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Sind Sie ein Opfer? Dann sind Sie hier richtig!

Fangfrage: Was haben Opfer mit Junkies gemeinsam? Viel Zeit habe ich nicht, um auf Ihre Antwort zu warten. Die Lösung: Beide reduzieren ihre Probleme auf ein einziges Bedürfnis.

Im Fall von Junkies heißt dies: den Stoff (d.h. Heroin – notabene, ein illegales Rauschgift) zu besorgen.

Und den Opfern? Was (korrekter wäre „wessen“) bedürfen sie? Ganz einfach: Den Anderen alles in die Schuhe zu schieben, weil keiner mich (seufz) versteht oder akzeptiert (seufz seufz).

Opfer zu sein bringt allerdings auch Vorteile. Man kann eine Bewegung oder einen Verein gründen, um mit anderen Opfern sich schön ausgegrenzt zu fühlen. Man kann auch eigene Feindbilder aus dem Boden stampfen. In Frankreich, z.B., wo die meisten antisemitischen Überfälle durch Muslime ausgeübt werden, erklären sich manche aus den verschiedenen muslimischen Gemeinden sich selbst für die wahren Opfer. Muslime des Antisemitismus zu bezichtigen sei lediglich ein Ausdruck der Islamophobie! heißt es. Klasse Lösung!

Das hab ich übrigens gestern in der New York Times gelesen, Heute weiß aber jeder, dass die NYT die Hauptquelle der weltweit grassierenden Fake News ist.

Nebenbei: Sicherlich glauben selbst die meisten Muslime in Frankreich nicht an obiges Märchen. Wie man aber weiß: Die Stimme, die am lautesten brüllt, bestimmt die Narration.

Anyway, Facebook und Twitter sei dank, hat man heute viele Kanäle, um sich als Opfer ein großes Publikum zu angeln.

Und vergessen Sie die Gutmenschen nicht. Davon gibt es wahrhaftig genügend, um jedes Opfer dreifach zu umkuscheln. Erinnern Sie sich noch? „Gutmensch“, Wort des Jahres 2015. Weiß nicht, ob es bereits im Duden steht.

Aber genug der Politik. Letztendlich bin ich nur sprachlich interessiert. Ist nicht meine Sache, wenn einer – oder eine – die Gelegenheit nutzt, sein – oder ihr – Leben schön kuschelig im Begriff „Opfer“ einzupacken. Kann sogar zu einem gutbezahlenden Beruf werden.

Als Sprachinteressierter will ich mich vielmehr mit den Begriffen selbst befassen und zwar als sprachliches Phänomen.

Z.B., „Opfer“. Heute gilt dies als waschechtes deutsches Wort. Wobei es sich eigentlich um ein Lehnwort aus dem Lateinischen handelt. „Operari“, bedeutet „arbeiten“ und später „Gott dienen“ (bzw. „sich Gott opfern“). Wahrscheinlich war das eine christliche Sache. In diesem Sinn ist das Wort jedenfalls durchaus positiv zu bewerten.

Nebenbei: Womöglich ist diese Vokabel „Opfer“ mit dem lateinischen opera“ verwandt. „Opera“ bedeutet „Arbeit“ aber auch „Oper“! Das wäre lustig. Denn die Oper handelt selbst manchmal von Opfern. Und dann gibt’s auch die „Seifenoper“

Die Römer benutzten aber ein anderes Wort, um das, was sie zu opfern gedachten zu bezeichnen. Sie sagten „victima“.

Wer ein sehr schönes Deutsch reden will, der kann jederzeit behaupten, „Ich fühle mich viktimisiert“ anstatt zu sagen, „Ich fühle mich als Opfer“.

Und noch eine Sache, die Sie wahrscheinlich nicht wissen: Das lateinische Wort „victima“ ist letztendlich mit dem altdeutschen „weihen“ verwandt. Das „H“ wurde wahrscheinlich ursprünglich hart gesprochen – also „weikn“ oder so.

