Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie eine Fremdsprache lernen. Bei mir jedenfalls sitzen manche Wörter einfach nicht, egal wie ich sie büffele. Sie weigern sich, in mein Gedächtnis fixiert zu werden. Wie wenn man mit Sekundenkleber einen Henkel an eine Tasse anzubringen versucht, und er fällt trotzdem wieder ab.
Wörter sind zwar keine Henkel, doch manchmal brauchen auch sie einen besonderen Klebstoff, damit sie endlich im Gedächtnis haften.
Das war mein Erlebnis, z.B., mit dem Wort „geraten“, als ich dabei war, die deutsche Sprache zu erobern. Ausgerechnet dieses Wort spielte ständig Versteck mit mir. Ich könnte es mir nie merken, war ständig dabei, es in meinem dicken Wörterbuch nachzuschlagen. (Damals gab’s noch kein Wiktionary, Kinder).
Nur mit einem Trick konnte ich den Sinn endlich befestigen: Ich habe ein dt. Synonym entdeckt. In diesem Fall war es „landen“. Naja, die Bedeutungen gehen doch ein bisschen auseinander. Außerdem erfordert „geraten“ einen Akkusativ, wo „landen“ auf den Dativ fixiert ist.
Hoppla! Wie bin ich in diesem Kanal gelandet (bzw. in diesen Kanal geraten)? Eigentlich wollte ich über etwas ganz anders schreiben: und zwar über das Wort „Mem“, Mehrzahl „Meme“. Womöglich kennen Sie das Wort auch als „Meme“ (sprich „miem“)? Denn das „Meme“ ist seit ein paar Jahren zu einem… „Meme“ geworden.
Seit ewig will sich dieses Wort einfach nicht in meinem Gedächtnis haften. Und deshalb schreibe ich jetzt darüber. Vielleicht hilft das.
Der dt. Begriff „Mem“ (Englisch „Meme“ – sprich „miem“) existiert seit 1976. Genauer gesagt: Er ist die Erfindung des britischen Biologen Richard Dawkins. Dawkins hat dieses Wort bewusst als Pendant zu „Gen“ aus dem Boden gestampft. So wie ein Gen die biologische Einheit ist, die für die Vererbung von körperlichen Eigenschaften verantwortlich ist, dient das Mem – Dawkins zufolge – als kleinste Einheit für die Verbreitung (Vererbung) von kulturellen Phänomene.
Genauer gesagt: Ein Mem ist der Einfall eines Einzelmenschen, der eventuell zum Massenphänomen ausufert. Laut dem bekennenden Atheisten Dawkins ist auch die Religion ein Mem, das, wie man heute sagt, „viral“ gegangen ist. Doch nicht nur die Religion, jede Idee hat das Potential, ein Mem, ein memetisches Phänomen zu werden – auf langer Zeit oder nur kurz. Letzteres bezeichnen wir als eine „Mode“.
Alles klar?
Eine nette Vorstellung, um die Ausbreitung von Moden, Riten, kulturellen Errungenschaften etc. zu deuten. Dawkins hat allerdings nicht nur Befürwörter für seine memetische Theorie. Manche Kollegen halten die Sache für reine Quacksalberei, Pseudowissenschaft.
Aber egal. Das soll nicht unser Problem sein. Immerhin: Man sieht mit diesem Beispiel, wie ein waschechter Begriff entsteht. Das „Mem“ hat sogar ein Geburtsdatum.
Inzwischen ist aber das Wort „Mem“ selbst zum „Mem“ geworden. Aber dann spricht man es amerikanisch aus: „Meme“ (also „miem“).
Heute heißt jegliche modische Erscheinung im Internet, die sich steppenbrandartig ausbreitet (viral) ein „Miem“. Das sind ja YouTube-Videos, Instagram-Schnappschüsse, Facebook-Beiträge oder irgendwelche rassistische oder sonstige Lügen, die durch die Blogs und Vlogs fliegen.
Das sind die Miems.
Ich denke, ich habe dieses Thema für jetzt genügend erläutert. Bin sicher, dass wenigstens ich es endlich für alle Zeiten verinnerlicht habe. Ich denke, dass diesmal das Wort endlich auf die richtige Fahrbahn geraten ist.
Heute, liebe Sprachinteressierte, reden wir über das spannende Wort „Hype“.
Das Wort interessiert mich brennend, weil ich es in letzter Zeit kaum vermeiden kann. Bin überall damit konfrontiert: im Gespräch, in den „Medien“, womit ich sowohl digital wie auch print meine. Auch im Traum.
Es handelt sich um ein „Fremdwort“. Darf man heute noch „Fremdwort“ sagen? Oder klingt das ein wenig wie „Lebensraum“ und „Einsatzkommando“?
Immerhin hat „Hype“ bereits einen deutschen (und höchstwahrscheinlich auch einen österreichischen) Pass erhalten. Im Eilverfahren sogar. Komisch, wie sich Wörter rascher integrieren als Menschen. Damit meine ich Flüchtlinge, Migranten und sonstige Einwanderer. Nehmen Sie mich als Beispiel.
Diese Vokabel, „Hype“, kenne ich übrigens schon lange – auch bevor sie den dt. Pass bekam. Schließlich stammt sie aus dem Englischen. Man könnte sicherlich eine Doktorarbeit über die Frage schreiben, warum das Wort momentan so beliebt ist.
Die deutsche Version scheint, so bilde ich mir jedenfalls ein, ca. zwei Jahre im Gebrauch zu sein. Oder könnte es noch länger sein?
Und noch etwas interessiert mich über dieses Wort: sein grammatisches Geschlecht. Und deshalb schreibe ich diese Glosse.
Jeder Deutschsprechende weiß, dass ein jedes dt. Hauptwort eines Artikels bedarf – also ein „der“, „die“, „das“ – , um offiziell als dt. Wort gelten zu dürfen. Keine Ausnahmen. Sorry, so sind auch in den heutigen, liberalen Zeiten die Regeln.
