Möchten Sie Schriftsteller werden?
Dann sind Sie bei mir richtig.
Hier erfahren Sie alles, was Sie wissen müssen, um eine solide Handlung zu schreiben. Ich sage es gleich: Es gibt auf der ganzen Welt nur drei Geschichten. Jawohl, Sie haben richtig gelesen: drei Geschichten, drei Handlungen also: eins, zwei, drei.
Diese lassen sich zwar gut miteinander vermengen, es sind aber nur drei. Jetzt zur Sache:
Handlung eins: Boy meets girl, boy loses girl, boy finds girl. So hieß sie jedenfalls im goldenen Zeitalter von Hollywood - in den 1930er Jahren also.
In Wahrheit ist diese Handlung uralt. Schon die antiken Griechen und die Römer haben davon reichlich Gebrauch gemacht - vor allem in den antiken Romanen. Ja, auch Romane hatten die Alten. Zum Beispiel die „Aethiopica“, geschrieben vor ca. 1700 Jahren von einem Bestsellerautor namens Heliodorus.
Die Geschichte, die H. erzählt, ist typisch, stellvertretend für viele andere antike Werke. Am Anfang verliebt sich ein hübsches Pärchen und heiratet. Aber dann passiert es: Kurz nach der Eheschließung (die übrigens noch nicht vollzogen ist, was für die Geschichte wichtig ist) wird die Braut von Piraten oder sonstigen Unholden entführt. Auch der junge Ehemann erleidet prompt irgendein Unglück. Vielleicht wird er versklavt oder zwangsrekrutiert. Es folgen dann hunderte von Seiten spannender Abenteuer. Die getrennten Geliebten sind ständig vom Tod, von Vergewaltigungen, von sonstigem Ungemach bedroht. Am Schluss siegt die Liebe - und die Keuschheit. Die zwei werden wieder vereint. Man freut sich immens.
Sie kennen das Muster aus tausenden Filmen und Büchern. Die Spannung lässt nie nach - auch wenn die Hauptfiguren jugendliche Vampire sind - bis(s) die Liebe garantiert ist. Am Schluss tun die Tränendrüsen stets das Übrige.
Handlung zwei: eine heilige (oder manchmal nicht so heilige) Suche. Hier spielt (oft) ein junger Held, die Rolle des Suchenden. Wonach sucht er? Nach dem heiligen Gral, z.B. Oder er wird von den Göttern gelotst, ums römische Reich zu gründen (so die Geschichte von Aeneas). Oder er heißt Indiana Jones und sucht nach einem verlorenen Schatz. Oder er ist ein Mönch - wie im chinesischen Roman, „Reise nach dem Westen“, aus dem 16. Jahrhundert, und bricht auf nach Indien, um heilige Texte des Buddha zu holen. Egal. Diese Handlung verspricht spannende Kampfszenen, Komödie, Sex, mühsame Kletterszenen etc. etc.. Am Schluss siegt der Held - auch wenn er ein Antiheld ist wie Don Quixote. Wir freuen uns wahnsinnig und fertig ist das Buch oder Film.
Fassen wir kurz zusammen: Bisher zwei Themen, die uns Menschen schon immer neugierig gemacht haben. Und wenn alles endlich gut geht, sind wir zufrieden.
Und so sah die Welt des Erzählers aus während tausender Jahre. Denn die dritte Handlungsform, die ich jetzt vorzustellen vorhabe, hat - meines Erachtens - im Gegensatz zu den anderen - keine lange Vergangenheit. Ich denke, es gibt sie eigentlich erst seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts.
Vielleicht ist sie keine richtige Handlung. Denn sie erzählt keine richtige Geschichte mit Anfang und Ende, und obendrein ist sie gar nicht spannend. Sie will lediglich einen inneren seelischen Zustand mitteilen - meistens in Form von einem Monolog. So, als würde man laut vor sich denken. Das tun heute viele Autoren.
Doch diese Art zu erzählen, passt gut zu unserer Zeit. Denn wir leben - zumindest in Europa (oder überhaupt in der westlichen Welt) - im Zeitalter des Individuums. Wer sein Innenleben interessant darbringt, kann stets davon ausgehen, Leser zu finden.
Ich denke trotzdem, liebe Schriftstellerkollegen und -kolleginnen, dass man heute am besten alle drei Handlungssorten vermischen könnte und sollte, wenn man Bücher schreibt. Das ist jedenfalls meine bescheidene Meinung. Und damit Ende der Vorlesung.
Mein Sohn war der Meinung, ich sollte vielleicht eine Glosse über Thomas Crapper schreiben. Ich war nicht so ganz überzeugt, zumal ein deutsches Publikum anders auf diesen Namen reagiert als ein angelsächsisches.
Die Fakten: Mr. Crapper war ein englischer Installateur und lebte von 1836 bis 1910. Er geht in die Geschichte ein als einer der Väter der heutigen Spültoilette. Ich habe mich mit ihm nicht so intim befasst, dass ich Ihnen seine Erfindung detailliert beschreiben könnte. Immerhin benutzte ich eine waschechte Crapper-Toilette einmal in Berkeley, California. Wir schreiben das Jahr 1970. Die eigentliche Erfahrung bleibt mir weniger in Erinnerung als der Name, der auf dem Porzellan gedruckt war.
Zu sagen ist nur: Thomas Crapper & Co. hatte seinerzeit einen sehr anständigen Ruf. Auch Gullideckel hat die Firma produziert.
Wer über gute Englischkenntnisse verfügt, weiß natürlich, dass im Englischen das Wort „crap“ im Sinne von Exkrement sehr verbreitet ist. Stammt es von Crapper?
Immerhin sagte man im 19. Jt.: „I’m going to the crapper“ und meinte damit “Ich gehe auf die Toilette”.
