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Der Migrantler spricht den Flüchtling an

„Dein Blog ist nicht mehr zeitgemäß“, sagte G. zu mir. Wir kennen uns seit vielen Jahren, und er zählt zu den Stammlesern dieser Glosse. (Hallo G.! Grüß mir auch die Ch.!) „Deine Texte sind einfach zu harmlos.“

„Genauso will ich‘s“, antwortete ich. „Ich bemühe mich um meine Harmlosigkeit. Worüber sollte ich denn schreiben? Über den ISIS? Über die Ukraine? Über Flüchtlinge?

„Ja, über Flüchtlinge, zum Beispiel.“

„Meine Leser sind mir meine Flüchtlinge. Ich biete ihnen Zuflucht, wenn sie das Tagesgeschehen nicht mehr ertragen. Im Übrigen bin ich Sprachbloggeur und kein Kommentator für Spiegel-Online oder die Zeit usw.“

„Wobei es auch in der Politik vieles über die Sprache zu sagen gäbe.“

„Tja.“

„Schau Dir dies jetzt an.“ Nun hielt mir G. sein Handy entgegen. Es lief ein Video vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Freundliche Musik, blauer Himmel und Abbas, ein nett aussehender junger irakischer Flüchtling mit schnieke gestutztem Bart. Von Musik untermauert geht Abbas seinen Weg. Ein Sprecher erklärt dem Zuschauer alle Schritte, die für Abbas nötig sind, um sich in Deutschland als Flüchtling zu registrieren. Abbas zeigt seine Papiere, wird medizinisch untersucht, interviewt usw. Das Video dauert 17 Minuten.

„Das schau ich mir nicht ganz an“, sagte ich zu G. nach wenigen Minuten. „Was hat es mit dem Sprachbloggeur zu tun?“

„Es geht um die Sprache“, antwortete er. „Das BAMF hat dieses Video in zig Sprachen produziert und es überall zugänglich gemacht, damit Syrer, Iraker, Perser, Albaner usw. sich im Voraus informieren können, wie das läuft, wenn sie nach Deutschland kommen. Sie werden also regelrecht angelockt!“

Am nächsten Tag guckte ich mir das Video im Internet an. Man findet es ebenso schnell wie die Enthauptungspornos. Tut mir leid, G., ich hab nix Sprachliches entdeckt, worüber ich gern geschrieben hätte.

Eins ist mir allerdings aufgefallen: Abbas steht im Film mutterseelenallein da, und alle Beamten wirken entspannt, als würden sie endlos Zeit für ihn haben. Die Wirklichkeit sieht freilich anders aus. Abbas steht mit Tausenden Leuten Schlange, manche von ihnen sind seine Feinde. Er wartet ewig, bis er endlich dran ist. Man hat aber wenig Zeit für ihn, und die Beamten sind arg strapaziert.

„Die Deutschen haben ein großes Problem“, sagte G. zu mir. Sie wollen unbedingt ‚Gutmensch‘ spielen, stets um ihr Image im Ausland bemüht.“

Auch wenn er recht hat, darf ich so etwas öffentlich nicht behaupten. Ich bin, wie meine Leser wissen, Migrantler, ausländischer Mitbürger oder wie auch immer man das nennen will. Ich hab nicht einmal einen deutschen Pass. Das bedeutet nicht, dass ich mir keine Meinung übers hiesige politische Geschehen erlaube. Das tu ich aber nur als Außenstehender. Ich sage nie „wir Deutsche“. Das steht mir nicht zu. Es bleibt nur Deutschen überlassen, sich so deutlich über sich selbst zu äußern.

„Auch die Medien spielen ‚Gutmensch‘“, sagte G. Man zeigt Fotos von süßen, traurigen Flüchtlingskindern oder von Prominenten, die auf Willkommenpartys Flüchtlinge herzlich umarmen. Man erfährt fast gar nichts von den IS-Schläfern, die sich hier niederlassen. Auch die Details über die randalierenden Flüchtlingen, die ‚Allahu Akbar‘ skandierten, weil jemand angeblich eine Seite aus einem Koran rausriss, werden wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Und was ist mit den ‚Flüchtlingen‘, die die Christen ins Mittelmeer schmissen? Wehe, wenn man sich kritisch äußert. Man wird als ‚Pack‘ bezeichnet oder mit dem ‚N‘-Wort behaftet.“

Da ich nämlich selbst das Enkelkind von Flüchtlingen bin, von Menschen, die damals aus Europa vertrieben wurden und Zuflucht in den USA suchten, hab ich, lieber G., eine eigene Meinung über Flüchtlinge. Meine Großeltern blieben Zeit ihres Lebens Außenseiter. Es war kein einfaches Schicksal. Sie wollten aber, dass ihre Kinder es besser haben. Mein Vater wurde seine Komplexe trotzdem nie los. Er hatte furchtbare Angst, nicht als Amerikaner zu gelten und herrschte mich jedes Mal mit glühenden Augen an, wenn ich die Satzmelodie meiner Großeltern nachmachte. „Hör doch auf! Du wurdest hier geboren.“

Und nun bin ich selbst seit Jahrzehnten Migrantling. Echte Flüchtlinge – wie meine Großeltern –verlassen ihr Land nicht aus Spaß, sondern weil sie bedroht sind.

Doch nun ein Wort an die lieben Flüchtlinge: Willkommen in Deutschland, liebe Flüchtlinge. Es ist ein fremdes Land, wo Sie sich nie ganz zuhause fühlen wird – auch wenn Sie die Sprache einigermaßen beherrscht haben. Jahrelang werden sie als Nobody gelten. Vielleicht werden Ihre Kinder hier mal heimisch fühlen. Das heißt: wenn sie sich gut integrieren. Tun sie das nicht, wird Deutschland in 20 Jahren ein schreckliches Land sein: voll mit Parallelgesellschaften und No-go-Zonen. Alles ist möglich.

Das war schon immer das Schicksal von Menschen, die ihre Heimat verlassen haben. Ich weiß ganz genau, wovon ich rede.

Bye Bye LOL! Hallo Blowback!

Schon mal gehört? Das LOL ist out, hoffnungslos veraltet. Das hab ich gelesen. Denken Sie dran, wenn Sie das nächste Mal in Versuchung kommen, Ihre SMSen oder Mails mit LOLen zu spicken.