Auch ich wurde 1975, also im Jahr meiner Ankunft in Deutschland, mit einem Artikel versehen. Man nannte mich „der PJ“ (sprich „piedschäj“). Ja, ich bin ein Der. Ich bekam sogar einen zweiten Artikel verpasst. Denn manche (meistens Frauen) sagten zu mir damals auch „das PJlein“. Heute übrigens nimmer. Bin wieder bei einem Artikel gelandet.
Und„Hype“? Wie lautet hier der Artikel?
Ich persönlich hätte „die“ gesagt. Und mit gutem Grund. „Hype“ auf Englisch ist eine Abkürzung von „hyperbole“ („Übertreibung“), was mit „Hyperbel“ verdeutscht wird. Ein ausgesprochen feudales Wort. Auch „Hype“, bedeutet „Übertreibung“.
Für diejenigen, die gern etwas mehr in die Tiefe gehen: Die Vokabel „hyperbole“ wird von zwei griechischen Wörtern: „hyper“ (über) und „bole“ „(Wurf) zusammengeschustert. „Hyperbolen“, bzw. „Hyperbeln“ entstehen also, wenn etwas zu weit geworfen wird. Ist doch logisch.
Wie schon gesagt: Ich hätte auf „die Hype“ getippt, da das Wort mit „die Hyperbel“ verschwistert ist.
Dem ist aber nicht so. Man sagt „der Hype“. Manche sogar „das Hype.“
Aber warum? Meine Frau ist der Meinung, dass die Neigung zur Übertreibung durchaus eine männliche Charaktereigenschaft ist. Vielleicht hat sie recht. Ich weiß es aber leider nicht. Und deshalb ist Deutsch so schwierig.
Wie dem auch sei. Ich bin überzeugt, dass wir es mit einem wertigen Neuling in der deutschen Sprache zu tun haben und sage: „Lieber Hype, du bist großartig! Willkommen in Deutschland. Fortan bist zu zuhause.“
Mein erster Deutschlehrer war mein Cousin Gary. Leider lebt er nicht mehr. Er hätte sich gefreut, dass ich über ihn schreibe.
Eigentlich hatte Gary kaum Deutschkenntnisse. Immerhin mehr als ich. Er konnte, zum Beispiel, „Achtung!“ sagen, wobei die Betonung auf der zweiten Silbe lag. Auch „Schweinehund!“ zählte zu seinen Lieblingswörtern der deutschen Sprache. Er sagte aber „Schweinhund!“ auch mit der Betonung auf der zweiten Silbe.
Gary hat mir auch das „Gestapospiel“ beigebracht. Sie kennen es wahrscheinlich nicht.
Am Anfang des Spiels warf er mich grob auf den Boden und setzte sich auf mich. Ich war ein dürres Kind mit dünnen Beinchen wie eine Schnake. Er war sieben Jahre älter und entsprechend schwerer. Er drückte meine Arme mit seinen Knien fest gegen den Boden und fragte als erstes – auf Englisch – mit Fantasiedeutschem Akzent: „Wat iss jor näm?“ Also, „What is your name?“.
Unterdessen kicherte ich viel, obschon es mir nicht ganz wohl zumute war. Denn ich fühlte mich wie plattgedrückt von ihm. Ich antwortete aber ganz aufrichtig mit meinem echten Namen.
Es folgten aber sogleich endlose Watschen. Die taten nicht schrecklich weh aber doch ein bisschen. Obendrein war ich fixiert gegen den Boden. Und während er mich ohrfeigte, brüllte Cousin Gary vergnügt…“Ju lei, ju lei!!“ Also, du lügst, du lügst. Ich lachte natürlich, aber nicht ohne eine Portion Unbehagen.
Dann kam die nächste Frage: „Wer du ju liff?“ Also, where do you live. Wieder versuchte ich ehrlich zu antworten – immer der Brave. Denn so einer war und bleibe ich…
„Ju lei! Ju lei!“ kreischte er, und es regnete wieder Watschen. Und ich? Ich lachte.
Nun die dritte Frage… nach meiner Telefonnummer und weitere Watschen, egal was ich antwortete, und Beschimpfungen, dass ich lüge. Bis dahin war ich den Tränen nahe. Doch das wusste Gary nie, weil ich noch immer lachte, wenn auch ein bisschen hysterisch.
Irgendwann pflegten meine Mutter und seine Mutter ins Zimmer zu stürmen. Sie rügten Gary und tröstete mich das arme Baby oder so.
Egal. Das Spiel machte Spaß, weil ich Gary sehr schätzte; und wir spielte es immer wieder gern.
Ja, so war mein Einstieg in die dt. Sprache und Kultur.
Eigentlich wollte ich heute über ein anderes Thema schreiben. Aber dann fiel mir die Geschichte mit Gary ein. Nicht allerdings von ungefähr, wie ich unten erklären werde. Heute wollte ich nämlich den Unterschied zwischen dem deutschen Wort „liberal“ und dem englischen „liberal“ (gesprochen „libbr’l“) erläutern.
Wieso komme ich darauf? Weil ich heute auf einen Kommentar in der New York Times gestoßen bin, geschrieben (auf Englisch?) von der deutsch-kroatischen Schriftstellerin Jagoda Marinic. Die Überschrift lautete „In Germany, liberals bond over Trump“. Zu Deutsch: In Deutschland, schließen sich die Liberalen zusammen“.
Fakt ist aber: Der Titel passt nicht zum Inhalt des Textes, und ich weiß, warum: Frau Marinic verwendet in ihrem Text den Begriff „liberal democracy“ (die sie durch Mr. T. bedroht sieht). Dieser Begriff hat den Editor offenbar in die Irre geführt.
