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Meme und „me me“

Nie wollte ich, so hab ich mir immer gesagt, eine Glosse über das „Mem“ (Plural „Meme“) schreiben. Und siehe da: Jetzt habe ich es trotzdem getan.

Dieses knappe Wort (aus dem englischen „Meme“ - sprich „miem“ - , Mehrzahl „Memes“) ist eine Erfindung des Biologen Richard Dawkins und erblickte erst 1976 in dessen Buch „Selfish Genes“ das Licht der Welt. These des Buches: Es gibt so etwas wie kein echtes Mitgefühl. Alle Lebewesen (inklusive der Mensch) haben stets nur Eigeninteresse im Sinne. In der Sprache der Biologie ausgedrückt: Man will lediglich die eigenen Gene (Englisch „Genes“) weitervererben.

Schöne Vorstellung, gell?

Ein gängiges Beispiel dieses „me me me“ (also „mir mir mir“)-Phänomens bieten die Löwen. In deren Kreisen gilt es als sittenkonform, wenn ein junger, dynamischer Löwe einen alternden Rudelpatriarchen vertreibt und dessen Rudel für sich einnimmt. Seine erste Handlung als neuer Herr im Haus besteht nun darin, die putzigen Löwenbabys seines Vorgängers zu erschlagen.

Warum? Um durch die darauf folgende Begattung der Weibchen nur mehr die eigenen Gene fortzupflanzen. Dawkins präsentiert viele lebhafte Beispiele dieses Phänomens und behauptet, dass das gleiche Prinzip ebenso aktiv im Menschen ist wie im Tier. Ihm zufolge ist das, was wir Menschen „Selbstlosigkeit“ nennen, so gut wie nichtexistent. Eigennutz herrscht.

Schöne Vorstellung, gell?

Mag sogar sein, dass der Biologe recht hat, zumindest, was die Tiere betrifft. Die Behauptung, dass Menschen nicht in der Lage sind selbstlos zu agieren, halte ich hingegen für unseriös.

Aber egal. Dawkins Buch über die selfish genes sollte letztendlich auch die eigene Existenz als Biologe befruchten. Das Buch handelt zwar von der Fortpflanzung der eigenen Gene; zugleich aber dachte sich der schlaue Wissenschaftler den Begriff „Mem“ aus - quasi als geistiges Pendant zum Gen. Was sind „Meme“? Es sind die Ideen, die Verhaltungsweisen, die Moden, die sich in der Menschenkultur „fortpflanzen“ und diese beeinflussen.

Meme sind also wie Gene. Nur man muss keine Löwenbabys abmurksen, um sie weiterzugeben. Es reicht die Öffentlichkeit.

Heute ist das „Mem“ zu einem wichtigen Begriff der Informationstheorie geworden. Bilder, Sprüche, Videos usw., die sich wie der Blitz durch das digitale Netzwerk ausbreiten, etwa Aufnahmen von Kates Brüsten, von Justins Gemächt, von einem Skater, der auf der Nase platscht, von der nackten Disko-Oma, ja, und Fake News, Berichte über die Illuminati, Chemtrails usw. bezeichnet man allersamt als „Meme“.

Inzwischen ist auch das „Mem“ zum „Mem“ geworden. Way to go, Richard.

Ich wollte aber, wie oben gesagt, niemals über die „Memes“ schreiben. Nicht weil das Thema mich nicht interessiert, sondern aus einem, tja, persönlichen Grund. Fakt ist: Die Meme erinnern mich zu sehr an meinem ehemaligen Chef. Dieser Mann mochte mich nicht besonders. Von daher suchte er stets nach einem Anlass, mich zu entledigen, was ihm allerdings nie gelungen war. Im Gegenteil: Man hat ihn und nicht mich vor die Tür gesetzt. So ist das Leben.

Über alles aber liebte er die „Meme“ und hatte immer unheimlich viel darüber zu erzählen. Mein Unwissen übers Thema war für ihn wie ein Fettfleck auf seinem frischen Hemd.

Na ja. Irgendwie hat es doch zwischen uns notgedrungen funktioniert, war aber furchtbar anstrengend - besonders für mich. Nachdem er gegangen wurde, hatte ich nie wieder Kontakt zu ihm.

Doch neulich, als ich in The New York Times einen Artikel über „Memes“ las, hab ich wieder an ihn gedacht. Der Titel der Story: „Brands tackle an online foe: The meme.“ Zu Deutsch: Markennamen stehen im Clinch mit einem Online-Feind: dem Mem. Es ging um Folgendes: Wenn eine Firma - etwa in der Werbung - einen Fehler begeht, breitet sich dieser Fehltritt eiligst als Mem durchs Sozialnetz aus. Für Multis kann das sehr peinlich - und teuer - werden.

Nachdem ich obigen Titel gelesen hatte, fiel mir mein ehemaliger Chef, der Memliebende, wieder ein. Ob er an selfish genes glaubte, weiß ich nicht. Ich hoffe jedenfalls, dass es ihm gut geht.

Walpurgisnacht 4.0

„Hallo Walpurga! Rate mal, wer am Telefon spricht.“

„Ähmmm, bist du es, Maximilian?“

„Ja! Ich bin’s. Wie geht’s dir?“

„Ach, was soll eine alte Frau sagen…“

…ich werde dieses Gespräch nicht fortführen. Ich hoffe aber inbrünstig, dass Walpurga nicht so verdattert ist, dass sie dem „Maximilian“ (bzw. dessen „Freund“) 30.000 Euros plus einige Goldmünzen aus der Zeit von Kaiser Wilhelm II. in die verlogenen Pfoten gibt.