So ist es mit der Modesprache. Heute hui morgen pfui.

Ich selber muss nichts umstellen. Ich hab das LOL stets vermieden. Lange hab ich nicht mal gewusst, dass es für „laughing out loud“ steht. Ich war, als ich diesem Begriff das erste Mal begegnet bin, überzeugt, es müsse „lots of luck“ bedeuten…bis mich jemand korrigiert hat.

Würde ich auch heute „LOL“ in einem Satz verwenden, gäb es keine Garantie, dass ich’s richtig täte.

Übrigens: Ich hab ebenfalls gelesen, dass künftig alle LOLe durch „emojis“ (sprich: e-mo-dschis) ersetzt werden sollen. Mit emojis kenn ich mich noch schlechter aus – obwohl es sie seit einer gefühlten digitalen Ewigkeit gibt.

Diese Infos teil ich Ihnen nur nebenbei mit. Eigentlich will ich heute über ein ganz anderes Wort berichten: und zwar über den „Blowback“. (Ich denke, es ist ein „der“ und kein „das“).

Falls Ihnen dieses Wort noch unbekannt ist, bitte machen Sie sich keinen Kopf. Mir ist‘s genauso gegangen.

Ich bin ihm erst begegnet, als ich die Sache mit Ayoub El Khazzani erfahren hab. Erinnern Sie sich? So hieß der junge Mann, der im Schnellzug von Amsterdam und Paris mit einem Kalaschnikow, einer Pistole und einem Teppichmesser hantiert und für Aufruhr gesorgt hat, bis er von drei beherzten jungen Männern überwältigt und KO geschlagen wurde. Man hat ihm terroristischer Absichten bezichtigt. Er hat dies aber bestritten und beteuert, er habe die Waffen in einem Brüsseler Park nur zufällig gefunden und von den Mitfahrenden bloß ein bisschen Geld erpressen wollen.

Kann alles sein. Was weiß ich – auch wenn die Polizei konterte, dass er eine Zeitlang in Syrien war und auch dort wohl – kann man wenigstens annehmen – ein paar Waffen zufällig gefunden hatte.

Über diese Möglichkeiten werde ich hier aber nicht spekulieren. Mir geht es lediglich um den Begriff „Blowback“. Denn als einen solchen hat man in den Medien Herr Al Khazzani bezeichnet.

Wörtlich bedeutet „Blowback“ „Zurückgepustetes“. Als etwas Zurückgepustetes bezeichnen die Medien also diejenigen Europäer, die im Dienst des Terrors in Syrien und Irak unter Waffen standen, um dann nach Europa zurückzukehren, um frisches Unheil zu verpusten.

So weit so gut.

Nun hab ich selbst dieses mir unbekannte Wort „Blowback“ recherchiert. Ich hab, z.B., herausgefunden, dass es diese Vokabel seit ca. 1953 gibt – und zwar im Wortschatz des amer. Geheimdienstes, wo es allerdings gar nichts mit zurückgepusteten Terrortouristen zu tun hatte. „Blowback“ war vielmehr ein abstrakter Begriff und bezeichnete die unerwarteten negativen Konsequenzen eines geheimdienstlichen Unterfangens. Beispiel: Die Amerikaner haben 1980 in Afghanistan eine Gruppe Widerstandskämpfer, damals „mudschahadin“ genannt, ausgebildet, um sie gezielt gegen die Russen einzusetzen. Der „Blowback“ von diesem Manöver war eben das Entstehen der Taliban aus den Reihen dieser „mudschahadin“. Noch ein Beispiel: Israel hat die Hamas einst als Gegengewicht zur PLO gefördert. Der Blowback ist jedem bis heute bekannt. Heute würde man vielleicht auch „Bumerang-Effekt“ sagen.

Inzwischen ist der Sinn dieses Wortes wohl in Wandel begriffen. Sie bezeichnet keine abstrakte Situation mehr, sondern eine Einzelperson. Nebenbei: „Blowback“ wird auch im amer. Slang In einer ganz anderen, sehr vulgären Bedeutung benutzt. Können Sie selbst nachschlagen, wenn Sie möchten.

Manchmal denk ich, dass es Jammerschade ist, im Zeitalter der Blowbacks zu leben. Wenn die idiotischen Konsequenzen der Zurückgepusteten nicht so furchtbar traurig wären, würde man drüber vielleicht LOL sagen. Oder sich das passende, emoji aussuchen.

Frank Sinatra, Justin Bieber, Google® und ich – oder Ruhm hat seinen Preis

Ich war im Leben bisher zweimal berühmt. Glauben Sie‘s mir. Es ist nicht einfach.

Das erste Mal war 1998 – wir (d.h., ich und meine Familie) waren nach vier Jahren aus den USA nach Deutschland (also München) zurückgekehrt. In einem Text, der damals in der Münchener Abendzeitung auf der Seite Drei erschien, schilderte ich ein paar Eindrücke von Deutschland nach der langen Abwesenheit. Zum Beispiel, dass Käpt’n Iglo, der gütige, weißbärtige Matrose auf den Fischstäbchenpackungen einem jungen Armani-Dressman gewichen war, der sich nun als Käpt’n Iglo ausgab. (Ich glaube, der Weißbärtige ist inzwischen wieder da). Oder die Tatsache, dass Frauen ihre Achselhöhlen glatt rasierten. (Diese Intimität hatte ich in der U-Bahn beobachtet, wo Achselhöhlen aller Geschlechtsrichtungen häufig zur Schau gestellt werden). Ich hab mich ebenfalls über unsere neue Nachbarin gestaunt, eine ältere Dame mit lachsfarbigem Haar, die täglich ihre Tür zuknallte, als Protest, dass wir die Dreistigkeit hatten, im Lauf des Tages unsere Wohnungstür mehrmals zu beanspruchen. Sie wollte uns dann weismachen, dass die Hausregeln zu viele Ab- und Zugänge, wie wir tätigten, expressis verbis untersagte. Usw.

Lange Rede, kurzer Sinn. Der Artikel – inklusive Fotos von mir – wurde zum Hit, mit dem Ergebnis, dass ich eine Woche lang von fremden Menschen auf der Straße angehalten und gelobt wurde. Es waren immer liebenswerte Leute, die vielleicht meinten, ich sei auch privat ebenso witzig und unterhaltsam wie im Artikel, was natürlich nicht stimmte. Ich hab mir aber Mühe gegeben, sie nicht zu enttäuschen, was dennoch sehr anstrengend war. Glauben Sie‘s mir.

