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Erlebnisbericht: Was machst du, wenn du selbst zum Risiko wirst?

Sprachbloggeur: (steht vor einer geschlossenen Flügeltür vielleicht so hoch wie der Kölner Dom. Das Haus selbst, zu dem die Tür der Eingang ist, erfasst man nicht mit den Augen. Man weiß nur, dass man vor einem Eingang steht. Der Sprachbloggeur klopft an. Wo er steht, ist nämlich eine kleine, menschenhohe Tür in der Tür) Klopf klopf. (Er wartet, lange, ohne dass jemand antwortet. Beinahe will er aufgeben. Aber nein. Er klopft wieder) Klopf klopf.

Google: Verschwinde!

Sprachbloggeur: Ja, aber…

Google: Hier gibt es kein Aber, du zweibeiniger Fresssack, nur ein Ja!

Sprachbloggeur: Ja…

Google: Wie hoch ist dein Ranking?

Sprachbloggeur: Ranking?

Google: Ja, welchen Wert nimmst du in meinem WehWehWeh ein? (etc.)

Vielleicht wissen Sie, liebe Leser, was mich zu dieser Pilgerfahrt zum Großen Google bewogen hat. Es war die Seuche natürlich. Zur Erinnerung: Vor ca. einem Monat hat Google, und infolge Mozilla und noch andere Gottheiten im Cyberhimmel ausgerechnet den Sprachbloggeur zum No-go-Zone erklärt: gleichsam zu einem Cybertschernobyl. Der Große Google hatte nämlich eine Verseuchung meines Wortladens festgestellt. Böse Wörter (malware) haben sich bei mir eingenistet und drohten das ganze Cyberspace krank zu machen. Ja, auch so kann ein Einzelmensch die Gesamtheit beeinflussen. Übrigens: „Einfluss“ auf Italienisch heißt „Influenza“.

Vier Wochen hockte ich in Quarantäne. Man fühlt sich sehr einsam. Wer den Sprachbloggeur anklickte, entdeckte bald auf dem Bildschirm ein dunkelrotes (zum Braun neigendes) Warnschild mit folgende Beschriftung:

„Die Webseite auf www.sprachbloggeur.de wurde als attackierende Seite gemeldet und auf Grund Ihrer Sicherheitseinstellungen blockiert. Attackierende Webseiten versuchen, Programme zu installieren, die private Informationen stehlen, Ihren Computer verwenden, um andere zu attackieren, oder Ihr System beschädigen.“

Stellen Sie sich vor: Ich war Opfer. Aber als Opfer wird man selbst zum potentiellen Täter. So war mal das Leben der Leprakranken, sag ich der Cyberkranker.

Aber der Große Google hatte letztendlich recht, mich in Quarantäne zu stecken. Würde auch jeder vernünftiger Arzt tun. „Tough love“ heißt das auf Englisch.

Man verzweifelt dennoch - weil es so langweilig wird und man Tatendrang verspürt. Manchmal fiel ich auf die Knie und beteten den Heiligen David Bowie, den Heiligen Prince und den Heiligen Muhammed Ali an und bat um Gehör und Erlösung.

Doch die Heiligen blieben stumm. Ich zündete dann Cyberkerzen bei YouTube, Instagram, Twitter und Linkedin. Vergeblich. Man fühlt sich in dem Augenblick sehr allein gelassen.

Nein nicht ganz, mein „Hoster“ (klingt wie Hostia, gell?), Herr P., hat mich nicht vergessen. Er gab sich große Mühe, die Eindringlinge zu killen: wie es ein Mediziner der Ärzte ohne Grenze in Ebolaland tut. Das heißt: im Wissen, dass auch er selbst hätte infiziert werden. Noch heute fehlen deshalb alle Kommentare aus der Vergangenheit und Zukunft. Meinem Hoster zu Dank lesen Sie aber heute diesen Bericht. Danke Herr P.

Zum Schluss die althergebrachte Verfluchung der Cyberkriminellen, die mich in diese unangenehme Lage verantwortungslos versetzt haben. Das taten sie nicht, weil sie gegen mich etwas hatten. Es sind halt Opportunisten, diese Gangster - so wie Ebola, Pest und Krebs Opportunisten sind. Sie zerstören, weil sie sich davon einen bestenfalls kurzfristigen Gewinn erhoffen. Es ist ihnen egal, was sie dabei kaputt machen.

Jetzt der Fluch: Ich wünsche ihnen nicht den Tod. Der Tod ist geduldig. Er kriegt sie ohnehin. Ich wünsche ihnen ein langes Prostataleiden (ja, ich weiß, dass sie alle männlich sind) und dazu Hämorrhoiden, Krampfadern, Mundgeruch und keinen Spaß in intimen Situationen.

Ämmm. Hab ich etwas vergessen? Ja natürlich: Ich wünsche ihnen mal die Gelegenheit, sich dem Hl. David Bowie, Hl. Prince und Hl. Muhammed Ali zu wenden, um dann unerhört zu bleiben. So ist es mit den neuen Heiligen. Nur Elvis lebt. Unserer aller Hoffnung bleibt der Große Google. Denn er ist der Meister der tough love schlechthin.

Willkommen im Informationszeitalter.

Extrablatt: Der Sprachbloggeur überlebt die Vertschernobylisierung seiner Seite

Ja, liebe Leser des Sprachbloggeurs, nach einem (sehr) bösen Cyberangriff - ich bin überzeugt, es waren Außerirdische - erwacht der Sprachbloggeur aus dem Cyberkoma und berichtet von seinen Fieberträumen. Diese Woche aber noch nicht. Dies hier ist lediglich die Ankündigung.

Nebenbei: Die Paranoiker dieser Welt haben jetzt eine eigene Gewerkschaft. Sie nennen sich "Gang-Stalkers" (Bandennachstellende) und bestätigen gegenseitig, dass sie tatsächlich von Außerirdischen ausspioniert werden.