Denn Europäer – und damit meine ich nicht nur Deutsche – verstehen unter dem Wort „liberal“ etwas ganz anders als Amerikaner.
Und so kam ich auf meinen lieben Cousin Gary. Vor einigen Jahren sprachen wir am Telefon und kamen u.a. aufs Thema Politik, wobei ich den Neo-Liberalismus“ kritisierte. „Na, endlich bist du erwachsen,“ sagte Gary erfreut, „Du distanzierst dich von den „liberals“.
Seine Bemerkung hat mich zunächst ein wenig verwirrt. Bis es mir einfiel, dass dieses Wort in den USA einen anderen Sinn hat als in Europa.
„Libb’rl“ auf Amerikanisch bedeutet „Linker“. Der linke Flügel der SPD, die Grünen und natürlich die „Linke“ würde man im amer. Sinn, als „libbr’ls“ bezeichnen. Der europäische „Liberal“ ist in den USA vielmehr ein „conservative“ oder „pro-business“.
Das hab ich dann Gary erklärt. Hat er nicht gewusst, gab er zu. Er hat übrigens auch das Gestapospiel längst vergessen.
Fangfrage: Wie nennen Sie den Menschen, mit dem Sie über Ihr Depot konsultieren (falls Sie ein Depot haben)?
Es hat mir Mühe gekostet, obigen, sehr komplizierten Satz zu formulieren, damit ich die Antwort mit der Frage nicht gleich verrate.
Um Missverständnisse auszuräumen: Ich meine hier nicht den netten Menschen, mit dem Sie am Schalter Kontakt haben. Mit dem brauchen Sie keinen Termin zu vereinbaren.
Keinen Stress. Dies ist keine Prüfung, lediglich der Einstieg in einen sprachgeschichtlichen Exkurs.
Doch jetzt zur Sache.
Als ich 1975 in Deutschland ankam, bezeichnete man diesen Menschen als „Bankier“ (sprich: bahn-k‘jej), was eigentlich die Verdeutschung des französischen „banquier“ ist.
Dieses Wort ist ein klares Bekenntnis dazu, dass ein Hauch des exotischen (d.h. französischen) um diesen Beruf noch wehte. „Morgen habe ich einen Termin bei meinem Bankier.“ „Mein Bankier meinte, ich sollte eine Staatsanleihe kaufen.“ usw.
Auch ich habe die Vokabel „Bankier“ damals verwendet, obgleich ich selber nicht in der Lage war, einen zu haben, den ich als „meinen Bankier“ hätte beschreiben können. Ich habe mir das Wort einfach übernommen, weil es jeder sagte. So lernt man eine Fremdsprache.
Doch eines Tages gab es plötzlich keine Bankiers mehr – als wären sie beinahe über Nacht von einer mysteriösen Seuche weggerafft worden. Das Wort hörte man nicht mehr – außer im Gespräch mit älterer Herrschaft, die nicht auf dem Laufenden war bzw. sein konnte.
Auf einmal hieß der Mensch, mit dem ich über Aktien, Wertpapiere, Festgeld usw. redete, der „Banker“ (sprich: „bä(n)-kerr). Das Wort wurde eins zu eins aus dem Englischen übernommen. Wir schreiben das Jahr 1981 oder so. Der Gebrauch des Denglischen hatte gerade Hochbetrieb.
Dass aber der Bankier zum Banker wurde, hatte einen anderen Grund als Mode. Damals (genauer gesagt ab 1979) war etwas in der finanziellen Welt geschehen, das den Banker schleunigst zum Schlagwort erhob, so dass er alsbald Einzug in die dt. Sprache nahm:
Damit meine ich die Derregulierung der Banken, die dank einer Entscheidung des US-Kongresses ein Geldtsunami verursachte. Zur Erinnerung: Ab 1979 bekamen die Banken (zuerst in den USA, dann auch in Europa) die Freiheit, hauptgeschäftlich mit Geldanlagen zu brillieren. Wo früher die Bank als Hort der Ersparnisse des kleinen Manns galt, ging es fortan um Investitionen. Neu Deutsch: Investment Banking. Das Sparbuch wurde zum Nebenbrot.
Der Mensch, der den Kunden die Möglichkeit zu profitablen Investitionen animierte, hieß nun der Banker. Und so war die Situation einige Jahre, bis das Wort absolut selbstverständlich wurde.
Zwischen 1994-1998 lebte ich mit Familie in den USA. Während dieser Zeit habe ich offensichtlich einen sehr wichtigen Sprachwandel verpasst. Denn als wir nach Deutschland zurückkehrten, stellte ich fest, dass mein „Banker“ nun mehr „Berater“ hieß.
Warum nicht? hab ich damals gedacht. Immerhin will er – oder sie – mich beraten. Wie soll ich sonst den Irrgarten der Investitionsmöglichkeiten (bzw. Investmentmöglichkeiten) verstehen.
Ich wäre sogar gern dabei geblieben. Doch eines Tages stelle ich erneut fest, dass sich etwas im Bankgeschäft getan hatte. Und es hat mich mächtig überrascht. Ich redete zwar immer noch vom „Berater“. In den Schreiben meiner Bank aber hieß dieser Mensch plötzlich anders. Er (oder sie) war mein(e) „Betreuer/in“.
Und deshalb, liebe Investoren, Investorinnen, haben Sie heute auf der Bank eine(n) Betreuer/in. So jemanden hat man auch im Krankenhaus, in der Irrenanstalt und im Altersheim. Man soll sie nicht verwechseln, behauptet man auf der Bank.
Heute Englischunterricht beim Sprachbloggeur!
Diesmal aber etwas besonders. Heute bringt Ihnen der Sprachbloggeurteam bei, wie man schnell eine gute Aussprache erreicht.
Notabene: Es handelt sich hier nur um die amerikanische Aussprache. Fürs Queen’s English sind wir beim Sprachbloggeur nicht zuständig. Sorry.
