Ich schlage die Werbetrommel für andere äußerst selten (auch nicht für mich, obwohl mein Buch beinahe ein Jahr auf dem Markt ist!). Was folgt, darf also nicht als Werbung missdeutet werden.
Es geht um „Pinterest“. Für manche ist diese Webseite wohl ein Begriff (für mehrere Millionen in Deutschland sogar). Für mich blieb sie unbegreiflich: bis ich mich gestern auf Wikipedia darüber informiert habe. Mehrmals war ich bei „Pinterest“ geraten, als ich nach Bildern suchte. Nur die Seite hat mir jedes Mal den Zugang zu den gesuchten Bildern geweigert. Man hat mich stets aufgefordert, mich erst zu registrieren.
Auch über das Wort, „Pinterest“, habe ich manchmal gerätselt. Irgendwas hat diese Seite mit Bildern zu tun. So viel wusste ich. Von daher dachte ich zunächst ans spanische „pintado“, „gemalt“. „Gemalt“, „Bilder“…das kam mir logisch vor.
Wikipedia hat mich eines Besseren belehrt. „Nicht „pintado“, sondern das englische „pin“, „Stecknadel“, ist hier gemeint. Darauf wäre ich nie gekommen. Und weiter: „Pin“ sei eine Abkürzung von „pinboard“, also Pinwand. Und der Rest des Wortes? bzw. das „terest“? Das ist kein „terest“, erfuhr ich, sondern ein Teil der englischen Vokabel „interest“. „Pinterest“ ist also ein sog. „portmanteau“, zu Deutsch „Kofferwort“. So bezeichnet man Neologismen, die aus zwei Wörtern konstruiert werden, zum Beispiel „Brunch“ (breakfast und lunch), „Denglisch“ (deutsch/englisch), „smog“ (smoke und fog), Teuro (teuer und Euro), Bollywood etc.
In diesem Fall werden „pin“ und „interest“ zusammengelegt. Wäre die Seite eine dt. Erfindung, hätte man es vielleicht „Pinteresse“ genannt. Wie dem auch sei. Zwei Begriffe, „Pinboard“ und „Interest“, sind also die thematischen Grundideen. Ganz ehrlich: Ich wäre nie draufgekommen, obwohl ich Englischmuttersprachler bin.
Und was verspricht eine Interessenpinwand? Keine Ahnung. Sorry.
Im Übrigen habe ich das Wort wahrscheinlich seit jeher falsch ausgesprochen. Immer sagte ich „pin-ter-rest“, was vielleicht einer dt. Aussprache entspräche. Auf Englisch müsste es „pintrest“ heißen.
Wie gesagt: Immer wieder stoße ich, wenn ich nach Bildern suche, auf „Pinteresse“. Zum Beispiel neulich, als ich über südasiatische Zeremonialstäbe recherchieren wollte. Fragen Sie bitte nicht, warum. Der diesbezügliche Ertrag an Bildern im WehWehWeh erwies sich schnell als recht mager. Nur „Pinteresse“ behauptete, im Besitz Mengen von solchen Bildern zu sein. Allerdings: Ohne vorherige Anmeldung, keinen Zugang zu den gewünschten Bildern. Doch das wollte ich nicht. Jetzt muss ich davon ausgehen, dass ich in meinem Leben nie die Bilder finden werde, wonach ich gesucht habe.
Nebenbei: Ähnliches ist mir mal bei „Quora“ passiert. Damals hatte ich nach der Antwort zu irgendeiner belanglosen Frage gesucht. „Quora“ hat Abhilfe versprochen…wenn ich mich anmelde. Das tat ich auch und bereute meine Eilfertigkeit sogleich. Denn die Antwort auf meine Frage erwies sich als oberflächlich und nutzlos. Das war mein letzter Besuch bei „Quora“. Dennoch bekomme bis heute Mails von dieser Seite. Ich würde mich gern abmelden, doch leider hab ich sowohl meinen Benutzernamen wie auch mein Passwort vergessen. Ich werde also in aller Ewigkeit eine Karteikartenleiche bei „Quora“ bleiben.
Diesen Fehler werde ich ja nicht bei „Pinteresse“ machen. Ohnehin weiß ich noch immer nicht, worum es bei diesem „Sozialmediendienstleister“ geht. Interessenpinwand? Wie bitte?
Immerhin hat „Pinteresse“ weltweit ca. 150 mio Benutzer oder Mitglieder oder Friends, wie immer sie heißen. Das sind noch mehr Besucher als beim Sprachbloggeur. Und meine Zahlen sind auch nicht von Pappe.
Aber genug von „Pinteresse“ und Co. Dieses Thema bringt weder mich noch Sie weiter. Mein Rat: Behalten Sie die Übersicht. Alles was nix kostet, kostet viel.
Ich kann nicht erwarten, dass Sie mich ernst nehmen, wenn ich mich für ein derart arkanes Thema wie die Sprache des Jenseits entscheide. Manche werden gleich zu lesen aufhören. Sie werden meinen: Meine Zeit ist mir zu kostbar. Das ist alles für die Katz…
Hmm. Ob sich Katzen für dieses Thema Interessierten? Da müsste ich die liebe C. und den lieben G. fragen. Über Katzen wissen sie viel besser Bescheid als ich.
Sich Gedanken über die Sprache des Jenseits zu machen, ist aber nicht so abwegig, wie Sie vielleicht meinen, liebe Materialisten, liebe An-Nix-Glaubende. Denn dieses Thema hat durchaus auch Bezüge zum Here and Now. Echt. Immerhin hat der amer. Sprachwissenschaftler Noam Chomsky vor 60 Jahren einen wichtigen Beitrag zu solchen Spekulationen geleistet.
Und zwar hat er damals über die sog. „Tiefengrammatik“ – genannt: „Transformationsgrammatik“ – publiziert. Mit „Transformationsgrammatik“ meinte er, dass jeder Mensch mit der Gabe geboren wird, Sprachelemente grammatikalisch zu organisieren. Die jeweilige Sprache dieses Organisationsprozesses sei egal. Es geht darum, dass ein Säugling innerhalb ein paar Jahren in der Lage ist, irgendeine Elternsprache (haha – im Namen der Gleichberechtigung haben wir „Muttersprache“ gestrichen) zu verinnerlichen.