Wer dafür verantwortlich war, dass der Sprachbloggeur durch Google zum Tschernobylgebiet erklärt wurde, weiß ich immer noch nicht. Nächste Woche aber mehr. Diese Woche erst ein bescheidenes Lebenszeichen.

Vorläufig erscheinen auf dieser Seite keine Kommentare. Willkommen, liebe Leser, in der Pionierzeit der Informationsrevolution.

So sieht im Ernst ein Paradigmenwechsel aus, falls Sie das wissen wollten.

Namen ist Amen

Dass es so etwas wie einen „Namenstag“ gab, erfuhr ich erst in Deutschland. Als „P.J.“ hab ich natürlich keine Gelegenheit meinen „Namenstag“ zu feiern. Damit muss man leben.

Manchmal wird „P.J.“ nicht einmal als Namen verstanden. Namen, die man mit Anfangsbuchstaben konstruiert, haben keine große Tradition in Deutschland. Ja, es gibt O.W. Fischer (Otto Wilhelm) und E.T.A. Hoffmann (Ernst Theodor Amadeus). Ich weiß aber nicht, wie sie ihre Freunde nannten. Otto? Ernst?

Dafür hat die dt. Sprache eine eigene raffinierte Einrichtung, um Kürzeln bzw. Spitznamen zu bilden: Man schnürt die erste Silbe vom Vor- und Zweitnamen zusammen, und voilà!. Aus Hans-Joseph wird „Hajo“, aus Markus-Norbert „Mano“ usw. Das funktioniert nicht nur bei Eigennamen. Denken Sie an die „Kripo“, die „Stasi“, das „Schlefi“ („Schlemmerfilet“). Als ich einst in Santa Barbara, Kalifornien lebte, hat ein dt. Einwanderer namens Heinz Lichtenberg eine Tankstelle mit dem Namen „Heli’s“ eröffnet.

Vielleicht liegt es an der Aussprache, dass sich manche Deutsche – jung und alt – mit meinem Namen schwertun. Das dt. „Jot“, heißt auf Englisch „Dschäj“ wie in „buon giorno“ und reimt sich mit „play“.

Was ich aber nie verstanden habe: Manche Deutsche sagen zu mir „Pi-dschi“ und nicht „Pi-Dschäj“. Dafür hab ich wirklich keine Erklärung.

Die Bekannte meiner einstigen Lebensabschnittspartnerin strahlte jedesmal, wenn sie mich kommen sah: „Ach, schau! Da kommt der David. Ich kann mit ihm Englisch üben!“

„Warum nennt sie mich immer David?“ fragte ich meine Lebensabschnittspartnerin.

„Weil sie mit ‚P.J.‘ nichts anfangen kann und denkt, du siehst aus wie ein David.“

„Ich halt es nicht aus.“

„Ach, P.J.-lein, sei nicht so streng.“

Andere nannte mich, ohne zu fragen, „Paul-Joseph“. Damit konnte ich aber gut leben. Es mutete in meinen Ohren irgendwie nach Johann Sebastian oder Wolfgang Amadeus an. So nenne ich mich inzwischen selbst, wenn ich mich amtlich erkenntlich machen muss. Immer mit Bindestrich, versteht sich.

Was ich aber nicht dulde: wenn mich jemand „Paul“ nennt. Ich gebe zu: Der Name hört sich auf Deutsch okay an. Nicht aber auf Englisch, zumindest meinen Ohren nicht. Vielleicht liegt es daran, dass sich „Paul“ und das „thal“ in Blumenthal reimen. Dazu: Der Rhythmus geht meines Erachtens völlig daneben, klingt billig. Heute bleibt „Paul“ lediglich meiner Mutter, meinem Bruder, meiner Babysitterin und noch ein paar Verwandten und Freunden aus meiner Kindheit vorbehalten.

Als 2003 mein Buch über Wolfskinder, „Kaspar Hausers Geschwister“, erschien, erfuhr ich vom Verlag, dass „P.J. Blumenthal“ als Autorenname nicht zulässig sei. Den Grund hab ich zum Glück vergessen. Ich wurde natürlich auf diese Nachricht sehr ungehalten und wäre bereit gewesen, das ganze Projekt zu schmeißen, wenn man mir meinen Namen wegnähme. Es kam nicht dazu.

Ähnliches habe ich bei der SZ erlebt. Man wollte meinen Leserbrief nicht veröffentlichen. Der Grund: Man könnte meinen, ich verstecke mich hinter dem Namen „P.J. Blumenthal“. Ich fragte, ob auch O.W. Fischer und E.T.A. Hoffmann und vielleicht T.S. Eliot keine Leserbriefe bei der SZ veröffentlichen dürften. Die SZ ruderte zurück.

Alles komisch, nicht wahr? Ich meine, letztendlich hat man nur den eigenen Namen. Und noch dazu: Er allein bleibt übrig, wenn man tot ist - und das tut er zum Guten und zum Bösen, versteht sich.

Vom Aussterben bedroht: sibirische Tiger und Altphilologen

Heute nenne ich Namen.

Vor zwei Wochen war ich auf einem Vortrag der Petronian Society, Munich Section. Wahrscheinlich kennen Sie diese Gesellschaft nicht. Es würde mich nicht wundern.

Die Petronian Society ist ein Treffpunkt für Altphilologen (m. und w.). In einer entspannten und unterhaltsamen Atmosphäre informieren Gastredner über Themen der römischen und griechischen Antike. In München wird die Society vom emeritierten Professor Niklas Holzberg (erster Name) liebevoll betreut.

Ich kann mir vorstellen, dass die Altphilologie nicht unbedingt mittig auf Ihrem Radarschirm – und wahrscheinlich nicht einmal am Rande – steht. Deshalb ist das Gebiet der römischen und griechischen Antike – samt lateinischer und altgriechischer Sprachen – auf der Liste der bedrohten Arten gelandet ebenso wie der sibirische Tiger und das weiße Nashorn.