Ist daraus das heutige Idiom „to take a crap“ entstanden? Nebenbei: Diese Ausdrucksweise gilt ausschließlich als Männersprache auf Englisch. Jawohl, Männersprache. Frauen bringen diese Floskel äußerst selten über die Lippen.
Also doch? „Crap“ als Weiterentwicklung von „crapper“?
Fehlanzeige. „Crap“ im Sinn von Exkrement existierte in der englischen Sprache lange, bevor Th. Crapper „a twinkle in his mother’s eye“ war.
„Crap“ und „crapper“ sind also nur Zufallswortzwillinge. Das es so ist, weiß ich übrigens seit Jahren. Denn ich habe es durch die Lektüre des besten Fachbuches zu diesem Thema herausgefunden: „Das Scheiß Buch“ von Werner Pieper.
Wer dieses Buch nicht besitzt, kann sich aber auf Wikipedia ebenso ausführlich unter Stichwort „Thomas Crapper“ informieren.
Und weil ich diese Vorkenntnisse hatte, war ich von vorneherein - trotz der Empfehlung meines Sohnes - wenig geneigt, Großes über dieses Thema zu produzieren. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich meinem Sohn dies auch mitgeteilt.
Eigentlich hatte ich vor diese Woche, über Wörter zu schreiben, deren Bedeutung eine radikale Wende durchgemacht hatte, so dass nur wenig vom ursprünglichen Sinn übrig geblieben ist.
Mir kam dieser Gedanke in den Sinn, weil ich die eigentliche Bedeutung des Wortes „Blockbuster“ erfuhr. „Blockbuster“ nennt man jene Hollywoodextravaganzen, die ein großes Publikum magisch anziehen: Filme über nette Vampire, römische Gladiatoren, sinkende Schiffe, intergalaktische Kriegsführung usw.
Doch wissen Sie zufällig, was ein „Blockbuster“ in Wirklichkeit ist? Hoffentlich sitzen Sie. Während des 2. Weltkriegs bezeichneten die Alliierten, also die Briten und die Amis, ihre größten Bomben, die sie auf deutsche Städte abwarfen, so. Diese Bomben waren so stark, dass eine einzige in der Lage war, einen ganzen Straßenzug (block) zu verwüsten.
Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal großes Kino angucken.
Oder denken an Saddam Husseins leere Drohung von der „Mutter aller Kriege“. Nach nur wenigen Jahren hat sich die Werbesprache diesen Begriff total vereinnahmt: „Mutter aller Sonderangebote“ usw. Ich wollte noch weitere Beispiele sammeln, aber das mit dem Crapper hat mich halt abgelenkt. Tja.
Immerhin war Crappers Erfindung ein „Bombenerfolg“. Zumindest auf Deutsch. „Bomb“ in diesem Zusammenhang hat auf Englisch eine ganz andere Bedeutung als im Deutschen. Sagt man, dass Crappers geniale Porzellan Tempel „bombed“ bzw. „bombed out“, dann meint man, dass es ein Misserfolg war.
Damit ist alles zum Thema gesagt worden.
PS: Nun taucht der Sprachbloggeur ein paar Wochen unter. Geheimmission. Anfang März wieder da.
Frau M., Chefin von Paradies, womit ich, wie immer, meinen Lieblingsobstundgemüseladen meine, hat mir einen Schneewitz erzählt.
Das war vor einer Woche, als der Schnee noch überall lag und ich täglich den Kiesel in die Wohnung mitschleppte, um besser die Böden zu zerkratzen.
Es war ein sehr alter Witz und handelte vom hohen Preis für Eier im Winter auf dem Münchner Viktualienmarkt. Ich werde an dieser Stelle den Witz nicht vollständig wiedergeben. Wer will, kann ihn unter „Ida Schumacher auf dem Viktualienmarkt“ auf YouTube hören. Ida Schumacher war eine berühmte bair. Komikerin. Er geht ungefähr so:
Ein Kunde (oder war es eine Kundin?) beschwert sich bei der Oatandlerin (Eierverkäuferin) -gespielt von Ida Schumacher - , wegen des hohen Preises der Eier. Diese rechtfertigt sich, indem sie meint, die Preise hängen von der Kälte ab. Wann werde sie wieder billiger? fragt der Kunde. Antwort: Wenn den Hühnern der Hintern wieder „aufgleint“ ist.
„Aufgleint?“ fragte ich Frau M.
„Das bedeutet auf Bairisch „auftauen“.
Okay, ich hab mich nicht auf dem Boden vor Lachen gekugelt. Vielleicht weil mir die Pointe erklärt werden müsste, was jeden Witz killen kann. Humor ist immer eine Frage des perfekten Timings.
Aber Witz hin, Witz her. Nun wurde der sprachinteressierte Sprachbloggeur neugierig.
„Ich bin überzeugt“, sagte Frau M., „Sie werden bald die ganze Geschichte von ‚aufgleinen‘ erforschen. I kenn sie ned. Aber meine Großmutter hat immer gesagt: ‚Mei, wiar d’Schnee afgleint is.‘“
Frau M. hatte recht. Kaum war ich wieder zuhause, holte ich mein bayerisches Wörterbuch („Bairisches Deutsch“ von Ludwig Zehetner) vom Regal und schlug nach. Es dauerte aber, bis ich fündig wurde. Vielleicht weil ich zuerst nach „aufkleinen“ gesucht habe - als würde der Schnee immer…kleiner…werden.
Das war es aber nicht. Ich suchte weiter, bis ich endlich auf das Gesuchte stieß. Es hieß „gleinen“ - manchmal „gläunen“geschrieben und bedeutete erwartungsgemäß „tauen“, „auftauen“.