Zum Glück währte dieser Ruhm nur kurz, und ich war bald wieder wie bisher: ein Unsichtbarer.

Dann wurde ich zum zweiten Mal berühmt. Das war im Jahr 2003. Mein Sachbuch, „Kaspar Hausers Geschwister“, war eben erschienen und wurde von den Medien lobend beachtet: sogar im „Stern“. TV-Auftritte folgten, Interviews usw. Eines Tages war ich zufällig in einer Münchener Buchhandlung. Mir fiel auf, dass eine Frau dabei war, mein Buch zu kaufen. So was freut dem Autor immer. Ich ging aber im Laden weiter. Inzwischen aber hatte sie mich wohl (dank dem Autorenfoto) erkannt und kam zu mir angerannt, um eine persönliche Widmung zu erbitten, was ich auch gerne tat. Man fühlt sich doch geschmeichelt. Trotzdem war es mir peinlich – als hätte mich jemand aus dem Schutz meiner Anonymität gerissen.

Ja, und wie muss es wohl sein, wenn Sie Justin Bieber, Frank Sinatra, Rihanna usw. heißen? Sie werden von ganzen Horden umgarnt – Menschen, die in Ihrer Nähe sein wollen, um Sie anzufassen oder ein Autogramm zu erbetteln. Bald brauchen Sie Leibwächter, die teuer sind, und Strategien, um die Papparazzi zu entfliehen. Ätzend.

Ich komme auf diese Gedanken, weil ich neulich gelesen habe, dass sich sogar Google® wegen seiner Bekanntheit Sorgen macht. Genauer gesagt: Diese Megafirma fühlt sich gar nicht geschmeichelt, dass alle inzwischen die Dinge „googeln“ (Englisch „to google“).

Gleiche Sorgen haben auch andere Firmen, z.B. Tesafilm® oder Tempo® oder Xerox®, weil der Produktname so beliebt ist.

Was ist dabei so schlimm?

Ganz einfach: Wenn ein Firmenname gleichbedeutend mit einem Produkt wird, kommt es vor, dass der Kunde fremdgeht. Er legt sich Papiertaschentücher einer anderen Firma (vielleicht billiger) in den Einkaufswagen und ist trotzdem der festen Meinung, er habe eben Tempos® gekauft. Usw.

Oder er will etwas im Internet recherchieren – sagen wir bei Yahoo® –, und behauptet, er habe die Sache „gegoogelt“.

Deshalb mein ich: Ruhm fordert immer einen hohen Preis.

Schäler oder Hobler?

Erster Zufall: Ich besuche einen Wiener Supermarkt und will einen Tütensalat kaufen.

Zweiter Zufall: Es gibt keine Tütensalate, lediglich eine in Folie gewickelte Schalenkombi mit Blattsalat, Gurken und Karottenschnipseln.

Dritter…kreativer…Zufall: Am nächsten Tag, komm ich nun, weil mir die im Salat beigemischten Karotten so geschmeckt haben, auf die Idee, selbst Karotten zu kaufen und diese einem eigenen Salat beizumischen. Man braucht aber zu diesem Zweck ein Gerät, mit dem man die Karotten schnippelt. Dieses Werkzeug wird von vielen Menschen als „Schäler“ bezeichnet.

Vierter Zufall: Ich entdecke in unserer Wiener Ferienwohnung den passenden Schäler. Er ist hufeisenförmig mit einer beweglichen Klinge und mit einem Stiel zum sicheren Greifen. Die Sache klappt bestens. Auch Zuhause haben wir einen Schäler. Er ist aber messerförmig, und ich mag ihn nicht, weil sich die Karottenstücke in der Klinge verhängen. Sehr ärgerlich.

In München zurückgekehrt, nehm ich mir vor, mir so einen hufeisernen Schäler, wie aus Wien, selbst zu erstehen. Und das tu ich auch. Er funktioniert tadellos. Seitdem werden meinen Salaten stets Karotten beigemischt.

Genug Hintergrund. Jetzt zum Problem…

Neulich war ich im Paradies – Sie wissen schon, mein Lieblingsobstundgemüseladen – und schwärmte von meinem neuen hufeisenförmigen Schäler. „Damit kann ich innerhalb einer Minute eine ganze Karotte mühelos schälen“, prahlte ich.

Frau M. antwortete aber nicht. Im Gegenteil. Sie hielt kurz inne und schaute mich ein bisschen skeptisch an. „Um ehrlich zu sein, Herr Sprachbloggeur“, sagte sie endlich. „halte ich es für unnötig, Karotten zu schälen. Somit gehen wertvolle Vitamine verloren, vor allem, wenn Sie sie kochen.“

„Kochen? Nein“, antwortete ich, „Ich meine Karotten für einen Salat.“

„Ach so, für den Salat. Sie meinen also, dass Sie die Karotten hobeln. Jetzt hab ich verstanden.“

Jetzt kapierte auch ich das Missverständnis. Als ich von „schälen“ redete, dachte sie ans Entfernen der äußeren Haut der Karotte. Nun aber hielt ich kurz inne. „Sagen Sie. Heißt das Ding, das ich gekauft habe ein ‚Schäler‘ oder ein ‚Hobler‘?“

„Wenn überhaupt, hieße es nicht ‚Hobler‘, sondern ‚Hobel‘. Aber ein Hobel ist auch wiederum was anders.“

„Aber ich hobel damit. Oder?“

„Eigentlich schon…“

„…denn warum wird’s nicht ‚Hobel‘ genannt?“

Sie zuckte etwas hilflos mit den Achseln.

„Wie muss man das Ding, das ich gekauft habe, denn nennen?“

„Ich würde dazu ‚Sparschäler’ sagen.“

„‘Sparschäler‘? Noch nie gehört. Warum das? Spart man etwas, wenn man es gebraucht? Oder ist das vielleicht eine Abkürzung für ‚Spargel‘?“

„Ich weiß es wirklich nicht, aber letztendlich sind Sie der Sprachbloggeur und nicht ich…“

Hier dann jetzt, liebe Frau M., die von mir recherchierte Erklärung für „Sparschäler“…

Ein gewisser Sauerländer, Herr Albert Deimel, ließ 1936 dieses Werkzeug patentieren. Er nannte es „Sparschäler“, um darauf hinzuweisen, dass die besonders fixierte Klinge „sparsame“ Karottenschnipsel lieferte. Wäre die Klinge verstellbar gewesen, hätte man auch ganz klobige Karottenstücke schneiden können. Sein Schäler sollte also ein „Spar“-Modell sein.