Eine „victima“ war dann irgendwie ein „Geweihtes“, ein „Heiliges“. Oft waren es Tiere, die „geweiht“ wurden – obwohl manchmal auch Menschen, um der Götter oder einer bestimmten Gottheit zu beschwichtigen. Das mit den Menschenopfern verschwand allerdings – zumindest in Europa – vor etwa 2500 Jahren. Auch in der Bibel gibt es einen Hinweis, dass das Menschenopfer zum „no no“ geworden war. Beispiel: Abraham will seinen Sohn Isak opfern, wird aber daran gehindert und opfert anstelle seines Sohnes einen Ziegenbock. Wahrscheinlich sollten die damaligen Leser durch diese Story lernen: Heutzutage murksen wir keine Menschen mehr ab, nur noch Tiere.

Heute wird zum Glück auch das Tieropfer eingestellt.

Doch nun feiert Menschenopfer 2.0 fröhlichen Urstand, und ist stets mit Hash(#)-Tag versehen. So wird jeder wird auf seine Art glücklich.

Algorithmen und Autismus…hmmm?

Man verliebt sich gern in Wörter, die schön klingen und benutzt sie mit Vergnügen, vor allem, wenn man weiß, andere werden einen deshalb als tollen Hecht (bzw. eine tolle Hechtin) würdigen.

Früher war, z.B., „Problematik“ ein solches Wort. Man ließ es genüsslich von der Zunge rollen, wenn man eigentlich „Problem“ meinte, was viel zu schnöde klang. (Ja, mei, das mit dem Karl-Hans ist für mich wirklich zu einer großen Problematik geworden).

Inzwischen weiß jeder den Unterschied.

Nebenbei: Heutige Englischsprachige haben immer weniger „problems“, dafür aber „issues“. Grund dafür: „Problem“ klingt…zu problematisch.

Heute, liebe Treulinge, möchte ich mit einem schnieken Modewort aus jüngster Zeit aufwarten. Sie haben es bereits in der Überschrift gelesen: Algorithmus. Nicht das erste Mal, dass der Sprachbloggeur dieses Thema anpackt.

Immer häufiger begegnet man diesem Wort (oder so kommt es mir jedenfalls vor). Es ist inzwischen, bin ich überzeugt, das Modewort schlechthin. Kein Wort des Jahres, sondern des Jahrhunderts (zumindest bisher).

Auch ich (ja, ich gesteh es ein) benutze „Algorithmus“, in normalen Sätzen, wo ich früher vielleicht „Formell“ oder „Handlungsweise“ gesagt hätte. Die Alternativen klingen schon jetzt irgendwie leicht antiquiert und fade.

Kaum sagt man „Algorithmus“, fühlt man sich auf dem Posten, zeitgenössisch, technologie-verbündet. Man sagt „Algorithmus“ und denkt „Algebra“ oder „Arithmetik“ oder so einen anderen hochgestochenen mathematischen Begriff.

Aber guess what: Das Wort „Algorithmus“, liebe Freunde Wikipedias, ist eigentlich nur die Verballhornung eines Namens, und zwar des eines gewissen Nisba Al-Chwarismi – d.h., „Nisba, der Mann von Choresmien, einer Gegend in Persien. Besagter Nisba Al-Chw. lebte im 9. Jh. und war Autor eines Buches über die sog. Indischen Ziffern. Heute sagen wir „arabische Ziffern“. Das ist falsch. Sie stammen aus Indien.

Um das Jahr 1200 hat ein gewisser Leonardo Pisano das Werk von Al-Chwarismi ins Lateinische übersetzt mit dem Titel „Liber Abaci“ („Abaci“ ist Genitiv vom „Abacus“ – jeder weiß, was ein Abacus ist…oder sollte). Aber der Clue: Pisano nannte den pers. Autor dieses Werks nicht „Al-Chwarismi“, sondern „Al-gorismi“. Und jetzt wissen Sie, woher die Algorithmen stammen.
Wie anfangs gesagt: Dieses Wort ist heute zum Modebegriff geworden. Doch wie kam es dazu?

Eigentlich ein „no-brainer“: Wir reden von den „Algorithmen“, weil die großen Players der digitalen Revolution, es für uns salonfähig gemacht haben. Wo man früher vielleicht „Handlungsweise“, oder „Formell“ oder m.o. (modus operandi) etc. gesagt hätte, sagten die Typen aus Silicon Valley „Algorithmus“. Es klang für sie irgendwie…techie!

