie gebannt. Für happy Ends sind wir wohl vorprogrammiert.

Ihr Blockbuster oder Bestseller soll aber trotzdem eine andere Basis haben, die noch spannender sein wird als boy meets girl usw. Ihr Buch soll die älteste Geschichte überhaupt erzählen: den Heldenmythos.

Was ist ein Held? Jeder ist ein Held, der in der Kindheit in irgendeiner Form gelitten hat, der auch maßgeschnittene Qualitäten hat, der diverse Widrigkeiten und Herausforderungen zu überwinden hat und der irgendwie am Ende siegt – auch wenn der Schluss traurig wird. Der Heldenmythos ist nämlich die Geschichte eines jeden Menschen. Deshalb ist er so beliebt. Übrigens: „Boy meets girl“ ist nur ein Teil des Heldenmythos.

In den 1930er Jahren nahm der englische Gelehrte Lord Raglan in einem Buch mit dem Titel „The Hero“ verschiedene Figuren aus der Mythologie und der Geschichtsbücher unter die Lupe, um ihre Qualitäten als Helden zu erforschen. Ödipus, Theseus, Joseph, Mose, Siegfried, König Arthur, sogar Jesus zählten zu ihnen, und alle bestanden die Prüfung. Wohl deshalb lesen wir sie so gern über sie! Auch Computeraktionspiele geben Heldenmythen wieder. Und denken Sie an Filme wie „Herr der Ringe“, „Superman“, „Harry Potter“, „Lara Croft“ und „Mad Max“ – alles Heldengeschichten. Verstehen Sie, was ich meine?

Nein, ich will hier keine Doktorarbeit schreiben, lediglich Ihnen ein paar Tipps geben, wie man Bestseller und Blockbuster schreibt. Weitere Details vielleicht ein anderes Mal.

Übrigens: Es gibt auch Geschichten, die nicht von Helden erzählen. Sie werden aber meistens von armen Schluckern, Idealisten und Humoristen geschrieben und werden nur selten Beststeller. A word to the wise.

Eine kurze Grammatik der Pornographie

Vielleicht haben Sie sich verirrt und lesen diese Zeilen, weil Sie sich etwas Anderes erhofft haben als das, was ich anzubieten vorhabe.

Ihnen, liebe Verirrte, drücke ich, falls ich Sie unabsichtlich in die Irre geführt habe, mein aufrichtiges Bedauern aus. Hier finden Sie weder anzügliche Bilder noch Worte, deren Ziel es ist, gewisse Fantasien anzuheizen.

Im Gegenteil. Hier bekommen Sie genau das, was im Titel versprochen wird: eine Grammatik – oder zumindest die Einleitung zu einer solchen Grammatik. What you see is what you get.

Ich betrachte Pornographie nämlich als eine Sprache – genauer gesagt: als eine Fachsprache, als ein geschlossenes System, das gewisse Inhalte symbolisch mitteilen will.

Vielleicht fragen Sie sich, was genau die Pornographie mitteilen will?
Wollten sie „Sex“ antworten? Sorry. Das ist leider falsch. Die richtige Antwort lautet: Pornographie will Sehnsüchte verständlich machen – Sehnsüchte nach einer Intimität, die man weder durch Worte noch in Bildern darstellen kann, sondern nur anhand von eigenem Erleben. Eine schwere Aufgabe also.

O o. Ich merke schon, wie kompliziert diese Sache wird. Hoffentlich hab ich mich nicht (wie so oft der Fall) übernommen. Vielleicht hilft folgende Anekdote: Ich war mit Anfang 20 unglücklich verliebt. zugleich träumte ich davon, ein unwiderstehlicher Don Juan zu werden. Um diesen Widerspruch zu überwinden, besuchte ich damals einen Seelenarzt, einen erfahrenen und väterlichen Menschen ca. Mitte 60. Eines Tages fragte er mich, nachdem ich ihm eine Weile was vorgejammert hatte: „Soll ich dir beibringen, wie man wirksam rumbumst oder lieber wie man wirksam liebt? Ich kann nämlich beides, aber ich überlasse dir die Wahl.“

Ich zögerte kurz und überlegte sehr ernsthaft. Schließlich entschied ich mich für die zweite Möglichkeit.

Heute weiß ich, dass er mir eine Fangfrage gestellt hatte. Clever, Dr. L., wherever you are.

Hätte ich mich für die erste Wahl entschieden, dann wäre es ihm nur möglich gewesen, mir eine Grammatik der Pornographie vorzulegen. Ich hätte von ihm also nur den theoretischen Ablauf des Anbaggerns erfahren, was mir mit Sicherheit nicht weiter geholfen hätte. Das ist nicht viel anders als wenn man die theoretische Struktur einer Sprache lernt.

An dieser Stelle möchte ich eingestehen, dass ich, was die Pornographie betrifft, eigentlich kein Muttersprachler bin. Meine Kenntnisse bleiben im Grunde recht theoretisch. Ich bin nämlich kein so großer Konsument von Pornographie, obwohl ich sie seit Jahrzehnten kenne und die Möglichkeit im Internetzeitalter mehr als gegeben wäre, sie noch genauer zu studieren. Wenn ich sie aber zu Sicht bekomme, dann beobachte ich ganz genau, was ich sehe. Dieses Beobachtungsvermögen hat dazu geführt, dass ich gewisse Gesetzmäßigkeiten entdeckt habe. Deshalb glaube ich, dass ich mit dem Begriff „Grammatik“ hier nicht falsch liege…

1.) Verben: Die Darsteller/innen fackeln nicht lange. Jede(r) weiß, worum es geht und macht ziemlich schnell Kontakt mit den wesentlichen Körperteilen. Nebenbei: Es gibt hier nur Gegenwart und Zukunft.