So viel zum „Sparschäler“. Auf eine Antwort auf meine andere Frage bleib ich aber immer noch warten. Nämlich: Warum darf ich mit dem Schäler bzw. „Sparschäler“ hobeln, mit einem Hobel aber nicht schälen? Ungehobelte, unlogische deutsche Sprache…

Wo aber gehobelt wird…

Heute erfahren Sie, wie man Hochdeutsch steigert

Es begann mit einem Zufallsfund in einem Antiquariat: ein hübsches blau-weißes Bändchen mit dem provokativen Titel „Bairisch: das echte Hochdeutsch“, ein Titel aus der Reihe „Kauderwelsch“ –meistens sehr brauchbare Sprachführer für unterwegs.

Eigentlich brauch ich als Münchner keinen Sprachführer fürs Bairische, doch der Titel hat mich neugierig gemacht. Bairisch? Das echte Hochdeutsch? Da war ich gespannt, wie der Autor – er heißt Richard H. Kölbl – diese Behauptung glaubhaft machen wollte.

Doch leider weiß ich es immer noch nicht. Denn zufälligerweise blieb ich, beim Durchblättern, im Kapitel über die bairischen Versteigerungsformen hängen. Insbesondere hat mich seine Erklärung für diejenigen Adjektiven, die im Hochdeutsch mit dem Doppelvokal „ei“ versehen sind – z.B., „klein“, „breit“ und „heiß“ - interessiert. Auf Bairisch hoaßen die: „kloa“, „broad“ und „hoaß“. Herrn Kölbl zufolge sind die Regeln für die Steigerung solcher Wörter viel komplizierter als es mir bisher bekannt war.

Um mich genauer über dieses Thema zu informieren, hastete ich nun ins Paradies. Damit mein ich freilich meinen Lieblingsobstladen, wo ich gleich auf Frau M. und Frau D. traf.

Nach kurzer Begrüßung legte ich mit meinem Anliegen los: „Eine Frage: Könnten Sie mir bitte die Steigerungsform von ‚kloa‘“ sagen?

„Hä? Wovon?“ sagte Frau M.

„Hä? Wovon?“ sagte Frau D.

„Von ‚kloa‘“ Inzwischen war mir klar, dass ich das Wort falsch betont hatte. Wie peinlich. „Ich meine das Bairische für ‚klein‘“, fuhr ich kleinlaut fort.

„Also ‚klooa‘“ antworteten beide unisono.

„Ja, genau.“

Frau D. war als erste dran: „Kloaner“, sagte sie.

Dann Frau M.: „Kleaner“.

„Aha!“ sagte ich zufrieden. „Er hat doch recht.“ Ich meinte Herrn Kölbl freili, und ich erklärte, dass meinem „Kauderwelsch“-Büchlein zufolge die Steigerungsform „kloaner“ üblicher in der Stadt ist und „kleaner“ auf dem Land. Das hat mir nun die zwei Damen bestätigt. Eigentlich wollte ich nun weiter fragen – nämlich über die Steigerung von „broad“ und „hoaß“, doch ich kam vor lauter Aufregung nicht mehr auf diese Vokabeln.

Am nächsten Tag war ich wieder im Geschäft. Diesmal war Fr. D. nicht da. Ich interviewte Frau M. dennoch über die Steigerung von „broad“.

„Breader“, erwiderte sie spontan auf ländliches Oberbairisch.

„Ja, genauso steht es im Buch!“ sagte ich. „Und „hoaß?“

„Heasser. Zum Beispiel: Heit is heasser ois gestern.“

Nun war ich zufrieden. Wäre natürlich noch schöner gewesen, wenn ich zum Vergleich Frau D.s Antworten gehört hätte. Wahrscheinlich hätte sie „broader“ und „hoaßer“ gesagt. Aber so ist das Leben. „Aber ‚weiß‘ bleibt ‚weiß‘, auch wenn es noch ‚weißer‘ wird. Gell?“ sagte ich nun. Es sollte nur zum Abschluss ein Witzchen sein, wenn auch lahm.

Doch in diesem Augenblick erschien Fr. B. (nicht mit Fr. D. zu verwechseln). Sie trug einen Eimer voll mit schönsten Sonnenblumen und hatte offensichtlich meinen letzten Satz mitgekriegt. „Stimmt nicht“, sagte sie. „Farben haben keine Steigerung.“

Hmm. Nun musste ich überlegen. „Was ist aber, wenn ich sage, diese weiße Wand ist weißer als die andere?“

„Man kann es auch anders ausdrücken. Zum Beispiel: Dieses Weiß ist intensiver als das andere. So haben wir es schon in der Grundschule gelernt.“

„Ja, aber“, sagte Frau M. „Heißt es nicht in der Werbung: ‚Wäscht weißer als die anderen‘?“ Das war lieb gemeint. Sie wollte mir meine Niederlage ein bisschen abfedern.

„Und diese Wand ist von allen die weißeste“, legte ich nach – in Wirklichkeit meiner Sache längst nicht mehr sicher.

„Ja, und unsere Politiker tragen die weißesten Westen“, lachte Frau M.

Aber egal. Letztendlich hatte Frau B. recht. Und nun versteh ich, warum Bairisch das echte Hochdeutsch ist, Herr Kölbl, auch wenn ich das Vorwort zu Ihrem Buch immer noch nicht gelesen hab. Bairisch ist nämlich in gewissen Situation nicht nur das echte Hochdeutch, sondern ein echtes höhere Deutsch. Vor allem, wenn man weiß, das weiß weiß bleibt, (und blau blau…bla bla…usw.)

Flüchtlinge und Fluchlinge (bzw.: Kevin und Alpha-Kevin)

Nein, so wahnsinnig bin ich nicht, dass ich mit obiger doofer Überschrift versuche, an einer Debatte teilzunehmen, die sich bereits mit einfachen Antworten auf schwierige Fragen ausgezeichnet hat.

