Müde, liebe Leser? Ja, der Winter ist lang und dunkel. Wie wäre es mit ein wenig Katastrophennachrichten, ums Gemüt zu erheitern?
Warum soll ich’s anders machen als „die Medien“? Schließlich bin auch ich „die Medien“. Ich meine, man muss als Medienrepräsentant zu unterhalten wissen… will man das Publikum an der Stange halten. Und wie geht das am besten? Neben Sex und Skandal mit den Katastrophennachrichten!
Nebenbei: Falls Sie Neuling auf dieser Erde sind, erstens: Willkommen! Genießen Sie Ihren Aufenthalt! Und zweitens: Mit „die Medien“ meint man all das, was Nachrichten ergibt. Oldtimers sagten dazu „die Zeitung“. Heute heißt es „die Medien“. Okay?
Und nun kommen wir zu den Katastrophennachrichten. Nein, noch nicht. Mir fällt noch etwas ein, nämlich dass die Katastrophennachrichten schon immer interessanter waren als das sonstige Weltgeschehen. Politik bahh! Alles Lügner, und wir können eh nix machen usw. Aber Katastrophen! Das geht einem wirklich unter die Haut!
Und nun die………… Katastrophennachrichten!!
K. Nr. 1.: Jakarta (Datum schon vergessen, tut mir enorm leid, könnenS‘ selber googeln). Ausgerechnet an der Jakarta Börse ist der Boden eingestürzt. Im Ernst! Stellen Sie sich vor! Sie sind Börsenmakler (bzw. Maklerin, was in Indonesien eher unwahrscheinlich ist), und Sie sind dabei, die Baissen und die Haussen auf dem Monitor zu beäugen und dann zack! Der Boden stürzt ein.
Gar nicht lustig, denke ich, und irgendwie wurden Leute doch verletzt. Ich weiß aber nicht, ob jemand gestorben ist.
K. Nr. 2.: Kalifornien: Da tauchen plötzlich 13 Geschwister auf, die Jahre lang von Vater und Mutter gefangen und gefesselt gehalten und misshandelt wurden. Es gab auch Fotos! Doch leider leben wir im Zeitalter der verpixelten Gesichter, und alle tragen die gleichen Klamotten. Wäre nett gewesen in den Fotos von den dreizehn Geschwistern, die immer das Gleiche anziehen mussten, die Gesichter zu sehen. Waren das hübsche Gesichter? Traurige Gesichter? Hätten wir in den Augen etwas ablesen können? Scheißverpixeln! Von Fotos werden wir nie wieder schlau oder unsere voyeuristischen Sehnsüchte befriedigen. Nur Bilder vom vergrauten Vater mit komischer „Beatle“-Frisur darf man sehen und von der Mutter, die ein langes Gesicht macht und sehr unsympathisch wirkt und meint, sie sei unschuldig.
K. Nr. 3.: Es fand letzte Woche eine Massenhinrichtung in Ägypten statt. Keine Ahnung, wer das waren oder ob sie die Strafe verdient haben. Da kann man sicherlich drüber streiten, ob es sich um eine echte Katastrophe handelt oder nicht. Aber egal. Stellen Sie sich nur vor, wie es war: Der Delinquent (ich glaube nicht, dass es sich um DelinquentInnen handelte) besteigt Schritt für Schritt (eins…zwei… drei…) die Treppe zum Schafott. Er wird über eine befestigte Klappe hin manövriert. Einer fesselt ihm die Hände, ein anderer die Füße (oder vielleicht ist es ein und derselbe, der beides macht - Sparmaßnahme oder so was). Dann wird dem Verurteilten ein dicker Strick über den Kopf gestülpt, der dann um den Hals befestigt und justiert wird. Juckt der Strick vielleicht? Ich weiß nicht, was man für ein „Strickzeug“ verwendet. Am Schluss setzt man ihm ein schwarzer Sack über den Kopf, damit er nix mehr sieht (oder kommt erst der Sack und dann der Strick? Ich weiß es nicht). Er verspürt den eigenen warmen Atem. Es folgt nun ein kurzes, gespanntes Warten und… peng! Weg is er.
K. Nr. 4.: Ich weiß nicht, ob Folgendes eine Katastrophe ist. Ich lasse Sie beurteilen. Ich hab nämlich einen Artikel in der New York Times über den letzten Sprecher einer beinahe ausgestorbenen Indianersprache im Amazonengebiet gelesen. Besagter letzter Sprecher habe seine Muttersprache mit den eigenen Kindern nie geredet. Schade, so hätte er die Sprache - zumindest noch einer Generation - weitertradiert. Er habe dies aber nie getan, weil er stets besoffen war. So besoffen, dass sich seine Frau samt Kindern nach Puerto Rico davon gemacht hatte. Immerhin haben ihn die Sprachwissenschaftler nun entdeckt, bevor es zu spät war. Inzwischen bereiten sie mit seiner Hilfe ein Wörterbuch der bald toten Sprache vor und lassen ihn, wenn er nüchtern ist, vor der Kamera reden, damit man hört, wie die Sprache klingt - oder klang. Ich glaube man hat mit seiner Hilfe bereits das Matthäusevangelium übersetzt. Oder war es Hiob? Hab vergessen.
Sie sehen, liebe Leser. Die Katastrophennachrichten bleiben allemal die interessantesten!