Szeretem a házamat, sagt das ungarische Kleinkind. Ich liebe mein Haus. Zu beachten: ház = Haus; házam = mein Haus; házamat = mein Haus im Akkusativ. Auch zu beachten: szeretem = „ich liebe“, wenn ein Nomen wie oben – mit Artikel versehen – im Akkusativ folgt. Szeretek = „ich liebe“ wenn kein Artikel folgt. Szertek almakat = ich liebe Äpfel (alma = „Apfel“, almak „Äpfel“, almakat „Äpfel“ im Akkusativ). Alles klar?
Das weiß jedes ungar. Kleinkind, so wie Sie, liebe Deutsche, bereits im zarten Alter zwischen „das gute Tier“ und „ein gutes Tier“ zu unterscheiden lernten.
Die Fähigkeit all dies zu kapieren schulden wir eben jene Tiefengrammatik, mit der wir – Chomsky zufolge – auf die Welt kommen. Kinder unterscheiden mühelos zwischen Verb, Nomen, etc., und sie beherrschen nach kurzer Zeit alle anderen Feinheiten.
Ein bekannter Sprachforscher – zum Glück hab ich seinen Namen vergessen – stellte einst die Theorie, dass alle Sprachen aus einer einzigen Ursprache entwachsen sind. Muss nicht sein, aber das hat er gemeint.
Mir klingt seine Theorie beinahe wie der Babelmythos. Upps! Da sind wir bereits kurz vorm Jenseits. Ich meine wegen Bibel…Religion…Tod…usw.
Doch keine Sorge. Ich schreibe hier kein metaphysisches Werk, sondern lediglich eine äußerst komprimierte sprachwissenschaftliche Studie zum Thema „Tiefengrammatik“. Heute hat man ohnehin kaum Zeit für anderes als Kurzfassungen.
Fassen wir also zusammen: Bisher haben wir bewiesen, dass alle Menschen mit der Gabe zur organisierten Sprache (sprich Grammatik) auf die Welt kommen. Soweit so gut. Nur… woher haben wir diese Gabe?
Und jetzt wird’s heikel. Hier meine kontroverse Theorie: Alle Menschen spekulieren gern über ein Leben nach dem Tod. Aber wieso soll es so etwas geben? Was man aber doch konkret weiß: Das Leben beginnt mit der Geburt – genauer gesagt, im Elternleib bzw. im Gebäreltern, wo man bereits mit der Tiefengrammatik bestückt ist.
Meiner Meinung nach ist das Neugeborene Kind schon so gut ausgerüstet, weil es bereits irgendwo war, wo man eine Sprache namens „Tiefengrammatik“ redete, und alle haben sie verstanden. So was könnte man ein Leben vor der Geburt nennen…so, als würde man die Fähigkeit mitbringen, jede Sprache im Nu zu meistern! Ein Leben vor der Geburt klingt ohnehin vernünftiger als eins nach dem Tod.
Mehr habe ich über dieses Thema nicht zu sagen. Sie kennen sich vielleicht sowieso besser aus als ich mich.
Dreißig Jahre. So stand es in der lustigen pixelierten Ikone auf der Google-Suchseite.
Dreißig Jahre und 4.000.000.000 Benutzer*Innen weltweit. Mei mei, wie die Zeit vergeht. Gell? Ich kann mich noch erinnern, als es nur ein kleines WehWehWehchen war.
Aber mal ehrlich: Was hat man*Innen davon?
Nur ein Beispiel: Erst gestern hab ich im WehWehWeh gelesen, dass 30% junger Männer*Innen (war das die genaue Zahl? Ich denke schon) unter erektiler Dysfunktion*Innen leiden, weil sie während ihrer „formativen Jahre“ im WehWehWeh zu viel Schweinereien konsumiert haben und nicht mehr in der Lage sind, ohne Bilder eines erträumten Geschlechtsverkehrs erregt zu werden.
Oder ich denk an die allgegenwärtige „Kekse“, wie diese giftige Portiönchen verniedlichend genannt werden, die private Interessen und Erkundigungen in Werbeangebote durch die Unendlichkeit besagten WehWehWehs verwandeln. Wie das genau funktioniert, ist den meisten (falls sie keine Programmier*Innen sind) wahre Zauberei.
Ihr Privatleben, Ihre Örtlichkeit, Ihre Vorlieben, ihre unanständigsten Gedanken werden von den freundlichen Helfer*Innen, Gauner*Innen, Vergewaltiger*Innen, Ideologen*Innen etc. mittels Gugeil, Gesichtsbuch, Zwitscher, und wie sie alle heißen, gespeichert und in Cyberüberraschungstüten neu verpackt und verkauft oder schlichtweg missbraucht.
Immerhin kann man*Innen als Gegenleistung alles Mögliche nachschlagen, wozu man*Innen früher in die Bibliothek pilgern musste. Man*Innen kann sich im WehWehWeh gründlich informieren oder zum Opfer diverser Verschwörungstheoretiker*Innen trimmen lassen.
Bye bye Bibliothek. Happy Birthday WehWehWeh!
Eigentlich ist Obiges nicht mein heutiges Thema, wenn vielleicht auch irgendwie verwandt.
Eigentlich wollte ich über das, was letzte Woche geschehen ist, erzählen, als ich im WehWehWeh den Sprachbloggeur anklickte. Plötzlich hieß es: „Diese Seite steht Ihnen nicht zur Verfügung. Sie haben keinen Zutritt zu dieser Seite.“ Da ich Katastrophen dieser Sorte, was diese Seite betrifft, gewöhnt bin, reagierte ich gelassen. So ist es, wenn man*Innen richtig abgebrüht wird.
