Heute nenne ich Namen, weil sie Namen nennen.
Ich nenne den Namen „E-Bay“ aber auch „Home-24“ und „Ramada“ (Hotel). Ebenfalls Amazon – zumindest manchmal (etwa beim E-Book-Verkauf). Ich mache hier allerdings keine Werbung für die genannten Firmen. Im Gegenteil.
Ich will lediglich ein bisschen Dampf ablassen. Genauer gesagt: Es geht um die Ansprechformen dieser großen Firmen. Ich hab’s satt, wenn ich Werbung von den obigen Unternehmen bekomme und ich mit „P.J.“ oder „Hey! P.J.“ angebiedert werde.
Von amer. Firmen wie „Ramada ist die Ansprechform mit Vornamen längst üblich. Auf der Ebene der Metasprache soll der Angesprochene heraushören: „Wir sind deine Freunde.“ Seit Facebook weiß man, was ein „Freund“ ist. Ehrliche Feinde zieht man deshalb vor.
Nebenbei: Ich hab Ramada eine belehrende Mail geschickt, worin ich die Firma aufforderte, die lockere Ansprache zu unterlassen. Bisher keine Reaktion.
Keine Sorge. Dieses Gezeter ist kein Versinken meinerseits in den Altersstarrsinn. Es ist vielmehr eine Warnung vor falschen Freunden, die es nur auf Ihr Geld absehen. Kulturhypnose ist eine schreckliche Krankheit. Wirklich.
Das mit den Vornamen war einst nur ein amer. Phänomen. Doch jetzt sucht es uns in Europa auch ohne TTIP heim. Ebay, zum Beispiel. So liest man seit einigen Monaten in der Betreffzeile der ebay Internet junk mail:“P.J., meist angesehene Artikel, die Sie sicher inspirieren werden.“ Immerhin wird man noch gesiezt. Ich schrieb an ebay mit der Bitte, diese Intimität zu lassen. Das Resultat: Man bat mich darum, ein Formular bei „My ebay“ auszufüllen, um mein Anliegen mitzuteilen. Die Kategorie „falsche Intimität“ fehlte.
Auch meine Freunde die Phisher und Spammer schreiben mich oft mit „P.J.“ oder mit „du“ an. Da ist es aber verständlich. Möchtegernvergewaltiger verzichten schnell auf Formalitäten. So ist die Geilheit.
Das mit den Vornamen war früher nicht einmal in den USA üblich. Ich glaube, es ist eine Folge der „Love Generation“ – also ca. 1970 oder so. Dieselbe Zeit übrigens, als die Dänen aufhörten sich gegenseitig zu siezen.
Notabene: In den USA wird der Arzt, der Polizist, der Beamte – ach ja auch der Präsident bis heute nur mit Titel und Nachnamen angesprochen. Ärzte usw. wiederum dürfen uns mit Vornamen ansprechen. Ähnlich waren die Siez/Duz-Regeln der K.U.K. Monarchie.
Ende der 1980er Jahre las ich einen Artikel in der FAZ. Es erschien auf Deutsch und auf Englisch und war ein Plädoyer für die Einführung bei deutschen Firmen der Ansprache per Vornamen (und vielleicht per Du). Eine lockere, kreative Atmosphäre sollte entstehen wie bei den amer. Firmen (haha).
Damals bat mir mein dt. Chef das Du an. Am Telefon geschah es. Ich verstand aber: „Wir sollen zueinander lieber Buh sagen.“ Es dauerte eine Weile, bis ich sein freundliches Angebot kapierte und annahm. Jahre später wollte er mich dazu zwingen, einen schlechteren Vertrag zu unterschreiben und drohte mit meiner Entlassung. Alles per Du selbstverständlich.
Doch jetzt die gute Nachricht: Es gibt Firmen, die den Kunden Siezen und zugleich einen tollen Service anbieten. Und nun folgt etwas Werbung für sie – kostenlos und nur beim Sprachbloggeur:
Beispiel eins: das Schweizer Messerfabrikat Victorinox. Nachdem die Schere meines Schweizer Messers (das ich schon acht Jahre hatte) kaputt ging, rief ich bei der Firma in der Schweiz an und fragte, ob man so etwas noch reparieren kann. „Selbstverständlich“, war die Antwort. Man sagte mir eine Anschrift in Deutschland durch – damit ich Porto spare. Ich schickte das Messer ein. Man hat nicht nur die Schere repariert. Das ganze Messer wurde rundum erneuert.
Beispiel zwei: Die Firma Hack Lederware in Köln. Nachdem mir ein Knopf von meiner wunderschönen alten Lederjacke verloren gegangen war, schickte ich ein Foto des besagten Knopfs und der Jacke an die Firma und erkundigte mich, ob es Ersatzknöpfe noch gebe. Mir wurden fünf Knöpfe kostenlos zugeschickt mit der Erklärung: Garantie auf Lebenszeit.
Beispiel drei: Firma Hohner. Nachdem meine alte Mundharmonika nicht mehr richtig funktionierte, erkundigte ich mich bei der Firma wegen einer Reparatur. Ich wurde aufgefordert, das Instrument einzuschicken. Auch sie wurde rundum erneuert – kostenlos.
Nun hab ich Namen genannt. Ende des Gezeters.
Wer schaut sich bloß diese ganzen nackten Bilder an?
Damit meine ich nicht die der Pornoseiten im Internet, sondern die der Papparazzi.
Z.B., das Bild (inzwischen ein Klassiker) der frisch geschiedenen Sarah Ferguson, die sich oben ohne auf einer Chaiselongue aalt, während ihr damaliges Gspusi, der Texaner John Bryan, an ihren Zähen zuzelt. Das war zwar alles schon lange her, sorgte damals für Furore. Und wie! Natürlich ist das, was man sieht auf diesem Bild – wie bei den meisten dieser voyeuristischen Gattung – etwas unscharf und körnig. Denn der Fotograf im Hinterhalt bedient sich üblicherweise eines Teleobjektivs, das beinahe so lang ist wie ein Abflussrohr. Die Bilder lassen sich trotzdem verkaufen.
Auch die Brüste der künftigen britischen Königin Kate Middleton wurden auf ähnliche Weise belichtet und beleuchtet, hab ich jedenfalls gelesen. Ich habe die aufregenden Aufnahmen nie gesehen.