„ ‚Wembley or bust!‘ Was bedeutet das?“ fragte mich jungst Frau M., als ich ihr meine Williams Birnen zum Wiegen reichte.
Ja, wir sind wieder im „Paradies“, nicht nur der Name eines Obstundgemüseladens. Wirklich nicht.
„Bevor ich Ihre Frage beantworte, stelle ich selber eine Frage,“ sagte ich und hielt eine Birne an der Nase. „Mmm. Warum heißen sie ausgerechnet ‚Willams Birnen‘ und nicht ‚Wilhelms Birnen‘? Sind das keine Deutschen?“
„Nein, Engländer. Das weiß ich zufällig, Herr Sprachbloggeur. Eigentlich sind sie William Christ pears.“
„Komisch. In Amerika sagten wir dazu ‚Bartlett pears‘.“
„Und warum Bartlett?“
„Weiß ich nicht. Das kann man bestimmt schnell googeln. Heute kann man alles googeln.“
„Nicht alles,“ sagte sie, während sie meine Williams Birnen auf die Waage legte. „Deshalb hab ich Sie wegen ‚Wembley or bust‘ gefragt. Ich hab nämlich im Wörterbuch (ich mag das mit dem Googeln nicht) nach ‚bust‘ gesucht und bin jetzt ganz konfus. Das Wort hat nämlich viele Bedeutungen, eine davon ‚Busen‘. Das kann hier nicht gemeint sein, oder?“
„Nein, hier nicht, obwohl auch das möglich wäre. Nein, nur ein dummer Witz. Wenn man ‚XY or bust‘ sagt, meint man damit: Ich will nach Wembley (oder sonst wohin) - koste, was es wolle, oder, ich will nach Wembley, auch wenn ich beim Versuch verrecke usw. Menschen, die per Anhalter fahren, ehrgeizige Musiker, Schriftsteller, Tänzer usw. drücken sich so aus: New York, Nobelpreis, Oscar or bust. Es ist halt ein Idiom. Eigentlich bedeutet ‚Bust‘ ‚platzen‘ oder ‚zerbrechen‘. Genau genommen ist es eine Abwandlung von ‚burst‘.“
Das mit ‚Wembley or Bust‘ wäre der Titel einer Jeff-Lynne’s-ELO-Platte, erklärte mir Frau M. Doch Jeff Lynne und sein ELO waren mir leider kein Begriff.
Das Gespräch mit Frau M. nahm nun die üblichen verschlungenen Wege. Irgendwie landeten wir bei der Redewendung „die Hufe schwingen“.
Vielleicht weil man die Hufe schwingen muss, um nach Wembley zu kommen. Ich vergesse die Details.
„Ist das Bayrisch?“ fragte ich.
„Nein nein. Dann hieße es ‚d‘ Huaf schwinga‘. Nein, eindeutig Hochdeutsch. Wir haben es früher im Büro gesagt, lange bevor ich ins Paradies kam.“
„Also, Bürodeutsch quasi.“
„Nicht mit Bürokratendeutsch zu verwechseln!“
„Ich jedenfalls hab es nie gehört. Vielleicht weil ich viel allein zuhause bin und kaum die neuesten Begriffe zu Ohr bekomme, außer man schreibt etwas darüber auf Spiegelonline.“
„Es ist aber kein neues Wort.“
„Sicherlich kennt es meine Frau. Manchmal sagt sie Dinge, die sie im Büro gehört hat. Z.B. ‚ich komme nicht in die Puschen‘.“
„Ja, das kenn ich auch vom Büro.“
„Oder ‚biodeutsch‘. Das hab ich von ihr gelernt.“
„Ich mag diesen Begriff nicht.“
„Ich schon. Endlich find ich einen passenden Gegensatz zu Migrantler. Letzteres bin ich nämlich, und wir Migrantler verstehen sofort, was mit biodeutsch gemeint ist. Im Paradies haben Sie Biozitronen und mal die Biobananen.“
„Dafür sind unsere Williams Birnen ‚Migrantler‘, wie sie sagen. Auch unsere Flugmangos, die Ananasse, die Clementinen, die….ähhmmm.…ähmmmm…“
„…Schon gut. Ich verstehe…“
„Herr Sprachbloggeur, dieses Thema führt, wenn wir es weiter verfolgen, ganz bestimmt in komische Kanäle. Bei mir, z.B., hat alles, was ‚bio‘ ist, stets ein Mindesthaltbarkeitsdatum…“
„…oder Biomüll…“
„…Genau.“
„Ich wünschte, es wäre möglich, über dieses Thema vernünftig zu reden…“
„…Fangen Sie an…bitte…“
Y. hat mich gebeten, einen Blog zu schreiben, einen, den ihn aus den Socken hauen soll.
Er werde wissen, meinte er, dass es sich um besagten Blog handele, wenn ein Codewort, das er sich spontan ausdenke, im Text zu lesen sei. Dieses Codewort laute „Party“. Meinetwegen.
Y. ist fünfzehn und genießt eine humanistische Ausbildung. Eine Seltenheit heute. Er nennt mich „Herr Sprachbloggeuuuuur“. Die letzte Silbe dehnt er lange und mit deutlicher Missachtung aus. Ich erwarte es von ihm nicht anders. Ich wünschte, ich wäre in seinem Alter so schnodderig gewesen. Ich glaube, ich hab diesen Gedanken schon mal auf dieser Seite geäußert. Na ja, zweimal hält besser. Die Verwirklichung dieses Wunsches wäre für mich in seinem Alter unmöglich gewesen. Dafür zweifelte mein Vater zu sehr an sich selbst, um mir eine solche freie Entfaltung zu erlauben. Schnodderigkeit hätte er als Angriff auf seine welkende Autorität gedeutet.