2.) Nomen: Die Agierenden werden in Zeit und Raum eingerahmt. In der Version, die ich zuletzt studiert habe, wird auf Körperhaar – weiblich und männlich – verzichtet. Die Intimrasur ist momentan „in“. Dies kann sich jederzeit ändern.

3.) Adjektiven: Mimik, Hecheln, Grunzen und dergleichen spielen wichtige Rollen: Durch sie werden die Darsteller/innen stets näher beschrieben.

4.) Adverbien: Kamerawinkel ist unabdingbar – vor allem, was die Vereinigung der primären Geschlechtsteile betrifft. Diese befinden sich stets in Aktion. Dank dem Blickwinkel wird die Vorstellung vermittelt: „Ich bin dabei“.

5.) Wortstellung I: Von Zeit zu Zeit verabreicht der männliche Darsteller seinem weiblichen Kontrapart einen Klaps auf den Sitzfleisch. Leider habe ich bisher noch keine Erklärung für diese Geste gefunden, ist sicherlich ein unregelmäßiges Verb.

6.) Wortstellung II: Höhepunkte kommen immer am Schluss! Der der Frau wird stets durch Adjektiven (s. oben) vermittelt. Über Glaubwürdigkeit darf ruhig gefragt werden. Der des Mannes (im wahren Leben üblicherweise unsichtbar) wird in voller Länge und Umfang gezeigt und reichlich von Adjektiven begleitet. Gegebenenfalls wird er mit Hilfe von Adverbien wiederholt…

Ursprünglich wollte ich dieses Thema viel detaillierter und als wissenschaftlich begründetes philosophisches Werk publizieren. Vielleicht kommt das noch. Aus Platzgründen halte ich mich heute kurz. Es gäbe viel mehr zu beschreiben und zu erklären, will man diese Grammatik noch nützlicher gestalten. Ich denke aber: Auch obige Ausführung reiche vollkommen – zumindest für den Anfang.

Das Nasher Sculpture Center – Heute buchen, morgen besuchen!

Original oder Übersetzung? Welcher ist Ihnen lieber, liebe Kulturkonsumenten?

Nie hätte ich gedacht, dass ich eine solche Frage stellen würde. Doch dann erhielt ich liebenswürdigerweise eine Einladung zu einem Konzert am Nasher.

Ein bisschen Hintergrund:

Einmal im Jahr fliege ich aus privaten und beruflichen Gründen nach Dallas, Texas. Den Namen dieser Stadt kennen Sie ganz sicher. Leser, die ein gewisses Alter erreicht haben, erinnern sich an das „Ekel“ JR, der in der Zeit von 1978 bis 1991 in der Fernsehserie „Dallas“ für Unmut sorgte. Manche junge Streaming-Junkies kennen das fesselnde Familiendrama auch heute im Netz.

Dallas ist wie viele amer. Städte. Die Wolkenkratzer ragen am Stadtkern in die Höhe. Ringsherum liegt ein Meer von Wohngegenden, Verkehrsadern (oft verstopft) und Shopping Centers.

Zum Glück aber hat Dallas – und die Nachbarstadt Fort Worth –auch anderes zu bieten: lauter Museen, die einfach Weltklasse sind. Eins davon ist das Nasher Sculpture Center.

Doch nun wieder zu der Frage: Original oder Übersetzung?

Lucia Simek, PR-Dame vom Nasher, hat uns, meine Frau und mich, während unseres Aufenthalts in Dallas zu einem Abendkonzert am Sculpture Center eingeladen. Nebenbei: Die Skulptursammlung am Nasher ist atemberaubend schön: Picasso, Moore, Gauguin, Matisse, Giacometti, Chamberlain, Judd, Stella etc. etc. Dazu immer eine höchst aktuelle Sonderausstellung. Und als besonderer Bonbon gibt es den Skulpturgarten: einen Lustgarten am Fuß des Hochhäuserdschungels mitten im Downtown.

Das Abendkonzert war ein Zweiteiler. Im ersten Teil wurde der bahnbrechende zwölftönerne Sprechgesang „Pierrot Lunaire“ von Arnold Schönberg vorgeführt – und zwar auf Deutsch. Teil zwei lockte mit einem bunten Medley Kurt Weill-Lieder – ein Teil davon aus der Zeit seiner Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht.

Ich hab mich wahnsinnig auf diesen deutschsprachigen. Liederabend mitten in Dallas gefreut. „Pierrot Lunaire“ kannte ich bisher nur namentlich. Die skurrilen Brecht-Weill-Lieder beherrsche ich gut und liebe sie leidenschaftlich. Doch nun erfuhr ich, dass manche der Brecht-Lieder auf Englisch vorgetragen werden sollten. Ein leichtes Gefühl der Enttäuschung drohte meine Vorfreude einzutrüben. Brecht galt für mich nur auf Deutsch. Aber nun zum Konzert…

Teil eins: Pierrot Lunaire. Die Darstellerin, Lucy Shelton hieß sie, war zwar Amerikanerin, hatte aber die Nuancen dieses witzigen deutschsprachigen Gesangzyklus derart perfekt und souverän beherrscht, dass ich sie für eine deutsche Muttersprachlerin hielt. Bravo.

Teil zwei: Die Weill-Lieder. Nun erwartete ich die gleiche bravuröse Leistung. Lights out. Dann erstrahlte ein Scheinwerfer den englischen Schauspieler Walter Van Dyk, der nun sang: „Und der Haifisch, der hat Zähne…“ Hmm. Leichten britischen Akzent aber so what. Doch dann passierte es. Er sang „An ‘nem schönen blauen Sonntag/liegt ein toter Mann am Strand…“ Nur: Es hieß bei ihm nicht „Strand“, sondern „Stränd“. Aua.