Auch das Nutzen dieser Wissenssparte fürs praktische Leben ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Auf der Uni zählt sie deshalb zu den „Blümchenfächern“. Wer sie studiert, bekommt, wenn es gut geht, vielleicht eine Stelle als Journalist(in) oder Lektor(in). Falls es nicht gut geht, ist das Arbeitsamt gern bereit, Studierende der Altphilologie umzuschulen.

Hat die Altphilologie ein Nutzen? Aber selbstverständlich! Falls man es vergessen hat: Unsere westliche Zivilisation fußt (neben der christlich-jüdischen Tradition) auf der griechisch-römischen Antike.

Nebenbei: Der Islam spielt für den Westen eine viel geringere Rolle – auch wenn es doch einige wesentliche Berührungspunkte gegeben hat. Das ist aber ein anderes Thema.

Aber nun zum besagten Vortrag bei der Petr. Soc. in München. Gastredner war Professor (em.) Werner Suerbaum (zweiter Name). Sein Thema lautete:
„Von der Welttrauer um den römischen Kronprinzen Germanicus 20 n. Chr. – zum privaten Schmerz einer bürgerlichen Witwe um 1900“

Hier der Inhalt kurz zusammengefasst: Im Jahr 20 n. Chr. in Antiochus starb der römische Kronprinz Germanicus. Er war in der damaligen Zeit eine Art Rockstar, und sein Tod löste in Rom eine Betroffenheit aus wie man sie nach dem Tod von Princess Di oder David Bowie kennt. Der Kronprinz wurde in Antiochus eingeäschert und in eine Urne nach Rom zurücktransportiert. Seine geliebte Frau Agrippina (Tochter des verst. Augustus Cäsar) begleitete die sterblichen Überreste nach Rom zurück, wo die trauernden Massen in die Straßen drängten, um einen Blick auf die Prominenz zu bekommen. Man weiß heute, dass es so war, weil der Historiker Tacitus darüber berichtet hat.

Wir springen jetzt ca. 1600 Jahre in die Zukunft. Plötzlich taucht in der bildenden Kunst Darstellungen von Agrippina auf, wie sie die Urne ihres verstorbenen Mannes zart umhegt. Das Thema wurde von verschiedenen Malern behandelt. Und jetzt nochmals ein Sprung in die Zukunft: Anfang des 20. Jahrhunderts tauchen nun Reliefs einer trauernden Frau mit Urne in Friedöfen auf. Diese Thematik wird sogar zum Renner. Man hat allerdings vergessen, dass diese Frau Agrippina ist.

Ich hab es auch nicht gewusst, bis ich Prof. Suerbaums Vortrag lauschte.

Kurz gesagt: Professor Suerbaum, inzwischen über 80, war in der Lage, den Werdegang einer Ikone zu beleuchten, den sonst niemand aufgefallen wäre. Und darum geht es: Die Altphilologie kann alles Mögliche anschaulicher machen. Wie heißt es so schön? Wer aus der Vergangenheit nicht lernt, wird von der Zukunft dafür bestraft.

Nebenbei: Prof. Suerbaums Kollege, Prof. Andreas Patzer (dritter Name), hat eine nicht minder faszinierende Einführung zum Vortrag gehalten. Leider ist auch er nicht mehr so ganz jung.

Umso mehr behaupte ich, dass die Altphilologen, und damit meine ich die Wächter der europäischen Vergangenheit, eine bedrohte Art sind.

Ach! Beinahe hätte ich vergessen: Wieso hat es so lange gedauert, bis die bildenden Künstler das Thema des Germanicus und Agrippina aufgriffen? Ich meine ca. 1600 Jahre waren inzwischen vergangen, seitdem der Kronprinz gestorben war. Diese Frage stellte ich Prof. Suerbaum. Seine klare Antwort: Weil erst kurz zuvor das Werk von Tacitus wiederentdeckt wurde.

Unsere Welt ohne Tacitus wäre insgesamt um einiges ärmer an Erklärungen.

Wie sagt man „Arsch“ auf Deutsch (oder die Kunst des Übersetzens)

Unehrliche Politiker und Beamte aufgepasst. Der Pechsee droht.

Wir befinden uns– nach Dante – im fünften Ring der Hölle.

Alles, was einem zu Lebzeiten an den Fingern geklebt hat, mutiert hier zu einem schwarzen Gebräu, in dem man meistens kopfunter befestigt bleibt. Pech gehabt (haha). Wer es wagt, die Oberfläche zu erstreben, wird von äußerst unfreundlichen Dämonen, die mit großen Mistgabeln ausgerüstet sind, traktiert und wieder nach unten gedrängt.

Doch kein Weilen bei den Gequälten heute. Vielleicht ein anderes Mal. Mich geht es um die Übersetzer. (Auch sie riskieren die Hölle).

Erst Folgendes: Dantes „Göttliche Komödie“ ist ein unterhaltsames und zum Teil sehr lustiges Werk. Das merkt man nicht immer, weil die Witze aus einem fernen Zeitalter stammen. Nur der Klamauk springt einem noch in die Augen.

Kurz zur Handlung unserer Stelle: Der Erzähler (Dante) und sein Führer durch das Inferno, Vergil, brauchen die Hilfe der oben erwähnten Quälgeister, die im fünften Ring das Sagen haben, um weiter in den sechsten Ring zu kommen. Die Teufel bieten schier begeistert ihre Hilfe an, und geben ihrem Kommandanten das Signal ihrer Bereitschaft.

So klingt es im Italienischen des Spätmittelalters, wenn ein jeder Teufel dem Hauptmann gegenüber den Marsch bläst:

Ed elli avea del cul fatto trombetta. Wörtlich: “Und er machte aus seinem Arsch eine Trompete.”

Schön derb für unsere Ohren. Doch was machen diverse Übersetzer daraus?

