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Hallo Uganda! Hallo-o-o! Hören Sie mich nicht?

Haben Sie mal versucht, einen Anruf nach Uganda zu tätigen? Ich schon, und zwar gestern.

Noch nie hatte ich versucht, mit Uganda zu telefonieren. Lediglich wusste ich: Mit Call by Call (zu Deutsch „Call-by-Call“) wird‘s billiger als mit der Telekom.

Nicht, dass ich etwas gegen die Telekom habe. Ich bin dort Kunde länger als manche meiner Leser alt sind.

Also hab ich im WehWehWeh ein paar Call by Call Provider ausfindig gemacht.

Als vorsichtiger Verbraucher hab ich freilich Onkel Google vorerst die Vertrauenswürdigkeit der Provider bestätigen lassen. Und selbstverständlich hab ich nicht den allerbilligsten Provider ausgewählt. Mir wurde schon in jungen Jahren eingebläut, stets weder dem teuersten noch dem billigsten Angebot auszusuchen. Also hab ich mich für einen Provider in der Mitte entschieden und prompt mit Vorwahl + Rufnummer Uganda angewählt. Doch nun vernahm ich im Apparat Folgendes:

„Die gewählte Call-by-Call-Vorwahl ist aus Ihrem Ortsnetz nicht nutzbar.“

Hmmm, dachte ich und probierte eine andere. Das Resultat war dasselbe.
Beim fünften Mal googelte ich die Worte: „Die gewählte Call-by-Call Vorwahl…etc.“ und landete prompt auf einer Infoseite der dt. Telekom, wo ich den Hinweis bekam, auf der Telekom-Webseite unter „Telephonie“, „Sicherheit“ und „Wahlsperreliste“ zu schauen. (Frage: Warum heißt es „Telephonie“ und nicht „Telefonie“?)

Nix Einfacheres, dachte ich. Doch jetzt folgte die nächste Schikane: Telekom bestand darauf, dass ich mich auf der Webseite einlogge. Nur: Ich hatte keine Ahnung , wie.

Inzwischen war eine halbe Stunde vergangen, und ich hatte Uganda immer noch nicht erreicht.

Die Irritation wuchs, ebenso das Unverständnis meinerseits. In meiner Verzweiflung rief ich die Telekom an, um zu fragen, warum ich Uganda nicht anrufen durfte. Ein Roboter grüßte und wollte nicht aufhören zu reden. Ich denke, er war einsam und wollte mich lediglich in einem längeren Gespräch verwickeln. Die Stimme klang obendrein etwas autistisch, als hätte der Roboter bloß ein paar Phrasen auswendig gelernt, mit denen er „kommunizieren“ sollte. Etwa: Wie lautet deine Tel.Nr.? Warum rufst du an? Ich gebe dir ein paar Optionen etc.

Ich wurde aber immer ungehaltener, hatte in dem Augenblick kein Herz für Roboter. Da ich aber zufällig weiß, wie man einen Roboter mundtot macht, konnte mich wenigstens aus dieser Situation retten. Man benutzt nämlich lauter sehr vulgäre dt. Wörter. Der traurige Roboter leitete mich gleich zu einem Menschen weiter.

Endlich hatte ich eine Mitarbeiterin - aus Fleisch und Blut, nehm ich an - an der Leitung. Leider aber war sie überzeugt, dass ich blöd war - wahrscheinlich weil ich eingestanden hatte, dass ich nicht kapierte, wie man sich auf der Telekom-Webseite einloggt. Und dann passierte das nächste Unglück: Ich wurde - mitten in einem Satz - aus der Leitung geschmissen.

Immerhin hatte mir die Dame erklärt, wie ich mich einzuloggen habe, was ich dann auch tat. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich konnte trotzdem nirgends auf der Telekom-Webseite eine Sperrliste der Call by Call Provider finden.

Inzwischen war ich sehr ungehalten geworden und rief nochmals - diesmal ohne den Wunsch, höflich zu sein - bei der Telekom an. Armer Roboter. Bevor er einen einzigen Satz fertig sprechen konnte, hab ich ihn wüst beschimpft. Er hat mich stracks an einen Menschen weitergeleitet. Schon wieder war ich dabei, mein Leid zu schildern und zack! schon wieder wurde ich aus der Leitung geschmissen. Sie sehen: Diese Geschichte wird immer komplizierter.

Nochmals Telekom anrufen. Doch diesmal teilte mir der Roboter ganz sanft folgende Botschaft mit: „Ihr Anruf wurde unterbrochen. Darf ein Mitarbeiter Sie zurückrufen?“ Ja, bellte ich.

Eine Stunde war vergangen, und ich hatte Uganda immer noch nicht erreicht. Unterdessen kam der Anruf von der Telekom, und, siehe da, die Hoffnung flammte wieder auf. Leider nur kurz. Nach wenigen Sekunden wurde die Verbindung wieder unterbrochen.

Was war zu tun? Ich gab auf und schickte eine Email nach Uganda - auf der ich noch immer auf Antwort warte.

Ich gebe zu: Ich war nach diesen Erfahrungen sehr unzufrieden mit der Telekom…bis ich an einem Spruch von Winston Churchill dachte. Er hat einmal gesagt „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind." Ich denke, das gleiche gilt für die Telekom.

PS Am nächsten Tag rief ich erneut bei der Telekom an. Diesmal lief alles reibungslos. Ich erfuhr von der netten Dame an der Leitung, dass besagte Call by Call Rufnummer nicht von der Telekom gesperrt waren. Ich sollte mich direkt mit den Providern in Verbindung setzen.

Das hab ich noch vor. Derweil hab ich Uganda immer noch nicht erreicht.