Einmal hat es auch Prinz Charles erwischt (wem es interessieren mag), und ich denke auch seiner damaligen Prinzessin Di (hab auch nie gesehen). Ähnliches von der Queen ist meines Erachtens nicht bekannt.
Die Geschlechtsteiljäger pirschen natürlich nicht nur nach Privatem aus dem englischen Adelsstand. Überhaupt ist die nackte Haut prominenter Personen (besonders wenn sie jung und hübsch sind –aber nicht nur) längst zum lukrativen Geschäft geworden. Vielleicht sucht jemand eine neue Tätigkeit? Kann man nie wissen.
Ich komm grad auf dieses anzügliche Thema, weil ich vor ein paar Tagen auf einer amer. Nachrichten-/Klatschseite gelesen habe, dass die Anwälte des einstigen Jugendschwarms Justin Bieber die Verbreitung im Internet gewisser Nacktbilder des Sängers untersagen wollen.
Dem Bericht zufolge, war es einem Papparazzo gelungen, Bieber auf der privaten Terrasse seiner Suite in einem vornehmen Hotel auf Bora Bora abzulichten. Der Clou: Zum ersten Mal sieht man ALLES, was dem Star ausmacht.
Nun wurde ich neugierig und habe unter Stichwort „Justin Bieber nude“ gegoogelt. Stellen Sie sich vor: 67.000.000 Treffer (Nebenbei: Unter „Justin Bieber nackt“ warn’s bloß 584.000). Zum Vergleich: Googelt man „Flüchtlingskrise“ tauchen 8.120.000 Treffer auf.
Fazit: Das Interesse für Justin Biebers beste Stück rangiert ca. 800% höher als das fürs ganze Flüchtlingsdrama.
Was mich sofort auf eine großartige Idee brachte: Wie wäre es, wenn sich die Flüchtlinge auszögen? Da wäre es mit der Vorstellung, Flüchtlingsunterkünfte abfackeln zu wollen, schnell vorbei. Im Gegenteil: Manche würden ihnen (bzw. einigen von ihnen) sicherlich ein Zimmer im eigenen Haus anbieten! Wie gesagt. Nur eine Idee.
Doch jetzt zum erbaulichen Teil dieser Glosse über die Nacktheit. In der Bibel heißt es lapidar, dass Adam und Eva im Paradies nackt waren, und dass ihnen dies nie bewusst wurde…bis sie in den Apfel (oder was auch immer das für eine Frucht war) reinbissen. Denn diese verhängnisvolle Frucht stammte nämlich vom Baum des Wissens ums Gute und ’s Böse. Komisch, dass man erst weiß, dass man nackt ist, wenn man zwischen Gut und Böse unterscheidet.
Nun aber zurück zu Justin Bieber und die 67 millionen Treffer. Natürlich hab ich einige der angezeigten Seiten angeklickt, um mich weiter übers Thema zu informieren. Auf manche Seiten fand ich auch eine zensierte Version der beanstandeten Bilder. Der Teil aber, der für so viel Aufregung gesorgt hat, wurde entweder sorgfältig mit einem kitschigen Badeanzug übermalt oder halt verpixelt, so wie man die Gesichter von Verbrechern verpixelt.
Allgemein ist aber zu berichten, dass die Aufnahmen, wie zu erwarten, recht unscharf und körnig waren.
Doch nun endlich zum Höhepunkt. Zufällig stieß ich während meiner Recherchen über dieses schillernde Thema auf eine Seite, die die Aufnahmen Biebers Nacktheit unzensiert zeigte. Ja, liebe Lesende, ich hab ES gesehen, zwar unscharf und körnig aber immerhin. Nur: Was soll ich drüber sagen, außer: Er hat einen? Sorry, falls ich Sie mit dieser kargen, körnigen Botschaft enttäusche.
PS Gestern – ganz zufällig – erreichte mir eine Mail von einer gewissen Mia Zoe. Ich glaube, sie kommt aus Russland oder aus irgendeinem ähnlichen Land. Die Nachricht lautete: „Schau dein Nacktfoto im Anhang dieser Mail an!“ Das hab ich zwar nicht getan, vermute aber, dass meine Mutter das rassige Bild von mir auf dem Wickeltisch endlich vergoldet hat. Ich nehm es ihr aber nicht übel. Ihre Rente ist klein.
PPS Heute lese ich in der Zeitung – auch ganz zufällig, dass Playboy Magazine künftig auf Nacktbilder verzichten will. Der Grund: Man könne im Printmedium nicht mehr mit dem Internet konkurrieren. Das wissen wir aber schon. Lahmes Playboy, welcome to the new world.
Sie möchten vielleicht eine Fremdsprache – zum Beispiel das Englische –mit der gleichen Souveränität beherrschen, die Sie in Ihrer deutschen Muttersprache an den Tag legen.
Mein Rat: forget it. Zumindest, wenn Sie einer sind wie ich. Denn mir fällt nämlich ein Phänomen anheim, das ich als „Synapsenroulett“ bezeichne. Und damit meine ich: Es ist immer Glücksache, ob mein Hirn reibungslos mitmacht.
Zum Beispiel, am Montag. Ich ging zum Zeitungskiosk, um meine „Weltwoche“ abzuholen. Normalerweise tu ich das am Samstag. Naja, früher war es Freitag. Doch etwas mit dem Vertrieb hat sich verändert.
Diese Woche aber war Samstag Feiertag. Das heißt: ich konnte die Zeitschrift erst am Montag abholen…
Ja, liebe Lesende, mir ist klar, dass ich Sie mit ein bisschen zu viel Hintergrund beglücke. Das tut mir leid, aber diese Fakten sind fürs Weitere wichtig. Ich weiß, dass heute alles rasch rasch gehen muss, aber was soll ich tun? Naja, bald sind wir soweit...
Also zurück zu der Zeitschrift. Ich stand am Kiosk und bezahlte. Nun sagte mir der nette Herr (leider weiß ich nicht, wie er heißt) mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht: „Hier ist Ihre Weltwoche – wie immer mit Verspätung!“ Er meinte es gut mit mir. Natürlich wollte ich ebenso heiter antworten.
„Irgendwie scheint es…“ begann ich, doch plötzlich stockte meine Stimme. Ich wollte etwas Witziges antworten; und er wartete sogar auf meine schlagfertige Antwort. Nur: Ich fand die Worte nicht. Sie waren wie verschwunden. Alle. Ich brachte lediglich „…das neue…“ noch raus. Dann hörte ich auf. Alles zu spät und zu unpräzise. Es war ein akuter Anfall der Konsequenzen des Synapsenrouletts.
