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Des Vorstandsvorsitzenden erster Tag in der Hölle

(Wir befinden uns in der Hölle, dort, wo die Seelen der Bonzen und Macher neben einem Schwimmbecken an Liegestühlen angekettet sind. Im Schwimmbecken ist aber kein Wasser, sondern ein Magmapfuhl, der Münzen und Geldscheine an die Oberfläche mit einem regen Blubbern befördert und hochsprudeln lässt. Einmal täglich werden die Bonzen und Macher losgekettet und müssen vom Dreimeterbrett ins Schwimmbecken springen. Ein Teufelchen erklärt dies in diesem Moment dem einstigen Vorstandsvorsitzenden eines großen Medienkonzerns …)

Vorstandsvorsitzender: Einmal am Tag, sagen Sie…

Teufelchen: Du darfst mich duzen, musst mich sogar. Hier sind wir alle gleich.

Vorstandsvorsitzender: Verzeihung. Man muss sich an solche Gepflogenheiten erst gewöhnen, wissen…ähhm…weißt du. Man hat mal Probleme, die alten Routinen plötzlich fallen zu lassen. Ich wollte aber fragen: Ist ein Tag hier ebenso lang wie die Tage…ähm…dort, wo ich herkomme, wenn S…ähm wenn du verstehst, was ich meine.

Teufelchen: Nein, hier sind die Tage viel länger…

Vorstandsvorsitzender: Na, also. Gott sei dank…ähm…ähh…darf man das hier sagen?

Teufelchen: Was sagen?

Vorstandsvorsitzender: Ich meine „Gott sei dank“ – oder gilt das hier…ähm…irgendwie wie ein Fluch oder blasphem, wenn Sie…Verzeihung…du verstehst, wie ich das meine.

Teufelchen: Hier darfst du alles sagen, alles denken, alles tun…

Vorstandsvorsitzender: He, das klingt gar nicht so übel. Und das nennst du die Hölle? Mir kommt das vor wie das Paradies!

Teufelchen: Ich werde dich jetzt losketten, damit du vom Dreimeterbrett springst…

Vorstandsvorsitzender: Aber du hast gerade gesagt, dass ich alles sagen, denken und tun darf, was ich will. Was passiert, wenn ich nein sage?

Teufelchen: Das wirst du nicht.

Vorstandsvorsitzender: Wieso nicht?

Teufelchen: Weil du willst vom Dreimeterbrett in den Geldpfuhl springen.

Vorstandsvorsitzender: Im Ernst? Das möchte ich mal erleben…

(Man vernimmt Gelächter. Es kommt von den anderen, unsichtbaren Liegestühlen, die um das Schwimmbecken stehen. Derweil entkettet das Teufelchen den Vorstandsvorsitzenden, der schnurstracks aufsteht, zum Dreimeterbrett eilt, hinaufsteigt und in den glühend heißen Geldpfuhl springt. Man hört ein grauenhaftes Stöhnen, ein Kreischen, ein Jaulen. All dies ist so schauderhaft, dass man es kaum in einer Menschensprache auszudrücken vermag. Der Vorstandsvorsitzende kehrt zu seinem Liegestuhl zurück. Er zittert, wirkt sehr niedergeschlagen, traurig, richtig zerknirscht und lässt sich anstandslos wieder anketten.)

Teufelchen: Na, wie war es?

Vorstandvorsitzender: O! O! Ich kann es kaum in Worten beschreiben! …aber das Erlebnis kam mir irgendwie…vertraut vor. Aber sag mal, hab ich Knochen dadrinnen gesehen? Man merkt sie an der Oberfläche nicht.

Teufelchen: Ja, doch. Knochen. So kann man sie auch beschreiben.

Vorstandsvorsitzender: Nur, sie lagen nicht nur einfach rum. Sie sind mir regelrecht an die Kehle gesprungen. Das fand ich wiederum…ähm… unheimlich, alles anders als angenehm. Ich hab sie angeschnauzt und bestand darauf, dass sie aufhören. Aber sie gehorchten nicht. Je lauter ich schrie, umso aggressiver wurden sie.

Teufelchen: Natürlich hören sie auf dich nicht! Auch sie dürfen alles sagen, denken und tun, was sie wollen…

Vorstandsvorsitzender: Aha! So ist es. Nicht übel. Aber vielleicht kann ich sie morgen umstimmen. Ich bin nämlich ziemlich ideenreich. War schon immer.

(Das Teufelchen kettet den Vorstandsvorsitzenden wieder los, der gleich wieder aufspringt und zum Dreimeterbrett rennt.)

Teufelchen: Es ist schon morgen, O Herr…

(Fortsetzung folgt…irgendwann mal wieder)

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