Die gute Nachricht vorab: Ums Amerikanische überzeugend zu speaken, brauchen Sie nur eine einzige Regel zu beherzigen. Ich setze freilich voraus, dass ihre Kenntnisse meiner Muttersprache sonst so weit sind, dass Sie ebenso viele Fehler machen wie ich. Wie aber gesagt: Es geht um eine einzige Regel!
Wissen Sie zufällig, wie Amerikaner die deutsche Sprache beschreiben? Sie behaupten, dass sie kehlig („guttural“) klingt, so als würden Deutsche beim Reden gurgeln. Wenn Amerikaner diese Fremdsprache nachahmen – auch wer da keine Kenntnisse (was für die meisten zutrifft) hat – der reiht endlose Kehllaute aneinander. Etwa: „Cha b’cha chu ach che lach lech chatsch. Achtung!“ So klingt Deutsch in den Ohren eines Amerikaners.
Wenn Sie meinen, dass das gemein und ignorant anmutet, denken Sie nur daran, was Deutsche übers Amerikanische sagen. „Die reden, als würden sie Kaugummi im Mund haben!“ Und dann spricht man eine Silbenreihe aus, die sich ungefähr folgendermaßen anhört: „Rrrrrörr börrrr föörrr, görrr mörrrr, yes!“ Notabene: Das „R“ in diesem Beispiel wird von Sprachwissenschaftlern als „alveolar“ bezeichnet, ein Laut, den es im Deutschen gar nicht gibt und der erinnert an einen Harley, wenn er an der Ampel steht, oder ans Knurren eines skeptischen Hundes.
Nebenbei: Das „Alveolar-R“ ist eine avis rara (seltener Vogel) im phonologischen Repertoire. Ich kenn es sonst nur in manchen niederländischen Dialekten, im Gälischen und im Mandarin-Dialekt des Chinesischen.
So sieht es mit den Vorurteilen aus. Tatsache ist aber: Deutsche, die meinen, dass der Ami klingt wie einer, der seinen Mund voller Kaugummi hat und Amerikaner, die meinen, Deutsche reden „guttural“, also „kehlig“, irren beide.
Der beidseitige irrige Eindruck entsteht jedoch aus einem sehr logischen Grund.
Und damit kommen wir endlich zum Knacklaut.
Dieser im Deutschen stark vertretene Laut wird komischerweise nicht einmal durch einen eigenen Buchstaben dargestellt, und trotzdem ist er die Ursache dafür, dass Amerikaner meinen, dass sich Deutsch „guttural“ anhört und Deutsche, lästern, dass Amerikaner reden, als würden sie den Mund voll haben.
(Noch eine Beigabe: Im Arabischen kommt der Knacklaut eher auf seine Kosten und erhält ein eigenes Schriftzeichen, das man „hamsa“ nennt. Im Hebräischen dient der Buchstabe „alef“ dem gleichen Zweck).
Wo findet man diesen Knacklaut? (Sprachwissenschaftler sagen „Schwa“). Er steht im Deutschen unmittelbar vor jedem anlautenden Vokal. Wir werden es hier zur Veranschaulichung mit einem "*" darstellen: *Apfel, *er*innern. Hören Sie den „Knack“? Dank diesem "*" hört man im Deutschen überall Wortgrenzen. Deutsch klingt nicht „guttural“. Es macht sprachrhythmisch ein „tak tak tak tak…“ wie ein trabendes Pferd.
Im Englischen ist alles anders. Der Knacklaut fehlt fast immer (außer einer redet mit einem Idioten oder einem Ausländer). Wenn ein Deutscher “an apple“ sagt, hört man sofort ein „*an *apple“. *Er wird gleich *als Nichtmuttersprachler ge*outet. Der Amerikaner hingegen nuschelt etwas dahin, das für deutsche Ohren wie „na-pell“ klingt. „*An *apple *a day keeps the doctor *away“ mutiert für den amer. Muttersprachler zu „na-pallad day keepsa-do-kterra-way“.
Englische Sätze klingen für jemanden, der nur die Schriftsprache kennt, wie Leiber ohne ein Gerippe. „If you want to go“ wird zu „ffya-wanna-go“.
Ja, liebe Lesende. Das ist das Prinzip. Üben Sie fleißig. Bald klingen Sie so unpräzise wie ich.
Genug des Sprachunterrichts für heute.
Es ist lange her, dass Jimmy Carter Präsident der Vereinigten Staaten war. Manche (vor allem in Europa) waren damals mit seiner Wahl unglücklich, und sie lästerten. Da er aus der Landwirtschaft stammte und Erdnüsse anbaute, beschimpfte man ihn als „Erdnussfarmer“, als würde das bedeuten, er wäre unfähig, sein Land zu regieren.
Netter Trick. Mit einem einzigen Wort (manchmal sind es mehrere) kann etwas oder jemand entwertet werden.
Und damit sind wir bei den Schlagworten gelandet, auch „Slogan“ genannt. Letzteres stammt übrigens aus dem Keltischen und bedeutet „Schlachtruf“, da der Gebrauch eines Schlagwortes stets etwas Kämpferisches und Aggressives beinhaltet.
Der Trump Donald ist in dieser Taktik ein Meister. Er erfindet Spitznamen für alle und alles. Kandidat Trump bezeichnete seine Gegnerin Hillary Clinton als „Crooked Hillary“, also die „linke“, die „korrupte“ Hillary. Er wiederholte den Slogan so oft, bis er überall haftete.
Die New York Times, weil sie seiner Art Politik kritisch gegenüberstand, wurde zur „failing New York Times“, etwa, ,“in die Pleite versinkend“ reduziert. Der Tweeter-in-Chief der Vereinigten Staaten verwandelte diese Losung durch endlose Wiederholungen in eine Zauberformel, die die Zeitung schwächen sollte. Bisher allerdings hat der Zauber in die andere Richtung gewirkt: Die NY Times hat an Lesern gewonnen. Na ja. Kommt auch mal vor.