Inzwischen war ich mit meiner Zeitschrift weitergegangen. Kaum eine Minute später, fiel mir unverhofft das fehlende Wort ein: „Programm“. Ich wollte dem netten Herrn antworten: „Irgendwie scheint es Programm geworden zu sein“ oder so ähnlich. Zugegeben: Es gibt witzigere Repliken, aber meine hätte in der Situation durchaus gereicht, hätten mir die verdammten Synapsen keinen Strich durch die Rechnung gemacht.
Das passiert mir sogar öfter, und zwar seit Jahren. Manchmal verspüre ich den Umriss, bzw. den Rhythmus des fremdsprachlichen (also deutschen) Satzes im Ohr, aber die Worte wollen einfach nicht raus. Ich stehe dann sprachlos da. Kein schöner Zustand.
Ja, so ist es, wenn man in der Fremdsprache lebt, ein Thema, dem ich ein ganzes Buch mit dem Titel, „Wie ich die deutsche Sprache eroberte“, widmete, eine Art „Sprachmemoiren“.
Aber es kommt noch schlimmer: Denn wenn jemand so lange in der Fremdsprache lebt wie ich, leidet auch die Muttersprache. Es kommt deshalb häufig vor, dass mir ein englisches Wort nicht mehr spontan einfällt. In dem Augenblick findet mein Hirn nur noch deutsche Vokabeln oder Redewendungen. Ich fange einen Satz auf Englisch an, verliere den Faden und lande schnell im Abseits. Sehr frustrierend.
Noch frustrierender: Seit Monaten schreibe ich an einem Buch in meiner Muttersprache – das erste Mal seit vielen Jahren. Ich war halt neugierig, ob ich’s noch kann. Als kleine Abhilfe erschuf ich mir einen Erzähler, einen Jüngling, der bis zum neunten Lebensjahr in Amerika lebt und seitdem in München. Mit 22 Jahren will er seine Geschichte erzählen – auf Englisch, der Sprache, die man nur zu Hause en famille redet – gleichsam meine Situation also.
Bald stellte ich aber fest, dass wir beide, mein Erzähler und ich, manchmal vergeblich nach den passenden englischen Wörtern suchten. Manchmal muss ich deshalb im deutsch-englischen Wörterbuch nachschlagen, um eine englische Vokabel zu finden. So etwas ist wirklich sehr ärgerlich für einen Muttersprachler.
All dies nur als Warnung, liebe Lesende. Wer jemals davon geträumt hat, in der Fremdsprache aufzugehen, soll lieber drüber nachdenken, ob es nicht klüger wäre, zuhause zu bleiben.
Der Nachhaltigkeitsgipfel in New York ist vorbei, und er hat mich – ohne Witz… nachhaltig geprägt.
Frau Merkel, z.B., die dabei war, meinte, „…alle müssen ihren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten.“ Die Nachrichtensprecher nahmen das Wort „Nachhaltigkeit“ ständig in den Mund. Es war wahrlich der Gipfel der Nachhaltigkeit – zumindest für mich.
Doch jetzt muss ich, auch wenn’s mir äußerst peinlich ist, Folgendes eingestehen: Eigentlich hatte ich, wie ich bald feststellte, keine Ahnung, was ein Nachhaltigkeitsgipfel ist.
Steh ich allein da?
Klar: Wenn etwas nachhaltig ist, hat es Andauer. Es hält halt nach.
Aber ein Nachhaltigkeitsgipfel? Was soll denn nachgehalten werden? Das Schlimme dran: Alle in den Medien taten so, als würde jeder wissen, worum es ging.
In diesem Zustand der sprachlichen Verwirrung (wer ist gern ein Ignorant?) begab ich mich ins Paradies. Natürlich mein ich damit, wie immer, meinen Lieblingsobstundgemüseladen. Frau M. war in dem Augenblick mit anderen Dingen beschäftigt. Wenn ich mich genau erinnere, war sie über einer Kiste Kürbisse gebückt. Dafür stand Fr. D. an der Kasse und hat nebenbei die Herbsterdbeeren himmelhoch gepriesen.
„Halten Sie lang?“ fragte ich. Wahrscheinlich hatte ich zu sehr die Nachhaltigkeit noch im Kopf.
„O ja“, antwortete sie. „Und sie schmecken geradezu hervorragend.“
Ich glaube, es war in diesem Augenblick, dass ich mir den Mut zusammennahm, um das Thema Nachhaltigkeit schonungslos anzusprechen: „Haben Sie auch in den Nachrichten von diesem Nachhaltigkeitsgipfel in New York gehört? Gerade war wieder etwas im Radio.“
„Ja, hab ich heute Früh gehört“, sagte sie.
„Wissen Sie, wenn ich ehrlich bin, hab ich keine Ahnung was in diesem Zusammenhang mit dem Wort ‚Nachhaltigkeit‘ gemeint ist.“
„Ja, komisch. Ich hatte den gleichen Gedanken.“
Nun war ich erleichtert. Offensichtlich war der Begriff auch für diverse Native Speakers nicht ohne Weiteres einleuchtend. „Das etwas nachhaltig ist, darunter kann ich mir was vorstellen“, sagte ich, „Aber einen Gipfel bei der UNO zum Thema. Hmm. Das muss wohl so ein englischsprachiger Begriff sein, für den man nach einer passenden deutschen Übersetzung suchte. Zum Beispiel, wie man aus dem amerikanischen ‚Stealth Bomber‘ eine ‚Tarnkappe‘ machte. Ich werde der Sache nachgehen.“
„Das mach ich auch“, meinte Fr. D.
Vielleicht hat sie‘s, ich aber nicht. Zumindest nicht an dem Tag. Und am nächsten Tag besuchte ich W., meinen Freund den Bibliothekar, in seiner Bibliothek. Auch Freund Karl war zufällig da. Die zwei waren mit Erstausgaben von Annette von Droste-Hülshoff beschäftigt, hatten aber ein bisschen Zeit, um sich mit mir zu unterhalten. Also fragte ich, ob sie mit dem Begriff der Nachhaltigkeit was anfangen könnten.