Meine Problematik mit Algorithmen und Avataren

Zunächst ein wenig über „Algorithmus“. Dieses Wort irritiert mich. Ich weiß nicht, warum. Man will damit auf eine Vorgehensweise hinweisen, mit der man ein Problem löst. Wer „Algorithmus“ in Sätzen zu verwenden versteht, überzeugt schnell, dass seine Vorgehensweise, um ein Problem zu lösen, die richtige ist oder war.

Der Begriff geistert schon seit Jahrhunderten durch die Fachliteratur herum. Heute aber ist er so beliebt wie noch nie. Ich denke, er war wie prädestiniert, in den Jargon der Programmierer aufgenommen zu werden. Schließlich sind Programmierer immer auf der Suche nach Vorgehensweisen, um Probleme zu lösen. Schachspieler, Menschen, die Stadtpläne lesen usw. sind auch auf der Suche. Jeder aber, der das Ergebnis einer solchen Suche als Algorithmus bezeichnet, macht sich jedoch besonders beliebt. Stellen Sie sich vor: Heute kann man sogar Sätze bilden wie „Der Algorithmus der Soziale Medien beeinflusst uns täglich.“

„Algorithmus“ klingt wie eine Mischung aus „Algebra“ und „Arithmetik“ -, etwas Mathematisches also. Und irgendwie hat es etwas mit der Mathematik zu tun - wenn zwar nur indirekt…

Denn das Wort leitet sich vom Namen Abu Dscha’far Muhammed ibn Musa Al-Chwarismi ab, einem Araber, der im 9. Jahrhundert in Bagdad ein Buch über die indischen Ziffer (also 1,2,3,4,5…usw.) veröffentlichte. „Al-Chwarismi“ bedeutet eigentlich „Der Choresmier“. Ich weiß nicht, wo Chroresmien liegt. Kann jeder für sich selbst googeln. Fest steht nur: Sein Vater, Musa Al-Chwarismi, stammte wahrscheinlich von dort.

Al-Chwarismis Buch über Zahlen war seinerzeit ein Renner, was irgendwann dazu geführt hat, dass der Name gleichbedeutend mit Zahlen verstanden wurde, was wiederum irgendeinen Mathematiker, o.ä., im Abendland dazu verführt hatte, diesen Namen in einen mathematischen Begriff zu verwandeln.

Heute kann man mit diesem Wort richtig punkten. Wirklich. Probieren Sie’s mal.

Was mich nun auf den Begriff „Problematik“ bringt. Was ist eine Problematik? Ganz klar: etwas, was man anhand von einem Algorithmus lösen kann! Man sagt: „Die Problematik liegt in der Beschaffenheit der Materie.“ Doch meine Frage: Warum heißt es hier „Problematik“ und nicht „Problem“? Ich denke, manche Wörter haben es einfach in sich.

Z.B, „Avatar“. So wurde (und wird) in der hinduistischen Religion ein Wesen aus der Geisterwelt (bzw. eine hinduistische Gottheit) genannt, das als Mensch geboren wird (inkarniert), um uns Menschen mit unseren Problematiken zu helfen.

So, zum Beispiel, Maher (sprich mäj-hr) Baba. Er war ein Guru aus Indien, der in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts sehr viele Anhänger hatte: ein freundlich aussehender Mann mit großem Schnurbart. Man könnte ihn als Kellner in einem indischen Restaurant vorstellen. Eins seiner Bücher hieß „I am God“. Damit wollte er wohl sagen: Alle Menschen haben etwas Göttliches in sich. Man munkelte damals, er sei ein Avatar. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Einmal, so hab ich gelesen, spielte Maher Baba mit seinen Anhängern Volleyball. Er spielte gern Volleyball. Die Vorstellung wurde aber für mich zur großen Problematik, für die ich auch keinen Algorithmus finden konnte. Ich fragte mich: Wie ist es? Muss man Gott beim Volleyball gewinnen lassen? Darf man ihm den Ball eine auf die Birne hauen? Kann (bzw. darf) Gott verlieren, wenn er Volleyball spielt? Usw.

Inzwischen hab ich erfahren, dass heute „Avatar“ eine ganz andere Bedeutung hat als zur Lebenszeit von Maher Baba. In der Sprache des Infozeitalters ist ein „Avatar“ nämlich ein virtueller Mensch, der einem hilft Probleme zu lösen. Mit anderen Worten: Der „Avatar“ ist zum „Algorithmus“ geworden!

Sprachroboter Siri ist, zum Beispiel, ein „Avatar“. Auch Dienstleistungsprogramme wie Instant Messenger werden als „Avatare“ bezeichnet. Sie sehen: Es gibt Algorithmen für jede Problematik.

Vielleicht frag ich Siri mal, ob Gott immer gewinnt, wenn er Volleyball spielt.

He Sprayers! Ich bitte um Antwort…

Es gab einmal eine Wand, eine graue Wand, so grau wie der Himmel vor einem Schneesturm.

Eines Tages war diese Wand nicht mehr ganz so grau wie ehedem. Jemand hatte in großen lila Buchstaben die Worte „Anarchy is coming together“ auf die Wand gesprüht , d.h., „gesprayt“. Um das große „A“ war ein Kreis, zeitgenössisches Symbol für „Anarchie“.

„Anarchie heißt zusammenkommen“ wäre eine brauchbare Übersetzung für obigen Satz. „Coming together“ ist zweideutig of course. Trotzdem frag ich, was „Zusammenkommen“ mit „Anarchie“ zu tun hat. Die Verlinkung ist nicht ganz logisch. Aber so ist nun mal mit der Anarchie: Sie liebt die Unlogik.

Eines Tages bekam obige graue Wand Zuwachs. Links vom anarchischen Spruch war plötzlich in schwarzer Farbe zu lesen „Riots not Diets“. Der Text wurde mit einer Schablone gezeichnet. Das weiß ich, weil der gleiche Spruch - diesmal in einer anderen Farbe aber gleichen Formats - steht auf zwei Häuserwänden um die Ecke von besagter grauer Wand.