Ähnlich der Washington Post: Trump beschimpft sie, da sie das Eigentum des Amazon-Gründers Jeff Bezos ist, als „Amazon Washington Post“. Auch sie gedeiht.
All dies lediglich als Einleitung zu einem Fall des Sloganismus, der mich seit Tagen irritiert. Und jetzt muss ich leider in trübem Wasser waten. Es geht um den sog. „Vogelschiss“-Zitat des AfD-Chefs Alexander Gauland. Gauland wurde in den Medien fast einhellig angegriffen. Es ging um folgenden Satz. Ich zitiere: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“
Der Aufruhr darüber war riesig. Historiker, Journalisten, Verbände aller Arten und Couleuren einigten sich zum Angriff gegen den offensichtlich „Hitler-verharmlosenden“-Gauland.
Aber warum? Bitte nicht schimpfen, liebe Lesende, wenn ich diese Frage stelle. Warum die Aufregung? Ich habe den Satz mehrmals gelesen und verstehe die negative Reaktion immer noch nicht. Zugegeben: Gauland ist Chef der AfD, und es gilt momentan als salonfähig, diese Partei zu missbilligen. Vielleicht, weil sie gewisse Themen für sich beansprucht, die die anderen, sog. bürgerlichen Parteien zu sehr vernachlässigt haben, Themen, über die viele Menschen, die keine Nazis sind, ernsthaft nachdenken.
Von daher nimmt man jede Gelegenheit wahr, auch diese mit dem Vogelschiss, um die AfD mit Schimpf zu bekleckern. Man braucht das Wort „Vogelschiss“ bloß zu sprechen, und zack! jeder weiß, worum es geht.
Ich bin kein AfD-Anhänger. Dennoch halte ich diesen Angriff bezüglich des Vogelschisses für opportunistisch und zynisch. Diese unsachliche Kritik wird noch rätselhafter, wenn man die Sätze der Gauland-Rede, die den mit dem Vogelschiss vorangehen, zur Kenntnis nimmt. Ich zitiere:
"Wir haben eine ruhmreiche Geschichte, daran hat vorhin Björn Höcke erinnert. Und die, liebe Freunde, dauerte länger als die verdammten zwölf Jahre. Und nur, wenn wir uns zu dieser Geschichte bekennen, haben wir die Kraft, die Zukunft zu gestalten. Ja, wir bekennen uns zu unserer Verantwortung für die zwölf Jahre. Aber, liebe Freunde, Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte."
Okay, ich persönlich halte nicht alles, was in den letzten 1000 Jahren in den deutschen Ländern geschehen ist, für „ruhmreich“ – auch wenn man von den besagten „Vogelschiss“-Jahren absieht. Die Gauland-Rede ist aber nun mal eine politische (sprich: nicht besonders differenzierte) Rede gewesen, und man will sie in diesem Zusammenhang einordnen.
Doch warum soll man die Nazis nicht mit „Vogelschiss“ vergleichen? Wenn Sie meinen, Vogelschiss sei etwas Triviales, dann irren Sie sich. Jeder Denkmalschützer kann ein Lied von der zersetzenden Wirkung dieses Naturstoffes singen.
Und nun wird aus „Vogelschiss“ ein Schlachtruf. Lustig. Oder vielleicht nicht so lustig. Den Schuss-nach-hinten gibt’s auch. Siehe oben.
Was! Hab ich heute was Politisches geschrieben?! Furchtbar! Ich verspreche Besserung. Ab nächster Woche wieder das übliche, der täglichen Welt entrückte Zeug.
Denken Sie dran mal ein Buch zu schreiben, genauer gesagt einen Knüller, über den jeder spricht? Dann sind Sie hier richtig!
Oder vielleicht haben Sie dieses Buch bereits geschrieben und sogar an die Verlage als Exposé mit Textprobe rumgereicht, um lediglich ein paar Absagen oder gar keine Antwort zu ernten.
Geben Sie aber nicht auf! Denn sollte es Ihnen gelingen, Ihr Buch doch groß rauszubringen, werden diejenigen, die es abgelehnt haben, Sack und Asche tragen. Umso mehr, wenn sie die tollen Kritiken lesen und die Verkaufszahlen bei Amazon begaffen.
Dann, liebe/r Bestsellerautor/in, werden Sie Lesungen überall in Deutschland – vielleicht auch in Österreich und in der Schweiz – halten. Man wird Sie vom Flughafen abholen und in schönen Hotels oder Pensionen unterbringen, wo der Frühstückstisch aussieht wie Weihnachten im Jachtklub.
Ihre Gastgeber, d.h., diverse Journalisten und Kulturbetreibende, werden sie geistreich unterhalten, schmeicheln, Sie umwerben, so dass Sie am Ende des Tages furchtbar erschöpft und schrecklich einsam ins Bett fallen werden. (Ja, so ist das Leben im Hotel).
Derweil aber werden sich die Bücher wie „heiße Tamales“ (Amerikanismus) verkaufen, und man wird Sie, solange Interesse besteht, inbrünstig bewundern.
Vergessen Sie aber nicht: Wir schreiben das Jahr 2018. D.h.: Sie müssen, um Ihr Projekt gute Erfolgschancen zu gewährleisten, einiges an Zeit investieren.
Damit meine ich: Vergessen Sie nicht, Ihre Präsenz bei Instagram, Linkedin, Whatsapp, Twitter usw. zu kultivieren. Im Augenblick ist die Sache mit Facebook noch etwas unsicher, aber wer weiß? Vielleicht ist Facebook bald wieder im Kommen. Ach ja, und YouTube. Wäre toll, wenn Sie ein YouTube-Publikum hätten. Noch besser: wenn ein Video von oder mit Ihnen, viral gegangen ist!