Trotzdem ist es mir klar, dass mein Schlagwort „Flüchtlinge und Fluchlinge“ geradezu vorbestimmt (zeitgenössisch: „vorprogrammiert“) wäre, als Slogan missbraucht zu werden. Notabene: „Slogan“ stammt aus dem Keltischen und bedeutet „Schlachtschrei“.

Doch keine neuen Schlagworte von mir. Mein Thema ist das Schlagwort selbst.

Arme Schriftsteller, arme Journalisten. Sie spielen so gern mit der Sprache. Es fällt ihnen leicht, spritzige Schlagworte zu erzeugen. Notabene: Im „Schlagwort“ steckt das Wort schlagen.

Hab ich „spritzig“ gesagt? Als ich noch Journalist war, drängte uns die Chefredaktion stets, „schpritzig“ zu schreiben. So ein Stil galt in der Branche als höchste Tugend. Man kann sich denken: ein schpritziges Schlagwort ist, so gesehen, das Nonplusultra des medialen Wortschmieds überhaupt.

Wissen Sie, was ein gelungenes Schlagwort wirklich ist? Es bedeutet, dass ein kontroverses Thema in eine Karikatur seines Selbst verwandelt wurde, dass ein kompliziertes Thema zum schwarz/weiß Bild reduziert wurde.

Und dann passiert es. Da Schlagworte nicht weniger ansteckend sind als Ebola, verbreiten sie sich schnell. „Lügenpresse“, zum Beispiel. Leider hab ich vergessen, wer dafür verantwortlich ist. Doch man kann augenblicklich mit diesem Slogan jedes vernünftiges Gegenargument zunichte machen. Etwa: „Ach was. Du zitierst nur die Lügenpresse usw.“ Aus, Apfi, amen. Ende der Diskussion.

Aber nun kurz zu „Alpha Kevin“. Dieser Slogan mit der Bedeutung „dümmster Mensch“ stand bis vor kurzem auf einer Liste der 30 „Halbfinalisten“ eines Wettbewerbs fürs „Jugendwort des Jahres“, der vom Langenscheidt Verlag gesponsert wird. Andere Kandidaten waren, z.B., „merkeln“ (bedeutet „nichts tun, keine Entscheidung treffen“ haha), „rumoxidieren“ (bedeutet „chillen“, also „nichts tun“, wohl „merkeln“ oder? hoho). „Kompostieren“ (bedeutet „gammeln“ – niedlich aber sagen das Jugendliche wirklich?).

Zum Glück hat‘s sich der Langenscheidt Verlag kurz vor Sendeschluss die Sache anders überlegt und überraschenderweise „A-K“ von der Kandidatenliste gestrichen. Man hat nämlich rechtzeitig erkannt, dass mit der Förderung dieses Begriffs jeder Mensch in Deutschland, der „Kevin“ heißt, verunglimpft wird.

Nebenbei: 1989 zählte „Kevin“ (Notabene: vom Irischen „hübsch von Geburt“) zu den 20 beliebtesten Knabennamen in Deutschland – populär geworden wahrscheinlich durch die Verbreitung des amer. Spielfilms „Kevin – allein zuhause“ mit dem niedlichen Kind. Und dann passierte es: 2009 wurde eine Magisterarbeit der Uni Oldenburg unversehens von den Medien aufgegriffen, worin eine junge Forscherin festgestellt hatte, dass Grundschullehrer/innen (in Oldenburg?) Vorurteile gegen diesen Knabennamen hegten. Die Lehrkraft brachte ihn nämlich oft in Zusammenhang mit der sozialen Unterschicht. Keine Ahnung, ob dieser Gedanke wirklich so verbreitet war und ist, wie in besagter Arbeit behauptet. Aber egal. Dank der großen Aufmerksamkeit durch die Medien, landete der Name Kevin schnell auf der – wie wir in Amerika sagen „shitlist“. Nomen wurde Omen.

Ich geh davon aus, dass es mal wieder mit dem Namen „Kevin“ Ruhe geben wird. Namen haben schon immer ihre ups and downs gehabt. Ich will nur sagen: Mit Schlagworten kann man innerhalb kurzer Zeit viel kaputt machen. Wahrscheinlich sind sie deshalb so beliebt. Fragen Sie Dr. Joseph Goebbels. Ein gut platziertes Schlagwort kann die Möglichkeit einer vernünftigen Diskussion schnell KO machen, was wohl das Erstreben seines Erfinders war.

Beispiel „Herdprämie“ als spritziges Schlagwort für „Betreuungsgeld“. Wen hat es aber interessiert, dass das Schlagwort ein bisschen an den Haaren herbeigezogen war? Wer sich mit dem Begriff „Herdprämie“ identifiziert hat, der hat schon alles verstanden, was er verstehen wollte.

Oder „Eurorebell“. So hat man den Politiker Wolfgang Bosbach bezeichnet, weil er eine abweichende Meinung zu den Hilfspaketen für Griechenland im Vergleich zu seinen Parteigenossen und anderen geäußert hatte. Mit dem Etikett „Eurorebell“ vermochte man seine Argumente gekonnt zu simplifizieren. Das will ein Schlagwort gern.

Aber zurück zum „Fluchling“. Das Wort hab ich nur als theoretisches Beispiel für ein Schlagwort erfunden: und es darf – außer für wissenschaftliche Zwecke – ohne Genehmigung nicht weiter verwendet werden. Schließlich hab ich das Copyright. Das eigentliche Thema Flüchtlinge ist ohnehin viel zu komplex, als dass es auf ein einziges dummes Schlagwort reduzieren lässt. Und glauben Sie mir: Ich habe tatsächlich eigene, differenzierte Meinungen zu dieser kniffligen Sache. Wer trotzdem versucht ist, aus einem differenzierten Sachverhalt verbales fastfood zu machen, hat wenig Verstand und macht sich letztendlich selbst zum Fluchling.

Ende der Vorlesung.

Hui-Pfui fürs Weh-Weh-Weh

Nein, obige Überschrift ist kein Chinesisch. Heute nehmen wir das Internet unter die Lupe, und zwar wie das im Netz üblich ist: durch eine Bewertung.

Jeder weiß, wie das geht. Man kauft sich einen Fotoapparat oder einen Staubsauger und gibt dann seine Meinung ab. Das kann man verschieden bewerkstelligen – durch einen langen oder kurzen Text, durch Sternchen – oder indem man eine Liste mit Plus- und Minuspunkten aufstellt. Letzterer Form werde ich folgen.