Wir fangen mit einer deutschen Übersetzung aus der Mitte des 19. Jahrhundert an, von „Philalethes“ (Liebender des Vergessens). Hinter diesem Pseudonym steckt übrigens Johannes, König von Sachsen (1801-1873), der es neben seiner uferlosen Verwaltungsarbeit schaffte, eine großartige Übersetzung dieses Werkes anzufertigen. Hier seine Handhabung des Arsches, der Trompete wird:

Und der gebraucht den Hintern als Trompete.

Schön schlicht, meine ich. Dazu hat es seine Hoheit geschafft – wie Dante – die Betonung dieses Satzes auf „Trompete“, zu setzen. Allerdings macht Philalethes „cul“ (im heutigen Italienischen „culo“) zu einem „Hintern“. Geht das? Oder war er zu prüde „Arsch“ zu schreiben? Vielleicht. Andererseits: Wie klang „Hintern“ mitten im 19. Jahrhundert in den Ohren der Leser? Derb? Oder grenzwertig? Und wie klang „cul“ im 14. Jt. besonders grob oder nur ein bisschen unflätig? Ich weiß die Antwort nicht.

Aber weiter. Hier nun eine Übersetzung von August Vezin (1879-1963), seinerzeit einem angesehenen dt. Philosophen und Literaten. Seine „Göttliche Komödie“ erschien 1926. Vezin hat sich sogar die Mühe gemacht, das Werk in „terza rima“, ins Versformat also, das auch Dante verwendete, zu übertragen. Hier nun die letzten vier Zeilen vom Canto XXI:

Nun steckten sie aus breitem Maul die Zungen
Dem Hauptmann zwinkernd zu, zum Fürdermarsche
Bereit. Und Jener rief: „Linksum, ihr Jungen!“
Und gab das Marschsignal mit seinem…

Clever, das mit dem punktpunktpunkt. So kommt jeder auf seine Kosten – auch die Zensur.

Aber weiter: Als Kontrast nun eine neue, wortwörtliche Prosaübersetzung des bekannten Mediävisten Kurt Flasch (geb. 1930). Zum besseren Verstehen der ganze Satz:

Aber vorher hatte jeder zum Abschied von ihrem Führer die Zunge herausgestreckt, die Zähne gefletscht und aus seinem Hintern eine Trompete gemacht.

Nüchtern und genau – und der Akzent bleibt wie bei Dante (und Philalethes) auf „Trompete“. Nur wieder die Frage: Ist ein „Hintern“ ein „cul“?

Letztes Angebot: aus einer (meiner Meinung nach) sehr schönen englischsprachigen Übersetzung (1983) des amerikanischen Romanisten und Lyrikers Allen Mandelbaum (1926-2011):

And he had made a trumpet of his ass.

Ausgesprochen derb fürs englische Ohr. Bloß: Mandelbaum betont den „ass“ und nicht – wie bei Dante die „Trompete“. Vielleicht aus sprachrhythmischen Gründen (obwohl: „and he made his ass into a trumpet“ hätte, meine ich, auch funktioniert). Immerhin hat der Satz die Schlichtheit des Originals.

Tja, ich bleibe letztendlich sprachlos. Daher mein Fazit: Man liest etwas im Original oder man nimmt lauter Kompromisse in Kauf.

Aufgepasst unehrliche Politiker und Beamte…etc.

Jetzt wird’s irgendwie ernst

Wissen Sie, was der Unterschied ist zwischen einer Komödie und einer Tragödie?

Die Antwort ist eigentlich ganz easy. Eine Komödie ist eine düstere Geschichte, die gut ausgeht. Zum Beispiel Dantes „Göttliche Komödie“. Der Erzähler beginnt seine Reise in der Hölle, wo alle in Pech, Scheiße und im ewigen Eis völlig ohne Hoffnung ausharren. Am Schluss führt er uns Leser ins Paradies. Ende gut, also, alles gut.

Eine Tragödie hingegen ist genau das Gegenteil. Die Geschichte kann durchaus hoffnungsvoll beginnen. Man lernt einen glücklichen Menschen mitten im Leben kennen und zack! Auf einmal sackt das Lügengebäude zusammen und alles artet in die unaufhaltbare Katastrophe aus. Ödipus, zum Beispiel, ist ein glücklicher Tyrann. Doch dann fängt die Kacke zu dampfen an. Am Schluss hat er alles verloren – auch sein Augenlicht.

Diese paar Brocken aus meiner humanistischen Erziehung teile ich Ihnen gerne mit, weil ich selber zum wiederholten Mal überlege, ob mein eigenes Leben eher tragisch oder komisch verlaufen ist.

Bei mir geht es – wie immer – um die Sprache.

Wie manche Leser bereits wissen, wurde mir die deutsche Sprache nicht in die Wiege gelegt. Ich war bereits 28 Jahre alt, als ich mich mit ihr ernsthaft auseinanderzusetzen begann. Inzwischen sind es ca. 40 Jahre. O Gott, hab ich mein Alter verraten!? Und Fakt ist: Ich stelle nach 40 Jahren zu meinem Verdruss fest, dass ich diese deutsche Fremdsprache nie hundertprozentig beherrschen werde. Ich gebe zu: Keiner würde behaupten, dass ich mich nicht fließend (und manchmal auch differenziert) in der Fremdsprache ausdrücken kann. Doch der letzte Schliff – das unerforschliche bisschen Pfeffer und Salz – wird mir immer fehlen. Wenn das nicht wie der Stoff einer Tragödie klingt.

Für dieses Scheitern gibt es freilich Gründe:

Erstens: Ich war zu alt, als ich in diese Sprache hineingestolpert bin. (Diese lange Geschichte werde ich Ihnen an dieser Stelle ersparen). Dass ich die Fremdsprache überhaupt so (beinahe) vollständig zu erlernen vermochte, liegt lediglich daran, dass ich mit 28 Jahren noch ziemlich unreif war. Ein gutmütiger Tölpel halt, was mir wiederum Gelegenheit gab, mit vielen Deutschen zu verkehren, die jünger waren als ich. Von daher war es möglich, das ich die Umgangssprache – in allen Facetten –erforschen konnte. Ein letzter Rest Kindheit also.