Am selben Abend erhielt ich eine Mail von meinem WehWehWeh-Host (Gastgeber*Innen?) Herrn*Innen P. Er schrieb Folgendes: „Upps! Etwas Technisches ist auf der SB-Seite schiefgegangen. Sagen Sie mir, ob alles in Ordnung sei, bzw. ob etwas fehlt.“
Bald stellte ich fest, dass alles nicht in Ordnung war. Mein jüngster Beitrag fehlte nämlich, was mir gar nicht gefiel. Denn dieser Beitrag wurde bisher, hatte ich festgestellt, besonders eifrig gelesen. Das hat mich mächtig geärgert. (Mein Schwadronieren darüber können Sie als „PS“ in der wiederhergestellten Kopie jenes Beitrags nachlesen).
Es wurde noch schlimmer: Denn auch die neuesten Leserkommentar*Innen fehlten, was besonders ärgerlich war. Diese Texte sind absolut u n w i e d e r b r i n g l i c h.
Und schließlich fehlten die jüngsten Ergebnisse des Besucher*Innenzählers. Sie als Leser*Innen sehen diese Zahlen nie. Ich schon. Sie sind für mich ein Indikator über die Zahl der wahren Besucher*Innen im Gegensatz zu den Bot*Innen, die diese Seite mit Grabengeruch besudeln.
Doch wie gesagt: abgebrüht bin ich. Vor allem wegen des verheerenden Kahlschlags, den ich bereits vor zwei Jahren erlebt hatte, als irgendwelche Hirntote Russen*Innen – oder waren es Ukrainer*Innen? – diese Seite zwei Monate mit Malware lahmlegten. Ich habe damals Hunderte von Leserkommentar*Innen verloren plus den Zugang zu allen Leser*Innen überhaupt. Da hab ich geflucht.
Inzwischen hab ich mich wieder beruhigt…ich meine, bezüglich der neuesten Panne. Und ohnehin ist heute ein Feiertag: Das WehWehWeh hat einen runden Geburtstag. Wer will bei so einem Ereignis schlechte Laune haben? Außerdem weiß jeder vernünftige Mensch*Innen, dass es nix auf Erden gibt, das ewig ist und dass auch das WehWehWeh ohne Strom wie ein Traum nach Tagesanbruch wirken würde, ohne auch nur eine einzige Spur zu hinterlassen.
Papier kann man verbrennen, aber auch dann, kann einer*Innen es, hat er*Innen die richtigen Werkzeuge, , zum Leben wieder erwecken. Das tut Freund A. im April und Mai in Pompeii, wo er mithelfen wird, verkohlte römische Schriftrollen zu entziffern.
Aber genug der Unverschämtheiten. Happy Birthday WehWehWeh…und nicht vergessen, zeitig die Stromrechnung zu bezahlen…
PS: Nächste Woche wieder unterwegs und ohne Strom. Nächster Beitrag Ende des Monats.
Wer den Begriff ASMR bereits kennt, darf jetzt das Zimmer verlassen. Oder vielleicht doch lieber bleiben. Denn mein Thema betrifft nicht nur ASMR, sondern die Zeit.
Wir fangen jedoch mit dem Vordergründlichen an. ASMR ist selbstverständlich ein Kürzel wie LTE, BND, Stasi usw. und steht für „autonomous sensory meridian response“. So neu ist dieser Begriff , dass es – zumindest deutschenseits – dafür noch keine adäquate Übersetzung gibt. Google-Translate bietet, z.B., „autonome sensorische Meridianantwort“ an, was auch immer das bedeuten könnte. ASMR hat eigentlich mit…wie soll ich’s sagen?...spontan reagierenden Nerven (sprich autonom) zu tun, die unter Umständen am Nacken zu kribbeln anfangen, was freilich etwas Sensorisches ist und als äußerst angenehm gilt. In den USA ist es der letzte Schrei.
Das behauptet jedenfalls die NY Times. Fakt ist: Das Phänomen grassiert wie eine Wintergrippe auf Youtube. Sie finden dort hunderte, wenn nicht tausende Videos zum Thema. Würden Sie sich alle anschauen, wären Sie bis zum Tode mit diesem Inhalt versorgt, was aber wahrscheinlich langweilig wäre. Alle wollen nämlich das Gleiche: Sie für ASMR empfangsbereit zu machen.
Kennen Sie das angenehme Kribbeln, das man unter gewissen Umständen am Nacken zu spüren bekommt? Kein erotisches Erlebnis beteuert die NY Times, lediglich eine rein körperliche Freude. Ich zitiere nur. Trotzdem sind die ASMR-Videos in China bèi jínzhi, d.h., verboten. Vielleicht auch deshalb, weil die meisten davon von attraktiven jungen Frauen und ein paar Jungs gedreht werden. Die Länge der Videos liegt übrigens zwischen ca. 30 Minuten und drei Stunden.
All diese Sprecherinnen und Sprecher wollen bei Ihnen mittels ASMR besagtes Kribbeln erzeugen. Das machen sie, indem sie in ein Mikrofon flüstern oder sich Gegenstände bedienen, die einen sanften Knisterton produzieren. Oder man klopft leise an eine Streichholzschachtel oder pustet sachte ins Mikrofon, oder quetscht ganz sachte ein weiches Stofftier zusammen, so dass ein huschendes Geräusch entsteht usw. Ich hab einen jungen Mann aus Australien, jojo mit Namen, ein paar Minuten angeschaut und zugehört, während er Obiges vorführte. Er hatte große, begeisterungsfähige Augen, ein nettes Gesicht und die Überzeugungskraft einer Elfe. Mittlerweile hat er unzählige solche ASMR-Videos produziert. Keine Ahnung, was er sonst mit seiner Zeit tut. Geht er noch in die Schule?
All dies, damit der/die Zuschauer/in besagtes wunderbares Kribbeln am Nacken verspürt. Manche wenden ASMR als Schlafhilfe an.
Ich brauche kein ASMR, um einzuschlafen. Leg ich mich hin, bin ich sofort weg (der Schlaf der Unschuldigen). Erst um ca. 4h wache ich manchmal auf und kann nicht wiedereinschlafen. Zeit für ASMR vielleicht? Von wegen. Ich höre Radio eine Weile (ARD-Nachrichten) oder lese. Bald bin ich weg…ohne ASMR.