Als Engländerin Liza Sadovy „Ach, bedenken Sie, Herr Jakob Schmidt!/Ach, bedenken Sie, was man für dreißig Dollar kriegt…“ tönte, war ich vollends irritiert. Wieder ging es um eine Kleinigkeit. Sie sprach das Wort „Dollar“ nach englischer Art aus, also „Daller“. Damit war die witzige Stimmung futsch.

Inzwischen hatte ich mich auf eine vollkommene Enttäuschung eingestellt. Stattdessen geschah ein Wunder: Die Darsteller trugen fortan alle Brecht-Lieder in engl. Übersetzung vor. Und es hat großartig geklappt!

Ich gebe zu. Ich liebe es, wenn Lotte Lenya mault: „Nimm die Pfeife aus dem Maul, du Hund.“ Doch es klingt nicht weniger überzeugend, wenn eine engl. Muttersprachlerin, die gut schauspielt, „Take that damn pipe out of your mouth, you rat“ rezitiert. Oder wenn Seeräuberin Jenny lapidar deklariert “So I say: Shoot them all!” anstatt, “Und ich sage: Alle!”.
Van Dyk und Sadovy brillierten in Übersetzung, zogen alle Register gekonnt. Hut ab!

Fazit: Lieber eine schöne Übersetzung als ein lahmes Original.

Und vergessen Sie nicht: Auch das Museum ist ein Traum. Heute Buchen, morgen besuchen…

Tag der deutschen Sprache – Feiern Sie mit!

He! Deutsche Muttersprachler! Heute feiere ich Ihre Sprache. Ja, Ihre nicht meine Sprache. Wissen Sie: Es ist einerlei, wie viele Jahrzehnte ich bei Ihnen Weile. Deutsch wird nie meine Sprache werden.

Man ist stets nur das, was die eigene Mutter mit einem spricht.

Nur deshalb kommt mein Gegenüber manchmal auf die Idee zu fragen: „Sagen Sie, woher kommen Sie?“ Oder: „Hut ab! Sie sprechen ein sehr feines Deutsch…für einen Ausländer.“ Upps. Nein. Heute sagt man nicht „Ausländer“. Klingt mittlerweile ein bisschen unanständig.“ Längst bin ich „Zuwanderer“ oder vielleicht „Deutsche Mitbürger mit Migrationshintergrund“ oder „Migrant“ geworden.

Nein, geht auch nicht. Würde ich mich als „Migrant“ bezeichnen, so könnte einer meinen, ich bin grad vermittels einer Schleuserbande im Schlauchboot aus Libyen rübergefrachtet worden.

„Migrant“ mutet momentan igittigitt an.

Ist egal. Heute will ich nicht übers Ausländerdasein schwadronieren, sondern lediglich die deutsche Sprache feiern. Ihretwegen mach ich das – damit Sie über den eigenen Wortschatz nicht nur einschlafen. Zur Ehre des Tages nehm ich hier ein paar nette dt. Vokabeln kurz unter die Lupe. Nur die Spitze des Eisberges freilich.

Zum Beispiel „Zaungast“, so ein hübsches Wort, nicht wahr? Eigentlich ein Begriff aus dem 19. Jt. Mir schwebt das Bild eines Menschen vor, der die Bauarbeiter bei der Arbeit begutachtet. Übrigens: Solche Experten nennen wir in New York „sidewalk engineers“. Auch ein schöner Begriff. Kein Mensch weiß, wer der Urheber dieses Wortes war. Er – oder sie – bleibt für immer ein(e) unbekannter/e Sprachenheld(in).

Oder „Trittbrettfahrer“. Ich bin so lange in Deutschland, das ich beinahe vergessen habe, wie man „Trittbrett“ auf Englisch sagt. Das ist sehr frustrierend. Heißt übrigens „running board“. Einen „running board driver“ (oder besser: „passenger“) gibt es bei uns nicht. Der „Trittbrettfahrer“ ist eine pure dt. Erfindung, entstanden ca. 1935, obgleich keine Nazivokabel. Ursprünglich bezeichnete man damit ein „Schwarzfahrer“, der am Trittbrett der Tram kostenlos mitfährt. Diese Bedeutung ist inzwischen veraltet. Heute bezeichnen Kriminalisten einen als „Trittbrettfahrer“, wenn er ein Verbrechen nachahmt – um entweder einen Gewinn zu erzielen oder um ein bisschen Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Auf Englisch nennen wir solche Menschen „copy cats“. „Trittbrettfahrer“ finde ich allemal lustiger.

Grantelnde Literaturkritiker regen sich manchmal auf, wenn ein Schriftsteller mit der eigenen Sprache spielt. C. Bernd Sucher, zum Beispiel. In einer gewichtigen Aufsatzsammlung, die mir neulich in die Hände fiel, mit dem Titel „Suchers Leidenschaften“ meckert der Kritiker über Wortspiele Elfriede Jelineks, aus ihrem Theaterstück „Sportstück“. Es seien Formulierungen, so meint er, „die ein Lektor hätte verhindern müssen“.

Beispiel: Ein Junge habe sich „den neuesten Haarschnitt verpassen lassen, den er natürlich nicht verpassen durfte.“ Oder: Die Autorin beschreibt einen, der sich ein „Handbuch“ kauft, wenn er besser ein „Fußbuch“ gebraucht hätte. Als „Ausrutscher“ bezeichnet Sucher diese Kalauer, die, so stell ich mir vor, auf der Bühne für viel Freude sorgten.