Ach ja. Und vergessen Sie ja nicht, Ihren Blog zu kultivieren. Ein Blog ist stets die halbe Miete. Es sieht echt blöd aus, wenn die Leute nach Ihrer Präsenz suchen und Sie nur bei Instagram, Linkedin, Whatsapp, Twitter usw. finden. Ja, so ist das Showbusiness. Denken Sie an die Kardashian-Familie!
Übrigens: Sie können es auch ruhig eine Weile mit dem Schreiben lassen – ich meine, nachdem Sie Ihren Knüller bereits geschrieben haben, damit Sie sich ganz auf das Tamtam konzentrieren können. Sie sind nun schließlich ein Unternehmen, eine Art Tante Emma Geschäft der Kulturwelt.
Will sagen: Täglich müssen Sie Ihren „Garten“ (Sie wissen, was ich damit meine) begießen, bis Ihr Name so bekannt ist, dass keiner fragen wird: „Wer ist denn das? Ich kenn den Namen nicht.“
Nebenbei: Falls Sie Ihr Buch noch nicht verkauft haben, wäre ein/e Agent/in vielleicht nützlich. Sie sind wie goldene Brücken! Achtung: Sie möchten aber becirct werden.
Ja, der Preis gehört Ihnen…fast.
Übrigens, worum geht es in Ihrem Buch? Egal. Das Thema muss halt packen. Packen, packen packen. Schaffen Sie das? Hören Sie, dies ist eine ernste Frage. Packt es, ich meine, trifft es einen Nerv? Egal was für einen!
Aber wenn Sie sonst alles richtig gemacht haben, wird das Buch selbst beinahe zu Nebensache! Komisch, gell?
Nein, ich meine es nicht so. Ich weiß, dass Ihnen Ihr Buch sehr wichtig ist. Ich will Ihnen nur helfen, es zu verkaufen. Das ist nicht schlimm, oder?
Notabene: Bin auf Entdeckungsreise. Neues erst im neuen Monat wieder.
Es kommt nur selten vor, dass ich auf eine deutsche Vokabel treffe, die ich nicht kenne, zumal ich so lange in Deutschland bin, dass ich bestimmt mehrmals jedem Wort dieser Sprache mindestens einmal über die Lippen gebracht habe. Darüber hinaus lese ich beinahe täglich Spiegelonline und auch die Münchener Abendzeitung.
Dennoch habe ich neulich ein mir unbekanntes Wort entdeckt. Noch überraschender: Ich verstehe dessen Sinn immer noch nicht. Meine Frage: Was ist mit „Entfristung“ gemeint?
Klar weiß ich, dass dt. Wörter, die mit „ent-“ anfangen, darauf hinweisen, dass etwas weggenommen oder abgezogen wird, und zwar vom Wortstamm, an den das „ent-“ hingehängt wird. Wenn etwas „entwickelt“ wird, ist mit dem Aufzuwickeln Schluss. Ist ja logisch. „Entschließt“ man sich zu etwas, geht das „Schließen“ zu Ende. Man ist für Neues…aufgeschlossen.
Notabene: „Entebbe“ ist ein Fremdwort und hat nix mit „Ebbe“ zu tun. „Entebbt“ man eine „Ebbe“, steht man in der Flut. Etwas „entsteht“, wenn es nicht mehr steht. Plötzlich gerät alles in Bewegung. Irgendwie ist das Prinzip nett.
Aber genug der Beispiele. Lieber wende ich mich jetzt dem eigentlichen Thema zu: die „Entfristung“. Das Wort gibt mir keine Ruhe. Es entruht mich.
Jeder weiß, was eine „Frist“ ist. Sogar ich. Ist der Frist einmal um, fängt der „Frust“ an. Verzeihung. Manchmal bin ich wie ein Kind. Ich spiele zwanghaft mit Worten, wie mit Legos, auch wenn das Ergebnis sinnlos ist. Schreiben ist ein Risikoberuf.
Aber das mit der „Entfristung“ hat einen ernsten Hintergrund…
Ich habe nämlich in den letzten Tagen viel über ein neues Vorhaben der Post erfahren, um sich unliebsamer Mitarbeitenden zu entledigen. Wenn ich die Sache richtig verstanden habe, will die Post all jene Mitarbeiter entlassen, die im Lauf von zwei Jahren mehr als zwanzig Tage krank waren.
Dieses Entlassen der Zustellenden wird offiziell als eine „Entfristung“ bezeichnet.
Bitte, liebe Deutschmuttersprachler, helfen Sie mir. Wie ist dieser Begriff zu deuten? Ich verstehe, dass die Post solche Mitarbeiter, die häufig krank sind, feuern will, was mich ohnehin nicht einleuchtet. Ich kenne meine Briefträger. Aber wieso nennt man das eine „Entfristung“. Mein Problem ist Folgendes: Wird etwas oder jemand „entfristet“, dann geh ich davon aus, dass vorher ein „Frist“ bestand. Doch dies scheint hier nicht der Fall zu sein. Hier geht es lediglich um das Entlassen von Mitarbeitern, die bisher offenbar einen „unbefristeten“ Vertrag hatten. Zu häufige Krankheit hätte also die Folge, dass dieser unbefristete Vertrag aufgelöst wird. Wenn es so ist, dann müsste man eigentlich sagen, dass der Vertrag solcher Mitarbeiter „entunbefristet“ wurde.
Oder?
Oder bedeutet „Frist“ und „Entfristen“ in diesem Zusammenhang etwas anders, als ich es mir vorstelle? Leider kann ich das nicht mit Sicherheit beurteilen. Ich habe nämlich einen Migrationshintergrund. Nebenbei: Ich habe im Duden nach der Bedeutung dieses Wortes gesucht. Doch auch die Duden Definition hat mich nicht weitergebracht. Denn dem Duden zufolge entsteht eine „Entfristung“, wenn eine „Befristung“ gelöst wird. So habe auch ich es mir eigentlich vorgestellt. Das wäre logisch.