Beide waren, wie es sich rausstellte, bestens informiert und erklärten, dass sich dieses Wort mit dem Haushalten mit Ressourcen befasse, also mit der Idee, dass Ressourcen nachhaltig bleiben müssen.
„Warum kenn ich das Wort in diesem Sinn nicht?“ fragte ich.
„Weil es in diesem Sinn erst seit etwa zehn Jahren benutzt wird“, sagte Karl. „Das ist kein herkömmlicher Begriff.
„Aha!“
Zuhause war ich dabei, in der New York Times zu schmökern. Und dann blitzte es in mir ganz hell. Ich entdeckte nämlich einen Artikel über den „Sustainable Development Summit“ an der UNO. „Sustainable development“ verstand ich auf Anhieb. Aber „Nachhaltigkeit“? Endlich holte ich meinen Großen Duden (gedruckt ca. 1978) aus dem Regal. Und siehe da. „Nachhaltigkeit“ hat zwei Bedeutungen. 1.) „längere Zeit anhaltende Wirkung“. Ja, so hab ich das Wort verstanden. Immerhin. Aber auch 2.) „Dauernde Nutzung einer Fläche zur Holzproduktion“. Ein Fachbegriff, wie es hieß, aus der Forstwirtschaft. 1978 hätte es also noch keinen „Nachhaltigkeitsgipfel“ geben können.
Natürlich fragte ich mich, wer es war, der vor ca. zehn Jahren den Begriff der Nachhaltigkeit als Übersetzung für Sustainable development“ aus dem Boden stampfte.
Ich weiß es aber immer noch nicht. Doch so ist es mit der Sprache. Kaum braucht man einen neuen Begriff, und siehe, er ist schon da. So nachhaltig ist die Sprache.
P.S. Siegfried war der erste, der eine Tarnkappe getragen hatte.
Bye bye, deutsche Sprache. Toodle loo! (Achtung Aussprache: tu-d‘-LU; heißt „bye bye“ oder „tata“).
Die Lage ist ernster als ich dachte, liebe Lesende. Hier der Beweis: Anfang September stieß ich auf einen Artikel in der Münchner Abendzeitung mit der Überschrift: „Schmähtitel für Münchner TU-Chef“. Es ging um eine Entscheidung des Präsidenten der Münchner-TU, Wolfgang Herrmann, dass künftig alle Master-Studiengänge der Technischen Hochschule ausschließlich auf Englisch abgehalten werden sollten. Die Begründung: Heute spreche die Naturwissenschaft Englisch.
Mit Entsetzen reagierte der zahnlose, 1998 gegründete Verein Deutscher Sprache auf dieses Vorhaben und erklärte Herrn (oder Doktor oder beide) zum „Sprachpanscher des Jahres 2015“.
Gähnen Sie schon, liebe Lesende? Ich nicht.
Seit Jahrzehnten beobachte ich, ziemlich unbeeindruckt, wie sich die Sprachpuristen Deutschlands aufregen, wenn ein paar coole englische Sprüche Deutschland im Sturm erobern. Sie wissen schon. Ich brauche hier keine Beispiele zu nennen. Ich jedenfalls hab das Phänomen immer ziemlich gelassen hingenommen. Denn Sprache unterliegt stets der Mode. Wissen Sie, wie sich Goethe und seine Compagnons unterhalten haben? Sie haben goutiert und contempliert und waren parbleu stark impressioniert, wenn etwas Ungewöhnliches passierte. Denn damals war Französisch die Kultursprache, und jeder, der au courant erscheinen wollte, hat gern ein bisschen Französisch in seine Umgangssprache inkorporiert. Nur: Finden Sie solche Wörter in Goethes literarischen Texten? Kaum. Und darum geht es.
Heute ist Englisch das Französisch der Gegenwart. Und why not? Doch sie werden feststellen: In der dt. literarischen Sprache, kommen die coolen words meiner Muttersprache nur selten vor. Also abregen und chillen. So war immer mein Rat…
…bis ich vom Vorhaben des Herrn oder Doktor Herrmann erfuhr, der die Studiengänge der TU gänzlich auf Englisch abhalten will. Nein, das geht mir zu weit.
Wissen Sie, warum?
Nein, das werden Sie nicht wissen. Fakt ist: In den vergangenen Jahren hatte ich Gelegenheit als Englischlehrer bei einer dt. Hochschule zu arbeiten. Es war eine schöne Aufgabe. Nur eins fand ich verwunderlich: Auf dieser Hochschule war Englisch die Unterrichtssprache schlechthin. Es war meine besondere Aufgabe, Studenten beizubringen, journalistische Texte in meiner Muttersprache zu schreiben. So konnte ich aus erster Hand die englischen Sprachfähigkeiten der Studierenden beobachten. Einige hatten tatsächlich ein brauchbares Gefühl für meine englische Muttersprache und haben sehr anständige Texte verfasst. Für die meisten hingegen wäre der Weg ins Englischsprachliche noch sehr lang und holprig geblieben. Ich weiß, wovon ich rede: Obwohl ich 40 Jahre in Deutschland lebe, bleibt mir Ihre Muttersprache immer noch eine Fremdsprache, mit der ich täglich zu kämpfen habe.
Wissen Sie, was es bedeuten wird, sollte die TU tatsächlich zur akademischen Oase meiner Muttersprache werden? Ganz einfach: Lehrkraft und Studierende werden sich gegenseitig mit schlechtem Englisch infizieren. Natürlich gäbe es Ausnahmen.
Für mich klingt ein solches Englisch, wie wenn man Kreide über eine Schiefertafel fährt und es zum Quietschen bringt. Noch trauriger: Die Sprachfehler von Lehrern und Studierenden werden sich in so einer Lehrsituation verewigen. Autsch.
Ich behaupte, dass deutsche Studenten und Studentinnen in Deutschland gern ihre schöne Muttersprache benutzen. Auf der Hochschule, wo ich unterrichtete und wo manche Studierende keine Deutschkenntnisse hatten, wurden fast alle nichtakademische Aktivitäten– also Partys, Rundfunksender, Band usw. – von deutschsprachigen Studenten und Studentinnen – immerhin in der Mehrzahl – organisiert und zwar auf Deutsch. Yes, they spoke German.
Deshalb meine bescheidene Bitte: Retten Sie meine schöne englische Sprache, liebe TU! Halten Sie Ihre Studiengänge auf Deutsch ab! Mir zuliebe…bitte.