„Riots not Diets“ lässt sich freilich nicht übersetzen, ohne dass das Gereimte verschüttgeht. Dem Sinne nach bedeutet der Spruch: lieber Radau machen als aufs Gewicht achten. Ich gehe davon aus, dass dieser Spruch aus ähnlichem anarchistischem Gedankengut und Kreisen stammt wie „Anarchy is…etc.“

Warum ausgerechnet an dem Tag dieser Schlachtruf? Keine Ahnung.
Und schließlich: Eines Morgens erspähte ich unterhalb vom „Anarchy is…“-Spruch wieder Zuwachs. Diesmal hieß es in großer, wilder, roter Schrift „Bayern Monaco“. Dies war, nehm ich an, ein spontaner Ausdruck sportlicher Begeisterung bezüglich des Spiels zwischen Bayern und Monaco. Leider habe ich die Details und die tiefere Bedeutung dieses Spiels wieder vergessen.

Aber warum musste von den Fußballfans ausgerechnet an dieser Stelle gesprayt werden? Ganz klar. Weil der Bayern-Monaco-Sprayer folgendermaßen überlegte: He, diese Wand ist ohnehin bereits mit Sprüchen völlig verunstaltet (bzw. belegt). Mein Spruch fällt bestimmt nicht aus der Reihe. Schppppprrrrrrüüüühhhhh.

Ortswechsel. Wir befinden uns in Bremen auf der Friedrich-Ebert-Straße in der Bremer Neustadt. Ich stehe vor einem einst prächtigen Haus aus der Gründerzeit. Man ist dankbar, dass solche Häuser noch stehen, zumal so viel Bausubstanz dem Krieg zum Opfer gefallen ist. Die große Holztür dieses Hauses, mit schönen, geschnitzten Partien ist original, ein Kunstwerk. Zumindest…war mal ein Kunstwerk. Denn längst haben Bremer Sprayers ihre Namenkürzeln und andere unleserliche Botschaften in vielen Schichten auf dem Holz hinterlassen. Links und rechts von der Tür stapeln sich die Müllsäcke.

Nochmals Bremen. Nun sind wir im sog. „Viertel“. So nennt man das „Osterviertel“, eine Art Bremer Schwabing. Die ganze Gegend hat den Krieg - beinahe - unversehrt überstanden. Schöne Häuserzeilen aus dem 19. Jh. sieht man straßenweit. Doch alle wurden längst von Sprayers derart verunstaltet, dass die ganze Gegend aussieht wie die Malecke einer Kita, wo die Fingerfarben etwas unpräzise verstaut wurden.

Schon lange frag ich mich: Wer sind sie die Sprayers? Was haben sie im Sinn, wenn sie ein Haus mutwillig bekleckern?

Und eine noch wichtigere Frage: Wie reagiert ein Sprayer, wenn sein Haus von einem Kollegen aus der „Bewegung“ beschmiert wird? Findet er das okay?

Sprayers, meldet euch.

Über meine Unmünze

Fangfrage, liebe Deutsche: Wann ist ein „Ding“ kein Ding? Wenn es …vielleicht…ein „Unding“ ist?

Natürlich nicht. Ein „Unding“ ist - das weiß jeder - unabdingbar ein „Ding“, ebenso wie ein „Unstern“ ein „Stern“ und ein „Unmensch“ ein „Mensch“ ist.

Hilfe! Wie sollen sich Migrantler jemals integrieren, wenn sie diese dt. Sprache derart schikaniert? Eine Unsprache, sog i. Ich meine: Nur auf Deutsch ist es möglich, eine Sache zu verneinen, ohne dass es verneint wird. Nur auf Deutsch kann eine Wetterfront als „Unwetter“ bezeichnet werden…und nur auf Deutsch, wäre es zumindest theoretisch möglich, gewisse Münzen als „Unmünzen“ zu beschreiben. Zugegeben: Dieses Wort existiert nicht. Aber jeder Deutsche wüsste trotzdem, was damit gemeint ist. Aber genug des Jammerns. Nun möchte ich Ihnen von meiner Unmünze erzählen…

Ich war vor einer Woche auf einem kleinen, intimen Flohmarkt, der gelegentlich um die Ecke von mir stattfindet. Auf der Auslage einer mir bekannten Händlerin erspähte ich eine Münze, was mich sehr überraschte, da die Händlerin sonst nur asiatische Waren verkauft (hübsche Dinge übrigens). Bald stellte ich fest, dass es sich um einen sogenannten US-„Trade Dollar“ handelte.

Die Münze war mit der Jahreszahl 1876 und mit Prägeort „CC“, also Carson City (Bundesstaat Nevada) versehen.

„Woher haben Sie die Münze?“ fragte ich etwas erstaunt.

Sie zuckte kurz mit den Achseln. „Nehmen Sie sie“, sagte sie. „Ein Geschenk von mir.“

„Nein, das kann ich nicht akzeptieren…“

„Doch, ich bestehe darauf.“

Okay. Sie konnte mich überzeugen. Ich bedankte mich und nahm die geschenkte Münze mit.

Zuhause googelte ich unter Stichwort „Trade Dollar 1876 CC“, und bald war ich bestens informiert über meine Münze.

Ich erfuhr, z.B., dass im Jahr 1876 ca. 500.000 dieser Münzen in zwei Ausführungen, die sich nur geringfügig voneinander unterschieden, geprägt wurden. Meine stammte aus der ersten Prägung.

Heute seien nur noch ca. 1500 im Umgang.

Und dann las ich: Als diese Münzen im 19. Jh. nach China gelangten, wurden sie ob ihrer Schönheit sehr beliebt und von daher häufig gefälscht.