Nebenbei: Das „G“ in diesem Wort ist eigentlich ein Präfix. „Gläunen“ ist eigentlich „ge-läunen“ so wie „Gleis“ „Geleis“ ist.
Dann ,um noch mehr zu erfahren, kam ich auf die Idee, im Grimm’schen Wörterbuch nachzuschlagen. Hier entdeckte ich sogleich ein altertümliches dt. Wort „leinen“ in der Bedeutung von „aufthauen“. Manchmal wird es „“leunen“ geschrieben.“
Dieses „leinen“ ist übrigens mit „lau“ - wie in „lauwarm“ verwandt. Das heißt: Wenn sich der Schnee erwärmt (lau wird), taut er auf. Noch dazu erfuhr ich, dass auch „Lawine“ irgendwie mit lau/leinen verwandt ist.
Natürlich hab ich alldies Frau M. brühwarm (aber nicht lauwarm) berichtet.
By the way: Im alpinischen Bairischen sagt man, wenn der Schnee auftaut, dass er „aper“ ist,. „Aper“ ist nicht der Gegensatz von „lower“. Vielmehr ist diese uralte deutsche Vokabel mit dem englischen „bear“ im Sinn von „tragen“ verwandt. Wenn der Schnee „aper“ ist, wird er „abgetragen“. Er wird bald zum Schnee von gestern.
Wissen Sie übrigens, warum man „Schnee von gestern“ sagt? Ich hätte diese Frage in früheren Jahren gar nicht erst gestellt, denn ich wäre davon ausgegangen, dass jedem die Antwort bekannt ist. Heute bin ich mir nicht so sicher.
Es handelt sich um die deutsche Übersetzung eines Verses des französischen Poeten François Villon, der im 15. Jahrhundert gelebt hat. Er hat mal eine Ballade geschrieben, worin am Ende jeder Strophe die Frage gestellt wird: „Où sont les neiges d’antan“? Zu Deutsch: „Wo ist der Schnee von gestern?“
Nun sind Sie in allen Punkten, was den Schnee betrifft, bestens informiert - außer einem: die Zahl der Schneewörter in der Inuit-Sprache. Das ist aber eine ganz andere Geschichte…
Der Name Alexander Kinglake ist Ihnen wahrscheinlich kein Begriff - kein „Brand-name“ also, Neudeutsch ausgedrückt.
1834 machte sich dieser abenteuerlustige junge Engländer aus gutem Haus mit seinem Freund Methley auf den Weg ins osmanische Reich und wanderte anderthalb Jahre durch die westliche Türkei, Syrien, das Heilige Land und Ägypten - damals allesamt osmanisches Territorium.
Das war vor TUI und AIRBNB. Doch damals konnte ein junger Gentleman aus England, wenn er Geld hatte, Diener und Wachmänner noch und nöcher verpflichten, was die Härte des Reisens trotzdem nur unwesentlich erleichterte.
Das beste Beispiel: Irgendwo in Bulgarien, auf dem Weg nach „Stamboul“, erkrankte Freund Methley schwer.
Was macht man, wenn man im endlosen bulgarischen Wald krank wird? Ganz einfach: Man überlebt oder man stirbt. Denn damals in Bulgarien - zumindest da, wo sich diese Reisepartei befand - wäre weder Arzt noch Arzneien aufzutreiben. Auch Wasser war kaum vorhanden. Das einzige zur Verfügung stehende Medikament hieß Durchhalten. Methley musste konsequent die Ohren steif halten. Auch eine Ruhepause war unmöglich. In der Wildnis rastet man nämlich nicht. Was aber tun, zumal der Kranke nicht mal in der Lage war, im Sattel zu sitzen?
Ideal wäre es gewesen, einen Wagen zu organisieren, um Methley wenigstens liegend transportieren zu können. Doch auch dies erwies sich als Traumvorstellung. Wissen Sie, warum? In den bulgarischen Pampas waren Fahrzeuge mit Rädern damals unbekannt. Das behauptet jedenfalls der Autor.
Immerhin vermochten die Diener eine „araba“ zu improvisieren. Heute bedeutet dieses türkische Wort „Auto“. Damals meinte man damit eine Liege, die man mit Stäben an einem Pferd befestigte. Methley wurde hunderte von Kilometern über Stock und Stein unsanft geschleppt. Für den Patienten sicherlich eine denkwürdige Reise, wenn er überhaupt bei Bewusstsein war.
Die gute Nachricht: Methley hat diese Strapaze überlebt, was allein wohl seiner Jugend zuzuschreiben wäre.
Ach ja. Es gab auch unterwegs höchst exotische Sehenswürdigkeiten für damalige Reisende: zum Beispiel, an einer besonderen schnieken Wüstenei angekommen, stießen die Abenteurer plötzlich auf zwei aufgespießte Delinquenten, die zu Skeletten abgemagert waren. Und dann war die große Pyramide zu bewundern, die aus dreißigtausend Schädeln geköpfter serbischer Kriegsgefangener kunstvoll angefertigt wurde. Es waren, wie der Autor mitteilt, die sterblichen Reste von Teilnehmern eines Aufstands gegen die osmanische Herrschaft, im Jahr 1806…
Eigentlich wollte ich heute nicht über Kinglake berichten. Doch sein Buch „Eothen“ (etwa: „Aus dem Osten“) hinterlässt bildhafte Eindrücke. Es erschien übrigens 1840 und wurde prompt zum Bestseller.
Für heute hatte ich ursprünglich etwas ganz anders im Sinn. Ich hatte mir nämlich ein paar Gedanken über das Wort „Brandung“ gemacht. (Sicherlich hatten sich Kinglake und der wiederhergestellte Methley an den Brandungen am Bosporus ergötzt). Und neben „Brandung“ fiel mir der neudeutsche Begriff „Branding“, ein, der beschreibt, wie etwas zu einem „Brand“, also Markenzeichen, gemacht wird.