Irgendwie bin ich aber zuversichtlich, dass es nicht so werden wird. Immerhin: „Walpurga“ bedeutet in den alten germanischen Sprachen „Burgherrscherin“, „Schutzberg“ etc.. Vielleicht kriegt Maxi und Freund eine von der alten Tante auf die diebische Birne und dürfen dann ein paar Jährchen auf unseren Kosten im Kittchen verspeist werden.

Nicht von ungefähr greife ich heute den Namen Walpurga auf. Denn erst vor ein paar Tagen hatten wir „Walpurgisnacht“, genannt nach der angelsächsischen Heiligen Walpurga, die im 8. Jahrhundert lebte. Ihre Feier - die, nach der früheren Tagezählung von Sonnenuntergang zu Sonnenuntergang erstreckte, vom 30. April bis zum 1. Mai also, huldigt den Maianfang.

Noch heute wird an manchen Orten (hauptsächlich auf dem Land) Walpurgisnacht mit großen Feuern gefeiert - ich glaube, es geht darum, die bösen Dämonen endgültig auszutreiben. Zur Erinnerung: Der österreichisch- deutsche „Führer“ nahm sich in der Walpurgisnacht das Leben.

Gestern erhielt ich eine liebenswürdige Mail von Herrn W.: „Halloween gehört nicht zu Deutschland“, schrieb er, „… wo ist die Walpurgisnacht vom 30. April zum 1. Mai geblieben? Die war hier lange Zeit Tradition…“

Stimmt, habe ich gedacht. Und siehe da: Bei mir um die Ecke haben Unbekannte punkt in der Walpurgisnacht das Wort „Freinacht“ (so nennt man die Walpurgisnacht in München) mit Rasierschaum an einer Hauswand gesprüht.

Herr W. hat eine nachvollziehbare Erklärung, weshalb die Walpurgisnacht heute im Gegensatz zum amer. Import Halloween keine Lobby hat: „Sie bringt keine Umsätze.“ Aha! hab ich abermals gedacht.

Und weiter schreibt er: „Ich hörte, sah und las bisher nichts von der bevorstehenden Walpurgisnacht. Das hat auch damit zu tun, dass die Großindustrie immer mehr Macht über die Medien besitzt…“ Wieder Aha!

Und weil Herr W. recht hat, nun folgendes Plädoyer an diejenige Sprachbloggeurleser/innen, die zufällig auch führende Stellen bei der Großindustrie innehaben: Denken Sie, liebe Großindustrielesende, daran, dass die Walpurgisnacht eine dicke Marktlücke darstellt, die man mit dem gewinnbringenden Verkauf von allerlei Produkten füllen könnte - Kostüme, zum Beispiel. Denn Hexen und Hexenmeister spielen in dieser Nacht eine hübsche Rolle. Oder Rasierschaum. Oder Blumen und so ein Zeug, um den Mai einzuleiten.

Ja, und die vielen tollen Walpurgisnacht Partys. Das heißt denn auch Accessoires verkaufen. Ähmm ähmmm…

Na ja, das sind von mir nur ein paar Ideen aus dem Stegreif. Andere Leute hätten bestimmt noch viel lustigere Einfälle.

Übrigens: Gib acht, lieber „Maximilian“, Tante Walpurga wachsen Haare auf den Zähnen. Sie lässt sich nicht von Dummköpfen wie dir und deinem „Freund“ ausnehmen. Schließlich ist hier die Rede von Walpurgisnacht 4.0.

Häppi Börssdäj tu ju

Ich gebe zu: „Herzliche Glückwünsche zum Geburtstag“ flattert nicht gerade wie flüssiger Honig über die Zunge. Auch „Alles Gute zum Geburtstag“ wird nie einen Preis für Wohlklang gewinnen.

Meinem Gefühl nach liegt das Problem an den vielen Kehllauten („G“ und „K“). Das dreimal „Z“ (einmal als „ts“ geschrieben) trägt auch nicht unbedingt dazu bei, aus diesem Glückwunsch eine wohlklingende Melodie zu erzeugen. „Alles Gute zum Geburtstag“ bringt keine Besserung. Leider.

Könnte das der Grund sein, weshalb heute in Deutschland bereits jede(r) Dreijährige freudig kreischt „Häppi Börssdäj!“, wenn er/sie jemanden beglückwünschen will?

Ich kam auf diesen Gedanken, als ich im Schreibwarengeschäft anstand, um Briefmarken zu kaufen. (Zu beachten: Viele kleine Geschäfte sind inzwischen Postfilialen geworden. Ohne das zusätzliche Einkommen würden sie schnell untergehen, und bald würde an der Stelle ein Handygeschäft, ein Nagelstudio, ein Immobilienbüro oder ein internationales Klamottengeschäft einziehen. Man tut, was nötig ist, um zu überleben. Gell?).

Neben mir, war ein drehbaren Ständer mit Glückwunschkarten, und nun stellte ich fest, dass die meisten Geburtstagskarten nicht mit „herzliche Glückwünsche…usw.“ beschriftet waren, sondern schlichtweg mit „Happy Birthday!“

Ich kann mich nur vage erinnern, wie es war vor zwanzig oder dreißig Jahren. Ich weiß aber, dass praktisch jeder „Herzliche Glückwunsche…etc.“ heraussprudelte, wenn eine(r) Geburtstag hatte. Damals kam dem jungen Amerikaner (mir!), diese Formulierung recht holprig vor. Die Glückwunschkarten der damaligen Zeit waren aber noch ärger.

