Hoffentlich keine übereilte Vorfreude meinerseits, Kann es aber sein, dass das dt. Halloween dieses Jahr entsorgt worden ist?
Damit will ich sagen: Ich habe bisher keine Spuren dieses Importfestes wahrgenommen. Ob es nur daran liegt, dass ich die eigene Nachbarschaft (Neuenglisch „hood“) in München selten verlasse?
Aber auch keine Erwähnung eines Halloween-ähnlichen Ereignisses in der Boulevardpresse… zumindest bisher.
Darf ich annehmen, dass der 31. Oktober in den Reformationstag zurückverwandelt ist? Dass das mit dem Halloweenhoppla endgültig vorbei ist? Wäre schön.
Vor langer Zeit habe ich mich auf dieser Seite heftig über die hiesige Inbesitznahme dieses Festes beschwert. Es störte mich, dass man überall Kürbisse aus Kunststoff mit dämonischen Fratzen feilbot. Spinnennetze aus Nylon usw. waren ebenfalls der letzte Schrei. Heute ist das ganze Zeug wohl längst Walfischfutter geworden. Insbesondere aber waren es die Halloween-Partys, die mich skeptisch machten. Meistens feierten Menschen zwischen 20 und 30. (Inzwischen haben diese Leute die 50 erreicht. Tja, so vergeht die Zeit). Zudem: Diese „Halloween“ Partys wurden nicht immer am 31. Oktober abgehalten, sondern eher am nächstliegenden Freitag- oder Samstagabend! Waschechte Amis hätten nur gestaunt und mit dem Kopf geschüttelt.
Im Übrigen haben damals manche Fans ihre kostümierten Kinder, mit Beutetüten ausgerüstet, an Nachbarstür gedrängt, um nach „Süßem oder Saurem“ zu betteln. Auf Englisch heißt das „trick or treat“, also „Streich oder Leckerli“.
Üblicherweise schauten die verdutzten Nachbarn in die Röhre, wussten nicht, wie sie auf diese getarnten Gören reagieren sollten.
Es sollte aber der Anfang einer neuen dt. Tradition werden – trotz meiner Proteste. „Nein, mein Fest! Ihr habt Euren Fasching!“ tobte ich. Man hielt mich für den zugewanderten Grantler vom Dienst.
Während einer kurzen Zeit rechnete ich bereits mit der Globalisierung des geklonten Brauchs. Aber nun zum Glück setzt sich wieder der Vernunft ein. Hoffe ich jedenfalls. Der Vernunft war schon immer hartnäckig.
Fakt ist: „Halloween“ lässt sich nicht so einfach importieren wie Uber oder Starbucks. „Hallowe’en“ (so die richtige Schreibweise) ist nämlich eine altgediegene angelsächsische Vokabel und bedeutet das gleiche wie das Deutsche „Heiliger Abend“ – auch etymologisch. „Hallowe’en“ war nämlich der Abend vor „All Hallows“, zu Deutsch „Alle Heilige“.
Erst in Irland und Schottland hat man Hallowe’en als einen Dämonenabend gefeiert. Die irischen und schottischen Einwanderer brachten ihren Brauch – wohl im 19. Jh – in die USA mit. Wahrscheinlich hatte für diese Kelten der 31. Oktober einst die gleiche Bedeutung wie der 30. April – sprich Walpurgisnacht – für die Deutschen.
Noch heute findet man in den USA große Landesstrecken (meistens im Nordosten), wo Hallowe’en noch sehr traditionell gefeiert wird. Dort schmückt man die Veranda mit Strohmännern in karierten Hemden und mit großen Kürbissen, auch mit trockenen Maiskolben. Alles sieht sehr herbstlich aus. Klar, dass das mit einem Erntefest zu tun hat.
Dazu marschieren die kostümierten Kinderscharen durch die Straßen, klingeln an der Tür, um ein Leckerli zu erbetteln. Das mit dem Streich kommt später.
Während alle schlafen, streifen die Halbwüchsigen durch die Straßen, um die schönen Strohmänner etc. mutwillig zu zerstören. Denn diese Jugendliche sind darauf bedacht, alles kaputtzumachen, was nur geht. Dämonen halt.
Das ist ja das wirkliche Hallowe’en. Schön, dass die Parodie allmählich aus Deutschland verschwindet. Hoff ich jedenfalls, dies behaupten zu dürfen.
Halloween ade!
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Über einen Tod zu berichten, ist (meistens) eine traurige Sache (außer, wenn einer wie Assad etc. an geronnenem Blut erstickt).
In diesem Fall – sprich Todesfall – schlägt die Sache schwer zu Buche: Das Paradies ist gestorben.
Treue Leser dieser esoterischen Glosse ahnen bereits, worum es hier geht. Neulinge (hallo und willkommen!) fragen sich: Wie kann das Paradies sterben? Ein Mensch stirbt…aber das Paradies?
Nun schmunzelt der erfahrene Leser, die erfahrene Leserin (oder wird mit dieser zähflüssigen Einleitung ungeduldig).
Die Rede ist von einem Obstundgemüseladen namens „Paradies“, der in dieser Glosse oft thematisiert wurde. Googelt man unter „Sprachbloggeur“ und „Paradies“ wird man ausreichende Beispiele finden.
Ja, liebe Kenner und Kennerinnen, heute gebe ich kund, dass das „Paradies“, seine Türe für immer geschlossen hat.
Kein Paradies mehr. Frau M., die Chefin, hat das Handtuch geworfen. Jenen talentierten Kundenbetreuerinnen, Frau M., Frau B. und Frau O. wird man nur noch per Zufall auf der Straße begegnet sein.