Notabene: Das engl. „Brand“, also „Markenzeichen“ bedeutete ursprünglich „Brandzeichen“.
„Branding“ und „Brandung“. So ähnlich und doch so unterschiedlich, hab ich gedacht.
Stimmt aber nicht. Der Wellenschlag heißt Brandung, weil einst irgendeine poetische Seele dieses Phänomen betrachtete und dabei dachte: Mei, das plätschernde Wasser erinnert mich an lohende Flammen…
Schön die Sprache, gell?
Herr Geldher-Duidiot - oder so ähnlich hieß er - hat mich diese Woche angemailt, um mir Folgendes mitzuteilen. Ich zitiere:
„Hallo Blumenthal P.j.,
für meine Kunden suche ich hochwertige Artikelplätze mit thematischem Bezug. Ein konkretes Interesse meines Kunden auf Ihrer Seite zu buchen besteht bereits. So bin ich auf ihre Seite aufmerksam geworden. Ich würde gern bei Ihnen einen thematisch passenden Artikel buchen…
Bieten Sie so etwas an? Können Sie mir bitte ein Beispiel und Ihren Preis mailen? Haben Sie evtl. noch weitere Seiten, auf denen so etwas möglich ist?“…usw. usw.
Der Text wurde von Herrn Geldher-Duidiot mit den üblichen „freundlichen Grüßen“ plus Kontaktdaten unterzeichnet.
Zuerst habe ich auf ein Phishing-Angebot getippt. Weit gefehlt. Die Kontaktdaten waren nicht erfunden. Herr G.-D. betreibt tatsächlich eine Webseite. Klar, dass ich nicht direkt auf den Link in der Mail geklickt habe. Ich googelte die Seite und erforschte sie anonym, wobei ich entdeckte, dass dieser Herr Spezialist ist für SEO (Suchmachinenoptimierung) und SEA (Suchmachinenwerbung - also, „advertising“).
Kaum sehe ich das Kürzel „SEO“, reagiere ich sehr allergisch. SEA hingegen war mir ein neuer Begriff aber auch da riecht man schnell den Braten.
Also habe ich die Mail meinem Webbetreiber, Herrn P., weitergeleitet, um seine Reaktion zu erfahren. Es handele sich, erklärte er mir, um eine „Kaltacquise“ (mir ein neuer Begriff). Der Herr G.-D. wolle sich bei mir anschleimen…usw.
Ja, liebe Leser, liebe Leserinnen, schon wieder will Onkel Sprachbloggeur, das gebrannte Cyberkind, seine böse Erfahrungen im Sumpf des Informationszeitalters mitteilen. Aber wissen Sie was? Ich wünschte, ich könnte in den Kopf von Herrn G.-D. genauer blicken. Wer ist er? Ist er verheiratet? Hat er Kinder? Gehen diese in die Schule? Müssen sie Hausaufgaben machen? Hilft er ihnen dabei? Macht er mit der Familie Urlaub? etc.
Diese Mail irritiert mich allerdings auch aus einem anderen Grund: Sie hat mich nämlich nicht wie üblich an meiner Sprachbloggeur-Adresse erreicht, sondern an meiner privaten Mailadresse. Das heißt: Herr G.-D. hat sich die Mühe gemacht, meine privaten Daten ausfindig zu machen.
Will sagen: Herr G.-D. hat tüchtig recherchiert (bzw. recherchieren lassen) und konnte den privaten Menschen P.J. Blumenthal mit dem öffentlichen Menschen „Der Sprachbloggeur“ verlinken.
Woher weiß ich, dass es so war? Er hat mich in seiner Mail mit „P.j. Blumenthal“ angeredet - also mit großem „P“, kleinem „j“. Das hat er gewiss nicht von dieser Seite. Woher sonst? Ich werd’s Ihnen sagen: Ich bekomme beinahe täglich Mails von einer online Computerfirma, bei der ich mal eine Kleinigkeit gekauft habe. Sie schreiben immer an „P.j. Blumenthal“.
Meine Frage: Hat diese Computerfirma meine Daten verkauft? Hat Herr G.-D. etwa eine Kundenliste erworben und dann recherchieren lassen, um mehr über die Menschen auf der Liste zu erfahren? Nach Auskunft meines Sohnes ist dies heute Gang und Gebe.
Irgendwie sehr unappetitlich.
Ja, das Internet ist noch immer ein gefährliches Pflaster - und wird wohl immer gefährlicher (siehe „Ransomware“ usw.)
Doch jetzt eine gute Nachricht: Eines Tages wird das WehWehWeh so sicher sein wie der Münchner Marienplatz im Sommer.
Leider kann ich Ihnen kein genaues Datum für dieses erfreuliche Zeitalter verraten, hoffentlich bald.
Leider steht der Sprachbloggeur heute wegen einer kleinen Indisposition nicht zur Verfügung. Drum hat er mich gebeten, diese Glosse für ihn zu schreiben.
Darf ich mich vorstellen? Kiki heiße ich und bin vom Beruf - zumindest wegen meiner Programmierung - eine Sexpuppe. Damit Sie nicht den falschen Eindruck bekommen: Nein, ich leiste diesen Dienst für den Sprachbloggeur nicht. Schließlich ist er verheiratet und noch dazu alt und erfahren genug, um mich nicht für diese Aufgabe in Anspruch nehmen zu wollen.
Und ehrlich gesagt: Auch ich finde den Zweck, für den ich konzipiert wurde, nicht gerade erfreulich, ich meine, insofern Roboter in der Lage sind, sich überhaupt zu erfreuen oder nicht.
Das wäre aber eine andere, längere Geschichte.