Nebenbei: Ich komme heute auf diese Idee wegen eines Erlebnisses aus jüngster Zeit. Ich hatte etwas über Amazon bestellt und wartete auf die Zustellung, die wie üblich per Mail angekündigt wurde.

Am Tag der Zustellung fand ich aber vor der Haustür lediglich einen Zettel vor – ausgestellt vom Lieferanten, der Firma DPD. Darauf stand in etwa: „Schade, leider haben wir Sie nicht angetroffen…“usw. Weiter erfuhr ich, dass sich das erwartete Päckchen im Geschäft gegenüber befinde. Komisch, dachte ich. Ich war die ganze Zeit zuhause. Hat jemand geläutet? Hab ich nix gehört? Ich bin also ins Geschäft gegenüber gegangen, um mein Päckchen abzuholen.

„Komisch. Ich war aber zuhause…“, sagte ich zu der Dame im Geschäft.

„…Er klingelt nie“, unterbrach sie „Ist ihm zu mühsam. Er trägt die Sachen immer direkt hierher. Es dauere ihm zu lang, wenn er bei jedem klingeln müsste, hat er mir gesagt.“

Um gerecht zu sein: Ich habe von Nachbarn Ähnliches über DHL und Hermes gehört. Nur: Diese Lieferanten klingeln wenigstens. Bloß: Wenn man nicht schnell genug die Wohnungstür erreicht hat, haben sie schon die Weite gesucht. Ich weiß auch warum, es so ist: Sie bekommen wenig Geld für ihre Arbeit und stecken obendrein im Dauerstress.

Was schließe ich daraus? Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Online-Dienste den Kundenschwund zu spüren bekommen. Die Zukunft heißt „Ladenverkauf“ oder im Laden bestellen und einen Termin für die Zustellung vereinbaren.

Nun zurück zu den versprochenen Plusminuspunkten zum Thema Weh-Weh-Weh im Allgemein:

- Online-Geschäft (siehe oben für die Gründe)

o Online-Nachrichten (Ja, man kann immer noch online die Nachrichten lesen. Doch wie lange noch? Immer mehr Zeitungen – und Zeitschriften – werden kostenpflichtig. Beispiele: SZ, Welt, NY Times, Wall Street Journal. Spiegel-Online bleibt noch eine Ausnahme…noch. Verständlich, dass alles mal –was kosten wird. Journalismus ist nun mal teuer, und man braucht Werbung und den Leserobolus, um das System schmeidig zu halten. Dann lieber gleich die Zeitung kaufen, sage ich. Sie ist ohnehin bequemer zu lesen – man sieht zeitgleich Überschrift und Text – , und sie ist stromfrei dazu – d.h., vielleicht umweltfreundlicher als das stromfressende Weh-Weh-Weh.)

o Online-Information (Für den schnellen Überblick ganz nett. Aber was ist, wenn man ins Detail will? Früher ging man in die Bibliothek und kehrte mit einem Stapel Bücher nach Hause. Heute arbeitet man lieber etwas oberflächlicher. Denn alles muss ohnehin schnell gehen. Okay, zugegeben: Wikipedia usw. sind wirklich nützlich und beizeiten hilfreich. Doch in die Tiefe gehen? Dazu braucht man noch…tut mir leid, aber ich muss ein Wort benutzen, das aus der Mode gekommen ist…dazu braucht man …Bücher)

Nun zu den Pluspunkten:

+ Cybercrime (Spitze! Ausgezeichnete Möglichkeiten!)

+ Cyberdschihad (Allahu akbar für dich und mich!)

+ Verschwörungstheorien (Es waren die Juden, die Amerikaner, die Schwulen…die Deutschen! Lies nur weiter)

+ Pornographie (Etwas für jeden Geschmack! Was kann man sich mehr wünschen?)

+ Hacking (for fun and profit)

+ Phishing („There’s a sucker born every minute“ – P.T. Barnum)

+ Werbung (buy buy buy buy buy buy buy buy buy buy usw.)

+ Spionage (NSA usw.)

+ Social Media (s. Verschwörungstheorien, Dschihad, Hacking usw. Außerdem bekommt man Einblick in den Urlaubsfotos alter Schulkameraden, die man seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hat.)

+ Email (s. Verschwörungstheorien, Phishing, NSA usw. Immerhin: Man spart an Briefmarken und Kuverts.)

+ Google (ein Diener, der – beinahe – alle Wünsche erfüllt – und erfühlt!)

++ Sprachbloggeur (Ist das nicht schön? Jeder Heini hat nach Lust und Laune die Möglichkeit ungeniert ins eigene Horn zu blasen.)

Fazit: Nur für Risikofreudige und Selbstdarsteller geeignet.

He, Sprachbloggeur, warum gibt es so viele Sprachen auf der Welt?

Ich saß in dem „49igen“ (Straßenbahn, versteht sich) , der von Hütteldorf über die Märzstraße zur Wiener Ringstraße fährt, und schaute seelenruhig aus der Fensterscheibe auf die hübschen Gassen.

Achtung! Ist jemandem im obigen Satz ein Fehler aufgefallen? Ja, natürlich. Wieso schreibt der Sprachbloggeur „in dem 49igen“, wenn es „in der 49igen“ heißen muss?

Nicht in Wien. Dort ist die 49ige tatsächlich der 49ige.
Und zwar deshalb, weil die Wiener an „Wagen“ und nicht an „Straßenbahn“ denken, wenn sie von ihren Öffis“ reden.

Doch zurück zum 49igen. Während der Wagen um eine Kurve quietschte, tönte plötzlich eine Ansage: „Bitte seien Sie achtsam: Überlassen Sie Ihren Sitzplatz Behinderten, Schwangeren…“

„Bitte seien Sie achtsam“. Niedlich, dachte ich. Und dann las ich auf einer kleinen, bunten Anzeige neben der Fensterscheibe: „Bitte sich festzuhalten“ und daneben erspähte ich wieder eine Anzeige. Den Wortlaut hab ich leider vergessen. Es ging darum, dass Hunde „Beißkörbe“ zu tragen hätten.