Zweitens: Ich war nie bereit, meine englische (viele sagen hier lieber „amerikanische“) Muttersprache aufzugeben. Warum denn auch? Ich liebe meine Sprache. Obendrein hatte ich viele englischsprachige Freunde. Dazu: Als ich meine Frau (mit der ich seit 35 Jahren zusammen bin) kennenlernte, wollte sie unbedingt mit mir Englisch reden. Warum nicht, hab ich gedacht. Sie kann es auch sehr gut. Jetzt ein Gegenbeispiel: Neulich hab ich einen Tontechniker kennengelernt, den ich eigentlich für einen deutschen Muttersprachler gehalten habe, bis er mir verriet, er sei Türke. Darüber hinaus: Er ist mit 29 Jahren nach Deutschland gekommen. „Wieso sprechen Sie Deutsch besser als ich?“ fragte ich sehr neugierig. Seine Antwort liegt auf der Hand: Er war damals ausschließlich mit Deutschen zusammen und hat kaum mehr Türkisch gesprochen – obwohl er mir mit Stolz berichtete, seine Kenntnisse seiner Muttersprache seien immer noch auf sehr hoher Ebene.

Drittens: Hmmm. Nein, es gibt nur die obigen zwei Gründe.

Die Erkenntnis, dass ich die äußersten Grenzen meiner Möglichkeiten in dieser Fremdsprache erreicht habe, hat mich verständlicherweise hart getroffen und ist für mich natürlich nicht ohne Folgen. Ich gedenke daher – mit Ausnahme dieses Blogs (oder vielleicht wenn ich mal einen Auftrag bekomme) – fortan nur noch in englischer Sprache zu schreiben. Gut möglich, dass ich beim Sprachbloggeur auch englischsprachige Seiten anbringen werde. Das weiß ich aber noch nicht.

Die wichtigste Frage lautet natürlich: Komödie oder Tragödie das Leben des Sprachbloggeurs?

Komödie natürlich! So ernst nehme ich mich auch wiederum nicht, dass ich zu jammern anfangen möchte.

Nein, liebe Lesende des Sprachbloggeurs: The best is yet to come…

Gedanken über DAS „Schmähgedicht“ (Nein! Nicht schon wieder!)

Ja, auch der Sprachbloggeur will sich die Finger an dieser heißen Sudelstelle verbrennen. Naja, nicht wirklich. Ich trage heute meine ofen-und-odelfesten Handschuhe.

Eine Sache bei dieser „Schmähgedichtaffäre“ macht mich besonders konfus. Bitte, liebe juristisch Versierte: Hab ich es nur geträumt, oder sind in Deutschland doch mit saftigen Geldstrafen zu rechnen, wenn jemand im Straßenverkehr ungeduldig wird und beim Überholen eines langsamen Fahrenden, diesen den „Vogel“ zeigt?

Vielleicht gilt diese Paragraphen aber nicht mehr. Ich bilde mir ein, dass ich früher solche Geschichten in der Boulevardpresse ständig gelesen habe. Und: dass es sogar einen richtigen Bußgeldkatalog gab, insbesondere wenn einer, z.B., einen Polizisten beleidigte. Leider hab ich die Fakten nur noch diffus im Kopf. Ich glaube „Arschloch“ lag bei 1000DM, „Arschgeiger“ bei…waren es 750DM oder 1500? Hab vergessen, ob ein „Arschloch“ billiger oder teurer war als ein „Arschgeiger“.

So viel weiß ich: Ein Bekannter musste mal 8000 Euro bezahlen, weil er einen Beamten mit „Nazi“ beschimpft hat. 8000 Euro? Das kommt mir irgendwie sehr hoch vor. Das hat er jedenfalls behauptet.

Ich fand solche Geschichten stets exotisch, weil in Amerika jeder jeden nach Belieben kostenlos beleidigt.

Aber falls es diese Gesetze doch noch gibt, geh ich davon aus, dass auch der türkische Präsident – als Privatmensch versteht sich – das Recht hat, seinen ZDF-Widersacher Herrn Böhmermann wegen Beleidigung zu verklagen.

Da ich nur selten fernsehe, hab ich die ereignisvolle Sendung verpasst, in der das „Schmähgedicht“ erstmalig ausgestrahlt wurde. Erst im Nachhinein habe den Text (nicht aber das Video) im Internet entdeckt und auch mehrmals gelesen.

Was mich besonders beeindruckte: Ich habe durch die Lektüre des „Schmähgedichts“ meinen dt. Wortschatz um drei neue Wörter vergrößert. Das passiert mir nach so vielen Jahren in Deutschland äußerst selten. Und zwar: „sackdoof“, „Gelöt“ und „Schrumpelklöten“. Die ersten zwei waren nicht einmal in „Küppers – Wörterbuch der deutschen Umgangssprache“ zu finden. Bei „sackdoof“ kann man sich freilich selbst ein Bild vom Sinn machen – ein ungewöhnliches Bild, aber immerhin. Was „Gelöt“ betrifft, da bin ich mir immer noch nicht sicher, dass ich die Bedeutung dieser Vokabel in diesem Zusammenhang verstehe. Vielleicht hab ich etwas Wichtiges übersehen. „Schrumpelklöten“ ist hingegen easy – auch wenn mir „Klöten“ bis dahin kein Begriff war. Kein Wunder aber. Das Wort ist Niederdeutsch, und ich lebe in Bayern. Es ist jedenfalls mit „Kloß“ verwandt. Man braucht nicht allzu viel Fantasie, um das resultierende Bild zu verstehen.