Irgendwie wirkt „happy birthday“ doch spritziger. Oder? Z.B.:

„Guck: Dieses Jahr kosten die Kerzen mehr als der Kuchen! Happy Birthday!“ Das habe ich auf einer Karte gelesen. Oder: „Man wird alt wie ein Haus, und alle ziehen aus! Happy Birthday!“ So sind die frechen Geburtstagskarten der Generation 3.0.

In unserer Familie, haben wir schon immer „Happy Birthday to you, H.B. to you…usw.“ angestimmt, wenn einer Geburtstag hatte. Aber schließlich bin ich Amerikaner.

Allerdings: Nach Singen jenes bekanntes Textes, folgte gleich eine weniger bekannte Variante (mit selber Melodie):

„Happy Birthday to you,
you belong in the zoo.
You look like a monkey,
and you act like one too.”

Es sollte Bescheidenheit lehren.

Doch auch deutsches Liedergut kam bei uns nicht zu kurz. Denn gleich nach dem amerikanischen Brauch folgte die deutsche Show:

„Hoch soll er(sie) leben,
hoch soll er(sie) leben,‘
dreimal hoch!“

Selbstverständlich wurde dieses Lied dreimal vorgetragen. Es war, wenn ich mich nicht täusche, ursprünglich eine Reingabe meiner Schwiegermutter. Wer weiß, wie alt es ist. Für mein Ohr klingt es jedenfalls wie das Trinklied einer Burschenschaft aus dem 19. Jahrhundert.

Egal. Heute leben wir, mir nix dir nix, im Zeitalter des Happy Birthday, und das bleibt (wohl eine Weile) so, bis…

Aber vielleicht haben Sie heute Geburtstag?! Man kann’s nicht wissen.
Falls ja, wünscht der Sprachbloggeur happy birthday to you!

„Face-plant“?

Zum Auftakt etwas für die Profis, d.h., für diejenigen, die mindestens ihre Habilitationsschrift im Fach Anglistik bzw. Amerikanistik hinter sich haben:

Es folgt ein Satz aus einem politischen Kommentar des amer. Ökonoms Paul Krugman. Ich habe nämlichen Text in der International New York Times vom 8. April 2017 aufgelesen.

Zitat:

„Repeal-and-replace didn’t face-plant because of poor tactics; it failed because Republicans have been lying about health care for eight years.“

Thema dieses Satzes ist der Umgang der regierenden republikanischen Partei in den USA mit „Obamacare“, der Krankenkassenreform des ehemaligen Präsidenten Obama. Die Republikaner hatten die Absicht, so Krugman, dieses Gesetz abzuschaffen (repeal) und durch ein eigenes zu ersetzen (replace).

Soweit so gut; aber jetzt wird die Sache auf der sprachlicher Ebene etwas kniffliger - zumindest mir. Denn ich, der ich amer. Muttersprachler bin, stellte fest, dass mir das Wort „face-plant“ unbekannt war.

Dass es sich um ein Verb handelte, war mir freilich klar, „to face-plant“, also. Außerdem: Der Aufbau des Satzes ließ ahnen, dass das Wort irgendwie gleichbedeutend mit „fail“, also „scheitern“, war.

Vielleicht wissen manche Leser - auch ohne Habil - mehr über obigen Begriff als ich. Das kann durchaus der Fall sein. Aber egal: Nun wollte ich herausfinden, was mit „face-plant“ gemeint ist.

Vor fünfundzwanzig Jahren hätte ich in dieser Situation einen Ausflug in die Bibliothek antreten müssen, um dort in einem dicken Lexikon der englischen Umgangssprache nach Antworten zu suchen. Trotzdem wäre ich womöglich auf keinen grünen Zweig gekommen -, z.B. wenn das Wort brandneu gewesen wäre und noch nicht erfasst wurde.

In dem Fall hätte ich für viel Geld einen Anruf in die USA getätigt, um einen Freund (heute „Joker“ genannt) zu kontaktieren in der Hoffnung, er wisse mehr als ich. Oder ich hätte einen Brief schicken oder (ganz auf der Höhe der Technologie) ein Fax schreiben können.

Heute wendet man sich mühelos an Onkel Google, was ich auch gemacht habe. Innerhalb weniger Sekunden hatte ich meine Antwort. Ach! Wir leben wahrlich in einem goldenen Zeitalter, wo Wünsche (zumindest einige) unmittelbar befriedigt werden.

Aber zurück zum „face-plant“. Ratzfatz habe ich meine Antwort im „Urban Dictionary“ entdeckt. Übrigens. Falls Sie es nicht kennen: Das „Urban Dictionary existiert seit ca. 15 Jahren. Jeder Benutzer hat die Freiheit, jedweden Slangbegriff nach eigenem Gutdünken zu definieren. So ist daraus ein wahrhaftiges Volkslexikon der Popsprache entstanden. Im Fall von „face-plant“ habe ich Deutungen entdeckt, die bis ca. 2003 zurückgehen. (Notabene: Nach Merriam-Webster taucht das Wort „face-plant“ zum ersten Mal 1982 auf).

Was ist eine Gesichtspflanze? Sie beschreibt den Zustand eines Menschen, wenn er aufs Gesicht fällt und mit Gesicht am Boden daliegt - als wäre das Gesicht zur Pflanze geworden, die in dieser schmerzhaften Stellung Wurzeln schlagen könnte. Sowas passiert Skaters und auch Radlern immer wieder. Leider.

