Als ich vor ein paar Wochen über „Game of Thrones“ berichtete, hatte ich leider vergessen, das mit dem „Spoiler“ zu erwähnen.
Spoiler? Schon wieder eins dieser neudeutschen Wörter (schon im neuen Duden?).
Neulich habe ich J. darüber gefragt - er ist fünfzehn und ziemlich auf den Laufenden -, ob er was über Spoiler wisse.
„Na klar“, erwiderte er und strotzte vor Selbstbewusstsein. Zwar hat er mir dann die Bedeutung dieses Wortes gar nicht verraten, man hat trotzdem geglaubt, dass er Bescheid wusste.
„Sag aber. Heißt es ‚der Spoiler‘‚das Spoiler‘ oder vielleicht ‚die Spoiler‘?“
„Man sagt, was man will“, antwortete er und zuckte mit den Achseln. „Der Spoiler, das Spoiler, die Spoiler. Ist ja egal.“
„Und was sagst du?“
„Kommt darauf an, wie ich mich fühle. Heute bin ich in einer… das Spoiler Stimmung. Aber morgen wird’s vielleicht die Spoiler sein. Man kann’s nie wissen.“
Dieses Gespräch mit J. werde ich nicht weiter schildern, zumal man bereits merkt, dass der Ton etwas schnodderig ist. Für mich aber ein Zeichen, dass J. ganz normal ist. Ich wünschte, ich wäre in seinem Alter ebenso schnodderig in meinem Umgang mit Erwachsenen gewesen.
Englisch „spoil“ bedeutet „verderben“, so wie wenn Lebensmittel verfaulen. Auch manche schnodderige Kinder bezeichnet man als „spoiled“. Doch dann wird das Wort mit „verwöhnt“ ins Deutsch übersetzt. Nein, damit meine ich nicht J. Überhaupt nicht. Er ist schnodderig, aber ich glaube nicht, dass er verwöhnt ist.
Im Neuenglischen ist die Rede von einem „Spoiler“, wenn einer den spannenden Schluss einer Geschichte öffentlich verplappert mit der Absicht, anderen den Spaß zu verderben. Damit verwandt ist die „Spoiler Alert“ (Spoilerwarnung). So heißt es, wenn, z.B., ein Rezensent über einen Film oder Buch berichtet und den überraschenden Schluss in seinem Text offenbart. Er gibt den Leser aber genügend Zeit, mit der Lektüre aufzuhören. Das nennt man eine „Spoiler alert“. Eigentlich ein anständiges Benehmen.
Das Wort „Spoiler“ tauchte neuerdings oft in den Nachrichten auf. Denn irgendwelche Hackers hatten die neuesten Folgen von „Game of Thrones“ geklaut und drohten, falls man ihnen nicht muchos Bitcoins überweisen würde, den Spoiler (ja, ich hab mich für „der“ Spoiler entschieden) zu posten. Gä-ä-ä-h-n. Ich habe vergessen, wie die Geschichte ausgeht.
Auch ich war mal Opfer eines Spoilerangriffs. Ich war damals so alt wie J. und, wie schon erwähnt, leider nicht so schnodderig.
Der Alfred Hitchcock Film „Psycho“ lief gerade in den Kinos und war der große Renner. Jeder wusste, dass der Film wahnsinnig spannend und grausam war. Ich war auf dem Weg ins Kino, um es zu sehen und freute mich sehr. An der Ecke traf ich zufällig auf Tommy G. und verkündete erfreut, „Ich gehe ins Kino, um ‚Psycho‘ zu sehen!“
„He, krasser Film“, antwortete er…und dann…dann, im nächsten Augenblick plapperte er mir gnadenlos den spannenden Schluss, genauer gesagt, den Namen des Täters, aus.
Ich, liebe Leser, bin selbst kein Spielverderber. Ich verrate Ihnen - auch heute nicht -, diesen spannenden Schluss zu „Psycho“. Wer weiß? Vielleicht gibt es noch da jemanden, der diesen alten Streifen noch nie gesehen hat. Dem will ich den Spaß nicht spoilen.
Ich saß an dem Tag im Kino. Mir war vollbewusst, wer der Täter war. Aber wissen Sie. Bald war es mir egal. Denn die Umstände waren viel wichtiger als die Identität des Täters, um den Schluss spannend zu halten. Da hätte mir der rücksichtslose Tommy G. viel mehr verraten müssen - lange Sätze sogar -, um mir den Spaß zu verderben.
Seitdem weiß ich, dass eine Story, die nur von der Pointe lebt, meistens eine schlechte Story ist. Gute Geschichten kann man nie spoilen.
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