Tja, was gibt es sonst über dieses „Schmähgedicht“ zu sagen? Nur folgende Beobachtungen:

Als erstes fiel mir ein Aufsatz ein, den ich vor vielen, vielen Jahren gelesen hatte. Es ging um ein altes Brauchtum aus der ländlichen Türkei. Vielleicht war das in Anatolien. Das weiß ich nicht mehr. Zwei rivalisierende Jugendliche begegneten sich zu einem Schmähgedicht-Wettstreit. Wer das deftigste, witzigste und unter der Gürtellinie treffendste Gedicht improvisierte, galt als Sieger. Der Inhalt dieser Gedichte war nicht von dem Böhmermanns zu unterscheiden. Ich wollte mich wieder über diese uralte türkische Gepflogenheit genauer informieren, doch unter Stichwort „türkisches Schmähgedicht“ fand ich im Netz nur unzählige Seiten über die Rivalität Böhmermanns/Erdogans. Google ist wohl eine Mode-Suchmaschine.

Zweite Beobachtung: Ich kannte das Phänomen des Schmähgedichts ohnehin aus der römischen Lyrik. Bekannteste Vertreter dieses Genres waren Catullus und Martial. Ihre Beleidigungen hinkten mitnichten hinter derer Herrn Böhmermanns her.

Catullus hat, z.B., Julius Cäsar mit derart schrumpelklötelschen und auch sackdoofen Beleidigungen überhäuft, dass wir Heutigen meinen könnten, der Diktator hätte den Dichter einen Kopf kleiner machen können. Fehlanzeige. Cäsar hat des Dichters gehässige Beleidigungen gelassen hingenommen. Weil es damals in Rom üblich war, die Obrigkeit derb auf die Schippe zu nehmen.

Heißt das, dass die Römer mehr Humor hatten als manche heutige Politiker in der Türkei? Oder dass die Bewohner türkischer Dörfer humorvoller waren als diese Politiker?

Dritte Beobachtung: Ich, um ehrlich zu sein, fand Böhmermanns Gedicht sackdoof. Mir fiel bald Charlie Chaplins grandiosen Coup gegen Hitler („The Great Dictator“) als Vergleich ein – auch Billy Wilders geistreicher Angriff auf A.H. und Co. in „To Be or Not to Be“. Das ist aber eine ganz andere Klasse von Humor – und obendrein langlebiger.

Vierte Beobachtung: Nun ging mir ein Bonmot von Winston Churchill durch den Kopf: „German humor is no laughing matter“, sagte er. Doch dann dachte ich: Armer Churchill hat wohl Wilhelm Busch und Heinrich Heine nie gelesen.

Ende meiner Beobachtungen zum Thema „Schmähgedicht“.

Muttersprachler haben recht (auch wenn sie unrecht haben)

Ich war fest überzeugt, dass ich „Spiegel-Online“ bei einem Deutschfehler ertappt hatte. Mei, war ich stolz. Besagte Textstelle, eine Überschrift, lautete: „VW Vorstände bestehen auf hohen Bonuszahlungen“.

Ha! Gotcha! (got you) dachte ich. Es müsste eigentlich „auf hohe Bonuszahlungen“ heißen. Wie ein triumphierender Kreuzzügler marschierte ich nun, um etwas Brokkoli, Zucchini und Schwammerln zu kaufen, ins Paradies. Ich glaube, die guten Erdbeeren kamen auch auf die Theke.

Ich war am Zahlen und Eintüten und bestens gelaunt, als ich mich entschloss, meinen Sieg über Spiegel-Online Frau M., Chefin des Paradieses, mitzuteilen.

„Eine Frage über Sprache“, trillerte ich heiter.

Nun schaute mich Frau M. erwartungsvoll an. Vielleicht hat sie gedacht: Hmm. Welche Überraschung zaubert der Sprachbloggeur heute aus dem Hut?

„Klingt in Ihren Ohren folgender Satz richtig?“ Daraufhin trug ich den Spiegel-Online-Text vor.

Doch bevor Frau M. Zeit hatte, darauf zu antworten, funkte eine Kundin, die zufällig gegenüber von mir da stand, dazwischen: „Der Satz ist einwandfrei.“

Liebe Leser: Ich möchte an dieser Stelle auf die gängigsten Klischees über enttäuschte Hoffnungen verzichten, aber ich weiß nicht, wie ich das Auszischen der Luft, mit der ich mich aufgeblasen hatte, sonst schildern sollte. „Nein, das darf nicht sein“ war alles, was ich hervorbringen konnte.

„Doch, doch“, legte die Dame, ihrer Sache sicher, nach. „Es ist aber so. Nach ‚bestehen auf‘ steht auf Deutsch der Dativ.“

Das musste sie mehrmals wiederholen. Und jedesmal quittierte ich die Antwort mit einem verzweifelten „Wie soll man diese Sprache jemals lernen?“

Kaum zuhause konsultierte ich Dr. Google, da er alles weiß, um die Sache auf den Grund zu gehen. Jetzt wurde es spannend. Bald erfuhr ich, dass sich auch „Zwiebelfisch“, (bürgerlich Bastian Sick), ein leidenschaftlicher Kenner der dt. Sprache, mal mit diesem Thema befasst hatte. Sein Fazit:

„Bei ‚auf etwas bestehen‘ geht…beides [d.h. Dativ und Akkusativ - Anm. d. SB], man kann ‚auf seinem Recht bestehen‘ (wenn man darauf beharrt), und man kann ‚auf sein Recht bestehen‘ (wenn man es einfordert).“

Aha! dachte ich. Vielleicht hab ich ja doch recht. Eins irritierte mich dennoch: Wo liegt denn der große Unterschied zwischen „auf meinem Recht beharren“ und „mein Recht einfordern“?