„Face-plant“ als Verb wird von dict.cc mit „auf die Fresse fallen“ übersetzt, was mit dem Englischen ziemlich genau übereinstimmt.

Im Satz von Paul Krugman heißt der Begriff also doch „scheitern“. Klares Bild.

Und jetzt sind Sie, liebe Lesende, - compliments of the Sprachbloggeur - über die „face-plant“ bestens informiert. Ende der Aufnahme. Klick!

Mein bad hair day

Hierzulande sträuben sich einem die Haare, oder die Haare stehen einem zu Berge. Man kann sich auch in die Haare kriegen. Einen Tag der schlechten Haare kennt man jedoch nicht.

Vielleicht ist „Bad hair“ ein amerikanisches Problem. (Notabene: Mir schwebt die präsidiale Tolle nicht unbedingt vor. Sie soll übrigens, so hab ich gelesen, ihre Ursache ohnehin im Medikament Finasterid haben. Schlagen Sie unter „Finasterid“ nach). Einen „bad hair day“ hat jede(r) Amerikaner(in) - zumindest manchmal. Ich glaube aber, dass es sich trotzdem nicht um ein uraltes amer. Leiden handelt. Als ich nach Deutschland kam, hatte noch keiner einen bad-hair-Tag.

Dennoch ein lustiges Bild. Oder? Leider lässt es sich aber nicht eins zu eins ins Deutsche übertragen wie etwa „Haut und Haar“ (engl „hide and hair“) oder „Haare auf den Zähnen“ („hair on his(her) teeth“). Nicht traurig sein, liebe Deutsche. Die dt. Sprache hat ausreichend eigene lustige Bilder produziert, die im Englischen fehlen. Z.B.: „Mit der Tür ins Haus fallen“ oder „nicht alle Tassen im Schrank haben“.

Bei dict.cc fand ich immerhin „Frisurdebakeltag“. Klingt lustig, aber, Hand aufs Herz: Haben Sie’s mal gehört? Ich nie.

„Scheißtag“ steht auch bei dict.cc. Dem Sinne nach wenigstens eine ziemlich genaue Übersetzung. Bloß man denkt gleich ans Fäkale. Bää. Oder „Schlechter Tag“. Langweilig. Last but not least heißt es bei dict.cc „Tag, an dem alles schiefgeht.“. Ja, und genau das passiert an einem „bad hair day“…

…und jetzt kommen wir endlich zu meinem „bad hair day“.

Immerhin hat es gut angefangen. Mein Arzt hat mir an dem Tag sogar gute Gesundheit bescheinigt: Blutdruck in Ordnung, EKG okay.

Doch dann kam ich nach Hause und wollte ein paar Mails schreiben. Nun aber vernahm ich in der nahen Ferne ein explosivartiges Geräusch, das schien, irgendwo in der Wohnung entstanden zu sein. Es klang wie ein Zischen - als hätte jemand eine Rakete gezündet, die nun ungezügelt durch die Wohnung sauste.

Natürlich wurde ich neugierig. Ich stand auf und marschierte los. Erst in der Küche stellte ich fest, was passiert war. Etwas Schreckliches sogar: Am Spülbecken schoss vor meinen Augen ein übel riechendes Gebräu unkontrolliert in die Höhe wie ein Geysir. Es blubberte und zischte wie verrückt. Die Hängeregale oberhalb vom Spülbecken waren bereits voll mit einem schwarzen Schlamm besudelt. Es kam mir vor, als ob Vesuv - ausgerechnet in meiner Küche - hochgegangen wäre.

Aber nun wurde es noch schlimmer. Das dreckige Wasser stieg konstant, und plötzlich schwappte es über den Rand des Spülbeckens über. Auf dem Boden war bald Landunter. Alles ging so schnell. Ich war hilflos. Ich holte einen Eimer und schöpfte so geschwind wie möglich das dreckige Gebräu aus dem Spülbecken und schüttete es ins Klo.

Irgendwann hörte das schwarze Schlammwasser auf, weiter zu steigen. Ich langte ans Telefon und zum Glück erreichte ich nach kurzer Zeit den Hausmeister. Er kam vorbei, schaute nicht schlecht und holte - eiligst - eine Rohrreinigungsfirma.

Bald standen zwei starke Männer mit schwerer Artillerie vor der Tür. Sie gaben mir beide die Hand, fragten, wie es mir gehe und betraten freundlich die Wohnung. Sie waren wahnsinnig nett und ruhig und haben meiner offenbar erbarmt. Innerhalb einer Viertelstunde hatten sie das Problem beseitigt. Magie. Sie haben sogar den Boden gewischt.

Ja, es war ein bad hair day. Nicht nur wegen des Schlammwassers. Es passierten auch verschiedene meist kleinere Malheure, die kollektiv den Fass immer wieder zum überlaufen brachten. Anrufe, Paketdienste, auch meine Mutter rief an. Sie erzählte mir, dass jemand in ihre Wohnung (sie lebt in einer Seniorenanlage) gekommen wäre, während sie nicht zuhause war. Dieser Mensch habe sich an der Schokolade herangemacht, die ich ihr zum Geburtstag geschenkt hatte. Nein, meine Mutter ist nicht dement. Dies ist tatsächlich passiert. Wirklich seltsam.

Na ja, am Abend war es mit den schlimmen Dingen endlich vorbei. Ich hatte Glück. Und deshalb bin ich heute in der Lage, über meinen bad hair day zu berichten.