Damit wäre ich zum Schluss dieser Betrachtungen gekommen, wenn ich nicht vor ein paar Tagen ein Gespräch mit einer alten Freundin aus den USA geführt hätte. Sie wies mich darauf hin, dass besagte Menschen aus Silicon Valley, die uns seit über dreißig Jahren mit der Informationsrevolution beglücken, von Algorithmen so häufig redeten, weil sie selbst so dringend Algorithmen bedürften.

Nochmals, etwas deutlicher: Jeder weiß, so diese alte Freundin, dass viele Techies zu einem gewissen Autismus tendieren. Der Autist brauche Ordnung und Logik um in einer als feindlich empfundenen Welt der Unordnung zu überleben. Aus diesem Grund waren für diese Players Algorithmen so verdammt wichtig. Gefühle, Witze, Glaube, Ironie machen dem Autisten Angst. Algorithmen hingegen salben wie Balsam.

Um die Gefahren der großen Gefühle etc. zu entkommen, fanden die Players Zuflucht in der logischen, algorithmischen Ordnung der Dinge.

Willkommen im 21. Jahrhundert.

Warum ist die Avocado weiblich? (aus einem Geheimdienstarchiv entwendet)

Kaum will ich hier anfangen, meldet sich Lenovo, die Firma, die meinen Rechner herstellt. Ein dringendes Update sei nötig, heißt es. Natürlich stimme ich zu. Und los geht’s.

Zehn Minuten sind vergangen. Ich weiß sehr wohl, was es bedeutet, wenn im Jahr 2018, der Hersteller eines Rechners, eines Phons, eines Tablets usw. das System „aktualisiert“.

Es bedeutet, dass meine Dateien, meine Einstellungen, meine Surfgewohnheiten von einem Geheimdienst – in diesem Fall von einem chinesischen – archiviert und gegebenenfalls inspiziert werden.

Aber egal. Hätte ich einen Apfel, oder einen Dell oder wie sie alle heißen, wäre meine Info in amer. Händen gelandet.

He Deutschland! He EU! Hier ein Wink mit dem Zaunpfahl. Dalli dalli! Höchste Zeit eigene spionierende Geräte herzustellen! Sonst sitzt man nicht mehr in der ersten Reihe. Aber die Europäer sind immer noch zu sehr die Gutmenschen, um dass sie meine Geheimnisse knallhart auswerten. Datenschutz und so ein Zeug.

Aber wer weiß? Vielleicht werden mal auch die europäischen Schlapphüte auf ihre Kosten kommen…und…Augenblick… Eigentlich hatte ich nicht vor, heute über meine wachsende Transparenz in China zu schwadronieren. Schuld daran ist nur das Update. Es hat mich aus dem Konzept gebracht.

Eigentlich wollte ich über die Avocado schreiben. Ja, Sie haben richtig gelesen.
Ich wollte über die Avocado schreiben, weil ich bis heute nicht verstehe, warum diese grünen Gesundheitsbomben unbedingt die und nicht der Avocado heißen. Ich meine: Es handelt sich um ein Wort, das mit „o“ endet. Oder? Meistens weist solche Endungen auf ein Wort männlichen Geschlechts hin. Nur die Avocado nicht.

Ist die Avocado ein Transexueller? (Oder heißt es „eine Transsexuelle“?) Man muss heute vorsichtig sein, so eine Frage zu stellen. Die Leute sind sehr empfindlich geworden, wenn es um die Geschlechtlichkeit geht. Und sollten die Chinesen davon Wind bekommen, sie könnten diese meine Sätze an Leute verkaufen, die einen sehr übel zurichten könnten. Hier keine Details.

O je. Wie sagt man „bitte, nicht“ auf Chinesisch?

Aber zurück zur Avocado, die übrigens die Konquistadoren aus Mexiko mit nach Europa mitbrachten.

Auf Spanisch lautet das Wort „aguacate“ und ist männlich. In Mexiko, der eigentlichen Heimat der Avocado, sagt und schreibt man „ahuacatl“. Auch da ist sie männlich: „el ahaucatl“.

Falls Sie es nicht wissen: „Avocado“, also „aguacate“, „ahuacatl“ ist ein aztekisches Wort. Aus dem Stegreif weiß ich nicht, ob es auch eine besondere Bedeutung in der aztekischen Sprache hat. Man kann das aber schnell googeln. Google weiß wahrscheinlich mehr als die Chinesen.

