Der Brief, den ich neulich aus Berlin erhalten habe, hat mich sehr überrascht.
Man hat sich bei mir erkundigt, ob ich Interesse habe, Bundespräsident zu werden. Leider hab ich vergessen, wer den Brief unterzeichnet hat. War irgendein hohes Tier.
Okay. Ich gebe zu. Natürlich war ich geschmeichelt, dass man an mich gedacht hat.
Wieso mich? fragen Sie vielleicht. Wahrscheinlich weil ich vor fünf oder sechs Jahren, als man damals den Bundespräsidenten wählen sollte, und die Politiker ein großes Wettrennen zwischen Herrn Gauck und Herrn Wulff veranstalteten, eine Sprachbloggeur-Glosse gepostet hatte, in der ich mich als Bundespräsidenten empfohlen habe.
Warum nicht? hab ich damals gedacht. Ich hab das Zeug dazu. Darüber hinaus bin ich kein schlechter Mensch und besitze außerdem ein angeborenes Gefühl für Gerechtigkeit.
Ich möchte aber hier nichts vertuschen. Ich hatte nämlich damals auch einen anderen Grund, dieses hohe Amt anzustreben: Ich steckte in einer Lebenskrise. Meine Karriere (haha) als Journalist war nach vielen Jahren gerade zu Ende gegangen, und ich stellte fest, dass meine Rente sehr bescheiden war… zu bescheiden. Ich höre noch heute, wie meine Frau damals tobte. „Ich hab dir vor Jahren eingebläut, du musst mehr in die Rentenkasse einzahlen…usw.“ Ich war nämlich kein Angestellter, sondern „fester-freier Mitarbeiter“. Heute würden manche sagen ein „Scheinselbstständiger“.
Werde ich Bundespräsident, sann ich, kann ich meine Rente ein bisschen aufstocken. Meine Frau wird sich freuen. Aber die Wahl ging an Christian Wulff und später dann an Joachim Gauck.
Allerdings: Wäre ich damals gewählt worden, hätte es ein Problemchen gegeben: Ich war (und bin noch immer) nämlich kein deutscher Staatsbürger. Aber sicherlich hätte man das schnell regeln können. Where there’s a will, there’s a way, sagen wir.
Inzwischen sind einige Jahre vergangen, und ich hätte die ganze Episode längst vergessen, wäre es nicht für den Brief aus Berlin. Denn ich bin mittlerweile recht zufrieden mit meinem jetzigen Dasein. Okay. Ich lebe bescheiden. Aber warum nicht. Wie man so schön sagt: Wozu zwei Toiletten, wenn man nur einen Arsch hat?
Diesmal werde ich deshalb dankend ablehnen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich fühle mich weiterhin sehr geehrt. Doch heute weiß ich, dass ich für eine solche Aufgabe völlig ungeeignet bin. Die darauffolgende Rentenaufstockung lockt mich nicht im Geringsten an.
Ich meine: Vielleicht macht es Ihnen Spaß, täglich hunderte von Terminen zu haben und immer auf Trab zu sein.
Nix für mich. Und das viel Reisen. Bääh. Wenn ich nicht selber am Steuer sitze, kann es sogar vorkommen, dass ich autokrank werde. Ist so seit meiner Kindheit. Passiert mir auch mal in Flugzeugen und sogar im Zug. Die Vorstellung, Interviews im Flieger halten zu müssen, stößt bei mir wortwörtlich sauer auf. Noch schlimmer in einem Hubschrauber irgendwohin flitzen zu müssen. Pfui Teufel!
Noch dazu: Der Bundespräsident muss stets gute Laune zeigen - es sei denn, er spielt gerade die Rolle des Mahners. Ich hingegen bin halt ein launischer Mensch und nicht immer gut drauf. Und dann immer wieder aushäusig essen zu müssen. Schrecklich. Ich hab nämlich einen sehr empfindlichen Magen.
Immer unter Menschen zu sein - und es zu genießen. Dafür muss man ein besonderes Talent haben. Denken Sie an Papst Franziskus und Papst Benedikt. Ich bin halt ein Benni - auch wenn ich Francesco sehr schätze. Ich schiebe lieber eine ruhige Kugel, gehe gern spazieren, denke über Dinge nach, setze mich dann am Schreibtisch, lese oder schreibe.
Also vielen Dank, Freunde in Berlin. Diesmal bitte ohne mich. Inzwischen weiß etwas mehr darüber, wer ich bin.
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