Gehen Bärenhäuter huren und buben? (Gewiss!)

Sprachbloggeur: Gestern hab ich einen Fuchs beinahe geschossen.

Besserwisser: Entschuldigung, Herr Sprachbloggeur, schöner wäre eigentlich, „Gestern hab ich einen Fuchs beinahe erschossen. Und hoffentlich hatten Sie guten Grund, so etwas zu machen, z.B., dass er tollwütig war. Hoffentlich aber nicht, um ihm das Fell abzuziehen, sonst verpetze ich Sie bei PETA.

Sprachbloggeur: Aber bitte, ich bin doch kein Bärenhäuter.

Besserwisser: Aber womöglich ein „Fuchshäuter“. Haha.

Sprachbloggeur: Gibt’s doch nicht. Ich kenne nur „Bärenhäuter“. Ist ohnehin nicht mein Thema. Ich wollte vielmehr erzählen, dass ich gestern einen Fuchs beinahe geschossen habe.

Besserwisser: Und ich habe Sie korrigiert. Man erschießt, lieber Sprachbloggeur, einen Fuchs, oder man schießt einen Fuchs an. Man schießt einen Fuchs aber nicht (außer vielleicht in der flotten Sprache der Zeitungen). Ich hoffe jedenfalls, Sie haben verschossen, was ich ohnehin annehme, weil sie „beinahe“ meinten.

Sprachbloggeur: Ich glaube, ich muss Ihnen erst erklären, was ich mit „Bärenhäuter“ meine, bevor wir übers Fuchsschießen reden.

Besserwisser: Bitte.

Ich werde Sie, liebe Lesende, mit obigem Gespräch nicht weiter strapazieren. Leider war mir der Besserwisser schon, bevor Ich jedes Missverständnis hätte ausräumen können, ins Wort gefallen. Das passiert einem Migrantler oft. Er will etwas erzählen, und da kommt plötzlich einer daher und will ihn prompt korrigieren, weil er meint, so einer mit Migrationshintergrund hat schon wieder etwas Falsches gesagt.

Auch meine leidgeprüfte Frau kann von diesem Phänomen ein Lied singen (tralala). In dieser Situation bin ich allerdings der Besserwisser. Manchmal sagt sie etwas auf Englisch (wir reden Englisch - schon seit immer), das mir falsch vorkommt, und ich verbessere sie. Doch dann stellt es sich heraus, dass man in Kanada, wo sie als Teenie gelebt hat, so redet. Der Besserwisser weiß halt nicht immer alles.

Was auch für den Besserwisser im obigen Auszug aus einem Dialog zutrifft. Er weiß, z.B., nicht, dass ich mich jetzt in Grimmelshausens, „Simplicissimus“ vertiefe und von daher mich mit der deutschen Sprache des 17. Jahrhundert auseinandersetze.

(Nebenbei: ein großartiges Buch! Wenn Sie wissen möchten, wie es war, ein deutscher Mensch im 17. Jahrhundert zu sein - genauer: während des Dreißig Jährigen Krieges - dann haben Sie in diesem Buch einen treuen Reiseleiter gefunden).

Aber zurück zum Bärenhäuter. Er ist, laut Grimm, das, was man heute „Primitivling“ oder „Grobian“ nennt. Manchmal wird das Wort bös gemeint, manchmal nur scherzhaft. Manchmal bezeichnet es lediglich ein „Faulpelz“.

Und nun endlich zum Fuchsschießen. Übrigens: Versuchen Sie mal, nur zum Spaß, dieses Idiom zu googeln. Wissen Sie was passiert? Sie werden auf unzählige Seiten gelotst, die mit…was sonst?...mit dem Erschießen von Füchsen, PETA usw. zu tun haben. Das allwissende Google weiß doch nicht alles.

Anders im 17. Jahrhundert. Damals haben alle Deutschen gewusst, was es heißt, einen Fuchs zu schießen. Z.B., wenn der besoffene Gouverneur zum jungen Simplicius Simplicissimus sagt: „…du Schuft, la-la-lang-langs Lavor, ich m-mu-muß e-ein Fu-Fuchs schießen!“ Was will er von dem naiven Teenie?

Er will ein „Lavor“, also einen Schüssel haben, weil es ihm derart übel ist, dass er sich übergeben muss. Wie es auch mir gestern beinahe ergangen ist - doch das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls: Damals sagte man „einen Fuchs schießen“ fürs Erbrechen. Nettes Bild, oder? Hat außerdem die passende Farbe.

Ja, man lernt viel, wenn man alte Bücher liest. Zum Beispiel, dass man „huren und buben“ sagte. Was „huren“ bedeutet, kann man sich vorstellen. Aber das „buben“: Die Bedeutung dieses Verbs wird vom prüden Grimm nur lateinisch wiedergeben, so unanständig war die Vorstellung. Unanständig aber offensichtlich weit verbreitet. Auch Luther schreibt „huren und buben“.

Willkommen, Kameraden, im Deutschland des 17. Jahrhunderts.

Vorsicht: Komma! (Kann teuer werden)

Deutschland, du hast es besser…

Nein, dies ist nicht der Anfang einer patriotischen Hymne (doch warum nicht?), sondern lediglich eine Beobachtung über ein winzig kleines, kaum bedachtes und doch so wichtiges Zeichen, das man auf Deutsch „Strich“ (klingt wie ein verruchtes Geschäft, ist doch manchmal, s. unten) oder „Komma“ nennt.