Und meine? fragte ich mich jetzt: Ist sie echt oder unecht? Einiges sprach dafür, dass sie echt wäre, zumal ich gelesen hatte, dass diese Münzen 27,2g wogen. Mein Exemplar schien so viel zu wiegen. Auch die Details auf der Münze kamen wir - verglichen mit Fotos - echt vor. Und schließlich: Wenn ich sie fallen ließ, klingelte sie einigermaßen. Das war ein gutes Zeichen, denn das tun auch Silbermünzen.

Wäre die Münze echt, wusste ich inzwischen, dank Onkel Google, hätte sie einen Wert von ca. 400-500 Euro. Natürlich wurde ich nun immer neugieriger.

Am nächsten Tag, bin ich mit meiner hübschen Münze zu einem mir bekannten Numismatiker gegangen, der seinen Laden unweit von mir betreibt. Er nahm das gute Stück in die Hand, schaute es liebevoll an. „Sieht schön aus“, sagte er. „Gutes Gewicht.“ Doch dann nahm er sie etwas genauer unter die Lupe, während er mit sich redete. Ich hörte, wie er etwas von den flauen Denticles und den flauen Details murmelte. Nun schaute er mich an: „Zu neunundneunzigkommaneunprozent eine Fälschung“.

„Wieso können Sie so sicher sein?“ fragte ich.

„Wenn ich das nicht wäre, dann bin ich im falschen Beruf. Die Münze stammt aus Spanien, wurde außerdem nicht geprägt, sie kam aus einem Guss.“

Am Schluss legte er sie auf die Waage. „Wie viel soll sie wiegen?“

„Siebenundzwanzigkommazwei“, antwortete ich.

„Diese wiegt genau siebenundzwanzig.“

„Ist sie aus Silber?“

„Versilbert vielleicht, aber wahrscheinlich eine Kupferlegierung…“

„Aber sie ist trotzdem hübsch“, sagte ich.

Keine Antwort…

Fazit: Meine Münze ist eine echte Unmünze…eine schöne Unmünze, aber das Ding wurde im Nu zum Unding.

In eigener Sache: Der Sprachbloggeur macht eine Woche Pause. Ab in die Forschungsreise.

Meme und „me me“

Nie wollte ich, so hab ich mir immer gesagt, eine Glosse über das „Mem“ (Plural „Meme“) schreiben. Und siehe da: Jetzt habe ich es trotzdem getan.

Dieses knappe Wort (aus dem englischen „Meme“ - sprich „miem“ - , Mehrzahl „Memes“) ist eine Erfindung des Biologen Richard Dawkins und erblickte erst 1976 in dessen Buch „Selfish Genes“ das Licht der Welt. These des Buches: Es gibt so etwas wie kein echtes Mitgefühl. Alle Lebewesen (inklusive der Mensch) haben stets nur Eigeninteresse im Sinne. In der Sprache der Biologie ausgedrückt: Man will lediglich die eigenen Gene (Englisch „Genes“) weitervererben.

Schöne Vorstellung, gell?

Ein gängiges Beispiel dieses „me me me“ (also „mir mir mir“)-Phänomens bieten die Löwen. In deren Kreisen gilt es als sittenkonform, wenn ein junger, dynamischer Löwe einen alternden Rudelpatriarchen vertreibt und dessen Rudel für sich einnimmt. Seine erste Handlung als neuer Herr im Haus besteht nun darin, die putzigen Löwenbabys seines Vorgängers zu erschlagen.

Warum? Um durch die darauf folgende Begattung der Weibchen nur mehr die eigenen Gene fortzupflanzen. Dawkins präsentiert viele lebhafte Beispiele dieses Phänomens und behauptet, dass das gleiche Prinzip ebenso aktiv im Menschen ist wie im Tier. Ihm zufolge ist das, was wir Menschen „Selbstlosigkeit“ nennen, so gut wie nichtexistent. Eigennutz herrscht.

Schöne Vorstellung, gell?

Mag sogar sein, dass der Biologe recht hat, zumindest, was die Tiere betrifft. Die Behauptung, dass Menschen nicht in der Lage sind selbstlos zu agieren, halte ich hingegen für unseriös.

Aber egal. Dawkins Buch über die selfish genes sollte letztendlich auch die eigene Existenz als Biologe befruchten. Das Buch handelt zwar von der Fortpflanzung der eigenen Gene; zugleich aber dachte sich der schlaue Wissenschaftler den Begriff „Mem“ aus - quasi als geistiges Pendant zum Gen. Was sind „Meme“? Es sind die Ideen, die Verhaltungsweisen, die Moden, die sich in der Menschenkultur „fortpflanzen“ und diese beeinflussen.

Meme sind also wie Gene. Nur man muss keine Löwenbabys abmurksen, um sie weiterzugeben. Es reicht die Öffentlichkeit.

Heute ist das „Mem“ zu einem wichtigen Begriff der Informationstheorie geworden. Bilder, Sprüche, Videos usw., die sich wie der Blitz durch das digitale Netzwerk ausbreiten, etwa Aufnahmen von Kates Brüsten, von Justins Gemächt, von einem Skater, der auf der Nase platscht, von der nackten Disko-Oma, ja, und Fake News, Berichte über die Illuminati, Chemtrails usw. bezeichnet man allersamt als „Meme“.

Inzwischen ist auch das „Mem“ zum „Mem“ geworden. Way to go, Richard.

Ich wollte aber, wie oben gesagt, niemals über die „Memes“ schreiben. Nicht weil das Thema mich nicht interessiert, sondern aus einem, tja, persönlichen Grund. Fakt ist: Die Meme erinnern mich zu sehr an meinem ehemaligen Chef. Dieser Mann mochte mich nicht besonders. Von daher suchte er stets nach einem Anlass, mich zu entledigen, was ihm allerdings nie gelungen war. Im Gegenteil: Man hat ihn und nicht mich vor die Tür gesetzt. So ist das Leben.