Vielleicht kennen Sie auch das Wort „Guacamole“. So heißt ein beliebter Avocadomus aus Mexiko. Das „guaca“ ist das gleiche „guaca“ bzw. „huaca“ wie in „Aguacatl“. „Mole“ bedeutet in der aztekischen (und der mexikanischen) Sprache „Sauce“ oder „Mus“.

Nebenbei. Die Avocado ist nicht das einzige mexikanische bzw. aztekische Lebensmittel, das man heute in Europa verzehrt. Es gibt auch die Tomate (eigentlich „Tomatl“). Auch “Tomate“ ist auf Spanisch maskulin. Und dann gibt es die Kartoffel. Die heißt auf Spanisch „patata“ (von „patatl“), ist aber komischerweise weiblich, „la patata“. All diese Wörter endeten ursprünglich mit „atl“. Das scheint auf Aztekisch so eine Endung zu sein wie „-schaft“, oder „-tum“. Google – und die Chinesen wissen bestimmt mehr als ich.

Vielleicht werden die chinesischen Schlapphüte, falls sie auf diese Glosse kommen, so lange nach einer Geheimbotschaft suchen, dass sie die Akte „Sprachbloggeur“ aus Langeweile schließen werden.

„Meme“ verstehen – endlich!

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie eine Fremdsprache lernen. Bei mir jedenfalls sitzen manche Wörter einfach nicht, egal wie ich sie büffele. Sie weigern sich, in mein Gedächtnis fixiert zu werden. Wie wenn man mit Sekundenkleber einen Henkel an eine Tasse anzubringen versucht, und er fällt trotzdem wieder ab.

Wörter sind zwar keine Henkel, doch manchmal brauchen auch sie einen besonderen Klebstoff, damit sie endlich im Gedächtnis haften.

Das war mein Erlebnis, z.B., mit dem Wort „geraten“, als ich dabei war, die deutsche Sprache zu erobern. Ausgerechnet dieses Wort spielte ständig Versteck mit mir. Ich könnte es mir nie merken, war ständig dabei, es in meinem dicken Wörterbuch nachzuschlagen. (Damals gab’s noch kein Wiktionary, Kinder).

Nur mit einem Trick konnte ich den Sinn endlich befestigen: Ich habe ein dt. Synonym entdeckt. In diesem Fall war es „landen“. Naja, die Bedeutungen gehen doch ein bisschen auseinander. Außerdem erfordert „geraten“ einen Akkusativ, wo „landen“ auf den Dativ fixiert ist.

Hoppla! Wie bin ich in diesem Kanal gelandet (bzw. in diesen Kanal geraten)? Eigentlich wollte ich über etwas ganz anders schreiben: und zwar über das Wort „Mem“, Mehrzahl „Meme“. Womöglich kennen Sie das Wort auch als „Meme“ (sprich „miem“)? Denn das „Meme“ ist seit ein paar Jahren zu einem… „Meme“ geworden.

Seit ewig will sich dieses Wort einfach nicht in meinem Gedächtnis haften. Und deshalb schreibe ich jetzt darüber. Vielleicht hilft das.

Der dt. Begriff „Mem“ (Englisch „Meme“ – sprich „miem“) existiert seit 1976. Genauer gesagt: Er ist die Erfindung des britischen Biologen Richard Dawkins. Dawkins hat dieses Wort bewusst als Pendant zu „Gen“ aus dem Boden gestampft. So wie ein Gen die biologische Einheit ist, die für die Vererbung von körperlichen Eigenschaften verantwortlich ist, dient das Mem – Dawkins zufolge – als kleinste Einheit für die Verbreitung (Vererbung) von kulturellen Phänomene.

Genauer gesagt: Ein Mem ist der Einfall eines Einzelmenschen, der eventuell zum Massenphänomen ausufert. Laut dem bekennenden Atheisten Dawkins ist auch die Religion ein Mem, das, wie man heute sagt, „viral“ gegangen ist. Doch nicht nur die Religion, jede Idee hat das Potential, ein Mem, ein memetisches Phänomen zu werden – auf langer Zeit oder nur kurz. Letzteres bezeichnen wir als eine „Mode“.

Alles klar?