Eins steht fest: Das deutsche Komma ist ordnungssüchtig, hält sich an sehr präzisen Regeln. Weshalb der Guru der deutschen Grammatik, der Schweizer, Dr. Bopp (canoonnet), guten Gewissens schreiben darf:

„ Kein Komma vor und:
Die Grundregel gilt auch bei längeren Aufzählungen sowie vor usw. und etc.…“

(Ein Beispiel für diese Regel finden Sie oben im Satz, der mit „Nein, dies ist nicht…etc.“ anfängt)

Glückliche deutsche Sprache. Denn im Englischen ist der Umgang mit dem Komma viel komplizierter als im Deutschen, wenn auch manchmal etwas freier. Im Englischen kann ein unterlassenes Komma mitunter sehr teuer werden.

Und damit kommen wir zum „Oxford Komma“. (Es hört sich an, als ob Kommas auf die Universität gehen. Vielleicht doch).

Die Oxford Kommaregel besagt Folgendes: Nach dem letzten Element einer Aufzählung (und vor dem folgenden „and“ oder „or“) wird ein Komma gesetzt. Beispiel: „Ich lese, schreibe, nicke ein, und wache auf.“ Dr. Bopp zufolge wäre in diesem deutschenText das Komma nach „nicke ein“ völlig überflüssig.

Auch im englischen Sprachraum gehen die Meinungen über das Oxford Komma weit auseinander. Viele Zeitungen (inklusive The New York Times) beachten das Oxford Komma so gut wie gar nicht. Was auch die Meinung meiner Lehrerin in der 4. Klasse, Miss Bolger, war. Es sei denn, um eine Ambiguität auszuräumen: Beispiel: „Ich bedanke mich bei meinen Eltern, Mutter Teresa und dem Papst.“ Ohne ein Komma nach „Mutter Teresa“ könnte man meinen, dass meine Eltern Mutter Teresa und der Papst sind. Sie sehen: Ob Deutsch oder Englisch, hier bräuchte man ein Oxford Komma.

Aber jetzt zu einer kniffligen Angelegenheit, die sich unlängst im US-Bundesstaat Maine ereignete:

Fahrer einer dort sehr bekannten Molkerei verklagten die Firma wegen unbezahlter Lohnansprüche auf 10 mio Dollar. Es ging um eine Regelung im staatlichen Handelsgesetz, die besagt (und nun werde ich aus Gründen der Faulheit hauptsächlich auf Englisch zitieren): „The canning (Konservierung), processing, preserving, freezing, drying, marketing, storing, packing (Verpackung) for shipment (Transport) or distribution (Auslieferung) of (1) agricultural produce; (2) Meat and fish products; and (3) Perishable foods“ […erfordern die Bezahlung von Überstunden].

Der Streit drehte sich um ein Komma. Die Firma argumentierte, dass Überstundenzahlungen nur für die „Verpackung zum Zwecke des Transports und der Auslieferung“ von Waren fällig wären. Der Beweis: Es fehlte ein Komma nach „shipment“. Die Fahrer konterten, dass diese Interpretation aus Gründen der Vernunft absurd sei. Vielmehr sei die Klausel zweideutig. Es sei offensichtlich, dass ein Komma nach „shipment“ fehlte. Die „distribution“, also die Auslieferung, müsste als getrennter Vorgang betrachtet werden.

Letztendlich hat das Argument der Fahrer das Gericht überzeugt. Die Richter waren der Meinung, dass hier ein Oxford Komma unbedingt nötig gewesen wäre. Das Ergebnis: Die Firma musste zehn millionen Dollar Nachzahlungen leisten.

Fazit: Aufpassen! Kommafallen sind überall. Mind your commas!

Sind Sie Nazi?

Ja, liebe Suchende, Sie sind hier richtig.

An dieser Stelle kann man prüfen, ob man waschechter Nazi ist.

Wie jeder weiß, wird dieses Thema immer aktueller. Im WehWehWeh ist längst ein Krieg der Verschwörungstheoretiker im Gange. Und nun spielt auch der türkische Präsident seine bescheidene Rolle, um den Argwohn noch weiter gedeihen zu lassen.

Manche fragen sich sogar, ob Recep Erdoğan (sprich er-do-uan) selbst Nazi ist. Ist er? Wie Sie sehen werden, kann jeder diese Frage aber nur für sich beantworten. Deshalb möchte der Sprachbloggeur diese kleine Hilfe für die erforderliche Selbstprüfung bieten. Die folgenden Fragen wollen lediglich diese Selbstprüfung ein bisschen erleichtern.

Frage eins: „Nazi“ ist ein Kürzel. Wie lautet das ganze Wort?

1.) Nazoräer

2.) Narzisst

3.) Naturalist

4.) Narrenzünftler

Vorsicht! Die Antwort wird sie überraschen. Sie erfordert viel Nachdenken. Leider darf ich Ihnen Nur einen kleinen Hinweis verraten: Wenn Sie darauf kommen, wird Ihnen die Antwort so selbstverständlich erscheinen wie ein Löffel im Mund. Hmm?

Frage zwei: Bei welchen der folgenden Szenarien wären Sie am liebsten dabei?

1.) Am Strand stehen und sich drei Minuten in Kreis drehen, bis Ihnen kotzübel ist. Oder falls Sie Tänzer(in) sind, dann bis Sie am Schluss eine Richtung zum Weitergehen wählen: a) ins Meer, b) weg vom Meer, c) dem Meer entlang links oder d)rechts.