Es ist keine dumme Frage, und ich war nicht der einzige, wie ich bald feststellte, der sie gestellt hatte. Am 26. Januar 2015, z.B., schrieb ein gewisser Julian auf der Webseite „Korrekturen.de“ über genau dieses Thema. Julian hatte damals im Duden gelesen, dass „bestehen auf“ mit Dativ im Sinne von „beharren auf“ und mit Akkusativ im Sinne von „einfordern“ gebraucht werden kann (wohl auch Bastian Sicks Quelle). Wozu Julian allerdings bemerkte: „Wobei man diesem Kriterium eine gewisse Schwammigkeit nicht absprechen kann.“

So ist es! stimmte ich erleichtert zu. Die Sache ist ja schwammig!

Auch eine gewisse Karla hatte sich am 23. April 2013 auf derselben Webseite zum Thema geäußert. „Ich würde keines von beidem als falsch bezeichnen“, meinte sie, „und also auch nicht nur eines als richtig, obwohl ich auch nur den Dativ gewöhnt bin.“

Hurra! jauchzte ich wieder erleichtert…doch eigentlich meinte ich „hurra für die Muttersprachler“. Denn für einen wie mich, den Dazugekommenen, gilt diese Entscheidungsfreiheit – dieses Infrage stellen der Sprache – nicht. Für mich, den Nichtmuttersprachler, darf in diesem Fall nur der Dativ als richtig gelten. Das ganze Rundherum bleibt für mich…auf ewig…nur edle Theorie – gut genug vielleicht für eine Glosse.

Ich denke manchmal an etwas, das mir ein Textchef antwortete, als ich vor vielen Jahren vor ihm eine Formulierung in meinem deutschen Text in Schutz nehmen wollte: „Schließlich ist es unsere Sprache, Herr Blumenthal.“

Dagegen hatte (und habe) ich nichts einzuwenden. (Achtung Flüchtlinge!)

PS Ich verstehe immer noch nicht, warum hier der Dativ korrekt ist.

Muttersprachler haben recht (auch wenn sie unrecht haben)

Ich war fest überzeugt, dass ich „Spiegel-Online“ bei einem Deutschfehler ertappt hatte. Mei, war ich stolz. Besagte Textstelle, eine Überschrift, lautete: „VW Vorstände bestehen auf hohen Bonuszahlungen“.

Ha! Gotcha! (got you) dachte ich. Es müsste eigentlich „auf hohe Bonuszahlungen“ heißen. Wie ein triumphierender Kreuzzügler marschierte ich nun, um etwas Brokkoli, Zucchini und Schwammerln zu kaufen, ins Paradies. Ich glaube, die guten Erdbeeren kamen auch auf die Theke.

Ich war am Zahlen und Eintüten und bestens gelaunt, als ich mich entschloss, meinen Sieg über Spiegel-Online Frau M., Chefin des Paradieses, mitzuteilen.

„Eine Frage über Sprache“, trillerte ich heiter.

Nun schaute mich Frau M. erwartungsvoll an. Vielleicht hat sie gedacht: Hmm. Welche Überraschung zaubert der Sprachbloggeur heute aus dem Hut?

„Klingt in Ihren Ohren folgender Satz richtig?“ Daraufhin trug ich den Spiegel-Online-Text vor.

Doch bevor Frau M. Zeit hatte, darauf zu antworten, funkte eine Kundin, die zufällig gegenüber von mir da stand, dazwischen: „Der Satz ist einwandfrei.“

Liebe Leser: Ich möchte an dieser Stelle auf die gängigsten Klischees über enttäuschte Hoffnungen verzichten, aber ich weiß nicht, wie ich das Auszischen der Luft, mit der ich mich aufgeblasen hatte, sonst schildern sollte. „Nein, das darf nicht sein“ war alles, was ich hervorbringen konnte.

„Doch, doch“, legte die Dame, ihrer Sache sicher, nach. „Es ist aber so. Nach ‚bestehen auf‘ steht auf Deutsch der Dativ.“

Das musste sie mehrmals wiederholen. Und jedesmal quittierte ich die Antwort mit einem verzweifelten „Wie soll man diese Sprache jemals lernen?“

Kaum zuhause konsultierte ich Dr. Google, da er alles weiß, um die Sache auf den Grund zu gehen. Jetzt wurde es spannend. Bald erfuhr ich, dass sich auch „Zwiebelfisch“, (bürgerlich Bastian Sick), ein leidenschaftlicher Kenner der dt. Sprache, mal mit diesem Thema befasst hatte. Sein Fazit:

„Bei ‚auf etwas bestehen‘ geht…beides [d.h. Dativ und Akkusativ - Anm. d. SB], man kann ‚auf seinem Recht bestehen‘ (wenn man darauf beharrt), und man kann ‚auf sein Recht bestehen‘ (wenn man es einfordert).“

Aha! dachte ich. Vielleicht hab ich ja doch recht. Eins irritierte mich dennoch: Wo liegt denn der große Unterschied zwischen „auf meinem Recht beharren“ und „mein Recht einfordern“?

Es ist keine dumme Frage, und ich war nicht der einzige, wie ich bald feststellte, der sie gestellt hatte. Am 26. Januar 2015, z.B., schrieb ein gewisser Julian auf der Webseite „Korrekturen.de“ über genau dieses Thema. Julian hatte damals im Duden gelesen, dass „bestehen auf“ mit Dativ im Sinne von „beharren auf“ und mit Akkusativ im Sinne von „einfordern“ gebraucht werden kann (wohl auch Bastian Sicks Quelle). Wozu Julian allerdings bemerkte: „Wobei man diesem Kriterium eine gewisse Schwammigkeit nicht absprechen kann.“

So ist es! stimmte ich erleichtert zu. Die Sache ist ja schwammig!