Get the message, Mr. or Dr. Herrmann?
P.S. Warum muss es “Bachelor” und “Master” heißen? I mean, really…
Ich gebe zu. Ich bin ebenso zeitgeistabhängig wie fast alle. Das heißt: Schon wieder wollte ich eine dumme Polemik über das Flüchtlingsdilemma schreiben, konnte mich aber zum Glück im letzten Augenblick zurückhalten.
Stattdessen folgendes kleines, informatives Lexikon der wichtigsten Begriffe zum Thema Flüchtlinge.
Notabene: hier keine alphabetische Reihenfolge...
Flüchtling – hier selbstverständlich die wichtigste Vokabel. Denn ohne den F. gäbe es weder dieses Thema noch dieses Lexikon. Wichtig ist aber zu wissen, dass es zwei Weisen gibt, das Wort auszusprechen. Die eine erweckt im Hörer das Bild von abgefackelten Sammelheimen, von No-go-Zonen und von getrenntem Schwimmunterricht in der Grundschule. Die andere klingt so, als wollte der Sprecher auf der Stelle zum nächsten Bahnhof eilen, um hungrigen, müden Menschen zuzujubeln oder ihnen belegte Brötchen in die Hand zu drücken.
Asyl – ein Land in Europa, das westlich von Ungarn, nördlich von Italien und östlich von Frankreich liegt.
Journalist – ein Mensch, der die Pflicht hat, den Begriff „Flüchtling“ (s. da) so zu schildern, dass der Leser das Wort lediglich im zweiten Sinn verstehen darf.
Syrien – ein Land im Nahen Osten, das de jure von einem arbeitslosen Augenarzt, beherrscht wird, der Kritik schlecht erträgt. Der Weltbank zufolge lebten 2013 ca. 23 millionen Menschen dort. In Syrien spricht man hauptsächlich Arabisch.
Syrer – 1.) ein geschundenes Volk, das seit etlicher Zeit von einem arbeitslosen Augenarzt beherrscht und als Spielball ganz unterschiedlicher Mächte missbraucht wird (s. Syrien). Die meisten Syrer scheinen, zumindest im Asyl (s. da) männlichen Geschlechts zu sein. 2.) eine generische Bezeichnung für alle Flüchtlinge (s. da) auch wenn sie nur bruchstückhaft Arabisch sprechen. Hauptsache, man hat einen syrischen Pass (s. da).
Fotograf – kein Adelstitel, bezeichnet vielmehr einen Menschen mit einem Fotoapparat, der größer, teurer und flexibler einsetzbar ist als die allgegenwärtige Handykamera. Fotografen (mz.) arbeiten – genauso wie Journalisten (s. da) für die Medien (s. da). An Bahnhöfen sind sie angehalten, so viele Frauen und Kinder unter Flüchtlingen (s. da) wie möglich abzulichten und Männergruppen zu vermeiden.
Saudi Arabien– ein steinreiches Land im Nahen Osten, das als religiöser Mittelpunkt der islamischen Welt fungiert, weil sich dort die heilige Pilgerstatt Mekka befindet, wohin einmal jährlich ca. eine Million Pilger strömen. Die Saudis verfügen über eine vorbildliche Logistik und schaffen es für diese Menschen stets ausreichend Unterkunft zu organisieren. Islamische Flüchtlinge (s. da) werden in dieser Statistik nicht aufgeführt. Dafür hat sich Saudi Arabien bereit erklärt, allein in Deutschland (s. Asyl) 400 Moscheen zu stiften.
Schleuser –Menschen, die spezialisiert sind, Flüchtlinge (s. da) risikoreich zu befördern, um dabei selbst reich zu werden.
Medien – eine Art Sammelbegriff für die verschiedenen Formen der Nachrichtenvermittlung. Wie das Wort Flüchtling (s. da) hat „Medien“ verschiedene Bedeutungen. Es kommt immer darauf an, wer es ausspricht.
Pack – So heißen Menschen in den Medien (s. da), wenn sie sich kritisch übers Phänomen Flüchtlinge (s. da) äußern – wobei es ziemlich egal ist, ob die Meinungen plump oder differenziert dargelegt werden.
Syrischer Pass – ein gewinnbringendes Produkt der Schleusergemeinde (s. Schleuser). Neulich hab ich irgendwo gelesen, dass es mittlerweile mehr syrische Pässe gibt als Syrer (s. da).
Gutmensch – Kandidat fürs Unwort des Jahres.
Griechenland – ein Thema, das in den Medien (s. da) nicht mehr aktuell ist.
So viel zu meinem Lexikon der Grundbegriffe. Sicherlich habe ich das eine oder andere Wörtchen vergessen. Nächste Woche möchte ich endlich wieder über harmlose Themen schreiben… meinen Nerven zuliebe.
So will es der Zufall. Am gleichen Tag zwei ganz unterschiedliche Storys auf der Seite eins der Münchener Abendzeitung. 1.) eine über die Ankunft von 12.000 Flüchtlingen am Hauptbahnhof. 2.) die Nachricht, dass sich die hübsche zwanzigjährige Pia den Titel der Schönen Münchnerin geschnappt hat.
Auf der Seite drei liest man dann weiter übers Schicksal diverser Flüchtlingen – mit Bildern dazu natürlich. Blättert man ein paar Seiten weiter, stößt man auf Pia – und aufs große Bild. Sie trägt weiße Hotpants und schaut, so die AZ, reizend aus.
Willkommen in der bayerischen Hauptstadt, liebe Flüchtlinge, und Glückwünsche, liebe Pia.
Und Sie, liebe Lesende dieser Seite, willkommen in der Gegenwart.
Sorgfältig studiere ich die AZ Bilder von erschöpften Flüchtlingen – hie und da sehe ich Frauen oder Familien mit Kindern, die meisten scheinen aber willensstarke junge Männer zu sein – dabei sind auch Aufnahmen von Helfern, netten Menschen zu sehen; und dann beäuge ich die Bilder von der süßen Pia, und ich denke: Mensch, Bilder erzählen Geschichten.
Ja, so ist es. Und so wend ich mich jetzt zwei anderen Bildern. Das eine zeigt das Konterfei von Angela Merkel. Sie schaut freundlich aber bestimmt in die Linse, wirkt beinahe überirdisch in ihrer Güte. Es ist ein Bild wie eine Ikone – das mein ich im religiösen Sinn. Denn gerade dieses Porträt der Kanzlerin wird von Flüchtlingen überall verehrt.