Über alles aber liebte er die „Meme“ und hatte immer unheimlich viel darüber zu erzählen. Mein Unwissen übers Thema war für ihn wie ein Fettfleck auf seinem frischen Hemd.

Na ja. Irgendwie hat es doch zwischen uns notgedrungen funktioniert, war aber furchtbar anstrengend - besonders für mich. Nachdem er gegangen wurde, hatte ich nie wieder Kontakt zu ihm.

Doch neulich, als ich in The New York Times einen Artikel über „Memes“ las, hab ich wieder an ihn gedacht. Der Titel der Story: „Brands tackle an online foe: The meme.“ Zu Deutsch: Markennamen stehen im Clinch mit einem Online-Feind: dem Mem. Es ging um Folgendes: Wenn eine Firma - etwa in der Werbung - einen Fehler begeht, breitet sich dieser Fehltritt eiligst als Mem durchs Sozialnetz aus. Für Multis kann das sehr peinlich - und teuer - werden.

Nachdem ich obigen Titel gelesen hatte, fiel mir mein ehemaliger Chef, der Memliebende, wieder ein. Ob er an selfish genes glaubte, weiß ich nicht. Ich hoffe jedenfalls, dass es ihm gut geht.

Walpurgisnacht 4.0

„Hallo Walpurga! Rate mal, wer am Telefon spricht.“

„Ähmmm, bist du es, Maximilian?“

„Ja! Ich bin’s. Wie geht’s dir?“

„Ach, was soll eine alte Frau sagen…“

…ich werde dieses Gespräch nicht fortführen. Ich hoffe aber inbrünstig, dass Walpurga nicht so verdattert ist, dass sie dem „Maximilian“ (bzw. dessen „Freund“) 30.000 Euros plus einige Goldmünzen aus der Zeit von Kaiser Wilhelm II. in die verlogenen Pfoten gibt.

Irgendwie bin ich aber zuversichtlich, dass es nicht so werden wird. Immerhin: „Walpurga“ bedeutet in den alten germanischen Sprachen „Burgherrscherin“, „Schutzberg“ etc.. Vielleicht kriegt Maxi und Freund eine von der alten Tante auf die diebische Birne und dürfen dann ein paar Jährchen auf unseren Kosten im Kittchen verspeist werden.

Nicht von ungefähr greife ich heute den Namen Walpurga auf. Denn erst vor ein paar Tagen hatten wir „Walpurgisnacht“, genannt nach der angelsächsischen Heiligen Walpurga, die im 8. Jahrhundert lebte. Ihre Feier - die, nach der früheren Tagezählung von Sonnenuntergang zu Sonnenuntergang erstreckte, vom 30. April bis zum 1. Mai also, huldigt den Maianfang.

Noch heute wird an manchen Orten (hauptsächlich auf dem Land) Walpurgisnacht mit großen Feuern gefeiert - ich glaube, es geht darum, die bösen Dämonen endgültig auszutreiben. Zur Erinnerung: Der österreichisch- deutsche „Führer“ nahm sich in der Walpurgisnacht das Leben.

Gestern erhielt ich eine liebenswürdige Mail von Herrn W.: „Halloween gehört nicht zu Deutschland“, schrieb er, „… wo ist die Walpurgisnacht vom 30. April zum 1. Mai geblieben? Die war hier lange Zeit Tradition…“

Stimmt, habe ich gedacht. Und siehe da: Bei mir um die Ecke haben Unbekannte punkt in der Walpurgisnacht das Wort „Freinacht“ (so nennt man die Walpurgisnacht in München) mit Rasierschaum an einer Hauswand gesprüht.

Herr W. hat eine nachvollziehbare Erklärung, weshalb die Walpurgisnacht heute im Gegensatz zum amer. Import Halloween keine Lobby hat: „Sie bringt keine Umsätze.“ Aha! hab ich abermals gedacht.

Und weiter schreibt er: „Ich hörte, sah und las bisher nichts von der bevorstehenden Walpurgisnacht. Das hat auch damit zu tun, dass die Großindustrie immer mehr Macht über die Medien besitzt…“ Wieder Aha!

Und weil Herr W. recht hat, nun folgendes Plädoyer an diejenige Sprachbloggeurleser/innen, die zufällig auch führende Stellen bei der Großindustrie innehaben: Denken Sie, liebe Großindustrielesende, daran, dass die Walpurgisnacht eine dicke Marktlücke darstellt, die man mit dem gewinnbringenden Verkauf von allerlei Produkten füllen könnte - Kostüme, zum Beispiel. Denn Hexen und Hexenmeister spielen in dieser Nacht eine hübsche Rolle. Oder Rasierschaum. Oder Blumen und so ein Zeug, um den Mai einzuleiten.

Ja, und die vielen tollen Walpurgisnacht Partys. Das heißt denn auch Accessoires verkaufen. Ähmm ähmmm…

Na ja, das sind von mir nur ein paar Ideen aus dem Stegreif. Andere Leute hätten bestimmt noch viel lustigere Einfälle.

Übrigens: Gib acht, lieber „Maximilian“, Tante Walpurga wachsen Haare auf den Zähnen. Sie lässt sich nicht von Dummköpfen wie dir und deinem „Freund“ ausnehmen. Schließlich ist hier die Rede von Walpurgisnacht 4.0.

Häppi Börssdäj tu ju

Ich gebe zu: „Herzliche Glückwünsche zum Geburtstag“ flattert nicht gerade wie flüssiger Honig über die Zunge. Auch „Alles Gute zum Geburtstag“ wird nie einen Preis für Wohlklang gewinnen.

Meinem Gefühl nach liegt das Problem an den vielen Kehllauten („G“ und „K“). Das dreimal „Z“ (einmal als „ts“ geschrieben) trägt auch nicht unbedingt dazu bei, aus diesem Glückwunsch eine wohlklingende Melodie zu erzeugen. „Alles Gute zum Geburtstag“ bringt keine Besserung. Leider.