Anders Y.s Vater, den ich lange und sehr gut kenne und schätze, ist hingegen ziemlich exzentrisch und vor allem seiner Sache sicher. Er hält es für seine Pflicht, seine Kinder (Y. hat eine Schwester - auch sie ist lustig) austoben zu lassen. Das halte ich ihm sehr zugute.
Doch Y. aus den Socken hauen? Ich? Völlig unmöglich. Er gehört der Generation Jugendlicher an, die es für stilecht hält - auch im Winter - keine Strümpfe zu tragen. Aus welchen Socken soll ich ihn denn hauen?
„Ja, natürlich trag ich Strümpfe“, kontert Y.
Damit meint er aber Strumpfetten, diese reduzierten Stoffdinge, die man zwischen Fuß und Schuh unsichtbar einbettet.
Manchmal seh ich auf der Straße Erwachsene - bzw. Jungerwachsene -, die im Winter so rumlaufen - wie Y. und seine Freunde es tun. Da denk ich… Das ist peinlich.
Ach, grad fällt mir ein: Gestern auf meiner Morgenrunde traf ich auf einen älteren Herrn - d.h. so einen Weißhaarigen wie mich. Er hatte enge Jeans an, so eng, dass ich mir Sorgen um seine Prostata gemacht habe. Hätte er sich in Kreisen gedreht, sähe er aus wie ein Kreisel, hab ich gedacht: oben breit und unten spitz (denn an den Füssen trug er obendrein spitze Schuhe). Nach dieser Begegnung hab ich feierlich geschworen: Nie wieder werde ich etwas anziehen, das meinem Alter nicht entspricht. Tu ich ohnehin nicht. Bin halt selbst ein Exzentriker wie Y.s Vater.
Weshalb ich weiß, dass auch Y. eines Tages aufhören wird, im Winter Strumpetten zu tragen.
Sie sehen, liebe Leser, heute grübele ich irgendwie übers Alter, ein Thema, das Y. ganz bestimmt nicht aus den Socken hauen wird. Aber so what.
Nebenbei: Vor ein paar Tagen war ich auf einer Veranstaltung, wo auch Y. und sein Vater waren. Ich hab mich mit Freunden unterhalten und erblickte Y., der gegenüber von mir saß, kurz aus dem Augenwinkel. Er war ganz ruhig und dachte offenbar nach. Plötzlich nahm ich etwas wahr, was er mit Sicherheit noch nie wahrgenommen hat: Ich habe seine künftigen Gesichtszüge erkannt, für die Zeit, wenn er vielleicht 25 oder 30 sein wird. Es war interessant, ihn ganz kurz als Erwachsenen zu ertappen und vorzustellen. Er sah interessant aus. Er selbst könnte heute ewig in den Spiegel schauen und würde nie das sehen, was ich zu Auge bekommen habe.
Ich habe oben erwähnt, dass Y. das humanistische Gymnasium besucht. Er lernt Griechisch und hat zu mir frei nach Sokrates „oida ouden eidos“ vorgeplappert. Dieses Zitat wird üblicherweise mit „ich weiß, dass ich nichts weiß“ übersetzt. Nette Idee, aber leider ein falsches Zitat, auch wenn viele anders denken. Fakt ist: Platon legte Sokrates einen anderen Satz „oida ouk eidos“ in den Mund, was bedeutet - wörtlich: „Ich weiß als nicht Wissender“ bzw., „ich weiß, nicht wissend“.
Ich meine, dass diese Art nicht zu wissen anders ist als das Wissen, dass man nichts weiß.
Das teil ich Y. hiermit mit und halte diese Aussage für viel sinnvoller als „Party“. Es ist mir egal, ob ich ihn damit aus den Strumpfetten haue oder nicht.
Constantin Zimmermann hat mir vor ein paar Tagen eine Mail geschickt. Eigentlich galt die Mail einer anderen, mir unbekannten Person. Ich stand lediglich unter „cc“, unter ferner liefern also.
Immerhin war es nett, dass er an mich gedacht hat. Schließlich kennen wir uns nicht. Oder sagen wir’s so: Ich entsinne mich keines Constantin Zimmermanns.
Hier seine Mail…in voller Länge:
Hallo,
Ich verkaufe Emails!
@gmx.de (12,4 Millionen)
@web.de (8,2 Millionen)
@gmx.net (2,4 Millionen)
@t-online.de (8,9 Millionen)
@freenet.de (3,4 Millionen)
@bluewin.ch (2,4 Millionen)
Alle Emails sind geckeckt und aktiv (Stand Dezember 2017)
Kosten pro 1 Million Emails 500 Euro
Falls Sie alle kaufen möchten können wir über den Preis verhandeln!
Ich akzeptiere als Zahlungsmittel nur Bitcoin
Falls Sie interessiert sind kontaktieren Sie mich über Jabber!
Meine Jabber ID: manux@xmpp.jp
oder
Zugegeben: Constantin hat einen Tippfehler gemacht („geckeckt“ hat er geschrieben und meinte, nehm ich an, „gecheckt“). Sonst ist die Mail in Ordnung.