Ich träume, liebe Leser und will eigentlich nur sagen: Genießen Sie Ihre Sprache. Meistens hat man nur die eine Muttersprache…

PS Bin zwei Wochen unterwegs – weit weit weg. Nächster Beitrag spätestens im frühen Juni.

Mann-Talk - Frau-Talk: Die Halbierung der Butterbreze

Mann: ( Er liest in der Zeitung – oder wenn er jünger ist am Tablet)

Frau: Wie sind deren Butterbrezen?

Mann: (liest weiter, dann…) Wie?

Frau: Sind da die Butterbrezen in Ordnung?

Mann: Welche Butterbrezen? Meinst du, die von der Bäckerei?

Frau: Ja, die.

Mann: Ja, die sind in Ordnung. Wolltest du eine kaufen?

Frau: Wenn ja, dann lieber zwei.

Mann: Hattest du nicht deine Brotzeit schon gestern Abend vorbereitet?

Frau: Schneiden sie sie für einen?

Mann: Schneiden? Natürlich schneiden sie sie. Wie soll man die Butter sonst auftragen?

Frau: Nein, du verstehst nicht. Ob sie die Brezen auch halbieren?

Mann: Man muss eine Breze halbieren, um die Butter aufzutragen.

Frau: Ich meine, wie?

Mann: Normalerweise wird die Breze querdurch geschnitten.

Frau: Das weiß ich. Ob man sie auch halbieren kann, so dass man zwei Stücke hat, will ich wissen.

Mann: Die werden dir die bestrichene Breze so oft durchschneiden, wie du willst. Warum fragst du so?

Frau: Weil heute Herr Wendell aus Berlin ins Büro kommt, und er trifft direkt vom Flughafen ein. Er wird wohl Hunger haben, denk ich.

Mann: Ach so. Ja, dann versteh ich, warum du zwei Brezen brauchst. Um wie viel Uhr erwartest du ihn?

Frau: Gegen halb elf. Meinst Du, die halten so lang?

Mann: Ich denke schon.

Frau: Aber vielleicht kommt er, wenn es viel Verkehr gibt, erst gegen elf oder halb zwölf an.

Mann: Die sind bestimmt noch in bester Ordnung.

Frau: Vielleicht wäre es besser, wenn ich die in der Bäckerei bei der Arbeit kaufe, weißt du, da, wo ich immer mein süßes Stückchen kaufe. Dann sind sie mit Sicherheit noch frischer. Und sie werden sie auch halbieren können, denk ich.

Mann: Warum halbieren?

Frau: Ich kann ihm keine ganze Breze anbieten.

Mann: Wieso nicht? Du denkst wie eine Frau. Er ist Mann. Er wird bestimmt die Breze gern essen, auch wenn sie noch ganz ist.

Frau: (schweigt)

Mann: (schweigt – langes Schweigen sogar)

Frau: Ja, aber, wenn er aber etwas in die Tastatur schreiben muss, dann ist es mit einer ganzen Breze viel umständlicher. Das will ich ihm nicht antun…

Mann: (schweigt)

Achtung: Schlechtes Benehmen kann gesundheitsschädigend werden

Sind auch Sie manchmal so überempfindlich wie ich? Falls nicht, hab ich den folgenden Text für Sie geschrieben.

Es geht um die Benimmregeln.

Wissen Sie, was geschehen kann, wenn einer die Benimmregeln missachtet? Es kann nämlich passieren, dass ein Missachteter deshalb die Hoffnung verliert. Leser von Dantes Göttlichen Komödie wissen, was dies für Folgen hat. Denn auf dem Tor zur Hölle, steht geschrieben, so Dante, der Spruch: „Lasst alle Hoffnung zurück, ihr, die eintreten.“

Will sagen: Die Hoffnung zu verlieren ist gleichsam ein Aufenthalt in der Hölle.

Ein Leben ohne Hoffnung wünsch ich niemandem. Es gibt aber Menschen, die dies besonders intensiv erleben bzw. erlebt haben. Neulich habe ich einen düsteren Text des amerikanischen Schriftstellers David Foster Wallace mit dem Titel: „The Planet Trillaphon as it stands in relation to the bad thing“ gelesen. In diesem beinahe unerträglichen Essay schreibt der Autor über seine Depressionen. Wallace litt nämlich an einer sog. „klinischen Depression“. Im Text beschreibt er, wie es ist, wenn du stets unter Wasser lebst, im Wissen, dass du die Oberfläche nie erreichen wirst. Der Autor schaffte es dennoch Jahre lang, dank Antidepressiven sich über Wasser zu halten. Erst nach zwanzig Jahren verloren diese Medikamente ihre Wirkung
.
Er nahm sich das Leben.

Zum Glück werden nur wenige Menschen von einer waschechten klinischen Depression heimgesucht – darunter übrigens auch König Saul in der Bibel. Die meisten von uns kennen lediglich die sog. „depressive Verstimmung“. Auch ich. Sie hat aber immer einen konkreten Anlass, z.B. eine Trennung oder der Tod eines geliebten Menschen, oder wenn rücksichtslose Vorgesetzte einen gern fertig machen (wollen).

Auch schlechtes Benehmen kann einen anderen eintrüben. Und jetzt sind wir wieder beim Thema.

Die gute Nachricht: Man erholt sich. Jeder Geplagte verdaut nach und nach die Giftpille seines Leidens. Zack! Die depressive Verstimmung ist weg, und das Tor zur Hölle rückt dann wieder weit in die Ferne. Man ist, wie Goethe sagt, „gerettet!“

Nebenbei: Der geniale deutsche Literaturwissenschaftler Erich Auerbach stellte in seinem Buch „Mimesis“ (entstanden während des 2. Weltkrieges in türkischem Exil) Folgendes über die Bewohner von Dantes Hölle fest: Sie leben ausschließlich in der Vergangenheit und der Zukunft, haben keinen Zugang zur Gegenwart.