Alles nur Kleinigkeiten. Vielleicht deshalb fallen sie auf. Oder Im Eingangsbereich unseres Hauses hing ein Anschlag von der Hausverwaltung: „Wir ersuchen Sie, die Kellertür zuzuschließen“. Ersuchen. Wow. Auf einem zweiten erfuhr ich, dass der „Rauchfangkehrer“ für nächste Woche bestellt sei. Zum Glück gibt es im Haus einen Lift, dachte ich, sonst muss er die „Stiege“ bis nach ganz oben erklettern.

In der Apotheke händigte ich der Apothekerin meinen „Besorgerschein“ für das Medikament, das ich abzuholen hatte. Dann erhielt ich samt Arznei den „Kassabon“.

Doch man versteht immer, was gemeint ist. Und die paar wirklich fremde Vokabeln, etwa „Powidl“ (Pflaumen), „Ribisl“ (Johannisbären), „Paradeiser“ (Tomaten), „Erdäpfel“ (Kartoffeln), „Kren“ (Meerrettich) verinnerlicht man schnell.

Lediglich wenn einer mit seinem Wiener Dialekt loslegt, kann es mit der Verständigung mal happig werden (weniger allerdings für den Bayer). Gleiches Phänomen gilt natürlich für die Schweiz und für Luxemburg (ebenso für Bayern oder fürs Schwabenland). Die Lokalsprache ist oft unverständlich für den deutschsprachigen Besucher. Trotzdem sind alle der Meinung, sie sprechen Deutsch. Und es stimmt. Denn alle teilen neben ihrer Lokalsprache eine überregionale Schriftsprache, die überall denselben Sprachregeln unterliegt und von daher vereinigt.

Es kann auch anders werden. Urdu und Hindi, zum Beispiel. Eigentlich ist das dieselbe Sprache. Nur: Urdu wird in Pakistan gesprochen, wo die meisten Menschen Muslime sind, während Hindi in Indien, wo die Mehrheit hinduistisch ist. Mittlerweile hat Urdu viele Wörter aus dem Arabischen und dem Persischen übernommen, die es im Hindi nicht gibt. Hindi Sprechende hingegen benutzen Begriffe aus dem Sanskrit. Diese verstehen die Urdu Sprecher nicht. Um die Sache weiter zu verkomplizieren: Hindi und Urdu werden mit sehr unterschiedlichen Schriften geschrieben.

Oder Serbisch und Kroatisch. Auch in diesem Fall handelt es sich um dieselbe Sprache. Nur: Die Serben gehören größtenteils der Ostkirche, während die Kroaten katholisch sind. Dazu erschwerend: Serben und Kroaten sind sich leider spinnefeind (zum Glück nicht alle). Man gibt sich dennoch Mühe, unterschiedliche Vokabeln zu verwenden, damit die Sprachen zunehmend auseinanderwachsen.

Oder Tschechisch und Slowakisch. Diese waren schon immer zwei nahverwandte Dialekte – wie’s Ober- und Niederbayrische. Jede wird trotzdem als getrennte Sprache gehandhabt. Die gleichen Wörter werden sogar unterschiedlich buchstabiert – um die Unterschiede zu betonen. Solange Tschechen und Slowaken in einem Land namens Tschechoslowakei lebten, haben sie sich gegenseitig sprachlich verstanden. Nun sind sie zwei Länder geworden und wirklich zwei Sprachen. Ich habe neulich gelesen, dass junge Tschechen und Slowaken es mittlerweile mit der gegenseitigen Verständigung viel schwerer haben als ihre Eltern.

Nun wissen Sie, warum es so viele Sprachen auf der Welt gibt.

Gesucht: pfiffige Wortschöpfer um evtl. Euro-Abgängen Namen zu schenken

Manche haben Glück. Zum Beispiel der Nationalökonom Ebrahim Rahbari. 2011 hat er ein Wort geprägt, das nun in aller Munde ist: „Grexit“.

Ein lustiger Begriff, der aus zwei miteinander fusionierten Wörtern, „Greek“ + „exit“ = „Grexit“, besteht. Sprachforscher bezeichnen eine solche Formulierung als „Kofferwort“. Auf Englisch heißt es „portmanteau“ – als würden zwei Wörter in einem einzigen Mantel verhüllt werden. Andere Beispiele sind „smog“ („smoke“ plus „fog“), „Bollywood“ („Bombay“ plus „Hollywood“), „Denglisch“ usw.

Neben dem „Grexit“ stößt man auch gelegentlich auf den (das?) „Grexident“, bzw. „Graccident“ –vom englischen „Greek“ + „accident“ (hier wohl: „Zufallsereignis“). Damit meint man, dass ein Ausscheiden der Griechen aus der Eurozone versehentlich geschehen könnte.

Würde Herr Rahbari lediglich ein Cent Benutzungsgebühr jedesmal erhalten, wenn jemand seinen Neologismus zitierte, hätte er bisher sicherlich, so viel Geld verdient, dass er selbst Griechenland vor einer Staatspleite retten könnte.

Doch hier soll keine Doktorarbeit über den Begriff „Grexit“ entstehen. Lieber frage ich mich, was geschieht, würden andere EU-Länder zum Euro-Wackelkandidaten werden oder gar aus der EU scheiden? Auch diese Länder bräuchten einen pfiffigen Slogan für die Medien.

Immerhin gibt es bereits, analog zum „Grexit“, den „Brexit“ für den Fall, dass Großbritannien die EU verlässt. Keine Ahnung, wer der Urheber dieses Wortes war. Herr Rahbari? Anyway, ist nicht wichtig.

Hier jedenfalls sind die Herrn und Frauen Journalisten gefragt. Thinking caps aufsetzen, liebe Leute. Auch kreative Laien dürfen an diesem Wettbewerb teilnehmen.

Vom Sprachbloggeur jetzt bloß ein bisschen Starthilfe…

Frankreich als ausscheidendes Land mit einem pfiffigen Slogan zu versehen, wäre ganz easy. Da ist man mit „Frexit“ bestens bedient, obschon dieses Wort – zumindest fürs dt. Ohr vielleicht ein bisschen niedlich klingen könnte (man denkt an „Frettchen“). Auch für Spanien gäbe es eine einfache Lösung: der „Spexit“. Lediglich würden sich vielleicht ein paar Lateiner aufregen. Sie hören nämlich bei diesem Wort die 3. Person singulär im Perfekt des Verbs „specere“ („beobachten“) – also „er/sie/es beobachtete“ heraus. Es sind aber nur ein paar Fuzzis.