„Die Kundschaft stirbt uns weg“, erklärte mir Frau M. „Und die Baustellen und neue Leute in den Luxussanierten Häusern interessieren sich nicht fürs Paradies. Manche wohnen nicht einmal in deren neuen Luxuswohnung. Sie haben es als Investment gekauft oder um Geld zu waschen…wos woaß i? Und dann, falls die Stadt tatsächlich die grüne Straßenbahn baut, wird wieder eine große Baustelle über etliche Jahre entstehen, und es wird wieder noch weniger Kunden geben.“
Willkommen im 21. Jahrhundert, liebe Lesende. Nun sind wir doch endlich richtig gelandet. 20. Jahrhundert ade. Viele irdische Neubürger kennen das vorige Jahrhundert nicht einmal.
„Schade ums Paradies“, sagt der Alte auf der Straße, der mich gestern begrüßt. „Es war mehr als ein Obstundgemüseladen“, sagt er. „Es war ein Kommunikationszentrum. Man hat dort Sachen erfahren, die uns alle in der Gegend betrafen. Schauen Sie, das Leben wird immer anonymer. Die Leute, die die Wohnungen in der Luxusbaute gekauft haben, werden kaum da sein – nur vielleicht, um ihre Sommer- oder Winterfrische zu verbringen. Geldwäsche schwemmt viel Geld in die Stadt, macht zugleich alles kaputt.“
Das sagt er mir, als wir uns zufällig auf der Straße begegnen. Wir haben uns oft im Paradies gesehen. Man kaufte Erdbeeren oder Salat oder Nüsse oder Blumen dort, und man ratschte ein wenig. Meistens nahm auch Frau M. daran rege teil. Hätten der Alte und ich uns nur auf der Straße immer wieder gesehen und nie im Paradies, wäre es höchstens zu einem freundlichen, anonymen Nicken gekommen.
Ja, liebe Lesende, nicht nur meine Straße: Es könnte auch mal Ihre Straße werden. So sind nun mal die Zeiten.
Frau K. vom Zeitungsstand sieht die Lösung darin, ein Einparteisystem zu gründen, damit nur eine Partei – ohne Opposition – zwei Jahre regiert und vernünftige Gesetze durchpowert.
Ich bin nicht ihrer Meinung. „Was ist“, frage ich, „wenn diese eine Partei während dieser zwei Jahre ein Gesetz verabschiedet, dass der Partei erlaubt, nicht zwei, sondern zwanzig Jahre im Amt zu bleiben? So was hat Herr Xi in China gemacht.“
Frau K. lässt sich nicht umstimmen. Sie mag keine Korruption, keine Vetternwirtschaft, und sie sehnt sich nach einer funktionierenden Alternative.
Das Paradies stirbt überall, und viele denken wie Frau K.
Ja, lieber Leser, liebe Leserin, nun sind wir endlich im 21. Jahrhundert angekommen. Es ist eine Zeit, wo das Paradies überall zumacht.
PS Bin nicht so ein Pessimist. Später wird alles wieder gut…Ehrenwort!
Was haben E-Scooters und Nichtbinarität gemeinsam?
Schon ratlos? Falls ja, haben Sie dann entweder keine Ahnung, was ein E-Scooter ist, oder Sie sind noch nicht über die Nichtbinarität auf dem Laufenden.
Da man Gelegenheit hat, auf nahezu jeder Straße in Deutschland über einen querstehenden Scooter zu stolpern, gehe ich davon aus, dass Ihre Wissenslücke eher im Bereich der „Nichtbinarität“ liegt, ein Wort, das Sie wohl nicht täglich im Rundfunk oder im Supermarkt antreffen.
Falls Sie mal dem Wort begegnet sind, dann höchstens in der adjektivischen Form „nichtbinär“, was auch kein Alltagswort ist. Tatsache ist: Man muss in ganz gewissen Kreisen verkehren, um den Kontakt mit diesem Begriff zu machen…
…und zwar in „dysphorischen“ Kreisen!
Schon wieder ein ungewohntes Wort! Aber alles der Reihe nach. „Dysphorie“ (Adjektiv: „dysphorisch“) ist quasi das Gegenteil von „Euphorie“. Jeder weiß, was „Euphorie“ ist…oder? Man ist „euphorisch“, wenn es einem besonders gut geht. Man schwebt quasi im siebten Himmel oder so.
Geht es einem nicht besonders gut, ist die Rede von einer „dysphorischen Verstimmung“. Das sagen vor allem die Psychologen, wenn sie miteinander über depressive Zustände fachsimpeln. Eine dysphorische Verstimmung kann mitunter ein sehr ernstes Problem sein. Wer sich über längere Zeit dysphorisch fühlt, sollte sich auf jeden Fall nach Hilfe umsehen. Kann wirklich helfen.
Seit ein paar Jahren wurde in der dt. Sprache (und im Englischen) ein neuer Begriff aus dem Boden gestampft: die „Genderdysphorie“. Will sagen, dass jemand mit der Zuordnung im eigenen biologischen Gender (sprich: Geschlechtszugehörigkeit) nicht zufrieden ist. Ist ein Mensch über die eigene Geschlechtszugehörigkeit nicht euphorisch, wird er „genderdysphorisch“: etwa Männer, die sich nicht „männlich“, sondern „weiblich“ fühlen und Frauen, die sich „männlich“ empfinden.
Eine genderdysphorische Person kann sich auch als „nichtbinär“ bezeichnen. Und somit kehren wir zum ersten ernannten Begriff in dieser Glosse (neben E-Scooter) zurück.
„Binär“ (binarius) ist eine spätlateinische Bildung (15. Jh.) und bedeutet „zweifach“. „Binäre Zahlen“ bezeichnen ein System bei der nur zwei Ziffern verwendet werden, um bis zur Unendlichkeit zu zählen. Das tun Computers. Sie verstehen lediglich „1“ und „O“. Diese sog. „Maschinensprache“ im Chiphirn eines Computers übersetzt lange Reihen von Einsern und Nullen in alles Mögliche – egal ob Text, Zahl, Bild oder Ton.
Auch Menschen sind „binär“. Deshalb existieren wir als Männlein und Weiblein. Nein, das stimmt nicht ganz. Es gibt auch sog. „Intersexuelle“. Sie werden mit den genetischen Merkmalen beider Geschlechter geboren. Ihre Situation ist von daher nicht immer einfach, und man soll ihnen stets den Daumen drücken.