Mutter Merkel reist überall mit: ob in kippligen Schlauchbooten, in überfüllten Zügen oder in zugeschweißten Lieferwagen. Sie marschiert auch am Gleis entlang in Richtung Deutschland mit und kommt endlich im Münchener Hauptbahnhof wohlbehalten an. Die Leidenden und die Sehnsüchtigen wissen genau, was das sympathische Gesicht bedeutet: Deutschland, Hoffnung, neue Chancen, Entkommen usw.
Ganz ehrlich: Wenn ich Menschenhändler oder Schleuser wäre, würde ich diese Ikone tausendfach drucken lassen und sie in jedem Flüchtlingslager des Nahen Ostens oder in den Camps an der Küste Libyens verteilen. Für diese kleine Investition verspricht sich nämlich ein Bombengeschäft – noch reichhaltiger als das Drucken und Verkaufen von gefälschten syrischen Pässen.
So viel zum ersten Bild. Das zweite ist anderer Art. Es ist ein schreckliches Bild von einem Kleinkind, das am Strand an der türkischen Küste liegt, als würde es schlafen. Das tut es, wie jeder inzwischen weiß, nicht – es sei denn, man möchte den Tod als einen ewigen Schlaf bezeichnen. Das Kind ist im Grunde ein Opfer des Menschenhandels, der momentan überall grassiert, wo es Menschen in Not gibt. Man kann es auch anders ausdrücken. Das tote Kind ist ein Symbol von gescheiterten Sehnsüchten. Aylan Kurdi, so hieß der kleine Bub, ist freilich keinesfalls das einzige Opfer des üblen Geschäftsmodels der Schleuser. Tausende sind mittlerweile auf den Weg nach Merkelland draufgegangen – davon auch viele namenlose Kinder. Aylan wurde zufällig fotografiert. Und siehe da! Die ganze Misere eines totbringenden Systems wird plötzlich sichtbar – auf ein Bild reduziert.
Oder man kann es anders sagen: Das schreckliche Bild vom toten Aylan dient dazu, Menschen ein schlechtes Gewissen einzujagen – vor allem in Europa, wo viele Menschen bereits einiges unternehmen. In anderen Ländern – etwa Saudi Arabien oder den Golfstaaten –, herrscht hingegen dieser Ikone zum Trotz immer noch Stillschweigen. Andere Länder, etwa der Iran oder die USA, bleiben lediglich bei ihren Lippenbekenntnissen.
Wäre ich als PR-Fritze bei einer Schleuserbande tätig, würde ich auch das Bild vom toten Aylan tausendfach vervielfältigen lassen. Denn auch dieses Bild ist gut fürs Geschäft. Es kann ausgezeichnet die Herzen der Menschen in den Aufnahmeländern erweichen. Was schließlich wichtig ist.
Immerhin: Es stehen in Afrika und im Nahen Osten mehrere Millionen Menschen in den Startlöchern, um Europa, koste, was es wolle, zu erreichen. Mittlerweile kann man kaum mehr zwischen echten Flüchtlingen und Migranten unterscheiden.
Aber egal.
Mich persönlich interessiert nur die Wirkung der Bilder. Zum Beispiel, die Bilder von Gutmenschen am Münchener Hauptbahnhof und an andren Bahnhöfen, die sich erschöpften Einwanderern zuwenden und diesen Beifall klatschen. Rührend.
Doch dann frag ich mich, wie es in ein paar Jahren aussehen wird. Werden die Neubürger in Merkelland die Schöne Münchnerin Pia mit den hübschen Beinen freundlich beklatschen? Werden sie denken, „Naja, ein bisschen albern aber im Grunde harmlos“. Oder werden sie eine künftige Pia mit Entsetzen betrachten und dann raunen: „Was sie da tut, ist unsittlich. Das Mädchen ist schlichtweg eine Hure.“?
„Dein Blog ist nicht mehr zeitgemäß“, sagte G. zu mir. Wir kennen uns seit vielen Jahren, und er zählt zu den Stammlesern dieser Glosse. (Hallo G.! Grüß mir auch die Ch.!) „Deine Texte sind einfach zu harmlos.“
„Genauso will ich‘s“, antwortete ich. „Ich bemühe mich um meine Harmlosigkeit. Worüber sollte ich denn schreiben? Über den ISIS? Über die Ukraine? Über Flüchtlinge?
„Ja, über Flüchtlinge, zum Beispiel.“
„Meine Leser sind mir meine Flüchtlinge. Ich biete ihnen Zuflucht, wenn sie das Tagesgeschehen nicht mehr ertragen. Im Übrigen bin ich Sprachbloggeur und kein Kommentator für Spiegel-Online oder die Zeit usw.“
„Wobei es auch in der Politik vieles über die Sprache zu sagen gäbe.“
„Tja.“
„Schau Dir dies jetzt an.“ Nun hielt mir G. sein Handy entgegen. Es lief ein Video vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Freundliche Musik, blauer Himmel und Abbas, ein nett aussehender junger irakischer Flüchtling mit schnieke gestutztem Bart. Von Musik untermauert geht Abbas seinen Weg. Ein Sprecher erklärt dem Zuschauer alle Schritte, die für Abbas nötig sind, um sich in Deutschland als Flüchtling zu registrieren. Abbas zeigt seine Papiere, wird medizinisch untersucht, interviewt usw. Das Video dauert 17 Minuten.
„Das schau ich mir nicht ganz an“, sagte ich zu G. nach wenigen Minuten. „Was hat es mit dem Sprachbloggeur zu tun?“
„Es geht um die Sprache“, antwortete er. „Das BAMF hat dieses Video in zig Sprachen produziert und es überall zugänglich gemacht, damit Syrer, Iraker, Perser, Albaner usw. sich im Voraus informieren können, wie das läuft, wenn sie nach Deutschland kommen. Sie werden also regelrecht angelockt!“
Am nächsten Tag guckte ich mir das Video im Internet an. Man findet es ebenso schnell wie die Enthauptungspornos. Tut mir leid, G., ich hab nix Sprachliches entdeckt, worüber ich gern geschrieben hätte.