Vielleicht kann mir jemand aus diesem arkanen Schlupfwinkel des deutschen Wortschatzes heraushelfen. Es bedarf eines Experten, und ich fürchte, dass meine Kenntnisse dieser mir fremden Sprache viel zu limitiert sind, um zu kapieren, warum eine „Entfristung“ irgendwie etwas damit zu tun hat, dass Postler, kein Recht haben, länger als 20 Tage innerhalb zwei Jahre krank zu sein.
Nebenbei: Dem Klugeschen etymologischen Wörterbuch zufolge weiß keiner, woher besagtes Wort „Frist“ kommt. Lediglich im Tocharischen finden die Sprachforscher eine ähnlich klingende Vokabel. Wer keine Kenntnisse des Tocharischen hat, der hat, so denk ich, schlechte Karten dieses Rätsel jemals zu lösen…
Es kommt nur selten vor, dass ich auf eine deutsche Vokabel treffe, die ich nicht kenne, zumal ich so lange in Deutschland bin, dass ich bestimmt mehrmals jedem Wort dieser Sprache mindestens einmal über die Lippen gebracht habe. Darüber hinaus lese ich beinahe täglich Spiegelonline und auch die Münchener Abendzeitung.
Dennoch habe ich neulich ein mir unbekanntes Wort entdeckt. Noch überraschender: Ich verstehe dessen Sinn immer noch nicht. Meine Frage: Was ist mit „Entfristung“ gemeint?
Klar weiß ich, dass dt. Wörter, die mit „ent-“ anfangen, darauf hinweisen, dass etwas weggenommen oder abgezogen wird, und zwar vom Wortstamm, an den das „ent-“ hingehängt wird. Wenn etwas „entwickelt“ wird, ist mit dem Aufzuwickeln Schluss. Ist ja logisch. „Entschließt“ man sich zu etwas, geht das „Schließen“ zu Ende. Man ist für Neues…aufgeschlossen.
Notabene: „Entebbe“ ist ein Fremdwort und hat nix mit „Ebbe“ zu tun. „Entebbt“ man eine „Ebbe“, steht man in der Flut. Etwas „entsteht“, wenn es nicht mehr steht. Plötzlich gerät alles in Bewegung. Irgendwie ist das Prinzip nett.
Aber genug der Beispiele. Lieber wende ich mich jetzt dem eigentlichen Thema zu: die „Entfristung“. Das Wort gibt mir keine Ruhe. Es entruht mich.
Jeder weiß, was eine „Frist“ ist. Sogar ich. Ist der Frist einmal um, fängt der „Frust“ an. Verzeihung. Manchmal bin ich wie ein Kind. Ich spiele zwanghaft mit Worten, wie mit Legos, auch wenn das Ergebnis sinnlos ist. Schreiben ist ein Risikoberuf.
Aber das mit der „Entfristung“ hat einen ernsten Hintergrund…
Ich habe nämlich in den letzten Tagen viel über ein neues Vorhaben der Post erfahren, um sich unliebsamer Mitarbeitenden zu entledigen. Wenn ich die Sache richtig verstanden habe, will die Post all jene Mitarbeiter entlassen, die im Lauf von zwei Jahren mehr als zwanzig Tage krank waren.
Dieses Entlassen der Zustellenden wird offiziell als eine „Entfristung“ bezeichnet.
Bitte, liebe Deutschmuttersprachler, helfen Sie mir. Wie ist dieser Begriff zu deuten? Ich verstehe, dass die Post solche Mitarbeiter, die häufig krank sind, feuern will, was mich ohnehin nicht einleuchtet. Ich kenne meine Briefträger. Aber wieso nennt man das eine „Entfristung“. Mein Problem ist Folgendes: Wird etwas oder jemand „entfristet“, dann geh ich davon aus, dass vorher ein „Frist“ bestand. Doch dies scheint hier nicht der Fall zu sein. Hier geht es lediglich um das Entlassen von Mitarbeitern, die bisher offenbar einen „unbefristeten“ Vertrag hatten. Zu häufige Krankheit hätte also die Folge, dass dieser unbefristete Vertrag aufgelöst wird. Wenn es so ist, dann müsste man eigentlich sagen, dass der Vertrag solcher Mitarbeiter „entunbefristet“ wurde.
Oder?
Oder bedeutet „Frist“ und „Entfristen“ in diesem Zusammenhang etwas anders, als ich es mir vorstelle? Leider kann ich das nicht mit Sicherheit beurteilen. Ich habe nämlich einen Migrationshintergrund. Nebenbei: Ich habe im Duden nach der Bedeutung dieses Wortes gesucht. Doch auch die Duden Definition hat mich nicht weitergebracht. Denn dem Duden zufolge entsteht eine „Entfristung“, wenn eine „Befristung“ gelöst wird. So habe auch ich es mir eigentlich vorgestellt. Das wäre logisch.
Vielleicht kann mir jemand aus diesem arkanen Schlupfwinkel des deutschen Wortschatzes heraushelfen. Es bedarf eines Experten, und ich fürchte, dass meine Kenntnisse dieser mir fremden Sprache viel zu limitiert sind, um zu kapieren, warum eine „Entfristung“ irgendwie etwas damit zu tun hat, dass Postler, kein Recht haben, länger als 20 Tage innerhalb zwei Jahre krank zu sein.
Nebenbei: Dem Klugeschen etymologischen Wörterbuch zufolge weiß keiner, woher besagtes Wort „Frist“ kommt. Lediglich im Tocharischen finden die Sprachforscher eine ähnlich klingende Vokabel. Wer keine Kenntnisse des Tocharischen hat, der hat, so denk ich, schlechte Karten dieses Rätsel jemals zu lösen…
In einem Augenblick ist alles plötzlich anders – und zwar auf ungute Art.