Einen Menschen als „nichtbinäre“ zu bezeichnen, ist allerdings eine Sprachneuigkeit. Das sind Menschen, die sich zwar genetisch als Männlein und Weiblein eingeordnet werden können, die jedoch behaupten, dass sie im falschen Körper geboren wurden. Manche dieser Personen unterziehen sich deshalb eine Geschlechtsumwandlung. Diese erfolgt durch eine hormonelle Behandlung oder noch drastischer (bzw. unumkehrbarer) durch Chirurgie. In den letzten Jahren werden solche Menschen auch „transsexuell“ genannt.
Es gibt allerdings Fälle von Transsexuellen, die sich nach der Umwandlung es auch anders überlegen. Sie möchten dann zurück. Man nennt diese Rückverwandlung eine „Detransition“ oder manchmal eine „Retransition“. Falls aber ein operativer Einschnitt bereits erfolgt ist, kann diese „Detransition“ nie vollständig realisiert werden.
Sie sehen: Die Sache kann sehr kompliziert werden.
Doch nun zurück zur Öffnungsfrage: Was haben E-Scooters und Nichtbinarität gemeinsam?
Nein, dies ist keine Fangfrage.
Die Antwort liegt auf der Hand: Beide sind Fahrweisen, die fast ausschließlich von Menschen zwischen 18-35 in Anspruch genommen werden.
Jetzt wissen Sie Bescheid.
Schon wieder ein Besuch vom anonymen Hacker. Über ihn hab ich schon mal geschrieben, auch wenn ich inzwischen die Details vergessen habe.
Zur Erinnerung: Er ist derjenige, der Sie (bzw. mich) vor dem Bildschirm Ihres (meines) Rechners bei der Pornopeepschau vermittels einer Zaubersoftware, wovon auch die Geheimdienste nur träumen, beim Onanieren (bzw. Masturbieren) ertappt hat.
Erster Gedanke: Im Zeitalter der Gleichberechtigung müssen wir unbedingt davon ausgehen, dass es sich um einen anonymen Hacker handelt? Kann es ja sein, dass diese Drohmails in Wirklichkeit von einer anonymen Hackerin stammen?
Im Ernst. Im Zuge der grammatikalischen und syntaktischen Gleichberechtigung möchte ich daher vorschlagen, dass wir uns künftig pauschal über „anonyme Hacker*Innen“ herziehen.
Zweiter Gedanke: Diese/r anonyme Hacker*In scheint ein wahrhaftes Sprachgenie zu sein. Mittlerweile habe ich Mitteilungen von ihm/ihr (so kompliziert dieses „ihm/ihr“ – wie wäre es mit „ihmer“?) in verschiedenen Sprachen erhalten: Russisch, wo sier sich als mein „Koschmar“ vorstellt. (Das Wort habe ich aus dem Kyrillischen transkribiert). Eigentlich handelt es sich um eine französische Vokabel „cauchemar“, die „Albtraum“ bedeutet: „Alb“, weil ein „Alb“ ein elfenartiges Wesen ist, das nachts seinem Opfer auf der Brust legt und schlechte Träume in Gang setzt. Das Wort „Alb“ ist übrigens mit dem englischen „elf“ (und wohl mit der dt. „Elfe“) verwandt. Früher hat man anstatt „Albtraum“ „Alptraum“ geschrieben. Frau Duden fand dies aber wegen der bereits bestehenden Form „Alb“ unlogisch und hat die Schreibart reformiert. Zudem könnte man beim „Alptraum“ irrigerweise an Berge denken. Jetzt wissen auch Sie Bescheid.
Aber zurück zu den Sprachkenntnissen der oben erwähnten anonymen Hackerin: Sie schreibt auch bisweilen auf Englisch. Dann bezeichnet sie sich als Ihr (mein) schlimmster „nightmare“. Nur zur Information: Auf Deutsch kann man anstelle von „Albtraum“ auch „Nachtmahr“ sagen. Klingt edler. Und stellen Sie sich vor: der „Mahr“ im besagten „Nachtmahr“ bezeichnete ursprünglich – wie der „Alb“ in „Albtraum“ – ein dämonenartiges Wesen, das wie der Alb einem Schlafenden (bzw. einer Schlafenden) auf der Brust saß und Druck ausübte. (Achtung #me-too-er*Innen: Bei den Frauen sitzt der Mahr stets nur sittlich auf der Brust).
By the way: Dieser „Mahr“ – auch wenn der Artikel heute männlich anmutet – war ursprünglich ein weibliches dämonisches Wesen. Der Mahr weiblich?? Sprachen sind halt unlogisch.
Beinahe habe ich vergessen, die dritte Sprache deser anonymen Hacker*/in(s) zu erwähnen. Denn manchmal schreibt diese Figur ihrseinere Drohbriefe auf Deutsch.
Wie dem auch sei. Immer geht es um dasselbe. Nämlich: dieen Empfänger*/In zu beschämen. Dier Empfänger*/In wird ermutigt zu glauben, dass dier anonyme Hacker*/In dieen Empfänger*/In während des Pornoanschauens beim Onanieren bzw. Masturbieren vermittels der An-Bord-Webcamera erwischt hat.
Ach, entschuldigen Sie die Unterbrechung, doch hier nun eine Zwischenfrage: Wissen Sie den Unterschied zwischen „Onanieren“ und „Masturbieren“? Wahrscheinlich nicht. Das lateinische „masturbare“ tritt erst im späten ersten nachchristlichen Jahrhundert in einem Gedicht des röm. Lyrikers Martial in Erscheinung. Vielleicht hat es etwas mit „turbare“, also „in Aufruhr versetzen“ zu tun. Und vielleicht ist das „mas“ mit „manu“, also „Hand“ verwandt.