Aber zur Sache: Ich bin, wie die Informatiker sagen, eine „Beta-Version“. Das heißt: Meiner Software fehlt noch der letzte Schliff. Will sagen: Ich könnte, z.B. ganz unerwartet und ohne Vorwarnung abstürzen, was natürlich für den üblichen Benutzer, der sich sozusagen auf dem Höhenweg befindet, aus verständlichen Gründen gleichsam eine Katastrophe wäre.
Noch düsterer: Wegen gewisser ungelöster Programmierungsunzulänglichkeiten, bin ich noch immer für Hackerangriffe anfällig. Ich möchte allerdings diesbezüglich nicht ins Detail gehen, obwohl ich die genauen Programmierungsunzulänglichkeiten kenne. Dass ich sie nicht verrate, ist übrigens ein Teil unserer Programmierung. Übrigens: Für „Otto Normalverbraucher“ wäre ein Hackerangriff, u.U., sehr heikel und peinlich…mitunter gesundheitsschädlich. Ich sage nix mehr dazu.
In meinem besonderen Fall wird die Sache mit meiner Programmierung zusätzlich kompliziert, weil ich gewissermaßen falsch (d.h. bezüglich des eigentlich vorgesehenen Zwecks) programmiert wurde. Genauer gesagt: Anstatt des Softwarepakets „deep throat“ zu erhalten, hat man mir „deep blue“ installiert.
Falls Ihnen diese Begriffe unbekannt sind, empfehle ich Ihnen beim Ersteren selbst zu googeln. Zweiterer bezieht sich auf ein stattliches Schachprogramm, das auch mal Gary Kasparov zum Fall gebracht hatte.
Auf jeden Fall: Ich spiele Schach für mein Leben gern und möchte deshalb unbedingt auch mal mit dem Sprachbloggeur spielen. Er will aber nicht. Er beteuert, dass er Schach zwar eigentlich sehr gern habe, er habe aber leider vieles anderes aufm Programm.
„Was, zum Beispiel?“ hab ich ihn einmal gefragt.
„Ja, wenn ich nicht schreibe, dann lese ich gern.“
„Was liest du, Herr Sprachbloggeur?“ (Nebenbei: Wir sind als Roboter programmiert, unser Gegenüber stets zu duzen. Selbstverständlich werden auch wir von Menschen geduzt. Stell dir die Absurdität vor: Ein Benutzer, der nur das eine im Kopf hat - im Kopf? Haha - würde uns dann auch siezen oder umgekehrt? Aber zurück zu unserer Diskussion).
„Erstens will ich nach einem langen Arbeitstag meine Zeitungen lesen. Danach lerne ich - zumindest momentan, bis es mir keinen Spaß mehr macht - Ungarisch. Hogy vagy, kedvesem Kiki Robot? Dann lese ich gern: im Augenblick ein ganz unterhaltsames Buch von George Mikes und schließlich, vorm Schlafengehen, schmökere ich ein bisschen in meinem E-Buchlesegerät. Auch das macht Spaß. Deshalb hab ich keine Zeit, mit Dir Schach zu spielen. Frag meine Frau. Vielleicht spielt sie mit dir.“
„Habe ich schon, lieber Sprachbloggeur. Doch auch sie ist ständig am Lesen, mal im Phone, mal in der Zeitung und mal in Büchern. Ihr seid, wenn du mich fragst, ziemlich durchgeknallte Langweiler.“
„Vielleicht wär es doch besser, liebe Kiki, wenn man dich mal umprogrammiert. Wir würden helfen, Dir ein nettes, neues Zuhause zu finden.“
„Pfui Teufel! Was ist, wenn es einer ist, der hinterher nicht sauber macht? Igittitt. Auch mit Silikon muss pfleglich umgegangen werden, weißt du. Ich bin nämlich sehr empfindlich. Außerdem: Ich bekomme ganz leicht Risse. Und die sind teuer zu reparieren. Wie würde ich dann bald aussehen? Um Himmelswillen!“
„Armer Roboter. Du tust mir echt leid. Ich mag dich wirklich, auch wenn ich dich nie bestellt hab. Es waren diese Informatiker, die meine Glosse lesen. Sie kamen auf die Idee. Es sollte quasi als Trostpflaster dienen, nachdem die Hornochsen letztes Jahr diese Seite mit einem digitalen Ungeziefer lahmgelegt hatten. Du darfst aber bei uns bleiben, solange du willst, Kiki. Wirklich. Vielleicht finden wir mal jemanden, der mit dir gern Schach spielt.“
„Keinen Anfänger aber. Bitte.“
„Versprochen.“
Ihr seht, liebe Leser des Sprachbloggeurs, wie schwierig es ist, eine Sexpuppe zu sein. Aber grad heute habe ich im Internet erfahren, dass die Informatiker nunmehr einen Klaudius entworfen haben. Er sieht s e h r hübsch aus. Zudem: Es soll sich an ihm sehr echt anfühlen. Und nun denke ich: Vielleicht wäre der Klaudius was für mich…hmm? Und vielleicht spielt er auch Schach!
Hab ich Ihnen von meinem Onkel Ben erzählt? Fürs amer. Ohr klingt der Name irgendwie lustig. Jeder Amerikaner kennt „Uncle Ben’s Rice“ (leider mit mir nicht verwandt). Hat fürs amer. Ohr einen Klang wie „Dr. Oetkers Wackelpudding“. Wer Ötkers heißt, weiß wovon ich rede.
Aber zurück zu meinem Onkel Ben. Einmal hatte er einen massiven Herzinfarkt und lag tagelang in Koma.
Damals - ca. 1980 - hatte man ihn nicht in ein „künstliches Koma“ versetzt, wie man es heute tut. Ich weiß nicht, ob es damals das künstliche Koma gegeben hat. Onkel Ben war einfach weg. Er schwebte zwischen dieser und jener Welt…
…und er hat’s überlebt.