2.) Sie sitzen allein an einem Tisch im Lokal. Sie bestellen ein Bier, schauen tief ins Glas und trinken den Inhalt in einem Zug aus. Nun stellen Sie fest, dass Sie aufstoßen müssen. Doch mit einem Mal fragen Sie sich, ob es möglich ist, den Magendruck durch die Ohren herauszuführen und ob ein rülpsartiges Geräusch erfolgen wird. Erkennen Sie sich?

3.) Sie sind Eigentümer(in) eines Hotels in der Lüneburger Heide. Das Geschäft läuft gut. Sie haben momentan nur noch ein freies Zimmer. Nun treten zwei Parteien zeitgleich an die Rezeption heran. Eine ist aus Bremen, die andere aus Hessen. Sie haben jetzt die Wahl. Wie entscheiden Sie sich?

4.) Welche Type sind Sie? Derjenige, der, um eine Glühbirne in eine Deckenlampe einzuschrauben, auf eine Leiter klettert und sie mit einem Handumdreh befestigen? Oder Sie lassen sich von fünf Freunden hochheben, wobei Sie die Glühbirne an der Fassung halten, und Ihre Freunde Sie drehen.

Diese Frage hat es in sich. Aber, denken Sie dran: Nazi sein ist auch kein Zuckerlecken.

Frage drei: Welche Farbe hassen Sie am allermeisten?

1.) weich

2.) langsam

3.) warm

4.) still

Achtung! Gemeine Fangfrage! Doch falls Sie keine Antwort finden, bitte verzweifeln Sie nicht. Es ist nie einfach, die eigene Couleur hieb- und stichfest zu konstatieren.

Die Antworten - mit Erklärungen - finden Sie…mmmm… etwas weiter unten. Hals- und Beinbruch!

Und? Wie ist Ihr Ergebnis? Sind Sie Nazi?

Ich gratuliere herzlichst, egal wie Ihre Antwort lautet!

Die drei Handlungen – für Anfänger und Fortgeschrittene

Möchten Sie Schriftsteller werden?

Dann sind Sie bei mir richtig.

Hier erfahren Sie alles, was Sie wissen müssen, um eine solide Handlung zu schreiben. Ich sage es gleich: Es gibt auf der ganzen Welt nur drei Geschichten. Jawohl, Sie haben richtig gelesen: drei Geschichten, drei Handlungen also: eins, zwei, drei.

Diese lassen sich zwar gut miteinander vermengen, es sind aber nur drei. Jetzt zur Sache:

Handlung eins: Boy meets girl, boy loses girl, boy finds girl. So hieß sie jedenfalls im goldenen Zeitalter von Hollywood - in den 1930er Jahren also.
In Wahrheit ist diese Handlung uralt. Schon die antiken Griechen und die Römer haben davon reichlich Gebrauch gemacht - vor allem in den antiken Romanen. Ja, auch Romane hatten die Alten. Zum Beispiel die „Aethiopica“, geschrieben vor ca. 1700 Jahren von einem Bestsellerautor namens Heliodorus.

Die Geschichte, die H. erzählt, ist typisch, stellvertretend für viele andere antike Werke. Am Anfang verliebt sich ein hübsches Pärchen und heiratet. Aber dann passiert es: Kurz nach der Eheschließung (die übrigens noch nicht vollzogen ist, was für die Geschichte wichtig ist) wird die Braut von Piraten oder sonstigen Unholden entführt. Auch der junge Ehemann erleidet prompt irgendein Unglück. Vielleicht wird er versklavt oder zwangsrekrutiert. Es folgen dann hunderte von Seiten spannender Abenteuer. Die getrennten Geliebten sind ständig vom Tod, von Vergewaltigungen, von sonstigem Ungemach bedroht. Am Schluss siegt die Liebe - und die Keuschheit. Die zwei werden wieder vereint. Man freut sich immens.

Sie kennen das Muster aus tausenden Filmen und Büchern. Die Spannung lässt nie nach - auch wenn die Hauptfiguren jugendliche Vampire sind - bis(s) die Liebe garantiert ist. Am Schluss tun die Tränendrüsen stets das Übrige.

Handlung zwei: eine heilige (oder manchmal nicht so heilige) Suche. Hier spielt (oft) ein junger Held, die Rolle des Suchenden. Wonach sucht er? Nach dem heiligen Gral, z.B. Oder er wird von den Göttern gelotst, ums römische Reich zu gründen (so die Geschichte von Aeneas). Oder er heißt Indiana Jones und sucht nach einem verlorenen Schatz. Oder er ist ein Mönch - wie im chinesischen Roman, „Reise nach dem Westen“, aus dem 16. Jahrhundert, und bricht auf nach Indien, um heilige Texte des Buddha zu holen. Egal. Diese Handlung verspricht spannende Kampfszenen, Komödie, Sex, mühsame Kletterszenen etc. etc.. Am Schluss siegt der Held - auch wenn er ein Antiheld ist wie Don Quixote. Wir freuen uns wahnsinnig und fertig ist das Buch oder Film.

Fassen wir kurz zusammen: Bisher zwei Themen, die uns Menschen schon immer neugierig gemacht haben. Und wenn alles endlich gut geht, sind wir zufrieden.

Und so sah die Welt des Erzählers aus während tausender Jahre. Denn die dritte Handlungsform, die ich jetzt vorzustellen vorhabe, hat - meines Erachtens - im Gegensatz zu den anderen - keine lange Vergangenheit. Ich denke, es gibt sie eigentlich erst seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts.