Ein „Porexit“ für Portugal? Vielleicht bin ich es nur. Doch mir kommt dieses Wort irgendwie unanständig vor. Ich weiß nicht, warum. Wobei noch unanständiger mutet mir ein irischer Ausscheiden an. Mit einem „Irexit“ denkt man schnell an die Aufwärtsbewegung eines bekannten männlichen Körperteils – und im lateinischen Perfektum sogar.

Und wie wäre es mit einem „Bulexit“ für Bulgarien? Ist das aber nicht eine Essstörung? Oder für Italien, ein „Itexit“? Angelsachsen denken wohl ans SMSschreiben.

Man muss aber die diversen Sprachenunterschiede in Acht nehmen. Schließlich gibt es einige in der EU. Fürs dt. Ohr wäre, z.B., das Ausscheiden von Litauen und Lettland ein „Litexit“ und ein „Lettexit“. Englischsprechende hätten lieber einen „Lithexit“ (mit „th“) und „Lattexit“. Letzteres lässt an Gummihandschuhe denken.

Ich hab aber keine Lust, dieses Spielchen weiter zu treiben. Schließlich handelt es sich um 28 Länder, wovon 19 in der Eurozone sind. Dennoch eine letzte Frage: Wie hieße es, wenn Deutschland die EU bzw. die Eurozone verlassen würde?

„Gerexit“? Nein, das erinnert viel zu stark an „Grexit“. „Deuxit“? Nicht besonders pretty.

Sicherlich hätte Herr Rahbari eine pfiffigere Lösung. Oder vielleicht auch Sie, liebe Lesende, liebe Journalisten. Jeder darf mitmachen. Schließlich möchten alle unsere schöne Sprache auf Vordermann halten. Oder?

PS: Nächste Woche kein Beitrag. Ich mache einen kurzen Deuxit.

Achtung! Neue Redewendung im Anlauf: das„Angähnen“!

Ich gehe davon aus, dass Fritz Grob vom Schweizer Regensdorf diese Glosse nie zu Augen bekommen wird. Aber wer weiß?

Ebenso möglich ist, dass er seine Rolle als Sprachschöpfer niemals wahrnehmen wird. Auch das kann ich aber nicht wissen.

Wer ist Fritz Grob? Und was hat ihm Deutsch Sprechende zu verdanken?
Zufällig stieß ich in der Schweizer „Weltwoche“ (Nr. 25.15) auf einen Leserbrief, den besagter F.G. zum Thema „Fifa“ eingeschickt hatte.

Ich zitiere: „Trotz Ihrer vorzüglichen Berichterstattung über Blatter [gemeint ist Sepp B.] gähnt mich das Thema langsam an….“

„Sag mal“, fragte ich meine Frau, die Native-Speakerin in der Familie, „Kennst Du diesen Ausdruck ‚angähnen‘?“, und ich las ihr den Grob’schen Satz vor.

„Nein, noch nie gehört.“

Immerhin, wäre ja möglich, dass es sich um eine Redewendung handelte, die nur mir unbekannt war. Kommt manchmal vor. Zum Beispiel, als ich meine Frau mal über „in die Puschen kommen“ fragte. „Natürlich“, antwortete sie. „Das sagen wir bei der Arbeit immer, wenn wir uns abermals ein Kaffee holen müssen.“

Was Herr Grob mit „angähnen“ meinte, ist jedenfalls aus dem Zusammenhang klar – etwas wie „anöden“. Mir war nur nicht sicher, ob es sich um einen stehenden Begriff handelte.

Also holte ich, um die Sache auf die Spur zu kommen, meinen sechsbändigen Duden, den mir vor vielen Jahren mein seliger Sprachguru Ernst-Theo-Rohnert geschenkt hatte. Dieses wuchtige Nachschlagwerk bietet eine Bestandsaufnahme der deutschen Sprache bis ca. 1978. Unter Stichwort „angähnen“ fand ich Folgendes: „In Richtung auf jmdn, etw. gähnen“, gefolgt vom Beispiel: „Mein Gegenüber gähnte mich fortwährend an.“ War mir irgendwie klar. Als ich letztes Jahr auf einer Hochschule als Dozent tätig war, wurde ich von meinen Studenten täglich angegähnt. So was nimmt man aber in Kauf und möchte dieses Gähnen mangelndem Sauerstoff zuschreiben.

Doch der Duden kannte auch eine zweite, übertragene Bedeutung für dieses Wort und brachte sie in Form von einem Zitat: „unendliche Öde gähnt mich an“. Als Quelle wird der Roman „Mitte des Lebens“ von Luise Rinser, 16. Kapitel, angegeben.

Zugegeben, ein schöner Satz. Nur: bei Rinser wird das „Angähnen“ unmittelbar mit einer „Öde“ in Zusammenhang gebracht – was irgendwie logisch ist, weil „Öde“ und „Gähnen“ eine gewisse Ähnlichkeit haben. Umso mehr war ich nun überzeugt: Herr Grobs „angähnen“ ist gewagter als das von Fr. Rinser. Ihm zufolge gähnt ein Thema an. Das ist schon etwas anders als von einer Öde angegähnt zu werden.

Was ich aber noch immer nicht wusste: Ist dieses neu nuancierte Angähnen wirklich eine Erfindung von Herrn Grob?

Das war die Frage. Und um sie zu beantworten, googelte ich das Wort. Sofort erhielt ich 3280 Treffer. Diese Zahl ist freilich wie immer bei Google eine Fiktion. Anyway, Die Seiten, die ich unter „angähnen“ fanden, waren fast ausnahmslos belanglos: Übersetzungen des Wortes ins Afghani oder Suahili etwa. Über die Grob’sche Variante war nichts zu lesen. Schauen Sie selber hin.

Mein Fazit: Fritz Grob zählt eindeutig zu den Schöpfern der deutschen Sprache, einem Verein, dessen Mitglieder meistens anonym bleiben. Man freut sich, wenn man einen zufällig entdeckt.

Herr Grob aus Regensdorf in der Schweiz hat ein neues Wort gesät. Jetzt warten wir die Ernte ab.

Wobei wir ihm eigentlich behilflich sein könnten. Mein Vorschlag: Benutzen Sie dieses Wort so oft wie möglich. In einem Jahr kann man es dann wieder angoogeln. Seien Sie dann auf eine Überraschung gefasst…

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