Eins ist mir allerdings aufgefallen: Abbas steht im Film mutterseelenallein da, und alle Beamten wirken entspannt, als würden sie endlos Zeit für ihn haben. Die Wirklichkeit sieht freilich anders aus. Abbas steht mit Tausenden Leuten Schlange, manche von ihnen sind seine Feinde. Er wartet ewig, bis er endlich dran ist. Man hat aber wenig Zeit für ihn, und die Beamten sind arg strapaziert.
„Die Deutschen haben ein großes Problem“, sagte G. zu mir. Sie wollen unbedingt ‚Gutmensch‘ spielen, stets um ihr Image im Ausland bemüht.“
Auch wenn er recht hat, darf ich so etwas öffentlich nicht behaupten. Ich bin, wie meine Leser wissen, Migrantler, ausländischer Mitbürger oder wie auch immer man das nennen will. Ich hab nicht einmal einen deutschen Pass. Das bedeutet nicht, dass ich mir keine Meinung übers hiesige politische Geschehen erlaube. Das tu ich aber nur als Außenstehender. Ich sage nie „wir Deutsche“. Das steht mir nicht zu. Es bleibt nur Deutschen überlassen, sich so deutlich über sich selbst zu äußern.
„Auch die Medien spielen ‚Gutmensch‘“, sagte G. Man zeigt Fotos von süßen, traurigen Flüchtlingskindern oder von Prominenten, die auf Willkommenpartys Flüchtlinge herzlich umarmen. Man erfährt fast gar nichts von den IS-Schläfern, die sich hier niederlassen. Auch die Details über die randalierenden Flüchtlingen, die ‚Allahu Akbar‘ skandierten, weil jemand angeblich eine Seite aus einem Koran rausriss, werden wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Und was ist mit den ‚Flüchtlingen‘, die die Christen ins Mittelmeer schmissen? Wehe, wenn man sich kritisch äußert. Man wird als ‚Pack‘ bezeichnet oder mit dem ‚N‘-Wort behaftet.“
Da ich nämlich selbst das Enkelkind von Flüchtlingen bin, von Menschen, die damals aus Europa vertrieben wurden und Zuflucht in den USA suchten, hab ich, lieber G., eine eigene Meinung über Flüchtlinge. Meine Großeltern blieben Zeit ihres Lebens Außenseiter. Es war kein einfaches Schicksal. Sie wollten aber, dass ihre Kinder es besser haben. Mein Vater wurde seine Komplexe trotzdem nie los. Er hatte furchtbare Angst, nicht als Amerikaner zu gelten und herrschte mich jedes Mal mit glühenden Augen an, wenn ich die Satzmelodie meiner Großeltern nachmachte. „Hör doch auf! Du wurdest hier geboren.“
Und nun bin ich selbst seit Jahrzehnten Migrantling. Echte Flüchtlinge – wie meine Großeltern –verlassen ihr Land nicht aus Spaß, sondern weil sie bedroht sind.
Doch nun ein Wort an die lieben Flüchtlinge: Willkommen in Deutschland, liebe Flüchtlinge. Es ist ein fremdes Land, wo Sie sich nie ganz zuhause fühlen wird – auch wenn Sie die Sprache einigermaßen beherrscht haben. Jahrelang werden sie als Nobody gelten. Vielleicht werden Ihre Kinder hier mal heimisch fühlen. Das heißt: wenn sie sich gut integrieren. Tun sie das nicht, wird Deutschland in 20 Jahren ein schreckliches Land sein: voll mit Parallelgesellschaften und No-go-Zonen. Alles ist möglich.
Das war schon immer das Schicksal von Menschen, die ihre Heimat verlassen haben. Ich weiß ganz genau, wovon ich rede.
Schon mal gehört? Das LOL ist out, hoffnungslos veraltet. Das hab ich gelesen. Denken Sie dran, wenn Sie das nächste Mal in Versuchung kommen, Ihre SMSen oder Mails mit LOLen zu spicken.
So ist es mit der Modesprache. Heute hui morgen pfui.
Ich selber muss nichts umstellen. Ich hab das LOL stets vermieden. Lange hab ich nicht mal gewusst, dass es für „laughing out loud“ steht. Ich war, als ich diesem Begriff das erste Mal begegnet bin, überzeugt, es müsse „lots of luck“ bedeuten…bis mich jemand korrigiert hat.
Würde ich auch heute „LOL“ in einem Satz verwenden, gäb es keine Garantie, dass ich’s richtig täte.
Übrigens: Ich hab ebenfalls gelesen, dass künftig alle LOLe durch „emojis“ (sprich: e-mo-dschis) ersetzt werden sollen. Mit emojis kenn ich mich noch schlechter aus – obwohl es sie seit einer gefühlten digitalen Ewigkeit gibt.
Diese Infos teil ich Ihnen nur nebenbei mit. Eigentlich will ich heute über ein ganz anderes Wort berichten: und zwar über den „Blowback“. (Ich denke, es ist ein „der“ und kein „das“).
Falls Ihnen dieses Wort noch unbekannt ist, bitte machen Sie sich keinen Kopf. Mir ist‘s genauso gegangen.
Ich bin ihm erst begegnet, als ich die Sache mit Ayoub El Khazzani erfahren hab. Erinnern Sie sich? So hieß der junge Mann, der im Schnellzug von Amsterdam und Paris mit einem Kalaschnikow, einer Pistole und einem Teppichmesser hantiert und für Aufruhr gesorgt hat, bis er von drei beherzten jungen Männern überwältigt und KO geschlagen wurde. Man hat ihm terroristischer Absichten bezichtigt. Er hat dies aber bestritten und beteuert, er habe die Waffen in einem Brüsseler Park nur zufällig gefunden und von den Mitfahrenden bloß ein bisschen Geld erpressen wollen.
Kann alles sein. Was weiß ich – auch wenn die Polizei konterte, dass er eine Zeitlang in Syrien war und auch dort wohl – kann man wenigstens annehmen – ein paar Waffen zufällig gefunden hatte.
Über diese Möglichkeiten werde ich hier aber nicht spekulieren. Mir geht es lediglich um den Begriff „Blowback“. Denn als einen solchen hat man in den Medien Herr Al Khazzani bezeichnet.
Wörtlich bedeutet „Blowback“ „Zurückgepustetes“. Als etwas Zurückgepustetes bezeichnen die Medien also diejenigen Europäer, die im Dienst des Terrors in Syrien und Irak unter Waffen standen, um dann nach Europa zurückzukehren, um frisches Unheil zu verpusten.
