Ich finde im Augenblick, dass ich viel bildhafter auf Deutsch leide als auf Englisch.
Ich denke, z.B., an meinen Hexenschuss. Er traf ein (wie der Name so schön anmuten lässt) wie aus dem heiteren Himmel (aus der düsteren Hölle wäre genauer).
Hexenschuss. So ein schönes Wort um die Ursache meiner Schmerzen zu beschreiben. So bildhaft umfasst er mein Leiden.
Ja, natürlich verstehe ich, dass ein dunkles Kapitel der dt. (bzw. europ.) Geschichte hinter diesem Begriff steckt, dass früher unschuldige Frauen bei lebendigem Leib frittiert wurden, weil irgendeiner Lümmel wie ich plötzlich Rückenschmerzen hatte usw. Das war aber damals…
...fürs heutige europ. (dt.) Ohr klingt der Hexenschuss hingegen wie ein Märchen aus dem Gebr. Grimm. (Vielleicht ist es anders in Teilen Afrikas und in Teilen der islamischen Welt, wo noch heute Frauen als Hexen…um es höflich auszudrücken… „traktiert“ werden).
Aber zurück zu meiner Märchenwelt:
Ich persönlich werde - zum Glück - nur selten von einem Hexenschuss heimgesucht (Achtung, liebe Deutsche: Ist nicht „heimsuchen“ ein reizendes Wort? - so bildlich!) und ich kann mit diesem Leiden eigentlich recht routiniert umgehen. Das heißt:
Bewegung, Bewegung, Bewegung. Aufstehen, spazieren gehen. Lediglich mit dem Bücken bin ich vorsichtig. Das kann ja höllisch weh tun. Wenn ich etwas aufheben muss, geh ich dann mit gradem Rücken in die Knie.
Darüber hinaus creme ich die verhexte Stelle mit einer Salbe ein, lege einen Kirschkerndlkissen in die Mikrowelle dreiundhalb Minuten bei 545 Watt und wärme den Rücken 15 oder 20 Minuten auf. Dies am besten dreimal täglich (auch dreimal eincremen). Der Spuk ist meistens nach zwei oder drei Tagen bereits vorbei.
Neulich teilte ich meiner Babysitterin mit, dass ich von einem Hexenschuss heimgesucht worden war. Ja, Sie haben richtig gelesen: meine Babysitterin, Ethel. Sie war einst das Nachbarskind nebenan in der Bronx und hat mich behütet, wenn meine Eltern am Abend eingeladen waren.
Ich wusste allerdings nicht, wie man „Hexenschuss“ auf Englisch sagt - vielleicht weil ich damals, als ich nach Deutschland kam, noch keinen Hexenschuss gehabt hatte. Ich schrieb Ethel: „I was - as the Germans say - ‘struck by a witch’“. Dann fügte ich hinzu, dass ich „lower back pain“ hatte. Ja, aber das ist nicht unbedingt dasselbe wie ein Hexenschuss.
Also schlug ich im Wörterbuch nach und entdeckte zu meiner Überraschung, dass ich an einem „spasm“ litt, genauer gesagt einem „back spasm“.
So ein langweiliger Begriff, dachte ich. „Spasm“ (Deutsch: „Spasmus“), das klingt wie eine Zuckung, muss nicht einmal wehtun. Ich war deshalb nicht überzeugt, dass die Übersetzung stimmt. Inzwischen weiß ich, dass Amerikaner immer „back spasms“ haben. Echt.
Worauf will ich hinausgehen? Vielleicht mein ich nur dies: Wenn schon Schmerzen, dann sollen sie wenigsten einen interessanten Namen haben. Deswegen komme ich auch mit meinem gelegentlichen Fracksausen zurecht. Nomen ist schließlich Omen!
He! Plötzlich tut mein Rücken gar nicht mehr weh! Sauber.
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