Leider muss ich aber berichten, liebe Leser*Innen, dass sich dieses Wort in der römischen Antike ausschließlich auf eine männliche „Handlung“ (wie in „Hand“ haha) bezog. Später wurde es aber im Namen der Gleichberechtigung auch Frauen zugelassen.
Diese frohe Botschaft der Gleichberechtigung gilt aber fürs „Onanieren“ leider nicht. Denn dieses Wort leitet man vom Namen „Onan“ im Buch Genesis (38, 8-10) ab. Dieser Onan, so steht es im Heiligen Buch, wollte seine verwitwete Schwägerin partout nicht schwängern und ließ seinen Samen stattdessen „auf die Erde fallen“. Tausende gelahrte Traktate wurden über die Jahrhunderte über diese Passage geschrieben, um den Sinn des „auf die Erde fallen“ zu eruieren. Die meisten Wissenschaftler tippen auf einen „coitus interruptus“ (bitte googeln) und nicht auf eine selbstbefriedigende Tätigkeit.
Wie Sie sehen: Die Sache, die wir hier thematisieren, ist äußerst kompliziert, und letztendlich versteht auch die anonyme Hackerin höchstwahrscheinlich nix davon.
Jetzt wird’s allmählich ernst.
Auf dem Heimweg bin ich an mehreren abgefackelten SUVs vorbeigegangen. Bei einem war ein Sticker zu lesen, worauf „DU STINKST“ noch sichtbar war. Aber nur kurz…denn plötzlich ist die ganze Karre in die Luft hochgegangen…und wie! Kah…BUM! Hat mich an die Fliegerbombe erinnert, die sie damals an der Münchener Freiheit sprengten.
Wir Schaulustige standen ca. ein Kilometer von der Aktion entfernt (wir durften nicht näher heran wegen der Gefahr herumfliegender Granatsplitter). Als die Bombe zündete, war sie so laut, ich hätte meinen können, ich wäre daneben gewesen. Ich habe gleich gedacht: Mei, wenn bloß eine einzige Bombe beim Explodieren so laut ist, wie war es damals in der Bombennacht, als sie (d.h. meine Leute, also Amerikaner und Engländer) hunderte solche Ottos über München haben fallen lassen? Das hat sicherlich wie das Ende der Welt geklungen – und war es wohl für manche.
Aber das mit den SUVs. Das eine ist, wie gesagt, plötzlich hochgegangen – samt „DU STINKST“-Sticker. Ich hatte wirklich Angst, von den rumfliegenden Splittern durchsiebt zu werden. Mit recht.
Große Ironie: Nach der Druckwelle hat es nicht nur Autoteile geregnet, sondern auch ein Nummernschild, das mir dann direkt vor den Füßen landete. Das zweite war offenbar bei den jubelnden Brandschatzern runtergepurzelt. Denn auf einmal hörte ich, wie einer brüllte: Scheiße! Es war ein E-SUV!! Verdammte Scheiße!!!“
Ja, in der Tat. Das weiß ich so genau, weil das Nummernschild, das vor meinen Füßen lag, mit einem „e“ (für „elektrik“) versehen war.
Und falls Sie’s nicht wissen, ein explodierender E-Wagen ist noch gefährlicher wegen des Lithiums usw. als ein angefackelter Benziner. Ja, das hab ich früher nicht gewusst, bis mir das ein Physiker erklärt hatte…
Natürlich ist obige Szene eine reine Erfindung meines unartigen (bzw. abartigen) Fantasievermögens. Ich kann leider nix dafür. So bin ich halt.
Eigentlich wollte ich aber über was ganz anders schreiben…und zwar erwartungsgemäß über ein sprachliches Thema. Schließlich bin ich Sprachbloggeur vom Beruf und kein Polemiker.
Ich wollte nämlich von einem nagelneuen Wort erzählen. Nein, nicht „Klimanazi“. Heute hab ich erfahren, dass dieser Begriff, „Klimanazi“, gute Chancen hat, als Unwort des Jahres gekürt zu werden.
Mein sprachlicher Fokus ist aber viel harmloser. Ich war schon immer ein Harmloser. Wahrscheinlich liegt das an den Genen. Heute wollte ich übers Wort „nachhaltig“ bzw. „Nachhaltigkeit“ berichten.
Vor ein paar Tagen (Achtung Fact-Checker: Es war am 20. September 2019) entdeckte ich in der Münchener Abendzeitung folgende Überschrift: „Nachhaltig reisen – geht das?“
Vielleicht kommt Ihnen dieser Satz normal vor. Mir nicht. Zwar kenne ich das dt. Wort „nachhaltig“ und das dt. “reisen“. Aber so zusammengeschrieben? Mein erster Gedanke war: Hmm, vielleicht wird gefragt, ob es möglich ist, ewig zu verreisen. (Ich bin übrigens der Meinung, dass das ganze Leben eine Art Reise ist. Insofern wäre das Leben selbst tatsächlich quasi eine nachhaltige Reise!)
Ich glaube trotzdem nicht, dass der Schreibende der obigen Überschrift das, was ich meinte, meinte. Ich glaube vielmehr, dass die Autor-Person mit dieser Überschrift fragen wollte, ob es möglich ist, auf ökologische Art und Weise zu verreisen, d.h., indem man einen reduzierten CO2-Fussabdruck hinterlässt.
Mit anderen Worten: „Nachhaltig“ bedeutet heute viel mehr als früher. Es ist praktisch gleichbedeutend mit „umweltfreundlich“ oder „klimaschonend“.
Oder noch ein Beispiel im SPON (d.h. Spiegel-Online – und zwar am 22.09, liebe Fact-Checker). Da hieß die Überschrift: “Nachhaltigkeit an Schulen“. Es folgte dann folgender Text: „Viele Kinder wollen Orang-Utans retten, halten aber noch keinen Wurm auf der Hand“. Lustig, gell? Aber wie Sie sehen: In diesem Beispiel bedeutet “Nachhaltigkeit“ mit Sicherheit: „Umweltbewusstsein“ und nicht etwa, dass man lernt mit der Kreide schonender umzugehen.