Könnte das der Grund sein, weshalb heute in Deutschland bereits jede(r) Dreijährige freudig kreischt „Häppi Börssdäj!“, wenn er/sie jemanden beglückwünschen will?

Ich kam auf diesen Gedanken, als ich im Schreibwarengeschäft anstand, um Briefmarken zu kaufen. (Zu beachten: Viele kleine Geschäfte sind inzwischen Postfilialen geworden. Ohne das zusätzliche Einkommen würden sie schnell untergehen, und bald würde an der Stelle ein Handygeschäft, ein Nagelstudio, ein Immobilienbüro oder ein internationales Klamottengeschäft einziehen. Man tut, was nötig ist, um zu überleben. Gell?).

Neben mir, war ein drehbaren Ständer mit Glückwunschkarten, und nun stellte ich fest, dass die meisten Geburtstagskarten nicht mit „herzliche Glückwünsche…usw.“ beschriftet waren, sondern schlichtweg mit „Happy Birthday!“

Ich kann mich nur vage erinnern, wie es war vor zwanzig oder dreißig Jahren. Ich weiß aber, dass praktisch jeder „Herzliche Glückwunsche…etc.“ heraussprudelte, wenn eine(r) Geburtstag hatte. Damals kam dem jungen Amerikaner (mir!), diese Formulierung recht holprig vor. Die Glückwunschkarten der damaligen Zeit waren aber noch ärger.

Irgendwie wirkt „happy birthday“ doch spritziger. Oder? Z.B.:

„Guck: Dieses Jahr kosten die Kerzen mehr als der Kuchen! Happy Birthday!“ Das habe ich auf einer Karte gelesen. Oder: „Man wird alt wie ein Haus, und alle ziehen aus! Happy Birthday!“ So sind die frechen Geburtstagskarten der Generation 3.0.

In unserer Familie, haben wir schon immer „Happy Birthday to you, H.B. to you…usw.“ angestimmt, wenn einer Geburtstag hatte. Aber schließlich bin ich Amerikaner.

Allerdings: Nach Singen jenes bekanntes Textes, folgte gleich eine weniger bekannte Variante (mit selber Melodie):

„Happy Birthday to you,
you belong in the zoo.
You look like a monkey,
and you act like one too.”

Es sollte Bescheidenheit lehren.

Doch auch deutsches Liedergut kam bei uns nicht zu kurz. Denn gleich nach dem amerikanischen Brauch folgte die deutsche Show:

„Hoch soll er(sie) leben,
hoch soll er(sie) leben,‘
dreimal hoch!“

Selbstverständlich wurde dieses Lied dreimal vorgetragen. Es war, wenn ich mich nicht täusche, ursprünglich eine Reingabe meiner Schwiegermutter. Wer weiß, wie alt es ist. Für mein Ohr klingt es jedenfalls wie das Trinklied einer Burschenschaft aus dem 19. Jahrhundert.

Egal. Heute leben wir, mir nix dir nix, im Zeitalter des Happy Birthday, und das bleibt (wohl eine Weile) so, bis…

Aber vielleicht haben Sie heute Geburtstag?! Man kann’s nicht wissen.
Falls ja, wünscht der Sprachbloggeur happy birthday to you!

„Face-plant“?

Zum Auftakt etwas für die Profis, d.h., für diejenigen, die mindestens ihre Habilitationsschrift im Fach Anglistik bzw. Amerikanistik hinter sich haben:

Es folgt ein Satz aus einem politischen Kommentar des amer. Ökonoms Paul Krugman. Ich habe nämlichen Text in der International New York Times vom 8. April 2017 aufgelesen.

Zitat:

„Repeal-and-replace didn’t face-plant because of poor tactics; it failed because Republicans have been lying about health care for eight years.“

Thema dieses Satzes ist der Umgang der regierenden republikanischen Partei in den USA mit „Obamacare“, der Krankenkassenreform des ehemaligen Präsidenten Obama. Die Republikaner hatten die Absicht, so Krugman, dieses Gesetz abzuschaffen (repeal) und durch ein eigenes zu ersetzen (replace).

Soweit so gut; aber jetzt wird die Sache auf der sprachlicher Ebene etwas kniffliger - zumindest mir. Denn ich, der ich amer. Muttersprachler bin, stellte fest, dass mir das Wort „face-plant“ unbekannt war.

Dass es sich um ein Verb handelte, war mir freilich klar, „to face-plant“, also. Außerdem: Der Aufbau des Satzes ließ ahnen, dass das Wort irgendwie gleichbedeutend mit „fail“, also „scheitern“, war.

Vielleicht wissen manche Leser - auch ohne Habil - mehr über obigen Begriff als ich. Das kann durchaus der Fall sein. Aber egal: Nun wollte ich herausfinden, was mit „face-plant“ gemeint ist.

Vor fünfundzwanzig Jahren hätte ich in dieser Situation einen Ausflug in die Bibliothek antreten müssen, um dort in einem dicken Lexikon der englischen Umgangssprache nach Antworten zu suchen. Trotzdem wäre ich womöglich auf keinen grünen Zweig gekommen -, z.B. wenn das Wort brandneu gewesen wäre und noch nicht erfasst wurde.

In dem Fall hätte ich für viel Geld einen Anruf in die USA getätigt, um einen Freund (heute „Joker“ genannt) zu kontaktieren in der Hoffnung, er wisse mehr als ich. Oder ich hätte einen Brief schicken oder (ganz auf der Höhe der Technologie) ein Fax schreiben können.