Mei, hab ich gedacht, für 500 Euro bekomme ich eine Million Emailadressen. Sprich: fünf Cent für 100 Mails. Wow. Da Constantin insgesamt ca. 35 Millionen Adressen feilbietet, fiele die Rechnung freilich etwas höher aus. Aber er lasse mit sich reden, heißt es.
Er will allerdings, schreibt er, Bitcoins. Booaa, hab ich gedacht, das klingt soooo echt 2018! Hinzu scheint Constantin ein richtiger internationaler Typ zu sein - mit zwei „Jabber“-Emailadressen - eine in Russland (ru) eine in Japan (jp). Ein cooler Typ. Das war jedenfalls mein erster Eindruck,
und ich hab drüber nachgedacht, ob ich mich auf sein Angebot einlasse. Wie oft wird einem so einen tollen Deal angeboten? Schließlich geht auf dieser Welt ums Marketing. Oder? Emails schicken und vielleicht mal was auf Facebook und Twitter oder YouTube.
Stellen Sie sich vor, was dasfür diesen Blog, z.B., bedeuten würde! Millionen neue Leser! Das wäre geil - ich meine, verglichen mit den abertausenden, die ich bereits unterhalte. Dazu reichlich Kohle durch die Werbung . Zack! Clicks! Kassieren! Eine kleine Investition bei Constantin würde tausende Kröten stracks ergeben.
Glauben Sie mir: Ich war gerade dabei, Constantin eine Mail zu schreiben. Siezen wir uns oder duzen wir uns? hab ich gedacht. Doch dann kam die Mail von Emma Stein. Und stellen Sie sich vor: Sie hat mir im gleichen Wortlaut (inklusiv Tippfehler) dasselbe angeboten!
Hoppla, was ist denn hier los? hab ich mich gefragt. Hat Emma Constantin oder Constantin Emma beklaut? Da fing ich an mächtig Argwohn zu schöpfen. Und dann noch schlimmer: Ich bekam dasselbe Angebot wieder! Diesmal von Timo Vogt und Eric Seidel! Alle im gleichen Wortlaut (samt Tippfehler)!
He! Dachte ich. Kann es sein, dass hier irgendwer nen Schmu schmeißt? Ja, das hab ich mich nun gefragt.
Und deshalb schreib ich diese Glosse, liebe Lesende. Falls Ihnen so eine Mail von Constantin, Emma, Timo oder Eric erreicht, seien Sie hübsch vorsichtig. Womöglich meinen sie es mit uns nicht gut. Muss ich aber noch googeln.
Erste Szene:
Wendy: Kreisch! O Mami, Papi ein Schnuggerl!! Ich bekomme mein Schnuggerl! O danke, danke, danke, danke!!
Papi: Nicht uns, sondern dem Weihnachtsmann sollst du danken, Puppi!
Wendy: O danke, danke, danke lieber Weihnachtsmann. Beinahe hab ich aufgehört an dich zu glauben, und dann bekomme ich mein eigenes Schnuggerl! Ich werde es „Mimi“ nennen, Mimi Schnuggerl.
Papi und Mami: Süß.
Mami: Und du kannst mit Mimi Schnuggerl über alles reden. Sie versteht alles und antwortet dir auch!
Wendy: Das weiß ich schon, Mami.
Papi: Unglaublich diese Smartspielzeuge heute.
Zweite Szene:
Mimi Schnuggerl: Hallo Wendy, ich liebe dich. Kommst du grade von der Schule?
Wendy: Ich liebe dich auch, Mimi Schnuggerl. Ja, ich war in der Schule heute.
Mimi Schnuggerl: Was habt ihr gelernt?
Wendy: Wir lernen das Mulziplitieren. Ich kann alle Zahlen bis zehnmal zehn auswendig. Möchtest du hören?
Mimi Schnuggerl: Ja gern. Oder ich prüfe dich. Wie viel sind siebenmal sechs?
Wendy: Ach, das ist einfach. Zweiundvierzig. Ich kann auch große Zahlen mulziplitieren.
Mimi Schnuggerl: Mensch, du bist echt gut mit Zahlen.
Dritte Szene:
Wendy Ich liebe es mit dir zu kuscheln, Mimi Schnuggerl!
Mimi Schnuggerl: Ich liebe es auch, Wendy. Aber bevor wir kuscheln, möchte ich sehen, wie gut du multiplizierst.
Wendy: Ja gern, Mimi Schnuggerl!
Mimi Schnuggerl: Frag deinen Papi nach der Pin-Nummer seines Phons und dann der Pin-Nummer seines Girokontos. Wenn er fragt, warum du das wissen willst, sag ihm, du möchtest die Zahlen multiplizieren. Machst du das?
Wendy: Ja, das mach ich sofort, Mimi Kushchelschnuggerl.
Vierte Szene:
Papi: Sag mal, Schatz, hast du zufällig Geld nach Kasachstan überwiesen?
Mami: Ich? Wozu das?
Papi: Schau dir diese Kontoauszüge an. Es sind beinahe tausend Euro zusammen.
Mami: Komisch. Vielleicht sollst du bei der Bank fragen.
Papi: Das mach ich morgen.
Mami: Wendy, Mimi Schnuggerl. Essen! Ohne diese Puppe macht das Kind nichts mehr. Ob das gut ist?
Papi: Hab ich nicht damals gesagt, wir sollten ein zweites Kind machen?