Und jetzt zu Ihnen, liebe Leute, die die Benimmregeln missachten. Sie ahnen nicht, wie sehr sie überempfindliche Menschen (wie mich, z.B.) verletzen bzw. betrüben, wenn Sie, z.B., eine Email nicht beantworten.

Aber warum schreib ich die ganze Zeit „überempfindlich“, wenn ich eigentlich nur „empfindlich“ meine? Und was ist so schlimm dabei, wenn man ein „empfindlicher“ Mensch ist?

Vielleicht lesen auch Sie mal zufällig diesen Blog, Frau R*** in Berlin. Wenn ja, sollen Sie wissen, dass der Text Ihnen (Identität verpixelt) gewidmet ist. Wobei ich eigentlich nur sagen wollte: Thanks for nothing.

Sprachproblem Homo-Ehe: Darf ich meinen Mann/meine Frau vorstellen?

Fangen wir mit einer neuen englischsprachigen Vokabel an, deren Gebrauch gute Englischkenntnisse bescheinigen wird.

Ich selbst habe sie erst letzte Woche zur Kenntnis genommen. Sie lautet: „mansplaining“.

Es handelt sich um ein „Portmanteau“, d.h. ein Wort, das aus zwei bereits existierenden Begriffen formiert wird – wie das englische „smog“, aus „smoke“ und „fog“. Oder „Blog“ (nur Zufall, dass sich diese Wörter reimen), dass 1999 aus „web“ und „log“ (wie „Logbuch“) entstanden ist.

„Mansplaining“ (es gibt den Begriff seit etwa 5-6 Jahren) hat die Bestandteile „man“ und „explain“. Wenn ein Mann einer Frau etwas erklären will, wird er gleich zum „Mansplainer“. „Betulich erklären“ wäre vielleicht eine passende Übersetzung.

Aber jetzt zum Hauptthema: Heute geht es um die „Homo-Ehe“. Nirgends hat es in der ganzen Menschheitsgeschichte Ähnliches auf juristischer Ebene gegeben – nicht einmal bei den Apachen. Chapeau, denke ich. Es war bis hin ein harter Kampf – und wird gewissermaßen noch lange einer bleiben. Dennoch stört mich eines an der Homo-Ehe, und zwar etwas Sprachliches: nämlich die Begriffe, die heute verwendet werden, um gleichgeschlechtliche Ehepartner zu kennzeichnen.

Kann sein, dass ich hier nur die Situation im anglo-sächsischen Bereich beschreibe. Ich bin mir ganz ehrlich nicht sicher, ob diese Sache im deutschen Sprachraum anders gehandhabt wird. Wahrscheinlich weil ich zu wenig Reality-TV gucke.

In Amerika jedenfalls – und wohl auch in England – bezeichnet ein Mann, wenn er einen Mann heiratet, seinen Auserwählten als „my husband“, also Ehemann; Frauen stellen ihre bessere Hälfte als „my wife“ vor. Juristisch ist hier nichts auszusetzen. Ich finde es trotzdem unmöglich. Und zwar deshalb, weil die Vokabeln „husband“ und „wife“, eine sehr lange Vorgeschichte haben, die man nicht ungeschehen machen kann. „Husband“ bedeutete einst „Hauswart“. Wenn ein Mann früher heiratete, dann „waltete“ er über ein „Weib“, also „wife“. Kann es eine Ehe mit zwei „Hauswarten“ geben? Ich denke hier freilich rein historisch. Und die „wife“. Sie war einst Untertan. Wenn eine „wife“ eine „wife“ hat, wer ist wem untertan?

Sorry. Für meine Ohren klingen diese Wörter, wenn man sie für die Homo-Ehe übernimmt, beinahe wie Parodie.

Und wie ist es im Deutschen? Wie schon gesagt: Ich schaue zu wenig Reality-TV, um die Frage befriedigend zu beantworten. Nennt ein Mann, der mit einem Mann verheiratet ist, den Angebeteten „meinen Mann“ und eine mit einer Frau verheiratete Frau ihren Liebling „meine Frau“? Ich hoffe nicht. Ich höre jedesmal nur den ganzen Ballast der Geschichte.

Daher plädiere ich für eine andere Lösung, um gleichgeschlechtliche Paare von diesem Ballast zu befreien.

Am schlichtesten fände ich die Vokabeln „Partner“ und „Partnerin“, und für Englischsprachige „partner“. Klingt intim und deutet außerdem auf die Wirtschaftlichkeit der Ehe. Denn nicht zu vergessen: Die Ehe war schon immer eine wirtschaftliche Angelegenheit. Die Liebe spielte schon immer die zweitrangige Rolle.

Mir fällt jedenfalls nix Passenderes ein – weder auf Englisch noch auf Deutsch, ohne dass ich ein idiotisches neues Wort erfinden würde – etwa „Frann“ und „Mau“. Vielleicht fällt Ihnen etwas Besseres ein.

Falls ich mit diesen Gedanken Gefühle verletze, entschuldige ich mich im Voraus. Ich will natürlich niemandem auf den Schlips treten.

Und wenn ich hier meine Meinung kundgebe, bin ich trotzdem kein Mansplainer.

E-Bücher: Der Leser als Sklave?

Und? Wie stehen Sie jetzt zum E-Buch? Denken Sie etwa: Die Bäume sollen leben – Bücher ade? Oder ist auch bei Ihnen eine Ernüchterungsphase eingetreten?