Auch eine gewisse Karla hatte sich am 23. April 2013 auf derselben Webseite zum Thema geäußert. „Ich würde keines von beidem als falsch bezeichnen“, meinte sie, „und also auch nicht nur eines als richtig, obwohl ich auch nur den Dativ gewöhnt bin.“

Hurra! jauchzte ich wieder erleichtert…doch eigentlich meinte ich „hurra für die Muttersprachler“. Denn für einen wie mich, den Dazugekommenen, gilt diese Entscheidungsfreiheit – dieses Infrage stellen der Sprache – nicht. Für mich, den Nichtmuttersprachler, darf in diesem Fall nur der Dativ als richtig gelten. Das ganze Rundherum bleibt für mich…auf ewig…nur edle Theorie – gut genug vielleicht für eine Glosse.

Ich denke manchmal an etwas, das mir ein Textchef antwortete, als ich vor vielen Jahren vor ihm eine Formulierung in meinem deutschen Text in Schutz nehmen wollte: „Schließlich ist es unsere Sprache, Herr Blumenthal.“

Dagegen hatte (und habe) ich nichts einzuwenden. (Achtung Flüchtlinge!)

PS Ich verstehe immer noch nicht, warum hier der Dativ korrekt ist.

Muttersprachler haben recht (auch wenn sie unrecht haben)

Ich war fest überzeugt, dass ich „Spiegel-Online“ bei einem Deutschfehler ertappt hatte. Mei, war ich stolz. Besagte Textstelle, eine Überschrift, lautete: „VW Vorstände bestehen auf hohen Bonuszahlungen“.

Ha! Gotcha! (got you) dachte ich. Es müsste eigentlich „auf hohe Bonuszahlungen“ heißen. Wie ein triumphierender Kreuzzügler marschierte ich nun, um etwas Brokkoli, Zucchini und Schwammerln zu kaufen, ins Paradies. Ich glaube, die guten Erdbeeren kamen auch auf die Theke.

Ich war am Zahlen und Eintüten und bestens gelaunt, als ich mich entschloss, meinen Sieg über Spiegel-Online Frau M., Chefin des Paradieses, mitzuteilen.

„Eine Frage über Sprache“, trillerte ich heiter.

Nun schaute mich Frau M. erwartungsvoll an. Vielleicht hat sie gedacht: Hmm. Welche Überraschung zaubert der Sprachbloggeur heute aus dem Hut?

„Klingt in Ihren Ohren folgender Satz richtig?“ Daraufhin trug ich den Spiegel-Online-Text vor.

Doch bevor Frau M. Zeit hatte, darauf zu antworten, funkte eine Kundin, die zufällig gegenüber von mir da stand, dazwischen: „Der Satz ist einwandfrei.“

Liebe Leser: Ich möchte an dieser Stelle auf die gängigsten Klischees über enttäuschte Hoffnungen verzichten, aber ich weiß nicht, wie ich das Auszischen der Luft, mit der ich mich aufgeblasen hatte, sonst schildern sollte. „Nein, das darf nicht sein“ war alles, was ich hervorbringen konnte.

„Doch, doch“, legte die Dame, ihrer Sache sicher, nach. „Es ist aber so. Nach ‚bestehen auf‘ steht auf Deutsch der Dativ.“

Das musste sie mehrmals wiederholen. Und jedesmal quittierte ich die Antwort mit einem verzweifelten „Wie soll man diese Sprache jemals lernen?“

Kaum zuhause konsultierte ich Dr. Google, da er alles weiß, um die Sache auf den Grund zu gehen. Jetzt wurde es spannend. Bald erfuhr ich, dass sich auch „Zwiebelfisch“, (bürgerlich Bastian Sick), ein leidenschaftlicher Kenner der dt. Sprache, mal mit diesem Thema befasst hatte. Sein Fazit:

„Bei ‚auf etwas bestehen‘ geht…beides [d.h. Dativ und Akkusativ - Anm. d. SB], man kann ‚auf seinem Recht bestehen‘ (wenn man darauf beharrt), und man kann ‚auf sein Recht bestehen‘ (wenn man es einfordert).“

Aha! dachte ich. Vielleicht hab ich ja doch recht. Eins irritierte mich dennoch: Wo liegt denn der große Unterschied zwischen „auf meinem Recht beharren“ und „mein Recht einfordern“?

Es ist keine dumme Frage, und ich war nicht der einzige, wie ich bald feststellte, der sie gestellt hatte. Am 26. Januar 2015, z.B., schrieb ein gewisser Julian auf der Webseite „Korrekturen.de“ über genau dieses Thema. Julian hatte damals im Duden gelesen, dass „bestehen auf“ mit Dativ im Sinne von „beharren auf“ und mit Akkusativ im Sinne von „einfordern“ gebraucht werden kann (wohl auch Bastian Sicks Quelle). Wozu Julian allerdings bemerkte: „Wobei man diesem Kriterium eine gewisse Schwammigkeit nicht absprechen kann.“

So ist es! stimmte ich erleichtert zu. Die Sache ist ja schwammig!

Auch eine gewisse Karla hatte sich am 23. April 2013 auf derselben Webseite zum Thema geäußert. „Ich würde keines von beidem als falsch bezeichnen“, meinte sie, „und also auch nicht nur eines als richtig, obwohl ich auch nur den Dativ gewöhnt bin.“

Hurra! jauchzte ich wieder erleichtert…doch eigentlich meinte ich „hurra für die Muttersprachler“. Denn für einen wie mich, den Dazugekommenen, gilt diese Entscheidungsfreiheit – dieses Infrage stellen der Sprache – nicht. Für mich, den Nichtmuttersprachler, darf in diesem Fall nur der Dativ als richtig gelten. Das ganze Rundherum bleibt für mich…auf ewig…nur edle Theorie – gut genug vielleicht für eine Glosse.

Ich denke manchmal an etwas, das mir ein Textchef antwortete, als ich vor vielen Jahren vor ihm eine Formulierung in meinem deutschen Text in Schutz nehmen wollte: „Schließlich ist es unsere Sprache, Herr Blumenthal.“

Dagegen hatte (und habe) ich nichts einzuwenden. (Achtung Flüchtlinge!)

PS Ich verstehe immer noch nicht, warum hier der Dativ korrekt ist.

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