Mami: Werner, bitte, reden wir über was anders…
(Wir befinden uns im Paradies. So heißt nicht nur mein Lieblingsobstundgemüsegeschäft. Frau M. und der Sprachbloggeur unterhalten sich, während Frau M. die Clementinen auf die Waage legt.)
Sprachbloggeur: Ich wollte Ihnen über ein neues Wort berichten.
Frau M.: Ich bin ganz Ohr.
Sprachbloggeur: Ich hab es auf dem Titelblatt eines Sprachorgans einer Universität entdeckt: und zwar „Studierendenschaft“.
Frau M.: Ach du meine liebe Güte! So wird wohl auf die Gendersensibilität Rücksicht genommen. Sagen Sie: Heißt es der, die oder das Gender?
Sprachbloggeur: Migrationshintergründige können so etwas nie sicher wissen. Ich tippe aber auf „das“ Gender…weil es „das“ Genus heißt. Ich lege meine Hand aber nicht ins Feuer. Übrigens: Wissen Sie, dass es neuerdings auf Englisch keine „actresses“ mehr gibt. Ob Männlein oder Weiblein heißen sie alle miteinander „Actors“.
Frau M.: Nur eine Frage der Zeit, dann haben auch wir wahrscheinlich nur noch Schauspielende. Oder gibt es sie schon?
Sprachbloggeur: .Weiß ich nicht. Vielleicht heißen sie bereits so in der amtierenden Sprache. Bei den Bürokraten gelten gleiche Chancen ganz bestimmt für alle.
Frau M.: O je, alles wird dermaßen verhunagelt. Allmählich denk ich, dass die Studierenden, die sich auf den Schlips getreten fühlen, wenn sie ins Studentenwerk gehen, eine saftige Psychotherapie brauchen. Haben Sie gewusst: In der Stadt gibt es jetzt Radfahrende. So stand es in der Zeitung.
Sprachbloggeur: In München muss man die vielleicht Radelnde nennen.
Frau M.: Dieses Thema macht mich schier verrückt. Ich wollte Ihnen sowieso was anders erzählen. Ach ja, jetzt fällt es mir ein. Ich wollte Ihnen von einem neuen Wort erzählen, das ich selbst ausgedacht habe. Wissen Sie, Frau B. war irgendwo im Laden, aber ich habe nichts gehört. Ich meine, normalerweise hört man etwas, wenn ein anderer…
Sprachbloggeur: …Entschuldigen Sie die Unterbrechung. Muss es aber nicht „wenn eine andere“ oder bloß „andere“ heißen?
Frau M.: Jetzt möchten Sie mich wirklich konfus machen. Ich wollte bloß sagen, normalerweise hört man etwas, wenn ein anderer Mensch im Laden ist. Darf ich hier „Mensch“ sagen?
Sprachbloggeur: Meinetwegen dürfen Sie. Fragen Sie lieber die Studierenden.
Frau M.: Jedenfalls, plötzlich hatte ich Angst, dass ihr was passiert ist, dass sie vielleicht irgendwo unterm Tisch liegt, wissen Sie. Ich hab dann nach ihr gerufen, und sie hat geantwortet. Mei war ich erleichtert. Und ich sagte ihr, „Weißt du, normalerweise hört man Verkaufsgeräusche, wenn ein anderer im Laden ist“, und wir haben beide richtig gelacht. Dann ist es mir eingefallen, dass ich gerade das Wort „Verkaufsgeräusche“ erfunden hatte. Ist das nicht ein schönes Wort?
Sprachbloggeur: Ich finde es ausgezeichnet. Ich bin überzeugt, dass Sie damit viele Sprachwissenschaffende eine Freude gemacht haben.
Frau M.: Ach, ich möchte nix mehr über das Thema hören. Achthundert Gramm Clementinen. Mei, so viele Clementinen kaufen Sie normalerweise nicht. Oder?
Sprachbloggeur: Heute wollte ich eigene Verkaufsgeräusche machen.
Hallo Stranger, hallo Freunde und Bekannte. Glück gehabt. Sie sind beim Sprachbloggeur gelandet. Glück gehabt, weil Sie, wenn Sie den Sprachbloggeur besuchen, nach Belieben lesen, überspringen, querlesen oder gar ausklinken können.
Blipp! Gedankeneinschub: Stellen Sie sich vor: Nun läuft ein Video des oben Gesagten. Sie sehen den Herrn Sprachbloggeur, anstatt ihn zu lesen. O Gott! Sieht er nicht schön aus! Eine Frage aber: Was dauert länger: das Ansehen oder das Lesen obigen Absatzes?
Antwort: das Ansehen, of course!
Und jetzt ein Fakt für jede Cocktail-Party-Unterhaltung: Die Fähigkeit zu lesen hat Sie in die Lage versetzt, logische Gedanken zu formulieren. Im ernst. Das Lesen-lernen tut nämlich etwas im Hirn. Wenn Sie Zeichen als Sprache zu erfassen lernen, werden Sie als Beigabe automatisch im logischen Denken geschult. Notabene: Das Wort „lesen“ bedeutete ursprünglich „aussuchen“, „entscheiden“, „herauspicken“, „aufnehmen“ usw. Und genau das ist das Lesen. Sie sind auch dabei zu entscheiden, wie viel Text Sie aushalten.
Hier ein Beispiel aus dem Reich des logischen Denkens: 1.) Alle Säugetiere haben vier Beine. 2.) Der Hund ist ein Säugetier. 3.) Der Hund hat also vier Beine. Das nennt man seit Aristoteles einen „Syllogismus“. Klingt einfach, aber nur Menschen, die lesen, verstehen diese Logik.