Heute wendet man sich mühelos an Onkel Google, was ich auch gemacht habe. Innerhalb weniger Sekunden hatte ich meine Antwort. Ach! Wir leben wahrlich in einem goldenen Zeitalter, wo Wünsche (zumindest einige) unmittelbar befriedigt werden.

Aber zurück zum „face-plant“. Ratzfatz habe ich meine Antwort im „Urban Dictionary“ entdeckt. Übrigens. Falls Sie es nicht kennen: Das „Urban Dictionary existiert seit ca. 15 Jahren. Jeder Benutzer hat die Freiheit, jedweden Slangbegriff nach eigenem Gutdünken zu definieren. So ist daraus ein wahrhaftiges Volkslexikon der Popsprache entstanden. Im Fall von „face-plant“ habe ich Deutungen entdeckt, die bis ca. 2003 zurückgehen. (Notabene: Nach Merriam-Webster taucht das Wort „face-plant“ zum ersten Mal 1982 auf).

Was ist eine Gesichtspflanze? Sie beschreibt den Zustand eines Menschen, wenn er aufs Gesicht fällt und mit Gesicht am Boden daliegt - als wäre das Gesicht zur Pflanze geworden, die in dieser schmerzhaften Stellung Wurzeln schlagen könnte. Sowas passiert Skaters und auch Radlern immer wieder. Leider.

„Face-plant“ als Verb wird von dict.cc mit „auf die Fresse fallen“ übersetzt, was mit dem Englischen ziemlich genau übereinstimmt.

Im Satz von Paul Krugman heißt der Begriff also doch „scheitern“. Klares Bild.

Und jetzt sind Sie, liebe Lesende, - compliments of the Sprachbloggeur - über die „face-plant“ bestens informiert. Ende der Aufnahme. Klick!

Mein bad hair day

Hierzulande sträuben sich einem die Haare, oder die Haare stehen einem zu Berge. Man kann sich auch in die Haare kriegen. Einen Tag der schlechten Haare kennt man jedoch nicht.

Vielleicht ist „Bad hair“ ein amerikanisches Problem. (Notabene: Mir schwebt die präsidiale Tolle nicht unbedingt vor. Sie soll übrigens, so hab ich gelesen, ihre Ursache ohnehin im Medikament Finasterid haben. Schlagen Sie unter „Finasterid“ nach). Einen „bad hair day“ hat jede(r) Amerikaner(in) - zumindest manchmal. Ich glaube aber, dass es sich trotzdem nicht um ein uraltes amer. Leiden handelt. Als ich nach Deutschland kam, hatte noch keiner einen bad-hair-Tag.

Dennoch ein lustiges Bild. Oder? Leider lässt es sich aber nicht eins zu eins ins Deutsche übertragen wie etwa „Haut und Haar“ (engl „hide and hair“) oder „Haare auf den Zähnen“ („hair on his(her) teeth“). Nicht traurig sein, liebe Deutsche. Die dt. Sprache hat ausreichend eigene lustige Bilder produziert, die im Englischen fehlen. Z.B.: „Mit der Tür ins Haus fallen“ oder „nicht alle Tassen im Schrank haben“.

Bei dict.cc fand ich immerhin „Frisurdebakeltag“. Klingt lustig, aber, Hand aufs Herz: Haben Sie’s mal gehört? Ich nie.

„Scheißtag“ steht auch bei dict.cc. Dem Sinne nach wenigstens eine ziemlich genaue Übersetzung. Bloß man denkt gleich ans Fäkale. Bää. Oder „Schlechter Tag“. Langweilig. Last but not least heißt es bei dict.cc „Tag, an dem alles schiefgeht.“. Ja, und genau das passiert an einem „bad hair day“…

…und jetzt kommen wir endlich zu meinem „bad hair day“.

Immerhin hat es gut angefangen. Mein Arzt hat mir an dem Tag sogar gute Gesundheit bescheinigt: Blutdruck in Ordnung, EKG okay.

Doch dann kam ich nach Hause und wollte ein paar Mails schreiben. Nun aber vernahm ich in der nahen Ferne ein explosivartiges Geräusch, das schien, irgendwo in der Wohnung entstanden zu sein. Es klang wie ein Zischen - als hätte jemand eine Rakete gezündet, die nun ungezügelt durch die Wohnung sauste.

Natürlich wurde ich neugierig. Ich stand auf und marschierte los. Erst in der Küche stellte ich fest, was passiert war. Etwas Schreckliches sogar: Am Spülbecken schoss vor meinen Augen ein übel riechendes Gebräu unkontrolliert in die Höhe wie ein Geysir. Es blubberte und zischte wie verrückt. Die Hängeregale oberhalb vom Spülbecken waren bereits voll mit einem schwarzen Schlamm besudelt. Es kam mir vor, als ob Vesuv - ausgerechnet in meiner Küche - hochgegangen wäre.

Aber nun wurde es noch schlimmer. Das dreckige Wasser stieg konstant, und plötzlich schwappte es über den Rand des Spülbeckens über. Auf dem Boden war bald Landunter. Alles ging so schnell. Ich war hilflos. Ich holte einen Eimer und schöpfte so geschwind wie möglich das dreckige Gebräu aus dem Spülbecken und schüttete es ins Klo.

Irgendwann hörte das schwarze Schlammwasser auf, weiter zu steigen. Ich langte ans Telefon und zum Glück erreichte ich nach kurzer Zeit den Hausmeister. Er kam vorbei, schaute nicht schlecht und holte - eiligst - eine Rohrreinigungsfirma.

Bald standen zwei starke Männer mit schwerer Artillerie vor der Tür. Sie gaben mir beide die Hand, fragten, wie es mir gehe und betraten freundlich die Wohnung. Sie waren wahnsinnig nett und ruhig und haben meiner offenbar erbarmt. Innerhalb einer Viertelstunde hatten sie das Problem beseitigt. Magie. Sie haben sogar den Boden gewischt.