By the way: Falls Sie auf Englisch nachhaltig werden möchten, so heißt dieser Begriff “sustainable“, oder als Nomen „Sustainability“. Es gibt allerdings noch immer keine „sustainable holidays“ – außer Ihr „Boss“ Sie vor die Tür setzt mit einem freundlichen: „Oh by the way, Bob (oder Mary), you’re fired.“ Was aber nicht ist, kann ja noch kommen.
Falls Sie noch gesunde Zähne haben, hier mein Rat: Sorgen Sie dafür, dass sie gesund bleiben. Falls es nicht anders geht, dann bleibt es Ihnen nicht erspart: Sie sind dem Zahnarzt ausgeliefert.
Eine kurze Unterbrechung ist hier von Not: Mir fällt beileibe nicht ein, wie ich um Himmelswillen im Zeitalter der gnadenlosen geschlechtlichen Gleichberechtigung, meinen Satz so umformulieren kann, dass er Zahnärztinnen gegenüber nicht diskriminierend wirkt!
Ich komme auf keine Antwort. Hier jedenfalls funktioniert „Dem Zahnarzt*Innen“ rein grammatikalisch nicht. Artikel und Substantiv beißen sich. Schon diese Formulierung klingt irgendwie schlüpfrig. Aber so hab ich’s nicht gemeint. Mit „sich beißen“ meine ich nicht etwas, wofür man Zähne braucht (auch wenn ich thematisch bei den Zahnärzt**Innen bin). Mit „sich beißen“ bediene ich mich lediglich eines dt. Idioms, das auf das Fehlen einer gewissen Harmonie hinweist.
Ganz ehrlich: Es war früher viel einfacher, Deutsch zu schreiben. Man muss heute auf so viele Empfindlichkeiten Rücksicht nehmen.
Aber zurück zu meinem Zahnarzt. Er ist übrigens ein wahrhaftes „er“, sonst hätte ich ihn (bzw. sie) als „meine Zahnärztin“ bezeichnet.
Oben hatte ich angedeutet, dass Ihnen ein Besuch bei einer Zahnbehandelnden Person nicht erspart bleibt, wenn zähnemäßig etwas schiefgegangen ist.
In meinem Fall handelte es sich um eine Wurzelbehandlung. So etwas geht sehr flott vonstatten. Man setzt sich auf den Behandlungsstuhl, der rapide nach hinten gekippt wird, bis die Füße nach oben zeigen und das Blut in den Kopf fließt, was die perfekte Stellung ist, um jemanden, der in Ohnmacht gefallen ist, bei Bewusstsein zu halten.
Dann führt besagte zahnbehandelnde Person ein gefährliches Werkzeug in den Mund. Derweil bekommt man eine endlose Munddusche. Nach ein paar Stunden ist alles vorbei. Man darf aufstehen, auf die Toilette gehen und dann nach Hause (nachdem man einen Termin für die nächste Behandlung ausgemacht hat).
Ach! Das Wichtigste hab ich vergessen: Während man auf dem engen Stuhl liegt, ist man dem Humor der behandelnden zahnärztlichen Person ausgeliefert.
Zum Glück hat mein Zahnarzt einen guten Sinn für Humor. Und er kann auch interessant erzählen.
Ich weiß nicht mehr, wie er darauf kam, mir von „magical dentistry“ zu erzählen. Es scheint eine dieser Floskel zu sein, die in den USA sehr verbreitet sind. Es sollte – gleichsam als Werbeslogan - die Zahnpflege schmackhaft machen.
Nebenbei: Ich habe „magical dentistry“ gegoogelt (am besten mit „verzauberte Zahnmedizin zu übersetzen, was auf Deutsch schrecklich langweilig klingt), und hab auch einen zusätzlichen Begriff „magical smiles“, „verzauberte Lächeln“, gefunden.
All diese Zauberei – so kommt es mir vor –, um die Leute ohne Krankenkasse zu den sauteuren amer. Zahnärzt**Innnen zu locken.
Neben der Sache mit der „magical dentistry“ hat mir mein Zahnarzt auch mitgeteilt, dass er in den USA in einem „Disney Store“ war. Dort verabschiedete sich die Verkäuferin (oder muss das „Verkäufer*In heißen?) mit einem heiteren „Have a magical day!“
Ich habe sogleich gestöhnt. Nicht wegen der Tortur der Wurzelbehandlung, sondern weil ich sehr wohl weiß, woher dieses zuckersüße „have magical day“ stammt.
Vor etwa vierzig Jahren hat man in den USA begonnen als Abschiedsfloskel, „have a nice day“ zu sagen. (Zur Info: Das erbärmliche „Smiley“-Zeichen wurde praktisch zeitgleich aus der Taufe gehoben). Dieses verlogene „Have a nice day“ (verlogen, weil es im Grunde dem anderen egal war, was mit einem im Lauf des Tages wirklich passierte). Es sollte lediglich ein freundliches Abschiedsformel sein.
Später wurde dieses „Have a nice day“ zu einer noch schlimmeren „Have a great day“ gesteigert. Und so ist es bis heute geblieben.
Und nun hat Disney das Rad mit „Have a magical day“ neu erfunden.
Ich hätte all dies nicht erfahren – und Sie auch nicht – wäre es nicht für meine Wurzelbehandlung gewesen. Deshalb die mahnenden Worte: Sorgen Sie dafür, dass Ihre Zähne gesund bleiben!
Breaking News! Krachende Nachricht! Tu-diep-tu-diep diep diep!!