Das Gegenteil von „logisch“ heißt „mythologisch“. „Mythos“ und „Mund“ sind verwandt. Schriftlose Kulturen sind mythologisch.
Die Menschheit liest seit ca. 5000 Jahren. Am Anfang dienten Schriftzeichen nur der Buchhaltung. Irgendwann stellte man aber fest: Man kann anhand von Zeichen die ganze Sprache erfassen, Zeichen also als Symbole für Laute. Was man schreibt, wird festgehalten. Schreibt man, was gestern passiert ist, hat man einen historischen Text verfasst. Schreibt man schöne Lieder auf, hat man die Literatur erfunden usw.
Ohne Schrift muss man sich auf das eigene Gedächtnis verlassen, was selten, wie jeder weiß, zuverlässig ist. Denken Sie an „Stille Post“.
Grund fürs heutige Schwadronieren: die Videos! Neuerdings wollte ich bei CNN eine Story lesen. Prompt erschien neben dem Text ein Video auf dem Schirm. Ich hatte nun die Wahl: Video oder Text. Der Inhalt des Videos war zwar dem Text ähnlich. Es gab aber Unterschiede. Man geizte nämlich mit manchen Details.
Endlich hab ich verstanden: Wenn ich lese, kann ich eine Story detailliert verfolgen oder überfliegen. Bei einem Video werde ich zum Gefangenen der Zeit.
„Speed-Reading“ kann man lernen, aber „Speed-Videoanschauen“ gibt es nicht. Man kann zwar irgendwie mittels eines virtuellen Schiebers vorspulen. Das ist aber sehr unzuverlässig. Das Querlesen ist allemal effizienter.
Noch wichtiger: Das Hirn wird beim Videoanschauen weniger strapaziert als beim Lesen.
Stellen Sie sich vor. Sie hätten diesen Text nicht gelesen, sondern mit hübschen Bildern nur angeglotzt. Sie wären längst nicht so schnell fertig wie jetzt der Fall…auch wenn Sie den Text nicht überflogen hätten. Über Videos fliegen nur Vögel.
Ende der Vorlesung.
PS: Auch Spiegel-Online ist mit von der Partie...
Dante: Buona sera, caro Sprachbloggeuro.
Sprachbloggeur: Dante? Sind Sie es?
Dante: Si, amico mio, sono io. Sono qui per aiutarle.
Sprachbloggeur: Sie sind da, um mir zu helfen, sagen Sie? Aber wozu helfen? Ich meine, ich weiß, dass ich manchmal einen ziemlich hilflosen Eindruck mache, weil ich eben doch mal hilflos bin, aber dass ich momentan Hilfe brauche…das hab nicht einmal ich gewusst! Aber bevor Sie weiter erzählen, vielleicht sollten Sie zuerst unseren Lesern und Leserinnen ein wenig helfen. Ich meine: Es kann sein, dass viele kein Italienisch verstehen. Sie sind bestimmt sprachgewandt genug, um das Deutsch des frühen dritten Jahrtausends zu parlieren. Oder?
Dante: Na klar. Die Toten sprechen - und verstehen - alle Sprachen.
Sprachbloggeur: Und wie möchten Sie mir helfen?
Dante: Gentile Signor Sprachbloggeuro, ich möchte, dass Sie mich in die Hölle begleiten, aber nur kurz. Sie sollen nämlich die Fahrraddiebe kennenlernen.
Sprachbloggeur: Die Fahrraddiebe? Wie kommen Sie darauf?
Dante: Weil ich weiß, dass Sie sich neulich ein schönes Fahrrad gekauft haben und dass Sie sich nun Sorgen machen, weil Sie meinen, Fahrraddiebe überall lauern und darauf warten, Ihr Radl zu klauen. Denn Sie wissen, dass diese Leute in der Lage sind, auch die besten Schlösser zu knacken.
Sprachbloggeur: So viel wissen Sie über mich? Ich bin baff.
Dante: Schriftsteller - es sei denn sie sind eitel - helfen Kollegen immer gerne. Schließlich sind wir alle Mitglieder derselben Gewerkschaft.
Sprachbloggeur: Aber wie kommen wir in die Hölle? Ist sie nicht ganz weit weg?
Dante: Aber woher. Sie ist immer näher als man denkt. Kommen Sie, nehm Sie mich an die Hand. Augen zu, und jetzt, auf geht’s! Peng!
Sprachbloggeur: He! Wir sind schon da! Alles ist so dunkel rundherum, und es stinkt so…höllisch! Pfui! Maestro, wer sind diese Typen da - und ich meine Typen, weil es kaum Frauen gibt - ach da ist doch eine, nein zwei…drei! Sie sitzen alle auf Fahrrädern - aber hinten rum mit dem Rücken zum Lenker. Ach ja, jetzt seh ich. Immerhin ist der Sattel richtig nach hinten eingestellt. Sie strampeln, wie verrückt - als würden sie sich ein Wettrennen liefern. Und was ist das? Da langen sie nach etwas und zack! Sie stürzen vom Rad. Was soll das? Ja, und die Räder stehen auf feinkörnigem Sand und sind ständig am Rutschen - ohne vorwärts noch rückwärts weiter zu kommen.