Ich, zum Beispiel, habe inzwischen viele Einzelwerke und unzählige Gesamtwerke der Weltliteratur auf meinem längst veralteten Lesergerät gehamstert. Unwichtig die Marke oder das Format. Alle irgendwie ähnlich, ob Kindle, Tolino, Sony, Kobo; ob Epub oder Mobi.

Nebenbei: Freund Fritz spricht den Namen seines Geräts als „KINN-d‘-le“ aus. Zugegeben, er ist geborener Schwabe. Das Ding heißt aber „KINN-d‘ll“. Die meisten Deutsche sagen ebenfalls „EX-ell“, Englisch Sprechende hingegen „ex-SSELL“.

Aber zurück zum Thema. Manche E-Bookleser besitzen kein dediziertes Gerät. Sie lesen ihre E-Books auf Tablet oder Smartphone oder Notebook. Auch das ist möglich. Und man kann auch viel Geld sparen.

Ich hab für meine beachtliche, platzsparende Bibliothek der Weltliteratur fast immer höchstens zwei oder drei Euro, meistens weniger ausgegeben. Nur für mein Gesamtwerk Wallace Stevens (amer. Lyriker), Gesamtwerk T.S. Eliot und Gesamtwerk Allen Ginsberg blechte ich jeweils um die 12 Euro. Für die papierne Ausgabe hätte ich wahrscheinlich einen ähnlichen Preis bezahlt – wenn ich sie gebraucht ergattert hätte.

Aber: Wenn ich will, kann ich jedes Buch, das ich besitze, jederzeit verschenken, verleihen, verkaufen (zumindest theoretisch) oder entsorgen. Kaufe ich mir hingegen ein E-Buch und halt ich mich an den Regeln, dann darf ich mein elektronisches Buch weder verschenken, verleihen (ohne dass ich jemandem mein dediziertes Lesegerät mit ausleihe) noch verkaufen. Denn ein E-Buch wird ausschließlich für meine persönlichen elektronischen Geräte zugelassen. Ich bekomme letztendlich eine Lizenz. Bin ich also Eigentümer meiner E-Bücher? Eigentlich nicht. Ich hab lediglich eine auf Lebenszeit ausgestellte Zulassung so wie wenn ich gewisse Software kaufe. Mehr nicht. Ich kann meine E-Bücher nicht einmal richtig entsorgen – auch wenn ich sie lösche. Denn so lange die Firma, von der ich die Datei lizenziert habe, noch existiert, bekomm ich jederzeit Ersatz. Mein Buch lebt nämlich auf der „Cloud“.

So jedenfalls die Theorie. Wer gewillt ist, der kann freilich jedes E-Buch weitergeben. Er braucht lediglich die Copysperre zu knacken. Dafür gibt es Anleitungen noch und nöcher im Internet. So gesehen, könnte er seine Bücher, wenn er wollte, auch weiterverkaufen – ohne dass er auf das eigene Exemplar verzichten müsste. Das kann man mit einem Buch freilich nicht.

E-Bucher sind äußerst praktisch. Wenn ich verreise, nehm ich mein Lesegerät einfach mit und kann mich beliebig in Kafka, Goethe, Poe, Rimbaud usw. vertiefen. Komischerweise habe ich aber meistens auch ein richtiges Buch und ein paar Zeitschriften dabei, und die lese ich eher. Vielleicht eine Sache der Gewohnheit oder des Alters. Wer weiß.

Neulich hab ich es aber doch noch endlich geschafft, einen Roman digital zu konsumieren. Es war okay das Erlebnis, aber zum ersten Mal fielen mir fürwahr die Unterschiede zwischen Buch und E-Buch auf. Beispiel: Wenn ich ein Buch lese, kann ich mitten im Kapitel blitzschnell bestimmen, wie viele Seiten der Kapitel noch hat. Das kann man auch mit einem E-Buch, werden Sie vielleicht erwidern. Es zu tun aber, ist oft sehr umständlich. Erst muss ich auf eine Taste drücken, um ins Verzeichnis zu geraten. Dort muss ich nach den Seitenzahlen suchen. Wenn ich Glück habe, werden sie dargestellt. Manchmal werden sie aber nicht aufgelistet. In dem Fall, bleibt mir nichts andres übrig, als mit dem „Wischfinger“ Seite um Seite zu „scrollen“, bis ich das Ende des Kapitels gefunden habe. Bisserl zeitaufwendig ist’s schon.

Das andere, was mich stört – aber vielleicht handelt es sich meinerseits um einen Mangel an Angewöhnung – , ist das „Schicksal“ der Seiten, die ich fertiggelesen habe. Ich wische mit dem Finger über das Display und zack! Eine neue Seite tritt in Erscheinung. Doch wo ist die eben fertiggelesene Seite geblieben? Das frage ich mich oft. Natürlich weiß ich, dass ich lediglich in die verkehrte Richtung wischen muss, um sie zu sehen. Trotzdem ist es anders, als wenn man ein Buch liest. Die gelesenen Seiten bleiben, wenn man will, stets sichtbar.

Und dann ist die Sache mit dem Strom. Der Umgang damit erfordert wahrlich ein großes Umdenken. Es fängt damit an, dass jemand, will er lesen, erst die entsprechende Maschine einschalten – sprich „booten“ – muss. Diese Initialisierung dauert immer. Nix Spontanes. Man muss warten – wie beim Rechner – bis die Maschine uns erlaubt, selbst tätig zu werden. Die Maschine hält stets die besseren Karten, sie bestimmt und nicht wir. Zudem: Wenn man „elektronisch“ liest, geschieht das im Bewusstsein, dass sich der Akku peu à peu entleert. Dieses Entleeren geht noch dramatischer vonstatten, wenn man am Tablet oder Smartphone liest. Das heißt: Die Uhr tickt immer, wenn man liest, und das Lesen bleibt unerbittlich mit der Vorstellung eines Verlustes, einer Abschwächung verbunden. Während ein E-Buch die Rolle des willkürlichen Herrschers spielt, bleibt ein Buch aus Papier stets ein treuer Sklave.