Hallo liebe Lesendierd**Innen. Diese Nachricht hat uns grad eben von die Pressesprechendier**In des Böhmermanninstituts in Berlin erreicht.:
Wir zitieren: „Die Forschungen der Jahre 2036 bis 2039 haben einen ursachlichen Zusammenhang gefunden zwischen der seuchenartigen Ausbreitung der bisher unerklärlichen Beinschwäche und begleitender Herz-Kreislauferkrankung unter Menschen zwischen ca. 40 und 55 und dem Gebrauch von Schwebescooters. Gehübungsinstitute können sich künftig auf eine rege Geschäftszunahme freuen als nachhaltige Prophylaxe gegen die grassierende vorzeitige Sterblichkeitsrate von Menschen**Innen in den besten Jahren …“
Etc. Okay. Ich gebe zu. Ich habe Obiges gerade erfunden. Glatt gelogen alles. Aber glauben Sie mir. Es wird so kommen…
Nein, ich nehme diese schlaue Prophezeiung zurück. Es wird nicht so kommen. Wissen Sie, warum nicht?
Weil die E-Scooterfahrer im Grunde bloß Schönwetter-Umweltler sind. Das stelle ich die letzten Tage fest. Kaum fällt der Regen, und keiner will mehr auf so einem Ding durch die Weltgeschichte brettern.
Die Dinge verschwinden aus dem Straßenbild wie die Obstfliegen aus dem Paradies (meinem Lieblingsobstundgemüseladen), wenn die Nächte kalt werden.
Das wollte ich halt mitteilen. Eine Art frohe Botschaft zur Aufheiterung der wachsenden Zahl der Scooter-Genervten.
Wenn es aber nicht so wäre, wie ich behaupte, würde die Beinmuskulatur der Vielverwender in der Tat verkommen. Noch dazu das mit der Herzkrankheit. Davon bin ich überzeugt.
Es ist wirklich nicht einfach, ein Mensch im 21. Jahrhundert zu sein. Man verlebt momentan eine wahrhaftige Übergangszeit in eine schöne, neue Welt.
By the way: Wissen Sie, woher das Wort „scooter“ kommt? Ein „scooter“ ist etwas, das „scoots“. „Scoot“ auf Englisch bedeutet „abhauen“ oder „flitzen“. Das Wort stammt ursprünglich aus dem schottischen Dialekt und wurde im maritimen Bereich gebraucht. Diverse Wortdetektive sind der Meinung, dass es mit dem englischen „shoot“, also „schießen“, verwandt ist, was durchaus möglich ist. Manchmal will man die Scooter auf den Mond schießen. Womöglich haben die Schotten das Wort von den angreifenden Norwegern (sprich Wikingern) übernommen. Auch im Altnorwegisch bedeutete „skjota“ „schießen“. Alles naheliegend. Nebenbei: „Motorroller“ heißt auf Englisch „scooter“ und dito „Tretroller“.
Jetzt wissen Sie mehr über Scooter und E-Scooter, als Sie sich je erhofft haben. Ach ja: Ich stelle fest, dass diese E-Scooter hauptsächlich von Menschen*Innen zwischen 18 bis 35 in Anspruch genommen werden. Ich gehe deshalb davon aus, dass es sich um eine Modeerscheinung handelt und dass die Dinge irgend mal doch von der Straße verschwinden wie verkohlte Raketenteile am 1. Januar. Meine Empfehlung: Kaufen Sie sich bloß keine E-Scooter-Aktien. Lieber Deutsche Bank. Erstere wird mal mit Sicherheit kein Bitcoin wert sein.
Alles, was zu Mode wird, sprießt zunächst in Überfluss. Ist Ihnen das auch aufgefallen? Und dann ist es wieder weg.
Ich erzähle diese historische Wahrheit, weil ich mich heute optimistisch fühle. Na ja, nicht ganz, aber Tendenz steigend. Das wissen, dass alles Nutzloses wieder verschwindet, bedeutet, dass wir Menschen letztendlich doch nicht so naiv sind, wie manchmal über uns behauptet wird. Man lässt sich nur so lang an die Nase führen, und dann…paff! Der Verführer wird überführt.
So viel für heute. Genießen Sie Ihren E-Scooter, solange er da ist. Dann kaufen Sie sich ein Fahrrad, aber bitte, aufpassen. Ich bin derjenige, der auf dem Bürgersteig oder über die Straße bei Grün geht, und ich möchte partout nicht von einem Klimaretter umgehauen werden, egal ob auf E-Scooter oder Fahrrad. Jedem sein Platz.
Genießen Sie den Tag, sagt Ihnen Ihr Sprachbloggeur.
Schon wieder liebäugele ich mit dem Gedanken, mich für ein politisches Amt zu bewerben.
Das letzte Mal liegt schon einige Jahre zurück. Damals überlegte ich, ob ich nicht vielleicht Kandidieren sollte fürs Amt des Bundespräsidenten.
Genau genommen, war meine damalige Motivation egoistisch. Aber so sind die Politiker nun mal…oder?
Bei mir ging es aber nicht um die Macht. Bekomme ich zu viel Macht, werde ich ohnehin leicht nervös. Bin halt ein leicht zu verunsichernder Mensch. War schon immer so. Mein Interesse damals am präsidialen Amt hatte rein finanzielle Beweggründe: Ich wollte nämlich meine bescheidene Rente aufstocken.
Eigentlich ein sehr praktischer Beweggrund, der auch niemandem schadet – nicht einmal den Steuerzahlenden, denn schließlich bezahlt man so oder so die Kosten und Unkosten eines Bundespräsidenten.
Es gab allerdings einen großen Haken, was meine Bestrebung Bundespräsidenten zu werden, betraf, und er war leider nicht auf der Schnelle zu beheben: Um Bundespräsidenten zu werden, muss man selbstverständlich deutscher Staatsbürger sein. Das war ich aber nicht, und ich kann mir vorstellen, dass manche mir diese Tatsache hätten übelnehmen können, falls ich mein Vorhaben ernsthaft betrieben hätte.
Ich bin sogar noch immer kein dt. Staatsbürger. Fürs Amt, das mir momentan vorschwebt, ist dies vielleicht nicht einmal Pflicht. Oder vielleicht doch. Aber jetzt lege ich meine Karten auf den Tisch: Ich erwäge nämlich bald, meine Kandidatur für den Vorsitz der SPD zu verkünden.