So weit so gut.
Nun hab ich selbst dieses mir unbekannte Wort „Blowback“ recherchiert. Ich hab, z.B., herausgefunden, dass es diese Vokabel seit ca. 1953 gibt – und zwar im Wortschatz des amer. Geheimdienstes, wo es allerdings gar nichts mit zurückgepusteten Terrortouristen zu tun hatte. „Blowback“ war vielmehr ein abstrakter Begriff und bezeichnete die unerwarteten negativen Konsequenzen eines geheimdienstlichen Unterfangens. Beispiel: Die Amerikaner haben 1980 in Afghanistan eine Gruppe Widerstandskämpfer, damals „mudschahadin“ genannt, ausgebildet, um sie gezielt gegen die Russen einzusetzen. Der „Blowback“ von diesem Manöver war eben das Entstehen der Taliban aus den Reihen dieser „mudschahadin“. Noch ein Beispiel: Israel hat die Hamas einst als Gegengewicht zur PLO gefördert. Der Blowback ist jedem bis heute bekannt. Heute würde man vielleicht auch „Bumerang-Effekt“ sagen.
Inzwischen ist der Sinn dieses Wortes wohl in Wandel begriffen. Sie bezeichnet keine abstrakte Situation mehr, sondern eine Einzelperson. Nebenbei: „Blowback“ wird auch im amer. Slang In einer ganz anderen, sehr vulgären Bedeutung benutzt. Können Sie selbst nachschlagen, wenn Sie möchten.
Manchmal denk ich, dass es Jammerschade ist, im Zeitalter der Blowbacks zu leben. Wenn die idiotischen Konsequenzen der Zurückgepusteten nicht so furchtbar traurig wären, würde man drüber vielleicht LOL sagen. Oder sich das passende, emoji aussuchen.
Ich war im Leben bisher zweimal berühmt. Glauben Sie‘s mir. Es ist nicht einfach.
Das erste Mal war 1998 – wir (d.h., ich und meine Familie) waren nach vier Jahren aus den USA nach Deutschland (also München) zurückgekehrt. In einem Text, der damals in der Münchener Abendzeitung auf der Seite Drei erschien, schilderte ich ein paar Eindrücke von Deutschland nach der langen Abwesenheit. Zum Beispiel, dass Käpt’n Iglo, der gütige, weißbärtige Matrose auf den Fischstäbchenpackungen einem jungen Armani-Dressman gewichen war, der sich nun als Käpt’n Iglo ausgab. (Ich glaube, der Weißbärtige ist inzwischen wieder da). Oder die Tatsache, dass Frauen ihre Achselhöhlen glatt rasierten. (Diese Intimität hatte ich in der U-Bahn beobachtet, wo Achselhöhlen aller Geschlechtsrichtungen häufig zur Schau gestellt werden). Ich hab mich ebenfalls über unsere neue Nachbarin gestaunt, eine ältere Dame mit lachsfarbigem Haar, die täglich ihre Tür zuknallte, als Protest, dass wir die Dreistigkeit hatten, im Lauf des Tages unsere Wohnungstür mehrmals zu beanspruchen. Sie wollte uns dann weismachen, dass die Hausregeln zu viele Ab- und Zugänge, wie wir tätigten, expressis verbis untersagte. Usw.
Lange Rede, kurzer Sinn. Der Artikel – inklusive Fotos von mir – wurde zum Hit, mit dem Ergebnis, dass ich eine Woche lang von fremden Menschen auf der Straße angehalten und gelobt wurde. Es waren immer liebenswerte Leute, die vielleicht meinten, ich sei auch privat ebenso witzig und unterhaltsam wie im Artikel, was natürlich nicht stimmte. Ich hab mir aber Mühe gegeben, sie nicht zu enttäuschen, was dennoch sehr anstrengend war. Glauben Sie‘s mir.
Zum Glück währte dieser Ruhm nur kurz, und ich war bald wieder wie bisher: ein Unsichtbarer.
Dann wurde ich zum zweiten Mal berühmt. Das war im Jahr 2003. Mein Sachbuch, „Kaspar Hausers Geschwister“, war eben erschienen und wurde von den Medien lobend beachtet: sogar im „Stern“. TV-Auftritte folgten, Interviews usw. Eines Tages war ich zufällig in einer Münchener Buchhandlung. Mir fiel auf, dass eine Frau dabei war, mein Buch zu kaufen. So was freut dem Autor immer. Ich ging aber im Laden weiter. Inzwischen aber hatte sie mich wohl (dank dem Autorenfoto) erkannt und kam zu mir angerannt, um eine persönliche Widmung zu erbitten, was ich auch gerne tat. Man fühlt sich doch geschmeichelt. Trotzdem war es mir peinlich – als hätte mich jemand aus dem Schutz meiner Anonymität gerissen.
Ja, und wie muss es wohl sein, wenn Sie Justin Bieber, Frank Sinatra, Rihanna usw. heißen? Sie werden von ganzen Horden umgarnt – Menschen, die in Ihrer Nähe sein wollen, um Sie anzufassen oder ein Autogramm zu erbetteln. Bald brauchen Sie Leibwächter, die teuer sind, und Strategien, um die Papparazzi zu entfliehen. Ätzend.
Ich komme auf diese Gedanken, weil ich neulich gelesen habe, dass sich sogar Google® wegen seiner Bekanntheit Sorgen macht. Genauer gesagt: Diese Megafirma fühlt sich gar nicht geschmeichelt, dass alle inzwischen die Dinge „googeln“ (Englisch „to google“).
Gleiche Sorgen haben auch andere Firmen, z.B. Tesafilm® oder Tempo® oder Xerox®, weil der Produktname so beliebt ist.
Was ist dabei so schlimm?
Ganz einfach: Wenn ein Firmenname gleichbedeutend mit einem Produkt wird, kommt es vor, dass der Kunde fremdgeht. Er legt sich Papiertaschentücher einer anderen Firma (vielleicht billiger) in den Einkaufswagen und ist trotzdem der festen Meinung, er habe eben Tempos® gekauft. Usw.
Oder er will etwas im Internet recherchieren – sagen wir bei Yahoo® –, und behauptet, er habe die Sache „gegoogelt“.
Deshalb mein ich: Ruhm fordert immer einen hohen Preis.
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