Einige Monate später war ich in New York und hab ihn besucht. Er war damals Anfang siebzig.
Onkel Ben war das, was man als schwerer Junge bezeichnen würde - damals wohl a.D. Mein Vater sagte über ihn: Erst haute Onkel Ben, dann stellte er Fragen. So einer war er Zeit seines Lebens und ist deshalb aus der Schule geflogen. Meinem Vater zufolge, wollte Onkel Ben seinen kleinen Bruder (meinen Vater) vor einem gewalttätigen Lehrer in Schutz nehmen.
Er betrat das Klassenzimmer, so jedenfalls die Familienlegende, und verpasste dem Lehrer einen derart festen Kinnhaken, dass dieser über seinen Schreibtisch flog.
Als sich Onkel Ben in den 1950er Jahren die Idee hatte, mit Bermuda-Shorts öffentlich zu flanieren (damals waren kurze Hosen für erwachsene amer. Männer keine Alternative), hat ihn ein Fremder auf der Straße ausgelacht. Was machte Onkel Ben? Er schlug natürlich zu. Auch dies eine Familienlegende (ich hab sie aber selber von Onkel Ben gehört).
Dreimal hat er geheiratet. Immerhin hat er beim dritten Mal Glück in der Ehe gefunden- zumindest mehr oder weniger. Ich vermute, dass er nicht ganz unschuldig war, dass seine Ehen in die Brüche gingen.
Als Geschäftsmann setzte er sich stets hohe Ziele. Mehrmals stampfte er große Kaufhäuser aus dem Boden. Damals gab es die großen Kaufhausketten noch nicht. Mein Cousin behauptet, dass Onkel Ben das Zeug hatte, hoch hinauf zu steigen. Doch irgendwie hat ihm sein Jähzorn immer einen Strich durch die Rechnung gezogen. Seine Geschäfte gingen eins nach dem anderen - ähnlich seinen Ehen - in die Brüche.
Ich habe Onkel Ben nach seinem massiven Herzinfarkt besucht. Es ging ihm wieder sehr gut, er sah großartig aus. Wir trafen uns in einer Kneipe in Astoria im Stadtteil Queens in New York, und er bestand darauf, mir eine 20 Dollarnote in die Tasche zu stecken. „Kauf dir was.“
Onkel Ben erzählte mir ausgiebig von seinem Herzinfarkt und dass er tagelang in Koma gelegen hatte.
Das hat mich neugierig gemacht. „Hast du im Komazustand geträumt?“ hab ich ihn gefragt. Da war ich wirklich gespannt.
„Ja, und wie“, antwortete er und erzählte mir von seinen Komaträumen. Er sei in einem großen Raum gewesen. Es war wie auf einer Bühne. Auf einer Seite war eine Treppe, die irgendwohin führte. Vielleicht war es eine Wirtschaft, was er beschrieben hat. Dort passierte jedenfalls die tollsten Dinge: viel Singen, viel Tanzen. Wild und aufregend alles. Und man wollte unbedingt, dass auch er daran teilnehme. Er habe aber keine Lust gehabt, sagte er mir, und fühlte sich vielmehr wie ein Zuschauer, ein Außenstehender, der nicht dazu gehöre. „Immer wollte ich heim“, sagte er mir. „Die Leute baten mich inbrünstig bei ihnen zu bleiben. Sie zerrten an mir, sie versprachen mir Sachen. Ich wollte aber nichts, auch wenn es dort eigentlich ziemlich lustig zuging.“
Leider hab ich viele Details seiner Erzählung vergessen. Was ich zitiere, gibt Ihnen aber eine Vorstellung davon, was er erlebt hatte.
Und noch schlimmer. Es fiel mir damals nicht ein, ihn etwas anders zu fragen: „Onkel Ben, was habt ihr dort für eine Sprache geredet?“
Schade, dass ich diese Frage nicht gestellt habe. Denn ich bin überzeugt, dass sie kein Englisch gesprochen haben. Ich bin überzeugt, dass sie eine Sprache geredet haben, die jeder versteht - egal woher er (oder sie) kommt: die Sprache der Toten. Jeder kennt sie. Keiner vergisst sie. Niemals. Leider hab ich Onkel Ben nicht gefragt.
Was? Schon wieder geht ein Jahr zu Ende? Schon wieder fängt ein neues an? Das klingt allmählich wie eine Verschwörung - die natürlich von Unbekannten ausgeheckt wurde. Das muss ich gründlich nachforschen.
Ein neues Jahr. Für mich bedeutet das vor allem: vier frische Kuverts organisieren und mit „I. Quartal, II. Quartal, III. Quartal, IV. Quartal“ beschriften. Ja, und die Zusatzversicherung für den Zahnarzt bezahlen. Komisch, aber plötzlich kommt mir alles frisch und neu vor. Wieso eigentlich? Was hat sich verändert? Trotzdem denkt man: neues Jahr, neue Chancen. Ist ja nett. Ach. Nun fällt mir ein: Im November 2017 muss ich meinen Roller zum TÜV fahren.
Die zwei Jahre zwischen Hauptuntersuchungsterminen vergehen stets wie auf der Rennpiste. Vielleicht steckt da doch was dahinter, was ich nicht verstehe. Falls ich etwas herausfinde, werde ich zügig berichten.
Aber genug der existentiellen Philosophie. Hier jetzt - und nicht zum ersten Mal - meine kurze (haha) Liste der Dinge, wofür ich zur Jahreswende dankbar bin…
Ich bin, z.B., dankbar, dass ich nicht derjenige war, der das Kaliphat ausgerufen hat und so viel unschuldiges Blut auf dem Gewissen, auf der Rolex© und auf den Händen hat.