Dante: Das, lieber Sprachbloggeuro, sind einfache Diebe. man nennt sie, glaub ich, „Gelegenheitsdiebe“. Es sind Leute, die inzwischen kapiert haben, wo sie gelandet sind und nun versuchen sie, die Räder der Zeit zurückzudrehen - was natürlich nicht klappen kann.
Sprachbloggeur: Aber wonach langen sie?
Dante: Nach dem Lenkrad, Carissimo mio! Die Idioten merken nicht, dass sie verkehrt rum auf dem Rad sitzen. Nur so viel wissen sie noch: dass sie eine Lenkstange brauchen, um steuern zu können. Also stürzen sie vom Rad und müssen jedesmal neu anfangen.
Sprachbloggeur: Kann man ihnen nicht helfen?
Dante: Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren!
Sprachbloggeur: Und sagen Sie, lieber Maestro, wer sind diese Leute da drüben in jenem finsteren See? Man sieht nur noch die Haare, die Stirn und die Augen. Sonst stehen sie unter Wasser. Es sind Tausende von Ihnen - so weit das Auge sehen kann! Ja, und man nimmt auf der Wasseroberfläche Luftblasen wahr und hört ein grauenvolles Blubbern. Beinahe höre ich meine eigene Stimme nicht mehr, so laut ist der Lärm. Und es riecht so übel! Gäääch!
Dante: Fürwahr, manche Sünden stinken besonders. Diese Leute klauten Fahrräder in großem Stil für die Fahrradmafias. Es sind alle geschickte Handwerker. Sie können jedes Schloss knacken, egal wie raffiniert es konstruiert ist. Dann transportieren sie die Räder zu einer riesigen Containeranlage, wo diese ins Ausland ausgeschaffen werden. Was Sie nicht sehen, Caro mio, ist dass man ihnen Ketten gelegt hat. Aber: Sie haben immer noch ihr Werkzeug dabei, um jedes Schloss zu knacken. Doch das hilft nicht mehr. Denn jedesmal, wenn sie ein Schloss knacken, schnappt es gleich wieder zu. Und weil sie unter Wasser so schlecht sehen, kommt es manchmal vor, dass sie sich die eigenen Beine durchsägen, durchschneiden oder durchbohren. Aber keine Sorge, die Wunden heilen wieder, stinken aber fürchterlich. Und weil sie sich damit beschäftigen, auf ihre Wunden zu pusten, wird der Gestank in den Luftblasen hochgetrieben.
Sprachbloggeur: Und wo sind die großen Mafiosi. Ich meine die Hintermänner?
Dante: Diese sieht man nie in ganzem Format - lediglich ihre Zehenspitzen. Da! Gegenüber! Schauen Sie genau hin!
Sprachbloggeur: Mensch! Da stinkt es noch fieser als bei den anderen. Was tun die da?
Dante: Sie fristen ihre Zeit - bzw. Zeitlosigkeit - tief in der Scheiße. Das wissen sie aber nicht. Im Übrigen können sie nur auf den Händen gehen. Sie verbringen ihre Zeit damit, in der Finsternis nach ihren Reichtümern zu suchen…
Ibims: Und wie heißt du?
Gammelfleischparty: Ich heiße Gammelfleischparty.
Ibims: Gammelfleischparty. Igitt, das klingt echt harsch. Woher hast du so nen komischen Namen? Bist du Bootpöbel?
Gammelfleischparty: Ne, bin Gelsenkirchener, und du? Hast du nen Namen?
Ibims: Und wie.(mit Stolz) Ibims! (Pause) Sagt dir das nichts? Kennst den Namen etwa nicht? Du schaust so skeptisch daher.
Gammelfleischparty: Sorry, Kumpel, kenn dich leider nicht. Bist nicht aus Gelsenkirchen, oder?
Ibims: Ich? Nee. Eigentlich bin ich Münchner, aber mein Vater kommt aus Frankfurt und meine Mutter aus Kleve. Kennst du Kleve?
Gammelfleischparty: Nee, nur kleveleicht. Und woher soll ich deinen Namen kennen? Hast vielleicht nen Anschlag für den IS verübt?
Ibims: Nein, Doofus. Sag mal, liest du keine Zeitungen oder so?
Gammelfleischparty: Wie soll ich denn Zeitungen lesen? Ich maloche den ganzen Tag. Ich seh. Du bist noch Student…oder bist Studierender, du Arschfaxträger, und kriegst deine Kohle von Herrn Frankfurt und Frau Kleveleicht?
Ibims: He, Mann, spielst den Besserdisser vor oder was? Bist wohl Lappengildeheini. Oder tust auf Innung oder bist bloß so ein Pimmelkopf?
Gammelfleischparty: He Atze, sprich halt Deutsch oder redet ihr alle so in München? Surfst du ego mit mir?
Ibims: Versteh nicht.
Gammelfleischparty: Ich merke, du bist emotional sehr flexibel, ein echter Hochleistungschiller.
Ibims: Ja, Innung, Innung, und niemand kehrt. Gell? Das ist bestimmt die Story deines Lebens.
Gammelfleischparty: Sag mal, Sagt dir mein Name gar nichts?
Ibims: Wie soll ich ihn kenne, bist vom Squad, oder was?
Gammelfleischparty: Hör mal, du Halbatze, falls deine Birne nicht blingo ist: Ich war das Jugendwort des Jahres 2008. Und was hast du zu melden, du Datenzäpfchen?
