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Glück-Los im virtuellen Zeitalter

Bin ich froh, dass ich Microsoft mit der Veröffentlichung meines Gesamtwerks nicht betraut habe. Der Mensch braucht immer etwas Glück. Und Microsoft hat die Kundschaft seines E-Verlags nur glücklos gemacht.

Da ich aber vom Glück rede, hier zunächst eine kleine Anekdote.

Gestern erspähte ich auf der Straße ein Graffito mit folgendem Text: „Hanf im Glück“.

Lustig, dachte ich. Wahrlich ein gelungenes Wortspiel.

Prompt überlegte ich, wie ich das Gleiche auf Englisch übertragen könnte – d.h., ohne das Wortspiel zu verlieren. Ja, es stimmt, ich puzzle gern. Wortspiel heißt auf Englisch, falls Sie’s noch nicht wissen, „pun“. Manche sagen über ein englischsprachiges Wortspiel, das es „punny“ ist, was auch irgendwie ein Wortspiel ist.

Ich hab mich jedenfalls gleich an die Arbeit gemacht, das Rätsel zu lösen – falls es sich überhaupt lösen lässt.

Als erstes sammelte ich alle mir bekannte englische Begriffe für Hanf, also „hemp“, „marijuana“, „grass“, „maryjane“ etc. Gleiches machte ich mit Wörtern, die „Glück“ bedeuten, also „luck“, „good fortune“, „success“, „felicity“. Viele Synonyme hat das „luck“ irgendwie nicht. Deshalb muss man sich freuen, wenn man ab und zu ein bisschen davon abbekommt.

Nun begann ich zu kombinieren in der Hoffnung, etwas ebenso witzig zu kreieren wie „Hanf im Glück“. Gar nicht so einfach...

Ich könnte diese Geschichte mühelos in die Länge ziehen, um die Spannung ein wenig wachsen zu lassen. Das tu ich aber nicht. Fakt ist: Ich habe die Lösung innerhalb sage und schreibe Minuten gefunden. Und sie war perfekt!

Ich sollte hinzufügen, dass ich gestern mit R., einem lieben alten Freund aus Zürich, war, und zwar in einem Museum. Dort war ich dabei, ihm diese Geschichte über meine Suche nach einer Lösung zum Wortspielrätsel zu erzählen. Plötzlich stellte ich fest, dass eine Frau neben uns stand, und sie schien ganz Ohr zu sein, als wartete auch sie darauf, wie ich das Problem mit „Hanf im Glück“, gelöst habe.

Als ich die Lösung kundtat: „Potluck!“, verlor die Dame die Beherrschung. „Ja! Richtig!“ jubelte sie und lachte äußerst beglückt, als wäre sie volle Teilnehmerin in unserem Gespräch. „Richtig! Perfekt! Genau!“

Wissen Sie, was „potluck“ auf Englisch bedeutet? So nennen wir es, wenn jeder Gast etwas – Überraschendes – zum Essen mitbringt, als würde man alles in einem „Pot“, also „Topf“ werfen und vermischen. Was man bekommt ist allerdings letztendlich Glücksache. „Pot“ bedeutet aber ebenfalls „Marijuana“. „Potluck“ ist also – meiner Meinung nach (und der der Dame) – eine passende Übersetzung für „Hanf im Glück“.

Und das mit Microsoft? Jetzt kehren wir zur virtuellen Glücksache zurück.

Falls Sie es noch nicht erfahren: Microsoft hat den Verkauf von E-Büchern eingestellt. Offensichtlich laufen die Geschäfte auf dieser Sparte nicht besonders gut.

Was macht eine multinationale Großfirma, wenn sich das Gewinnversprechen nicht erfüllt? Ganz easy. Man steigt aus. In diesem Fall bedeutet der Ausstieg allerdings den Einzug aller E-Bücher, die diese Firma jemals an Kunden lizenziert hat. Falls Sie es nicht wissen: Wer ein E-Buch kauft, besitzt das Buch nicht. Es ist nicht wie bei Papier. Man besitzt lediglich eine Nutzungslizenz für die Datei, die man erworben hat. Mit einem Kommando werden diese Dateien – dank einem DRM-Progrämmchen – gelöscht. Puff! Weg!

Immerhin verspricht Microsoft, die Geschädigten für Ihre Verluste zu kompensieren. Die „Bücher“ sind trotzdem weg. Habe ich „kompensieren“ gesagt? Man bekommt ein Guthaben auf dem eigenen Microsoftkonto, damit man andere Microsoftprodukte (sprich lizenzierte Produkte) erwerben kann. So hab ich’s gelesen.

Also wünsche ich viel Glück, liebe Lesende des Infozeitalters. Was Sie elektronisch besitzen, ist wahrlich „Potluck“ – hier ohne Wortspiel. Guten Appetit!

Comments

Wahrlich gelungenes Wortspiel, PJ!

Das Problem bei diesen "virtuellen Bücherläden" ist DRM – was von den geprellten Käufern als "Digital Restriction Management" (offizielle Lesart: "Digital Rights Management") interpretiert wird. Und man lasse sich den Satz auf der Zunge zergehen: "Your books will stop working." ("Ihre Bücher werden nicht mehr funktionieren.") Klingt das nur für mich abartig?

Zum Glück gibt es DRM-freie Alternativen. Meinen eigenen eBooks verweigere ich den DRM Schutz (auch bei Amazon): Die Papier-Variante hat schließlich auch keinen. Und wenn die elektronische Version fast genau so viel kostet wie die Druckfassung, ist DRM gelinde gesagt unanständig. Freie eBooks findet man auch bei Gutenberg.org (was leider aus Deutschland derzeit nur schwer erreichbar ist; man braucht einen Proxy oder ein VPN außerhalb Deutschlands). Oder auch auf meinem eBook-Server, wenn die Eigenwerbung erlaubt ist. Ein wenig Potluck findet sich da sicher in der Kochbuch-Ecke – mit Hanf im Glück kann ich (zumindest derzeit) leider nicht aufwarten…

Auf Wiederlesen – und mögen Ihre Bücher lange funktionieren!

Danke, Izzy. Schön, dass es irgendwie doch eine Alternative zum DRM-Schutz gibt. Manche greifen ja zu einem Programm, das mit dem Buchstaben "C" anfängt, um aus einer Leselizenz ein virtuelles Buch, das man "meins" nennen darf, herzuzaubern. Den Link zu Deiner Webseite lasse ich selbstverständlich stehen. Es gibt, liebe Lesende, gute und böse Links. Dieser zählt zu den guten. Da darf man hin. Viele herzliche Grüße PJB

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