Und damit kehre ich zur anfangs erwähnten Frage der Zeit zurück. Das Internet – wie vor ihm das Fernsehen – verlangt von Ihnen etwas besonders Kostbares: Ihre Zeit. Wie jeder weiß, hat ein Tag genau 24 Stunden. Die Zeit, die man mit Bildberichten (oder Filmen) verbringt, kann man – und jetzt die Pointe – haargenau in Zeiteinheiten messen. Das ist das große Problem mit den visuellen Medien. Mit dem Lesen ist es anders. Manche lesen schnell – und jeder kann, wenn er will, einen Text überfliegen, es sei denn der Text heißt „Sein und Zeit“ von Heidegger. Videos, Filme etc. kann man nur schwer überfliegen. Zu leicht ist es etwas zu verpassen.
Manchmal besuche ich die CNN-Seite im Internet. Dort hat man die Wahl: Man kann einen Bericht als Video oder als Text konsumieren. Will man das Video sehen, kann man das Erlebnis in Minuten und Sekunden genau messen. Schaut man sich lieber den Text an, ist man meistens schnell fertig.
Damit will ich nicht sagen, dass man sich keine Videos erlauben sollte. Doch man muss wissen: Das Zuschauen ist immer etwas Passives. Man empfängt halt. Das Lesen ist genau das Gegenteil. Man zerlegt, analysiert, setzt das Hirn in Gang.
Diesen Text, z.B. Vielleicht haben Sie ihn nur überflogen. Stellen Sie sich vor, ich hätte Obiges als „Podcast“ präsentiert oder gar als Video. Sie wären vielleicht – auch ohne ASMR – längst eingeschlafen, womöglich auch ohne Nackenkribbeln.
In eigener Sache: Der Sprachbloggeur begibt sich schon wieder auf Geheimmission. Nächster Beitrag wohl Anfang März.
PS Sie merken möglicherweise schon, dass dies kein neuer Beitrag ist. Eine technische Panne hat diesen Beitrag ins digitale Jenseits katapultiert samt den letzten Kommentaren. Man freut sich, wenn die Technik funktioniert. Man ahnt Schlimmes, wenn sie nicht funktioniert. Mehr über dieses Thema beim nächsten Blog. Bin momentan viel zu irritiert, um all dies in Worten zu fassen.
Ich wollte von einem vegetarischen Käseschnitzel und einen kaputten Zahn berichten, doch dann kam die Musik.
Einer, der sich „Mandopelli“ nennt, spielte den Evergreen „All of Me“ und zack! Der Ärger wegen des kaputten Zahns und des veg. Käseschnitzels war mit einem Mal wie verflogen.
Schauen Sie selbst mal auf YouTube unter Stichwort „Mandopelli“/„All of Me“. Sie werden in zwei Minuten irdischen Paradieses laben. Kein Ärger hält so viel Lebensfreude lange aus, er zerstäubt wie eine Regenwolke in der prallen Sonne.
Aber kurz zum kaputten Zahn, der Ende November beim Verzehr eines veg. Käseschnitzels aufgeplatzt war. Da staunte ich nicht schlecht. Auf einmal: Knartz! Meine Frau saß neben mir am Tisch, während ich ein Stück Zahn und einen harten Gegenstand so groß wie eine Kugellagekugel aus dem Mund angelte. Der Zahn, ein Backenzahn, war nur mehr dreiviertel so groß wie bisher.
Am nächsten Tag rief ich beim Hersteller besagten Käseschnitzels an, um die Angelegenheit mitzuteilen. Wer weiß? Vielleicht hab ich etwas Wichtiges für die Herstellung entdeckt. Die Dame am Telefon war sympathisch, bat mich darum, ein Attest vom Zahnarzt an die Firma zu schicken und mailte mir die Kontaktdaten der Firma.
Inzwischen ging ich zum Zahnarzt, der eine Krone für nötig hielt. Danach schickte ich eine Mail an die Firma, um den ganzen Vorgang darzustellen. Auf meine Mail kam aber keine Antwort, lediglich eine Empfangsbestätigung mit Kontaktdaten…wie oben.
Da ich keine Reaktion erhalten hatte, schickte ich der Firma vor Weihnachten – per Einschreiben – einen Brief, in dem ich den ganzen Vorgang noch einmal darlegte. Diesmal fügte ich unter etwas Klebeband auch den harten Gegenstand, den ich aus meinem Mund geangelt hatte, hinzu. Nachdem ich den Brief verschickte, bekam ich – endlich – das Attest vom Zahnarzt.
Es geschah aber nix, d.h., zumindest seitens der Firma. Im Januar durfte mich mein Zahnarzt reichlich foltern. Zum Schluss hatte ich eine nagelneue Backenzahnkrone.
Da ich von der Firma noch immer keine Stellungnahme erhalten hatte, schickte ich nun eine Erinnerung, in der ich schon wieder den ganzen Vorgang erläuterte, und bat um eine Mitteilung.
Doch jetzt wird’s lustig. Am selben Tag, als ich meinen Erinnerungsbrief per Einschreiben mit Rückschein verschickte – erreichte mich eine Email…und zwar von einem Anwalt, den die Firma beauftragt hatte, mich einzuschüchtern. Es war ein nüchterner, unfreundlicher Brief, dessen Zweck es war, mir mitzuteilen, ich hätte keinen Anspruch auf Entschädigung. Im Übrigen meinte der Beauftragte, sei der harte Gegenstand, den ich eingesandt hatte, lediglich Panade. Dies habe eine Untersuchung bestätigt.
Wer weiß? Vielleicht wurde mein Zahn trotzdem durch diese harte Panade kaputt gemacht. Möglich wäre auch, ich hätte die Ursache bereits runtergeschluckt. Keine Ahnung. Fest steht aber: Der Zahn ging zu Bruch, während ich den veg. Käseschnitzel dieser Firma verzehrte.