Auf dem Kuvert stand SEHR groß gedruckt das Wort „Fristsache“. Flüchtig las ich den Empfängernamen. Ach, Post für meinen Sohn. Sieht aus, als kommt es von der Bank.
Erst später wandte ich mich der Fristsache zu. Mein Sohn wohnt nämlich nicht bei uns, und ich kümmere mich um seine Post. So eine Fristsache von der Bank könnte etwas Wichtiges sein, dachte ich.
Wer sich auskennt, weiß schon, was jetzt kommt: Es war eine Zahlungsaufforderung von einer Inkassofirma.
Falls Sie so etwas nicht kennen: Es ist, als ob urplötzlich fünf schwerbewaffnete, übelriechende Räuber stünden in Ihrer Wohnung.
Man liest, die Augen starr, den Drohbrief durch, erst schnell, dann ein zweites Mal langsam, Wort für Wort. Erst recht, weil man eigentlich nicht weiß, worum es geht.
Erst peu à peu macht man sich ein Bild davon. Die langsam herauseruierten Fakten: Es handelte sich um eine unbezahlte Rechnung von einem Berliner Verlag aus dem Jahr 2015. Auch die Rechnungsnummer war zu lesen. Die ursprünglichen Kosten von 250 Euro hatten sich mittlerweile wegen Zinsen und Zinsenzinsen und diverser Strafgebühren etc. auf 380 Euros erhöht.
Sogleich rief ich meinen Sohn an Er war ahnungslos und überrascht, aber nur kurz. „Werf das Ding weg“, sagte er. Es ist ein Fake, ein Scam.“
„Ja, aber wenn es kein Scam ist?“
„Ach, du machst dir viel zu viele Sorgen.“
Mag sein, aber dennoch entschloss ich mich nach dem Anruf, die vier Seiten des Schreibens zu scannen und sie an ihn zu mailen. Nebenbei: Ist das nicht komisch wie sehr „Scam“, „Spam“ und „Scan“ sich ähneln? Muss was bedeuten.
Aber dann wurde ich richtig proaktiv (notabene: wichtiges, neues Wort!) und rief direkt in besagten Verlag in Berlin an, um mich über die unbezahlte Rechnung genauer zu informieren. Zum Glück stieß ich auf einen hilfreichen Menschen, der mir dann versicherte, er finde die fragliche Rechnung gar nicht. Außerdem finde er den Namen meines Sohns in seinen Akten nicht.
Er gab mir eine Telefonnummer – und siehe da: Es war die der uns drohenden Inkassofirma! „Mit denen arbeiten wir oft zusammen“, beteuerte er. „Rufen sie dort an, und erklären Sie, dass wir beim Verlag keine offene Rechnung Ihres Sohns gefunden haben. Sie werden die Sache dann gleich löschen.“
Also rief ich nun direkt in die Löwengrube an. Doch so einfach sollte das nicht sein. Man wollte mir keine Auskunft erteilen – ohne dass mein Sohn mich dazu bevollmächtigt hätte.
Nun mailte ich meinem Sohn, der mich inzwischen für total übergeschnappt und hysterisch erklärte, damit er eine Vollmacht verschickt. So ist die Jugend, dachte ich. Unbequemes wollen sie nicht wahrhaben.
Ach! Die ganze Zeit vergesse ich etwas Wichtiges zu erzählen. Nämlich: Während meines Anrufs beim Inkassobüros stellte ich zum ersten Mal fest, dass die Zahlungsforderung nicht, wie ich zuerst gedacht habe, an meinen Sohn adressiert wurde. Der Name auf dem Brief glich lediglich seinem Zweitnamen, und den benutzt er nie.
Ich habe auch vergessen noch etwas zu erwähnen, dass ich im Internet nach „Fake Inkassofirmen“ gesucht habe – und davon gibt es offensichtlich jede Menge (caveat emptor!). Es stellte sich aber schnell heraus, dass diese, die uns anfauchte, durchaus legitim war. (Mein Sohn war der Meinung, dass Verlag und Inkassofirma beide Scammer waren).
Allmählich – und ich meine wirklich allmählich – ist der Groschen gefallen: Es wurde mir klar, dass es sich bei der Sache offensichtlich um eine Namensverwechselung handelte. Immerhin hat es drei Jahre gedauert, bis sie den vermeintlichen Schuldner ermittelten. Die Inkassoleute hatten wohl die Einwohneranmeldeamte ganz Deutschlands durchkämmt und fanden lediglich meinen Sohn, der den Zweitnamen mit dem Vornamen des Schuldners gemeinsam hatte. Immerhin etwas.
Am Sonntag formulierte ich einen Brief an die Inkassoleute, in dem ich meine „Einwendungen“ ausdrückte. Notabene: „Einwendung“, erklärte mir ein Freund, der Anwalt ist, benutzt man, wenn es um eine Zahlungsaufforderung handelt. „Einspruch erheben“ tut man nur bei Mahnbescheiden und dergleichen.
Am Montag rief ich prompt in die Firma an, um meine Position darzulegen und in der Hoffnung, dass bevor ich meine Einwendungen wegschickte, man den Fehler erkennen würde. Und so war es. Die nette, höfliche Dame am Apparat war schnell überzeugt, dass ich recht hatte und bat mich darum, den Drohbrief wieder einzutüten, zuzukleben und darauf „unbekannt“ zu vermerken und in den nächsten gelben Briefkasten zu werfen.
Diesmal Schwein gehabt … Nebenbei: Warum heißt es „Schwein haben“? So gut haben es die Schweine auch wiederum nicht…
PS Nix gegen Inkassofirmen – ich meine die echten. Es gibt ja doch auch wahre Schurken, und sie verdienen so ne Fristsache allemal.
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