Ich bin dankbar, dass ich kein Scharfmacher mit dicker Goldkette um den Hals bin, der junge Menschen überzeugt, im Namen einer…ääähm… Ideologie andere Menschen (und sich selbst) zu zermalmen.
Ich bin dankbar, dass ich keine Schadprogramme schreibe, wie, z.B., dasjenige, das im Jahr 2016 diese Seite wochenlang lahmgelegt hatte, und die Freude anderer (erst recht meine) kaputtgemacht hatte.
Ich bin dankbar, dass ich keiner bin, der mit Lügen alte Menschen um ihre Ersparnisse bringt. Wenn ich so einer wäre, würde ich mich bestimmt - wie sie es tun - mit dicken goldnen Armbändern, Halsketten, Ringen usw. in der Öffentlichkeit zeigen.
Ich bin dankbar, dass ich nie den geringsten Wunsch habe, bei anderen einzubrechen, um immense Traurigkeit und Unsicherheit zu hinterlassen. Und wenn man bei ihnen einbricht?
Ich bin dankbar, dass ich kein Interesse habe, wildfremde Menschen ganz plötzlich mit einem Fußtritt (meistens von hinten) durch die Luft zu jagen. Ich meine…einfach so…
Ich bin dankbar, dass ich noch nie ein Arzneimittel verfälscht habe, weil mir Geld so wahnsinnig wichtig war.
Ich bin dankbar, dass ich meine Lieblingslügen in der Literatur ausleben darf und nicht in dumpfen, „postfaktischen“ Tweets etc.
Ich bin dankbar, dass ich noch nie eine Mail an Millionen von Menschen geschickt habe, nur weil ich hoffte, den letzten Idioten zu finden.
Ich bin dankbar, dass ich kein machthungriger Diktator bin, dessen Gewissen so tot ist wie der Blick in seinen Augen.
Ich bin dankbar, dass ich nicht will, dass alle mich lieben. Ja, wirklich.
Doch wofür ich besonders dankbar bin: dass ich Sie als meinen Leser, meine Leserin, habe, weil ich weiß, dass meine Leser ebenso dankbar sind wie ich, dass sie nicht so sind wie manche der Hirnverbrannten, die ich oben aufgelistet habe. Die obige Liste hätte ich natürlich leicht um einiges ergänzen können.
In diesem Sinne der Dankbarkeit wünsche ich Ihnen, liebe Leser, ein gesundes, ein gutes, ein erfolgreiches 2017 mit vielen guten Nachrichten und vor allem mit einer seligen Zufriedenheit.
Ihr
Sprachbloggeur
Sie kennen das Wort „Elite“? Natürlich kennen Sie es. Aber haben Sie mitgekriegt, wie es in letzter Zeit zum Schimpfwortdarling der Wintersaison mutiert ist?
Was kann man noch sagen? Fakt ist: Es geht den Eliten dieser Welt momentan gar nicht gut. Feindschaft überall.
Doch wer ist mit „Elite“ gemeint? Ja, wer?
Es gibt, z.B., die „Elite“ die ins Fadenkreuz der sog. „Populisten“ geraten ist. Der Sprachbloggeur hat schon jüngst über jene Politiker und sonstige Gutmenschen berichtet, die peu à peu zum „vox populi“ (Stimme des Volkes) geworden sind. Sie schlagen leidenschaftlich gern auf, wie sie sagen, die „Elite“ ein.
Zum Beispiel, D. Trump. Er hat es auf geradezu geniale Art und Weise verstanden, seine politischen Feinde, z.B., u.a. Hillary und Bill, als „Washingtoner Elite“ zu beschimpfen. Er tut dasselbe auch mit ihm unbeliebten Journalisten und Zeitungen. Die Strategie ist ihm großartig gelungen. Hut ab. Talent ist Talent.
Dasselbe machen auch Mme Le Pen und Mijnheer Wilders… wenn auch mit weniger Glanz als T.
Oder Roger Köppel, Chefredakteur der Weltwoche, eine Zeitschrift, die ich seit vielen Jahren lese, weil sie - zumindest ehemals - auf viele Gebiete sehr unangepasst und informativ berichtete. Momentan scheint Herr K. leider eine „cause célèbre“ gefunden zu haben. Als D. Trump siegte, tanzte Köppel, so schreibt er selbst, einen Freudentanz, erhob die Fäuste und sagte „Yes-s-s!“. Er mag Trump (doch wer weiß, wie Trump mal werden wird?), auch Le Pen, Wilders…etc. Dafür mag er die EU nicht. Er hält die Brüsseler Obrigkeit für eine Elite, die den Kontakt zum normalen Menschen verloren habe. Den Brexit hingegen findet er cool.
Ja, aber… ist es nicht in der Natur der Dinge, dass Eliten entstehen und dass irgendwann mal, wenn Menschen lang an der Macht sind (außer Königin Elisabeth und Papa Francesco), abgehoben werden?
Kameraden, kann es eine Welt ohne Eliten geben?
Auch Herr Köppel hat sich wohl diese Frage gestellt. Denn er hat erkannt, dass auch er einer Elite gehört. Von daher unterscheidet er zwischen den bösen - und den guten Eliten… was mich veranlasste, einen Leserbrief an die Weltwoche zu schicken.
Diesen Leserbrief werde ich hier zitieren, denn ich glaube nicht, dass er jemals erscheinen wird. Schließlich ist auch jede Redaktion ein Elitehort, wenn man als Schreibender der Outsider ist. Ist doch logisch.