Warum nicht? Der Böhmermann hat es neulich probiert. Ich glaube, er war nicht einmal Mitglied der Partei. Ich übrigens auch nicht, und zwar deshalb, weil ich die dt. Staatsbürgerschaft nicht besitze!
Aber warum soll ich nicht Vorsitz der SPD werden? Die SPD gilt heutzutage als besonders weltoffene Partei. Ja, alle Parteien scheinen momentan weltoffen, d.h. inklusiv, zu sein…mit Ausnahme vielleicht der AfD, was in Ordnung ist. Mindestens eine Partei muss die Rolle des „Heavy“ spielen. Notabene: „Heavy“, wörtlich „schwer“ bedeutet im Hollywood-Gebrauch „Bösewicht“. Kein Kino ohne Bösewicht. Das weiß jeder.
Sonst sind die Parteien irgendwie alle weltoffen, ökologisch, ausländerfreundlich – upps, ich meine „migrantenfreundlich“ bzw. „zuwandererfreundlich“. Ja, alle miteinander, ob SPD, Grünen, Linke, CDU, CSU. Manchmal vielleicht spielt die FDP – ein bisschen – die Rolle des „Heavy“ aber nur manchmal.
Deshalb habe ich jedenfalls gedacht: Wenn ich für den Vorsitz der SPD kandidiere, was bestimmt heutzutage auch als Nichtdeutscher möglich wäre, hätte auch ich etwas davon…
Und jetzt kehre ich zum Egoismus zurück…
Diesmal ist mir die Aufstockung meiner Rente nicht mehr so wichtig (aber falls ich mehr Geld bekäme, warum nicht?). Was mir momentan fehlt, ist eine öffentliche Identität. Genauer gesagt: Wäre mein Name bekannter, würden die verschiedenen Verlage, die meine Bücher nur deshalb ablehnen, weil ich sozusagen ein „no name“ bin, eher geneigt, besagte Bücher zu veröffentlichen. So einfach ist es.
Nur: Meine Bücher sind genauso unangepasst wie diese digitale Glosse, die ich „Sprachbloggeur“ nenne. Hab ich „Glosse“ gesagt? Das war gestern. Heute heißt es „Blog“.
Der Wiedererkennungsfaktor würde mir jedenfalls in meiner Suche nach einem Verleger erheblich helfen. Und da ich weder Twitterer, Facebookianer, Instagramist oder sonst so ein Sozialmedienjunkie bin, hülfe mir eine Karriere in der Politik bestimmt sehr. Meine Visage bekäme im Nu in den Medien einen neu errechneten Verkaufswert!
Seid ihr da, liebe Genossen*Innen der SPD?
Haben Sie bereits Ihre heutige Portion Flugscham erlebt? Es ist momentan de rigeur! Oder Sie, ja Sie da mit dem SUV oder mit dem scharfen Porsche: Schämen Sie sich nicht darum, so eine CO2lästige Karre zu besitzen?
Neulich erspähte ich ein A4-Blatt, das ein Klimaritter an die Autoscheibe eines Porsche angeheftet hatte. Hier ein Zitat: „Die Klimakatastrophe ist längst da, und Sie fahren immer noch so einen Panzer? Es gibt keinen Grund dafür – und kein Recht dazu…etc.“ Der Text war ziemlich lang. Und gleich um die Ecke fand ich dasselbe an der Scheibe eines BMW-SUVs angeklebt. Hat mich an die guten alten Tage erinnert, als die DKP lange, dreispaltige, dichtgeschriebene Tiraden gegen den Kapitalismus an Lichtmasten heftete.
Aber zurück zur Flugscham…bzw. der Scham schlechthin. Schamgefühle scheinen wieder in Mode zu sein, was für einige vernachlässigte Vokabeln der dt. Sprache vielleicht als positiv gedeutet werden könnte.
Das Wort „beschämen“, zum Beispiel. Das macht der Autor des A4-Blatts, das ich an der Porsche- und der BMW-SUV-Scheibe vorgefunden hatte. Der anonyme Autor verwendet zwar das Wort „Scham“ bzw. „sich schämen“ nicht. Er will aber den Halter jener Vehikel mit Sicherheit beschämen. Es fehlte nur eine Floskel wie „Schämen Sie sich nicht?“ oder ähnlich in seinem Text.
Aus der „Scham“-Familie werden heutzutage am häufigsten das Wort „“unverschämt“ und in Bayern vielleicht „gschamig“ gebraucht. Ja, und natürlich beim Arzt ist „die Scham“ im Sinne von Genitalien (meist weibliche) bisweilen ein Gesprächsthema. Auch „Schamhaare“ dürfen wir nicht vergessen.
Nur: Im Zeitalter der Depilation werden „Schamhaare“ (bzw. „Körperbehaarung“ schlechthin) immer weniger thematisiert. In bestimmten Kreisen gibt es sie überhaupt nicht. Das wird sich mal sicherlich wieder ändern.
Kann es vielleicht sein: Weil man sich seiner Schamhaare nicht mehr schämt, will man sich auf anderen Gebieten schämen…zum Beispiel aufs Fliegen übertragen? Nur eine Theorie meinerseits, aber es könnte ja stimmen.
Es ist bezeichnend, dass man sich früher sogar der Scham geschämt hatte. Im Ernst. Die Scham war einst sehr weit verbreitet.
Wissen Sie, dass Ethnologen vor ca. 80 Jahren oder so menschliche Kulturen in „Scham“- und „Schuldkulturen“ zweiteilten?
Zumindest im angelsächsischen Bereich wurden diese Begriffe verwendet. Wenn ich mich richtig erinnere, war es die amer. Anthropologin Ruth Benedict, die diese Terminologie aus dem Boden gestampft hat. Sie sagte dazu auf Englisch „shame culture“ und „guilt culture“.