Viel Spaß beim elektronischen Schmökern, liebe E-Leser.

Wann darf ich das engl. Wort „f**k“ verwenden?

Zum Anfang ein bisschen Autobiographie. Ich war 19 Jahre alt, Student der Altphilologie. Mein Lieblingsdichter aus der römischen Literatur hieß Catull. Insbesondere liebte ich seine Derbheit, zumal ich dabei war, die eigene zu entdecken. Catulls Lyrik brachte mir beinahe jede Schweinerei der lateinischen Sprache bei, und bald fühlte ich mich, jungen Lyriker, inspiriert eigenes zu produzieren...

Ich verfasste einen Lyrikzyklus mit dem Titel „Fragments of M. Furius Bibaculus“. Das Werk beinhaltete ca. 100 Fragmente des (von mir erfundenen) verschollenen Werkes des Lyrikers Marcus Furius Bibaculus, eines Zeitgenossen aus dem Kreis um Catull. Viele meiner „Fragmente“ waren ausgsprochen vulgär. Ich besitze das Manuskript leider nicht mehr.

Immerhin gewann ich mit diesem Werk einen Lyrikwettbewerb und bekam für meine schöpferische Mühe 25 Dollar – damals eine nette Summe.

Bald aber traten die Kritiker auf den Plan: 1.) der Stifter des Preises. Er war entsetzt über mein Werk und beteuerte, er würde künftig den Preis einstellen; 2.) mein weiser Professor, der Altphilologe Samuel Lieberman. Er sprach mich eines Tages nüchtern an: „Weißt du, was du mit deinen „Fragments“ angerichtet hast?“ Ich schaute ihn etwas verständnislos an. „Dir ist es gelungen, den einzigen wirklichen Zauber, der in unserer kostbaren englischen Sprache noch existiert, durch Inflation zu entzaubern.“
Das hat geschmerzt.

An Professor Lieberman hab ich gedacht, als ich neulich den „deutschen“ Buchtitel „Who the fuck is Kafka“ und den Filmtitel „Fack ju Goethe“ zur Kenntnis nahm.

„Deutsche verstehen nicht, wie unmöglich diese Titel klingen“, sagte ich zu R., einer jungen amer. Buchhändlerin, die ich in München kenne. Denn längst hatte ich verstanden, wie sehr Professor Lieberman recht hatte.

R., obwohl sie einer anderen Generation gehört als ich, stimmte sofort zu. Und glauben Sie mir: Weder R. noch ich sind prüde Menschen. Lediglich verstehen wir die Regeln unserer Muttersprache.

Doch nun wurde ich neugierig. Ich gab beim dt. Amazon den Suchbegriff „fuck“ ein. Und siehe da! Im Nu meldete Amazon 20 Seiten Ergebnisse. Zugegeben, die meisten zeigten bloß Angebote für T-Shirts, Sex-Spielzeuge, CDs usw. Doch dt. Bücher gab es darunter auch. Zum Beispiel: „Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus“ von Barbara Ruscher. Oder „Fuck you, Kita – eine unglaublich wahre Geschichte“ von Anne und Daniel Wiedmann. Ich kenne die Bücher nicht, und jetzt will ich sie erst recht nicht näher kennenlernen.

„Die haben einfach kein Gefühl für die englische Sprache“, grantelte ich zu R.

„Die Titel klingen ja schrecklich“, erwiderte sie.

Das sind aber nur zwei von vielen Titeln. Den großen Preis für Geschmacklosigkeit und fehlendes Sprachgefühl bekommt mit Abstand der dtv-Verlag. Er hat nämlich einen Titel „Fuck you, Leben“ veröffentlicht. Wobei es sich um eine Übersetzung aus dem Amerikanischen handelt. Nun fragte ich mich, wie der Autor, N. Pratt, sein Buch im Original nannte. „Fuck you, life“ etwa? Von wegen. Der schlichte Titel lautete „Trouble“. Jawohl, „Trouble“.

Als Service dieser Seite erlaube ich mir Ihnen, liebe Lesende, eine kurze Fibel über den korrekten Umgang mit dieser sehr wichtigen englischsprachigen Vokabel zu bieten in der Hoffnung, dass sie Ihnen nützt:

1.) Der Gebrauch dieses Wortes setzt immer eine gewisse Intimität der jeweiligen Gesprächspartner voraus. Wird das Wort verwendet, ist dies stets ein sicheres Zeichen, dass man sich „duzt“.

2.) Das Wort kann auch als verbales Zeichen für einen Übergriff verstanden werden. Wenn sich zwei (oder mehr) Menschen nicht verstehen, greifen sie zuerst mit diesem Wort an.

3.) Das Wort wird üblicherweise Männern vorenthalten. Ja, auch heute im Zeitalter der Gleichberechtigung der Geschlechter gibt es so was. Freilich sind Ausnahmen möglich, aber sie kommen seltener vor als Deutsch Sprechende vermuten.

4.) Ein erwachsener Sohn darf dieses Wort im Gespräch mit dem Vater benutzen. Auch hier als Zeichen einer männlichen Intimität. Es darf aber nicht in der Gegenwart der Mutter zum Einsatz kommen. In dem Fall klingt es vulgär und unhöflich.