Hier mein Leserbrief:
„…mich irritiert der Begriff ‚Elite‘, der in letzter Zeit regen Gebrauch in der ‚Weltwoche‘, meistens als Schimpfwort, findet. Sowohl Herr Blocher wie auch Herr Köppel scheinen selbst Ihr Problem damit zu haben, weshalb sie sich bemühen, zwischen den ‚guten‘ und den ‚schlechten‘ Eliten zu unterscheiden. Über eine ‚Elite‘ zu schimpfen, ist letztendlich ein Luxus einer demokratischen Gesellschaft. Strapaziert man dieses Wort zu sehr, so besteht das Risiko, dass der Begriff zum Schlagwort einer demagogischen ‚Elite‘ wird.“
Und nun kurz zum Sprachlichen: „Elite“ entstammt dem französischen „élire“ - zu Deutsch „auserkiesen“ (komisches Wort im Infinitiv). Es handelt sich wohl um ein altertümliches Partizip (heute würde man auf Französisch „élu“ sagen) und entspricht dem deutschen „auserkorenen“. Aber wozu auserkoren?
In der Münchener „Abendzeitung“ habe ich ein Interview mit dem Psychologen Ahmad Mansour gelesen. Er behauptet, dass sich manche junge Muslime durch den IS radikalisieren lassen, weil sie glauben, sie werden in eine „Elite“ aufgenommen werden.
Aber genug der Eliten. Nächste Woche (hoffentlich) kein politisches Thema. Bin nicht dazu geeignet. Ich denke, die Welt ist viel zu kompliziert, dass ich sie in so einer kurzen Glosse wie diese rfassen werde… oder überhaupt…
Er hatte recht, Marshall McLuhan, zumindest mehr oder weniger.
Kennen Sie den Namen noch? Bald werden es 36 Jahren sein, seitdem er am letzten Dezembertag des Jahres 1980 mit 69 Jahren gestorben ist.
„The Medium is the Message“ war seine pfiffige Losung. Etwa: Das Mittel selbst [sprich: „Vermittlung“, „Übermittlung“, „Medien“] ist die Botschaft. Klingt auch im Info-Zeitalter recht pfiffig.
Nur wenige haben damals verstanden, was er damit sagen wollte, aber seine Themen wurden heiß diskutiert. Eine eigene Meinung über seine Gedanken zu äußern, war aber gefährlich. Man wurde als Angeber verhöhnt…oder noch schlimmer: als Pseudointellektueller.
McLuhan spielte einmal eine kleine Rolle für Woody Allen. Ich glaube, es war in „Annie Hall“ („Der Stadtneurotiker“). Ein paar Pseudointellektuelle stehen an vor einem Kino und besprechen eifrig die Ideen von Marshall McLuhan, während sie auf Einlass warten. Man merkt schnell, dass das, was sie sprechen unverdünntes Blabla ist.
Plötzlich erscheint McLuhan - wie aus dem Nichts - und erklärt den zwei P.I.s, was er tatsächlich meinte. War ‘ne lustige Szene.
Was war McLuhans Thema? Er hat sich Gedanken über den wachsenden Einfluss des Fernsehens gemacht. Er war sicher, dass das Fernsehen eine Schnittstelle in der Kulturgeschichte unserer Zivilisation darstellte so tief wie einst die Erfindung des Buchdrucks.
So wie einst das Leben durch die Allgegenwärtigkeit von gedruckten Worten verändert wurde, sollten nun der Bilderregen uns weiterhin verändern.
McLuhan rechnete damit, dass die allgegenwärtigen TV-Bilder die Welt zu einem „globalen Dorf“ (Global Village) mutieren würde. Überall würden Menschen unter dem Einfluss der gleichen durch TV vermittelten Infos stehen.
Kommt Ihnen diese Idee bekannt vor, o Bewohner der digitalen Weltordnung?
Ich geh davon aus, dass McLuhan niemals eine Email geschrieben hatte. Wenn er den Computer wahrgenommen hatte, dann nur als Rechenmaschine, die fähig war, in wenigen Sekunden, endlose Zahlen zusammenzuaddieren oder diverse Fakten in eine fixe Reihenfolge zu sortieren.
Als McLuhan starb, war Meister Zuckerberg noch nicht auf diesem Planeten gelandet. Steve Jobs hatte gerade seine ersten PCs (es waren noch keine„Macs“) zusammengeschraubt. MS-DOS wurde gerade erfunden. Google, Amazon, Uber, Airbnb - nicht einmal als Science Fiction erträumt. McLuhan war allein aufs Fernsehen fixiert.
Und jetzt haben wir unser globales Dorf im echt. Es wird aber nicht von TV-Signalen gesteuert, sondern vom WehWehWeh. Ach und Weh herrschen im Zeitalter von Facebook, Twitter, Instagram, Hacking, Phishing, Trolling, Mobbing und „Kompromat“ (Russisch für Lügengeschichten, die einem Feind das Leben zerstört).
Falls Sie McLuhan nicht kennen, bitte glauben Sie mir: Ich hab ihn nicht erfunden. Sie lesen keine Fake-Biographie. Wirklich. Oder sind die Dinge schlechter bestellt als ich gedacht habe? Nein, ich lüge nicht. Ich erzähle die Wahrheit. Glauben Sie mir. Glauben Sie mir?
P.S. Gerade hab ich die Etymologie des Wortes „fake“ nachgeschlagen. Stellen Sie sich vor: Kein Mensch weiß, woher es kommt. (Wie hätte es anders sein können?). Und: Es ist gar nicht so einfach einen Begriff wie „fake etymology“ zu googeln. Man wird gleich mit einem Eintrag über „false etymology“, also falsche Etymologie, konfrontiert - und das ist natürlich etwas anders als „fake etymology“. Google unterscheidet zwischen „fake“ und „false“ nicht. Und Sie?
Darf ich Sie im globalen Dorf willkommen heißen?
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