Vielleicht ist sie keine richtige Handlung. Denn sie erzählt keine richtige Geschichte mit Anfang und Ende, und obendrein ist sie gar nicht spannend. Sie will lediglich einen inneren seelischen Zustand mitteilen - meistens in Form von einem Monolog. So, als würde man laut vor sich denken. Das tun heute viele Autoren.

Doch diese Art zu erzählen, passt gut zu unserer Zeit. Denn wir leben - zumindest in Europa (oder überhaupt in der westlichen Welt) - im Zeitalter des Individuums. Wer sein Innenleben interessant darbringt, kann stets davon ausgehen, Leser zu finden.

Ich denke trotzdem, liebe Schriftstellerkollegen und -kolleginnen, dass man heute am besten alle drei Handlungssorten vermischen könnte und sollte, wenn man Bücher schreibt. Das ist jedenfalls meine bescheidene Meinung. Und damit Ende der Vorlesung.

Crappers und Blockbusters

Mein Sohn war der Meinung, ich sollte vielleicht eine Glosse über Thomas Crapper schreiben. Ich war nicht so ganz überzeugt, zumal ein deutsches Publikum anders auf diesen Namen reagiert als ein angelsächsisches.

Die Fakten: Mr. Crapper war ein englischer Installateur und lebte von 1836 bis 1910. Er geht in die Geschichte ein als einer der Väter der heutigen Spültoilette. Ich habe mich mit ihm nicht so intim befasst, dass ich Ihnen seine Erfindung detailliert beschreiben könnte. Immerhin benutzte ich eine waschechte Crapper-Toilette einmal in Berkeley, California. Wir schreiben das Jahr 1970. Die eigentliche Erfahrung bleibt mir weniger in Erinnerung als der Name, der auf dem Porzellan gedruckt war.

Zu sagen ist nur: Thomas Crapper & Co. hatte seinerzeit einen sehr anständigen Ruf. Auch Gullideckel hat die Firma produziert.

Wer über gute Englischkenntnisse verfügt, weiß natürlich, dass im Englischen das Wort „crap“ im Sinne von Exkrement sehr verbreitet ist. Stammt es von Crapper?

Immerhin sagte man im 19. Jt.: „I’m going to the crapper“ und meinte damit “Ich gehe auf die Toilette”.

Ist daraus das heutige Idiom „to take a crap“ entstanden? Nebenbei: Diese Ausdrucksweise gilt ausschließlich als Männersprache auf Englisch. Jawohl, Männersprache. Frauen bringen diese Floskel äußerst selten über die Lippen.

Also doch? „Crap“ als Weiterentwicklung von „crapper“?

Fehlanzeige. „Crap“ im Sinn von Exkrement existierte in der englischen Sprache lange, bevor Th. Crapper „a twinkle in his mother’s eye“ war.

„Crap“ und „crapper“ sind also nur Zufallswortzwillinge. Das es so ist, weiß ich übrigens seit Jahren. Denn ich habe es durch die Lektüre des besten Fachbuches zu diesem Thema herausgefunden: „Das Scheiß Buch“ von Werner Pieper.

Wer dieses Buch nicht besitzt, kann sich aber auf Wikipedia ebenso ausführlich unter Stichwort „Thomas Crapper“ informieren.

Und weil ich diese Vorkenntnisse hatte, war ich von vorneherein - trotz der Empfehlung meines Sohnes - wenig geneigt, Großes über dieses Thema zu produzieren. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich meinem Sohn dies auch mitgeteilt.

Eigentlich hatte ich vor diese Woche, über Wörter zu schreiben, deren Bedeutung eine radikale Wende durchgemacht hatte, so dass nur wenig vom ursprünglichen Sinn übrig geblieben ist.

Mir kam dieser Gedanke in den Sinn, weil ich die eigentliche Bedeutung des Wortes „Blockbuster“ erfuhr. „Blockbuster“ nennt man jene Hollywoodextravaganzen, die ein großes Publikum magisch anziehen: Filme über nette Vampire, römische Gladiatoren, sinkende Schiffe, intergalaktische Kriegsführung usw.

Doch wissen Sie zufällig, was ein „Blockbuster“ in Wirklichkeit ist? Hoffentlich sitzen Sie. Während des 2. Weltkriegs bezeichneten die Alliierten, also die Briten und die Amis, ihre größten Bomben, die sie auf deutsche Städte abwarfen, so. Diese Bomben waren so stark, dass eine einzige in der Lage war, einen ganzen Straßenzug (block) zu verwüsten.

Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal großes Kino angucken.
Oder denken an Saddam Husseins leere Drohung von der „Mutter aller Kriege“. Nach nur wenigen Jahren hat sich die Werbesprache diesen Begriff total vereinnahmt: „Mutter aller Sonderangebote“ usw. Ich wollte noch weitere Beispiele sammeln, aber das mit dem Crapper hat mich halt abgelenkt. Tja.

Immerhin war Crappers Erfindung ein „Bombenerfolg“. Zumindest auf Deutsch. „Bomb“ in diesem Zusammenhang hat auf Englisch eine ganz andere Bedeutung als im Deutschen. Sagt man, dass Crappers geniale Porzellan Tempel „bombed“ bzw. „bombed out“, dann meint man, dass es ein Misserfolg war.

Damit ist alles zum Thema gesagt worden.

PS: Nun taucht der Sprachbloggeur ein paar Wochen unter. Geheimmission. Anfang März wieder da.

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