Ja, es war ein bad hair day. Nicht nur wegen des Schlammwassers. Es passierten auch verschiedene meist kleinere Malheure, die kollektiv den Fass immer wieder zum überlaufen brachten. Anrufe, Paketdienste, auch meine Mutter rief an. Sie erzählte mir, dass jemand in ihre Wohnung (sie lebt in einer Seniorenanlage) gekommen wäre, während sie nicht zuhause war. Dieser Mensch habe sich an der Schokolade herangemacht, die ich ihr zum Geburtstag geschenkt hatte. Nein, meine Mutter ist nicht dement. Dies ist tatsächlich passiert. Wirklich seltsam.

Na ja, am Abend war es mit den schlimmen Dingen endlich vorbei. Ich hatte Glück. Und deshalb bin ich heute in der Lage, über meinen bad hair day zu berichten.

Gehen Bärenhäuter huren und buben? (Gewiss!)

Sprachbloggeur: Gestern hab ich einen Fuchs beinahe geschossen.

Besserwisser: Entschuldigung, Herr Sprachbloggeur, schöner wäre eigentlich, „Gestern hab ich einen Fuchs beinahe erschossen. Und hoffentlich hatten Sie guten Grund, so etwas zu machen, z.B., dass er tollwütig war. Hoffentlich aber nicht, um ihm das Fell abzuziehen, sonst verpetze ich Sie bei PETA.

Sprachbloggeur: Aber bitte, ich bin doch kein Bärenhäuter.

Besserwisser: Aber womöglich ein „Fuchshäuter“. Haha.

Sprachbloggeur: Gibt’s doch nicht. Ich kenne nur „Bärenhäuter“. Ist ohnehin nicht mein Thema. Ich wollte vielmehr erzählen, dass ich gestern einen Fuchs beinahe geschossen habe.

Besserwisser: Und ich habe Sie korrigiert. Man erschießt, lieber Sprachbloggeur, einen Fuchs, oder man schießt einen Fuchs an. Man schießt einen Fuchs aber nicht (außer vielleicht in der flotten Sprache der Zeitungen). Ich hoffe jedenfalls, Sie haben verschossen, was ich ohnehin annehme, weil sie „beinahe“ meinten.

Sprachbloggeur: Ich glaube, ich muss Ihnen erst erklären, was ich mit „Bärenhäuter“ meine, bevor wir übers Fuchsschießen reden.

Besserwisser: Bitte.

Ich werde Sie, liebe Lesende, mit obigem Gespräch nicht weiter strapazieren. Leider war mir der Besserwisser schon, bevor Ich jedes Missverständnis hätte ausräumen können, ins Wort gefallen. Das passiert einem Migrantler oft. Er will etwas erzählen, und da kommt plötzlich einer daher und will ihn prompt korrigieren, weil er meint, so einer mit Migrationshintergrund hat schon wieder etwas Falsches gesagt.

Auch meine leidgeprüfte Frau kann von diesem Phänomen ein Lied singen (tralala). In dieser Situation bin ich allerdings der Besserwisser. Manchmal sagt sie etwas auf Englisch (wir reden Englisch - schon seit immer), das mir falsch vorkommt, und ich verbessere sie. Doch dann stellt es sich heraus, dass man in Kanada, wo sie als Teenie gelebt hat, so redet. Der Besserwisser weiß halt nicht immer alles.

Was auch für den Besserwisser im obigen Auszug aus einem Dialog zutrifft. Er weiß, z.B., nicht, dass ich mich jetzt in Grimmelshausens, „Simplicissimus“ vertiefe und von daher mich mit der deutschen Sprache des 17. Jahrhundert auseinandersetze.

(Nebenbei: ein großartiges Buch! Wenn Sie wissen möchten, wie es war, ein deutscher Mensch im 17. Jahrhundert zu sein - genauer: während des Dreißig Jährigen Krieges - dann haben Sie in diesem Buch einen treuen Reiseleiter gefunden).

Aber zurück zum Bärenhäuter. Er ist, laut Grimm, das, was man heute „Primitivling“ oder „Grobian“ nennt. Manchmal wird das Wort bös gemeint, manchmal nur scherzhaft. Manchmal bezeichnet es lediglich ein „Faulpelz“.

Und nun endlich zum Fuchsschießen. Übrigens: Versuchen Sie mal, nur zum Spaß, dieses Idiom zu googeln. Wissen Sie was passiert? Sie werden auf unzählige Seiten gelotst, die mit…was sonst?...mit dem Erschießen von Füchsen, PETA usw. zu tun haben. Das allwissende Google weiß doch nicht alles.

Anders im 17. Jahrhundert. Damals haben alle Deutschen gewusst, was es heißt, einen Fuchs zu schießen. Z.B., wenn der besoffene Gouverneur zum jungen Simplicius Simplicissimus sagt: „…du Schuft, la-la-lang-langs Lavor, ich m-mu-muß e-ein Fu-Fuchs schießen!“ Was will er von dem naiven Teenie?

Er will ein „Lavor“, also einen Schüssel haben, weil es ihm derart übel ist, dass er sich übergeben muss. Wie es auch mir gestern beinahe ergangen ist - doch das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls: Damals sagte man „einen Fuchs schießen“ fürs Erbrechen. Nettes Bild, oder? Hat außerdem die passende Farbe.

Ja, man lernt viel, wenn man alte Bücher liest. Zum Beispiel, dass man „huren und buben“ sagte. Was „huren“ bedeutet, kann man sich vorstellen. Aber das „buben“: Die Bedeutung dieses Verbs wird vom prüden Grimm nur lateinisch wiedergeben, so unanständig war die Vorstellung. Unanständig aber offensichtlich weit verbreitet. Auch Luther schreibt „huren und buben“.

Willkommen, Kameraden, im Deutschland des 17. Jahrhunderts.

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