5.) Frauen dürfen es unter sich als Sprachgewürz hinpfeffern. Sie tun dies trotzdem nur selten. Denken Sie an Schlachtenbummler. Auch Frauen dürfen mitumherziehen; dennoch bleibt das Schlachtenbummlertum meistens Männerbereich.

Nun, liebe Leser, sind Sie bestens gewappnet, um verantwortungsvoll mit einem der wichtigsten englischen Wörter umzugehen. Viel Erfolg wünscht Ihnen Ihr Sprachbloggeur.

Achtung Erde! Hier sprechen die Außerirdischen

Menschen der Erde. Seien Sie herzlich gegrüßt. Wir haben Ihre Botschaften empfangen und sind jetzt auf den Weg zu Ihnen. Wenn ich mich richtig entsinne, messen Sie große Entfernungen nach „Lichtjahren“.

Als ich das erste Mal von diesem Begriff erfuhr, war ich, um ehrlich zu sein, ein bisschen verblüfft. „Lichtjahre“?, dachte ich. Was meinen die damit? Für uns klingt dieses Wort überaus poetisch. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, Licht als Zeitmaß zu verwenden. Ist aber hübsch.

Bei uns gibt es keine Lichtjahre, nur Augenblicke. Und Augenblicke vergehen immer sehr schnell.

Wir hätten uns früher gemeldet. Es hat aber ein paar Augenblicke gedauert, bis wir den großen Datenbatzen, den Sie uns geschickt haben, beackern konnten. Es heißt, dass Sie uns den gesamten Inhalt Ihres „Internets“ via „Laser“ – Verzeihung, wenn ich Ihre Begriffe nicht immer ganz nachvollziehen kann – übermittelt haben. Habe ich das richtig dargestellt?

Viel war es eigentlich nicht. Wir haben alles in ein paar Augenblicken bearbeitet, wobei ich leider erfahren musste, dass es die „Beatles“ nicht mehr gibt und dass John durch Gewaltanwendung entkörpert wurde.
Schade. Sie fragen sich vielleicht, wie ich ausgerechnet auf die „Beatles“ komme? Haben Sie schon vergessen, dass Sie uns vor ein paar Augenblicken eine kurze Botschaft via „Rundfunksignale“ zukommen ließen? Da war allerdings nur sehr wenig zu bearbeiten, aber darunter die „Beatles“.

Ich gebe zu: Zuerst konnten wir mit diesen rhythmischen Tonschwankungen wenig anfangen. Doch bald fanden wir sie irgendwie lustig. Sie wohl auch.
Oder? Singen alle auf Ihrem Planeten „She loves me, yeah, yeah, yeah“? Ich muss leider eingestehen, dass ich immer noch nicht verstehe, was „yeah, yeah, yeah“ bedeutet. Neue Sprachen zu lernen, erfordert immer viel Übung. Und Sie müssen bedenken: Wir haben inzwischen alle Sprachen Ihres Planeten beherrscht, um unsere Botschaft verständlich zu machen. Bei uns übrigens gibt es nur eine Sprache.

Uns ist es aber wichtig, dass jeder von Ihnen unsere Botschaft im eigenen sprachlichen Code verarbeitet.

Nein, schwierig war es nicht, so viele Sprachen zu lernen – auch wenn man nicht alle Feinheiten berücksichtigen kann. Alles in allem gerechnet, hat der Prozess bloß ein paar Augenblicke gedauert.

Übrigens: Haben Sie vielen Dank für die oben erwähnten Sendungen – so wohl die „Rundfunksignale“ wie auch den Gesamtinhalt Ihres „Internets“. Das erwähne ich hier, weil ich weiß, dass Sie ständig „danke“ und „bitte“ sagen.

Hätten Sie uns nicht kontaktiert, wäre es gut möglich gewesen, dass wir von Ihnen nichts erfahren hätten. Das „All“ (so nennen Sie es, nicht wahr?) ist nämlich verdammt groß, und man kann sich nicht jeden Fleck, der sich – „am Arsch der Welt“ sagen Sie, nicht war? – befindet, merken, um – wie heißt es bei Ihnen? – „intelligentes Leben“ auszuräuchern. Andererseits erleben wir mal Zeiten, wo wir absolut nichts fangen, egal wie sorgfältig wir unsere Schleppnetze ausbreiten. Sie können sich vorstellen, wie frustrierend das werden kann. Bald fängt der Magen richtig zu knurren an.

Wobei manchmal der Fang eine einzige Enttäuschung ist. Zum Beispiel, wenn wir Planeten einnehmen, wo es nur sprachlose Wesen gibt, die höchstens „Bonk! Bonk!“ oder so ähnlich hinausplärren. Eine armselige Mahlzeit. Welchen Hunger soll man mit ein paar „Bonk! Bonk!-Lauten“ stillen?

Das mit „She loves you, yeah, yeah, yeah“ ließ uns wenigstens hoffen – obgleich zuerst das „yeah, yeah, yeah“ sehr stark an „Bonk! Bonk!“ denken ließ.

Als uns aber der Inhalt Ihres Internets erreichte, war es klar, dass es auf Ihrem Planeten doch ein bisschen was zu holen gibt. Zugegeben, man kennt reichhaltigere Mahlzeiten. Aber wenigstens geht man, wenn man bei Ihnen ist, nicht ganz hungrig vom Tisch. Nicht wahr?

Ohnehin: Die wahrhaft intelligenten Planeten lassen sich, weil sie intelligent sind, schwer einfangen. Wir müssen uns stets etwas einfallen lassen, wollen wir sie dingfest machen. Auch das macht hungrig. Dann ist man froh, gelegentlich eine kleine Zwischenmahlzeit genossen zu haben. Mit ein bisschen Stärkung gewappnet, kann man dann frohen Mutes weiter suchen.

Danke, Erde!

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