Nun ärgerte ich mich. Ich ärgerte mich, weil die Firma einen Anwalt beauftragt hatte, um mich einzuschüchtern. Eine Alternative wäre gewesen, mir persönlich freundlich aber abweisend anzuschreiben. Ich denke, die Anwaltskosten waren viel höher als etwaige Ansprüche, die sonst entstanden wären. Ich hatte nämlich nur ca. 200 Euro erwähnt, also meinen Anteil nach Abzug der Zahlungen meiner Zusatzversicherung.
Die Vorgehensweise der Firma (ich glaube, ich darf den Firmennamen nicht erwähnen, ohne dass sie den Anwalt gegen mich wieder hetzt) hat mich reichlich vergrault. Ich hab mich aber wieder beruhigt.
Und wer weiß? Vielleicht wird mein zweiter Brief, der mit dem Schreiben des Anwalts kreuzte, Anlass geben, den Anwalt mit einem zweiten Drohbrief zu beauftragen. Falls ja, hat die Firma noch weitere Kosten um nix.
Kundenpflege sieht meiner Meinung nach anders aus als das, was ich erlebte. Zugegeben: Es gibt Leute, die mit Lügen versuchen, anderen ihre Zahnarztrechnungen aufzuzwingen. Und ganz klar kann man nicht wissen, ob ich so einer bin oder nicht.
Wie dem auch sei: Die Schnitzel dieser Firma stehen bei mir nicht mehr auf dem Speiseplan, auch wenn sie sonst gut schmecken.
Egal: Nach dem wunderschönen Mandolinensolo von Mandopelli weiß ich wieder: Es gibt Wichtigeres auf der Welt als Kontakt mit Anwälten und Firmenvorsitzenden zu pflegen.
Schon 2015 wusste die „Welt“ Bescheid. Noch früher (2014) war die TAZ auf dem Laufenden. Ich habe erst gestern davon erfahren. Und Sie? Wissen Sie schon, was das bedeutet „Vocal Frying“?
Oder versuchen wir’s mittels des ungebräuchlichen deutschen Pendants. Wissen Sie schon, was eine „Schnarrstimme“ ist, auch „Strohbass“ genannt (in diesem Sinn allerdings eine Gesangstechnik)? Oder wie es in Österreich heißt: ein „Stimmbrutzeln“?
Ich bin erst am Wochenende auf diesen Begriff gestoßen. Und zwar in der amer. politischen Komik „Doonesbury“. Vielleicht hat’s beim Zeichner Garry Trudeau auch so lange gedauert wie bei mir, bis er „in the know“ war. Oder vielleicht erlebt diese faszinierende Sprechmode erst jetzt wieder ihren zweiten Frühling.
Was ist „Vocal Frying“? Es sind vorwiegend junge Frauen, so hab ich erfahren, die sich dieser Sprechtechnik bedienen und zwar, um very sophisticated zu klingen. Es hört sich an, wenn man so redet, als würde frau (seltener man) in einem Atemzug gurgeln und stark affektiert reden. Do you know what I mean, darling?
Beispiele findet man reichlich auf YouTube. Auf YouTube findet man beinahe alles reichlich. Ich persönlich halte das Stimmbrutzeln nicht für was Neues. Mich erinnert dieser affektierte Akzent an der Art zu reden, zu der amer. Schauspielerinnen in den 1930er Jahren genötigt wurden. Dju nöo uot I mien, dahling?
Ich glaube, gelesen zu haben, dass heute insbesondere die Hollywoodsternchen (sorry, no names), die „Promis“ also, so schnarren.
Die Vorgängermode zu Vocal Frying hieß übrigens „Upspeak“ und ist wohl immer noch nicht ausgestorben. Diesem Sprechmodus zufolge schließt man (und frau) jeden Satz mit einer Erhöhung (up) der Stimme (speak), als würde man/frau das ganz Leben in Frage stellen. Sicherlich finden Sie auf YouTube auch reichlich Beispiele dieser Unsitte. Die Sache hört sich folgendermaßen – auf Deutsch übertragen – an: Gestern bin ich in die Stadt gegangen? Und stell dir vor? Ich stelle fest, dass ich mein Phon vergessen habe? Welch Ka-ta-stro-phe? Usw.
Die Generation der Upspeakers dürfte heute um die Mittevierzig sein und längst eigene Kinder haben, wohl auch darunter Vocal-Fryers. Ob sie sich vertragen?
Nur eine Fantasie.
Nebenbei: Vor der Generation der Upspeakers und der Vocal Fryers trillerten die „Valley Girls ”, zu Deutsch „Talmädchen“, eine Bezeichnung, die sich eigentlich auf das „San Fernando Valley“, eine Landfläche, die nördlich von Los Angeles liegt, bezieht. Die Girls redeten betont lässig, laut und nasal. Nach jedem Satz pafften sie de rigueur an einer Zigarette – damals hat frau (und man) noch gern geraucht. Das Gesagte klang stets überkandidelt. Es war aber, wie gesagt, ein Mädchendialekt. Nur einen Jungen kannte ich, der so schrill redete – noch schriller als seine Freundin, was mir damals seltsam vorkam. Doch bald hatte er keine Freundin mehr. Er hat sich als schwul geoutet.
Noch hab ich diese wissenschaftliche Studie zum Thema nicht fertig recherchiert. Ich meinte aber, es wäre heute nett, endlich wieder etwas schön Belangloses zu schreiben, etwas passend zu den sonstigen Belanglosigkeiten, mit denen wir täglich ermuntert werden, unsere Zeit zu verplempern. Zum Beispiel YouTube, Instagram, Spiegel Online, Apps etc. Bloß nicht etwas, was mit dem Sinn unseres kurzen irdischen Daseins zu tun hat.
Aber da man gerade beim Thema Sprechmoden ist: Gibt es Ähnliches im dt. Sprachraum? Ich denke, schon. Aber vielleicht anders in den USA. Zum Beispiel die Tendenz unter jungen Mädchen wahnsinnig schnell zu reden. Doch das war schon immer der Fall, oder?