„Schuld“ und „guilt“ sind allerdings nicht immer gleichbedeutend. Eine „guilt culture“ ist jedenfalls eine, wo Schuldgefühle eine führende Rolle im Gesellschaftsvertrag spielen. Man sündigt und wird von Schuldgefühlen geplagt. So funktionieren z.B. die Kulturen, die von Religionen wie Islam, Christentum und Judentum beeinflusst werden. Es geht praktisch stets um eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Gewissen.
Schamkulturen sind anders. Wenn man etwas verbockt hat, schämt man sich dessen vor anderen. Allein durch diese Schamgefühle wird die Gesellschaftsordnung aufrechterhalten. In den Schamkulturen spielt also die eigene Ehre die große Rolle.
Und dann gibt es die „Schande“. Das Wort ist übrigens etymologisch mit „Scham“ verwandt. Manchmal bedeuten sie dasselbe.
Ich würde mich, z.B., schämen, wenn ich meinen E-Roller auf dem Gehweg querparken würde. Manche meinen hingegen, dass wenn ich über so ein umweltfreundliches Ding stolpere, bin ich selber schuld.
Und das Fliegen? Mit dieser Frage haben wir diesen Traktat über die Scham angefangen. Also nochmals die Frage: Haben Sie bereits Ihre Portion Flugscham erlebt?
Ich jedenfalls noch nicht. Vielleicht liegt es aber daran, dass Ich das Fliegen ohnehin seit Jahren hasse – auch bevor es Mode war. Nur Engel, Vögel, Bienen und Mücken sind meiner Meinung nach wirklich heimisch in der Luft. Ich bleibe lieber auf festem Boden und lasse die anderen über ihre CO2-Fussabdrücke verhandeln.
Vor vielen Jahren erklärte mir ein junger amer. Wissenschaftsjournalist, er habe von einem Experten erfahren, dass sich die deutsche Sprache immer mehr der englischen angleiche – Tendenz steigend. Insbesondere sei damit zu rechnen, dass sich das komplexe Gebilde namens deutsche Mehrzahl radikal vereinfachen werde, so dass kein Fremder mehr verzweifelt nach der passenden Form suchen müsste.
Dies werde sich so bewerkstelligen, dass die dt. Mehrzahl– wie die englische – lediglich durch die Anfügung eines „S“ zu bilden wäre! Puff! Abrakadabra!
Bye bye Hund/Hunde, Korn/Körner, Apfel/Äpfel, Körper/Körper, Bild/Bilder, Motor/Motoren. Hallo Hunds, Korns, Apfels, Körpers, Bilds, Motors.
Stellen Sie sich vor, wie viel Strom bzw. Tinte (je nachdem ob digital oder analog reproduziert wird) man*In durch diese Innovation sparen würde. Ja, und wie viel weniger CO2 (igitigit) in die Atmosphäre herausgeschleudert werden würde! Nach kürzester Zeit wird‘s bestimmt wie vier Flüge hin-und-zurück London/New York sein.
Wäre es nicht allemal schöner, wenn wir über „Balkons“ anstatt „Balkone“ redeten? (Tatsache ist: „Balkons“ steht bereits im Duden). Nur eine Frage der Zeit, bis auch ähnliche Neuerungen in der Pluralbildung ebenso salonfähig werden. „Liebe Zuhörers, wir haben Zeit für Frages“.
Nebenbei: Diese Änderungs, die mir damals abenteuerlich und widersinnig vorkamen, könnten in der Tat bald realisiert werden. Denn die Zeit ist endlich gekommen, wo man ernsthaft über diese Dings reden könnte! Vor allem dank dem Gender-Kulturkrieg. Man*In ist heutzutage mehr denn je offen für einen Paradigmenwechsel. Die Studierendenschaft vieler Universitäts geht bereit auf die Barrikaden, um die deutsche Sprache gerechter zu gestalten.
Auch nicht zu vergessen: Viele deutsche Unis (sehen Sie: „Unis“!) haben ihre Pforts (nicht mit einem ähnlich klingenden Wort zu verwechseln bitte) für Studierends aus anderen Herr*Innenlands geöffnet. Und: um das Lernen für Austauschstudierends zu erleichtern, wird der Unterricht sogar auf Englisch abgehalten.
Eine Journalist*In der NY Times, Pamela Druckermann, staunte neulich nicht schlecht, als sie feststellte, dass auch in Frankreich – wo man*In früher nur mit Widerwillen ein Wort en anglais redete – , die einst verpönte Fremdsprache überall gern parliertp wird. Oui, c’est vrai.
Frau*In Druckermann rechne damit, dass sich die englische Sprache nach und nach – je nachdem, wo sie gesprochen wird – in diverse Dialekts zerspalten wird. D.h.: Chineses, Inders, Deutsches, Französes, Italieners etc. werden alle einen anderen englischartigen Dialekt sprechen. Irgendwann werden sie sich gegenseitig nicht immer verstehen!
Es wird sein wie es immer war: Spraches werden sich ändern. Aus einer einzigen Sprache könnten dann viele entstehen – wie einst sich die romanischen Spraches aus dem Lateinischen bildeten.
Es gibt allerdings eine Kehrseite zu dieser Entwicklung, mutmasst Frau*In Druckermann: Während überall Mensches Englisch verstehen, werden die englischen Muttersprachlers im Nachteil sein. Solange die Amis und Brits am Tisch mit den anderes sitzen, wird natürlich Englisch gesprochen. Steht der englische Muttersprachler*In auf, um meinetwegen aufs Klo (M/W/D) zu gehen, werden die anderes plötzlich wieder in der fremden Muttersprache hablieren, parlieren, pratten usw.
Fazit: Der Amerikaner*In bleibt weiterhin auf der Strecke als einsprachiges Menschentier, während alle andere über jede Menge Fremdspraches verfügen.
Das Ergebnis: In fünfzig Jahren verstehen wir uns möglicherweise nicht mehr. Lauter neue Spraches und noch immer so viel zu sagen.
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