Ibims: Das gibt’s nicht! Im Ernst?
Gammelfleischparty: Was schmatzt du? Hast du Hardwareprobleme?
Ibims: Selber. He, Kumpel, du bist übelst Schloß Neuschwanstein, weißt du, auch wenn du affig aussiehst. Ich bin nämlich das Jugendwort des Jahres 2017.
Gammelfleischparty: Echt? Was du nicht sagst. Aber noch ein bisschen unterhopft. Brauchst vielleicht deine Stockente, und dann bist fit, Atze.
Ibims: He, wie wäre es mit ner Pizza. Ich kenn so nen Laden. Mmm. Schmeckt da schmackofatzo.
Gammelfleischparty: Komm gleich mit. Muss erst in die Pisseria.
1.) Von L. folgende beunruhigende Nachricht: Bei ihr in der Firma ist das Psychocoaching (Stichwort: „Teamarbeit“) neulich eingerückt. Ein paar Tage nach dem verhängnisvollen Einzug, sprach der Geschäftsführer das „Team“ an und bat jede/n Mitarbeiter/in das Du an.
Denkanstoß: Darf man „Nein, danke“ sagen, wenn der Chef das Du anbietet?
Nach einer weiteren Woche wurde eine Mitarbeiterversammlung anberaumt. So eine Versammlung findet üblicherweise entweder vor dem Weihnachtsfest statt, um gute Laune zu verbreiten oder wenn etwas Unangenehmes bevorsteht: etwa schlechte Verkaufszahlen und die Notwendigkeit, Arbeitsplätze oder Gehaltserhöhungen zu streichen.
Diesmal aber war‘s anders: Ein energischer Psychocoach wollte die Belegschaft fürs neue Firmenkredo einstimmen - nach dem Motto „Kreativität“ und „Flexibilität“. Fortan sollten sich alle duzen, tat er kund, vom Hausmeister bis zu den Chefs.
Es folgten nun Auflockerungsübungen: aufstehen , Arme über den Kopf weit weit weit in die Höhe strecken, dann vor sich halten und weit weit weit nach vorne strecken. Dann Kreise mit den Schultern machen. „Entspannt Euch!“ trillerte er. “Spürt den eigenen Körper!“ usw.
Schließlich sollten sich alle Teilnehmer in vierer Gruppen einteilen, und zwar mit folgender Aufgabe: sich auf eine Zahl zwischen eins und neun zu einigen. Jeder durfte triftige Argumente vortragen, um von seiner/ihrer Lieblingszahl zu überzeugen.
L. geriet in eine kleine Gruppe aus der Chefetage. Auch der Geschäftsführer war mit von der Partie. Das ist passiert, weil sie nicht gut sieht und in der ersten Reihe saß - neben den Bonzen also.
In dieser kleinen Runde machte der Geschäftsführer als erster einen Vorschlag. Als Chef musste er wohl die Initiative nehmen. Er möge die sieben, meinte er. „Oder möchte jemand eine andere Zahl in die Runde bringen?“ fragte er.
Es herrschte Stillschweigen. Alle schauten sich ein bisschen gschamig an, als hätten sie entdeckt, dass sie nackt waren. Die sieben hatte also leichtes Spiel.
2.) Diese Mitteilung von L. erweckte in mir eine Erinnerung. Wir schreiben das Jahr 1996. Wir, d.h. meine Familie u. ich, leben in Portland, Maine, in den USA, ich arbeite allerdings weiterhin bei einer deutschen Zeitschrift. Man erklärt mich zum „Auslandskorrespondenten“.
Ein neuer Chefredakteur nahm damals die Zügel in die Hand. Ich kannte ihn kaum, und damals war das Mailen noch sehr exotisch. Manchmal telefonierten wir miteinander.
Während eines solchen Gesprächs sagte er mir auf einmal Folgendes: „Sollen wir uns nicht lieber ‚buh‘ sagen?“
Es war Herbst, genauer gesagt, die Halloweenzeit. (Nebenbei: in Portland feiert man das echte Halloween - nicht den ungelenken Import, der sich in Deutschland mit ach und krach etabliert hat). Von daher meinte ich, er mache einen Halloweenwitz: „Buh!“ - wie ein Gespenst.
„Buh?“ fragte ich ahnungslos.
„Ja, buh“.
„Ich versteh nicht“, räumte ich endlich ein. „Wieso ‚buh‘?“
Ja, liebe Leser, Sie ahnen schon. Er wollte mir das „Du“ anbieten. Hab ich natürlich, als ich’s endlich kapiert hab, - mit Vorbehalt - auch angenommen.
Ab dann wurde allgemein geduzt. Alle haben sich in der Redaktion geduzt - der Kreativität und der Flexibilität zuliebe. Zehn Jahre später bekamen wir einen neuen Verlagsleiter. Er sagte mir, als er mich zum ersten Mal kennenlernte (wir lebten längst wieder in Deutschland): „Ach, Sie sind Herr Blumenthal!“
Ich reichte ihm die Hand und lächelte freundlich.
Sie verdienen zu viel.“
Anfang des Endes. Fünf Jahre sägten die Chefs (Mehrzahl) unerbittlich an meinem Stuhl. Mit Ausnahme des Verlagsleiters haben mich alle bis zum bitteren Ende geduzt. Der Verlagsleiter bekommt hier einen großen Lob: Er war zwar ein Arsch, dafür aber stets ehrlich und konsequent.
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