Oder die taffen Jungs. Sie bedienen sich gern eines Deutsch-mit-Migrationshintergrund-Akzents. Das tun sie, auch wenn sie und ihre Eltern und Großeltern hier geboren waren. „He, Monn, willst Schläge? Ick gib dir Schläge. Kapiert?“ usw.
Nun, das reicht für heute. Sonst wird dies nur noch zu einer dummen Meditation übers Leben und den Tod. Und das wäre ganz gewiss nicht modisch.
Es ist verzeihlich, wenn man den Namen Friedrich Tiedemann nicht kennt, obwohl es sicherlich irgendwo in Deutschland eine (bzw. mehrere) Friedrich-Tiedemann-Straßen gibt (hab dies aber nicht gegoogelt).
Er wurde 1781 in Kassel geboren; gestorben ist er 1861 in München.
Tiedemann war Anatom und Physiologe und hat 1837 in Deutschland ein bannbrechendes Buch veröffentlicht, das ihm heute, würde er es veröffentlichen, nur ins Unglück stürzen würde. Das Werk trug den Titel: „Das Hirn des Negers mit dem des Europäers und Orang-Outangs verglichen“. Sie ahnen das Problem. Nebenbei: Diese Abhandlung erschien bereits ein Jahr früher, und zwar in englischer Sprache unter dem Fittich der Royal Society in London. Ja, schon damals war die englische Sprache auf dem Weg, die Weltsprache der Naturwissenschaftler zu werden. Die Urfassung hieß: “On the Brain of the Negro, compared with that of the European and the Orang-Outang”.
So oder so würde jemand heutzutage, der ein Buch mit diesem Titel geschrieben hat, keinen Blumentopf gewinnen. Im Gegenteil. Man würde ihn mit dem Torf da drin bewerfen, oder auf die Barrikaden gehen, um wegen des unverschämten, rassistisch klingenden Titels einen tosenden Shitstorm (auf Englisch „firestorm“) auszulösen.
Nichts wäre allerdings unpassender als dies. Denn das Werk von Tiedemann war alles anders als eine rassistische Postille. Zwar gab es schon immer Nazis und dergleichen, die behaupteten, weil sie lediglich den Titel gelesen hatten, dass Tiedemann bewiesen hätte, dunkelhäutige Menschen seien das Nachkommen der Affen usw. Stimmt alles nicht.
Fakt ist: Das Gegenteil wollte Tiedemann wissenschaftlich untermauern. Er hatte nämlich mittels anatomischer Studien nachgewiesen, dass das Hirn eines Europäers kein Deut anders sei als das eines Schwarzafrikaners und dass beide grundsätzlich anders wären als das eines Orang-Outangs, der nun mal ein Affe ist. Letztendlich betrachtete Tiedemann sein Buch als Polemik gegen die Sklaverei, die damals im Abendland noch immer virulent grassierte. Tiedemanns Schlussfolgerung: Mensch ist Mensch und die Sklaverei ist unmenschlich.
Obiges berichte ich aus einem bestimmten Grund: Ein Freund von mir, der Antiquar ist, wollte neulich eine erste, kostbare Ausgabe des Tiedemann-Buchs im Internet zum Verkauf anbieten. Zwei Sachen sind passiert:
Erstens: Empörung wegen des Titels. „Mein Rechner fing beinahe Feuer“, beteuerte er mir.
Zweitens: Prompt gab es eine Abmahnung von einem sog. Minderheitenbeauftragten, weil dieser im Suchprogramm auf das Wort „Neger“ stieß, das offenbar nicht mehr zulässig ist. Dieser drohte jedenfalls mit einem empfindlichen Bußgeld, sollte mein Freund das Buchangebot nicht sofort löschen.
Natürlich hatten weder die empörten Shitstormer noch der Minderheitenbeauftragte auch nur die leiseste Ahnung über den Inhalt des Buches. Sie reagierten lediglich auf den Gebrauch des heute verpönten Wortes „Neger“ und wurden wie die Echsen, wenn sie eine Fliege ins Visier nehmen. Keine Fragen. Zunge schnell raus, Fliege rein.
Mein Freund der Antiquar gab sich Mühe, den Angreifern aus der Trance zu wecken. Aber Ärger bleibt Ärger. Zum Glück konnte er das Buch direkt im Laden verkaufen.
Ende gut alles gut?
Nein, weil Cowboys immer erst schießen und dann Fragen stellen. Unreflektierte Reaktionen wie die obigen bezeichnet man auf Englisch (in der Sprache also der ursprünglichen Ausgabe des Tiedemann-Buches) als „Knee-jerk-reactions“ Sie kennen das: Der Arzt klopft kurz und fest aufs Knie, um zu sehen ob Ihre Reflexe in Ordnung sind. Wenn alles ok ist, nimmt man eine automatische Zuckung wahr, auf Englisch „knee jerk“.
„Jerk“ hat allerdings auf Englisch eine zweite Bedeutung: „Vollidiot“. Auch ein undurchdachter Hang zu Political Correctness könnte man – wie in diesem Fall – als knee-jerk-Reaktion bezeichnen…oder vielleicht noch besser als Vollidiotie.
Eigentlich wollte ich heute über mehrere Beispiele dieser Abwege der politischen Korrektheit berichten. Sie sehen aber: Mit einem ist man schon bedient.
Mein Handy-Dienstleistender „Blau“ versicherte, ich werde nach voraussichtlich einer Minute Wartezeit telefonisch bedient werden. Nach 17 Minuten an der Strippe legte ich endlich auf. Vielleicht wurde ich bestraft, weil ich der einlullenden Stimme, die mich aufforderte, das Gespräch aufzeichnen zu lassen, nicht gefolgt bin.
„Blau“ brauche die Aufzeichnungen für Trainingszwecke, hieß es. Ja, liebe Lesende, so sieht im Info-Zeitalter die Kommunikation aus.
Ärgerlich, umso mehr, weil heute mein Handy-Dienstleistender nicht einmal mein Thema ist.
Vielmehr will ich über Helmuth den anonymen Hacker berichten. So ganz anonym ist er auch wiederum nicht. Seine Email-Adresse lautet helmuth_754@rr.anonymer-hacker.ga. Falls Ihnen das Domain “.ga” unbekannt ist: Es ist steht für „Gabun“. Ähmmm. Das ist in Afrika.
Vielleicht ist das bei den Hackern üblich, eine Email-Adresse aus Gabun zu haben. Müsste ich mal fragen.
Und nun ein paar Zitate mit dem Wesentlichsten:
„LETZTE WARNUNG pjb@sprachbloggeur.de!“
So steht es am Anfang. Und bald klingt es wie aus einem US-Gangster-Film der 1930er Jahre: „Weil Sie mich nicht pünktlich bezahlt haben, müssen Sie jetzt doppelt so viel bezahlen!“
Folgende Erklärung für den unhöflichen Ton gibt Helmuth an:
„Mein Programm hat Ihre Kamera eingeschaltet und den Prozess Ihrer Masturbation aufgezeichnet. Meine Software hat auch alle Ihre E-Mail-Kontaktlisten und eine Liste Ihrer Freunde auf Facebook heruntergeladen.“
Und dann - wieder Gangsterstil: „Sie können die Polizei besuchen, aber niemand wird Ihnen helfen. Ich lebe nicht in Ihrem Land. Ich habe diese Nachricht in Ihre Sprache übersetzt, damit Sie sie verstehen können.“ Notabene: Das Deutsch ist ausgezeichnet. Nicht einmal ein Kommafehler. Lässt denken, Helmuth habe in Deutschland die Schulbank gedrückt.
Und jetzt wird's ernst:
„Ich gebe Ihnen die letzten 72 Stunden, um die Zahlung zu tätigen, bevor ich ein Video mit Ihrer Masturbation an alle Ihre Freunde schicke.“ Und dann das Schönste: „Sie sind sehr pervers!“
Wie viel Geld will Helmuth a.H.? „Senden Sie sofort 2000 EUR an diese Bitcoin-Adresse: 3AyA829AyvESbzGwUGPEoTbgmNRydvjSvQ“
Ganz ehrlich: Ich hab Helmuth nix geschickt. Wem er sympathisch ist, kann ihn jederzeit mittels einer Überweisung unter den Arm nehmen. Selbstverständlich in Bitcoin. Aber noch ein schöner „Touch“ aus seiner Film-noir-Parodie:
„Versuchen Sie nicht, mich zu betrügen! Sobald Sie diese E-Mail öffnen, werde ich wissen, dass Sie sie geöffnet haben.“
Und damit hab ich Ihnen das Schönste aus der Mail von Helmuth dem anonymen Hacker mitgeteilt. Aber wer ist dieser Mensch eigentlich? Die Sprache ist so flapsig ernst, man ahnt zwangsläufig einen jungen Menschen (männlichen Geschlechts). Man will ihm vielleicht eine X-Box schenken, weil er dieses Jahr wahrscheinlich zu Weihnachten leer ausging. Und dann überlege ich: Schaut er sich – wie viele Jugendliche heute – gern Pornos an?
Wahrscheinlich schon und müsste sich wohl deshalb eigentlich selbst aus den oben erwähnten Gründen Erpressermails schicken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er eine Freundin hat.
Komisch, dass heutzutage so viele junge Menschen regelmäßig Pornos konsumieren.
Haben Sie gewusst, dass der ursprüngliche Sinn der Pornographie war – und zwar seit der Antike –, alten Männern mittels anzüglicher Bilder und Texte den Lebensabend zu versüßen? Das weiß kaum einer mehr.
Kennen Sie folgenden Witz? Ein 78jähriger Mann sitzt an der Bar. Eine attraktive junge Frau flirtet mit ihm und setzt sich anschließend zu ihm. „Für 100 Euro tu ich mit dir alles, was du mir in drei Worten mitteilen kannst“, sagt sie. Der Mann holt sein Portemonnaie aus der Tasche und legt der Frau 100 Euro in die Hand und sagt: „Meine Wohnung streichen.“
Viel Spaß mit Deinem X-Box, Helmuth, und bitte, nicht zu viele Schmuddelfilme anschauen. Sie bringen dich auf dumme Ideen.
Ach, jetzt muss ich „Blau“ wieder anrufen. Bähh. Ich glaube, ich werde kündigen.
170 Menschenjahre stehen an der Haustür. Frau F. will rein ins Haus; Frau S. will naus auf die Straße. Beide sind Rollatorfahrerinnen, und die Tür ist nicht breit. Es muss was geschehen.
In dem Augenblick ist mein Gespräch mit Frau F. ohnehin zu Ende. „Koana hod Zeit fiar mi“, hatte sie geklagt.
Was heißt „klagen“. Sie hat recht. Sie erleidet das Schicksal vieler alter Menschen: Frau F. ist einsam. Mann tot. Bekannte und Freundinnen tot. Wer noch lebt, hat meistens zu tun. Keiner hat Zeit mit ihr zu tratschen.
Genauer gesagt: Keiner interessiert sich für sie. Das ist die schreckliche Wahrheit. Jüngere Menschen finden sie… tja…langweilig. Mit ihr hat man keine gemeinsamen Themen.
Ja, so ist es – für viele, wenn niemand mehr da ist von früher.
Ja, sog amoi! Worüber hat man dann die vielen Jahre mit den anderen geredet? Über Gemeinsamkeiten natürlich! Über Sport, Politik, die Liebe, die Arbeit, die Hobbys, über die anderen, d.h., über die gemeinsamen Bekannten lästern, etc.
Mit mir ratscht Frau F., z.B., übers Altwerden, übers Wetter, oder sie tratscht doch mal gern ein bisschen über die Nachbarn. „Mit Eahna kon i no redn“, sagt sie. Stimmt auch…zumindest für 10-15 Minuten, eine Zeitspanne, die uns beiden zu reichen scheint.
So stehen wir, wie oben erklärt, an der Tür, als plötzlich Frau S. erscheint. „A guts naijes!“ ruft sie mir fröhlich zu. Auch mit Frau S. unterhalte ich mich manchmal. Selbe Themen wie mit Frau F.? Nein, nicht ganz. Sie klagt nie.
„Woj‘n Sie raus?“ fragt Frau F. Frau S.
„Ja, i woi naus“, antwortet sie und meint natürlich: „Aus dem Weg!“
Halt! Bei diesem Austausch fällt mir auch Sprachforscherisches ein. Beide sind nämlich alte Bayerinnen. Beide reden ausschließlich ihre bairische Muttersprache, aber die eine sagt „raus“, die andere „naus“? Wieso?
Die Frage hab ich den Damen nicht gestellt. Vielmehr hat’s mich interessiert, die zwei alten Damen zu betrachten, beide einsam, beide seit mindestens 50 Jahren Nachbarinnen, die sich noch immer siezen und nie auf die Idee kamen – trotz der Einsamkeit –, miteinander etwas zu unternehmen. Kaffee trinken oder so was.
Sie waren wohl nie befreundet. Stets einander fremd, zwei Sterne im Himmel, die schon immer nahe beieinander waren – aber von unterschiedlichen Planeten umkreist.
Was soll ich davon halten?
Nebenbei: Das mit „naus“ und „raus“ hat eine einfache Erklärung: Die Damen reden halt verschiedene Dialekte. Zwei alte Damen, die in verschiedenen Kreisen verkehrten, zwei Dialekte aus verschiedenen Sprechräumen…
Wie zum Beispiel Schos (d.h. „Schorsch“). Er war ein geborener Oberbayer und zog kurz nach dem Krieg (damit meine ich, liebe junge Lesende, den 2. Weltkrieg 1939-1945) nach Niederbayern. Die Einheimischen (Hoamische) haben ihn zeit seines Lebens als Zugeroasten erachtet, weil er ein anderes Bairisch redete. Jetzt hab ich vergessen. Ich glaube, man sagt in Niederbayern die „Mili“, in Oberbayern die „Moich“. Oder ist es umgekehrt?
Oder einmal beim Schützenverein hat ein Jungschützer gesagt: „I geh rauf“.
„Na na, naufi gehst du! Red Boarisch, du Lumperte! “ korrigierte P.
Immer die Details. Klein sind sie, aber sie haben‘s in sich.
Schon wieder jene Jahreszeit, wo man mit dem Alten Schluss macht, um freiwillig und hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Man will sich am ersten Januar des neuen Jahres (in diesem Fall, liebe Historiker, ist die Rede vom Jahr 2019) sauber fühlen, als wäre der letzte Dezembertag des alten Jahres ein Tag, auf dem man sich bedeutungsschwer in die Badewanne begibt, um danach frisch und „squeaky clean“ auszusteigen, um in den neuen Tag hineinzumarschieren.
Frisch ins neue Jahr.
Manchen aber wird es leider nicht so ergehen. Sie werden ebenso schmutzig und vermodert ins neue Jahr starten wie sie das alte Jahr beendet haben.
Das gilt auch für manche, die sich am 31. Dezember extralange in der Badewanne einweichten, in der Hoffnung sauber zu werden. Sauber wurde denen nur die Haut, nicht das Herz.
Falls man nicht zu ihnen zählt, hat man wahrlich das Recht dankbar zu sein, auch wenn man (wie ich) sonst genügend Macken hat.
Und daher – wie so oft in der Vergangenheit – gebe ich auch dieses Jahr meine Liste der Gründe wieder, dankbar zu sein. Notabene: Ich habe diese Liste zwar in der ersten Person, in der „Ich“-Form also, geschrieben; sie gilt selbstverständlich nicht nur für mich. Es lohnt sich, sie stets laut vorzutragen:
Ich bin dankbar, dass ich kein Diktator bin, der friedliche Kritik über seinen Führungsstil nicht duldet und deshalb sein Land in eine unsägliche Katastrophe katapultiert, die hunderte von Tausenden Toten kostet und Millionen ins Unglück schickt.
Ich bin dankbar, dass ich nicht einer seiner Handlanger bin, der sich aus purem Opportunismus zu großen Verbrechen hat animieren lassen.
Ich bin dankbar, dass ich kein Anhänger einer mörderischen Ideologie bin, die das Leiden anderer als Tugend deutet.
Ich bin dankbar, dass ich noch nie auf die Idee gekommen bin, die Schwächsten zu ruinieren, indem ich mich als Enkel, Sohn, Freund, Polizist, Handwerker oder Krankenschwester ausgebe und sie dann mit Lügen ausnehme, nur damit ich mir ein kitschiges Haus bauen und sonstige Fantasiesymbole des Erfolgs raffen kann.
Ich bin dankbar, dass ich noch nie wie eine menschliche Stechmücke das Haus eines anderen in einen Selbstbedienungsladen verwandelt habe.
Ich bin dankbar, dass ich keine politische Führungskraft bin, dessen Ego wichtiger ist als Ihr Leben.
Ich bin dankbar, dass ich die Welt nicht als Schachbrett betrachte und mir Strategien ausdenke, das Spiel zu gewinnen, koste, was es wolle.
Ich bin dankbar, dass ich kein Spammer bin, der Ihr Haus zerstört, um meins einzurichten.
Ich bin dankbar, dass ich noch nie auf die Idee gekommen bin, eine(n) andere(n) zu animieren, sich in die Luft zu sprengen.
Ach, diese Liste lässt sich um einige Stellplätze verlängern. Aber Sie verstehen, worauf ich hinauswill.
In diesem Sinn, liebe Lesende, seien Sie dankbar, keiner der oben Erwähnten zu sein. Und falls Sie doch zu ihnen zählen, folgender Rat: Ziehen Sie sogleich die Bremse. Es ist nie zu spät, in den Genuss folgende aufrichtige Wünsche für ein gesundes, gutes, glückliches und erfolgreiches neues Jahr zu kommen.
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