Eine nette Vorstellung, um die Ausbreitung von Moden, Riten, kulturellen Errungenschaften etc. zu deuten. Dawkins hat allerdings nicht nur Befürwörter für seine memetische Theorie. Manche Kollegen halten die Sache für reine Quacksalberei, Pseudowissenschaft.

Aber egal. Das soll nicht unser Problem sein. Immerhin: Man sieht mit diesem Beispiel, wie ein waschechter Begriff entsteht. Das „Mem“ hat sogar ein Geburtsdatum.

Inzwischen ist aber das Wort „Mem“ selbst zum „Mem“ geworden. Aber dann spricht man es amerikanisch aus: „Meme“ (also „miem“).

Heute heißt jegliche modische Erscheinung im Internet, die sich steppenbrandartig ausbreitet (viral) ein „Miem“. Das sind ja YouTube-Videos, Instagram-Schnappschüsse, Facebook-Beiträge oder irgendwelche rassistische oder sonstige Lügen, die durch die Blogs und Vlogs fliegen.

Das sind die Miems.

Ich denke, ich habe dieses Thema für jetzt genügend erläutert. Bin sicher, dass wenigstens ich es endlich für alle Zeiten verinnerlicht habe. Ich denke, dass diesmal das Wort endlich auf die richtige Fahrbahn geraten ist.

„Hype“: das großartige Prequel

Heute, liebe Sprachinteressierte, reden wir über das spannende Wort „Hype“.

Das Wort interessiert mich brennend, weil ich es in letzter Zeit kaum vermeiden kann. Bin überall damit konfrontiert: im Gespräch, in den „Medien“, womit ich sowohl digital wie auch print meine. Auch im Traum.

Es handelt sich um ein „Fremdwort“. Darf man heute noch „Fremdwort“ sagen? Oder klingt das ein wenig wie „Lebensraum“ und „Einsatzkommando“?

Immerhin hat „Hype“ bereits einen deutschen (und höchstwahrscheinlich auch einen österreichischen) Pass erhalten. Im Eilverfahren sogar. Komisch, wie sich Wörter rascher integrieren als Menschen. Damit meine ich Flüchtlinge, Migranten und sonstige Einwanderer. Nehmen Sie mich als Beispiel.

Diese Vokabel, „Hype“, kenne ich übrigens schon lange – auch bevor sie den dt. Pass bekam. Schließlich stammt sie aus dem Englischen. Man könnte sicherlich eine Doktorarbeit über die Frage schreiben, warum das Wort momentan so beliebt ist.

Die deutsche Version scheint, so bilde ich mir jedenfalls ein, ca. zwei Jahre im Gebrauch zu sein. Oder könnte es noch länger sein?

Und noch etwas interessiert mich über dieses Wort: sein grammatisches Geschlecht. Und deshalb schreibe ich diese Glosse.

Jeder Deutschsprechende weiß, dass ein jedes dt. Hauptwort eines Artikels bedarf – also ein „der“, „die“, „das“ – , um offiziell als dt. Wort gelten zu dürfen. Keine Ausnahmen. Sorry, so sind auch in den heutigen, liberalen Zeiten die Regeln.

Auch ich wurde 1975, also im Jahr meiner Ankunft in Deutschland, mit einem Artikel versehen. Man nannte mich „der PJ“ (sprich „piedschäj“). Ja, ich bin ein Der. Ich bekam sogar einen zweiten Artikel verpasst. Denn manche (meistens Frauen) sagten zu mir damals auch „das PJlein“. Heute übrigens nimmer. Bin wieder bei einem Artikel gelandet.

Und„Hype“? Wie lautet hier der Artikel?

Ich persönlich hätte „die“ gesagt. Und mit gutem Grund. „Hype“ auf Englisch ist eine Abkürzung von „hyperbole“ („Übertreibung“), was mit „Hyperbel“ verdeutscht wird. Ein ausgesprochen feudales Wort. Auch „Hype“, bedeutet „Übertreibung“.

Für diejenigen, die gern etwas mehr in die Tiefe gehen: Die Vokabel „hyperbole“ wird von zwei griechischen Wörtern: „hyper“ (über) und „bole“ „(Wurf) zusammengeschustert. „Hyperbolen“, bzw. „Hyperbeln“ entstehen also, wenn etwas zu weit geworfen wird. Ist doch logisch.

Wie schon gesagt: Ich hätte auf „die Hype“ getippt, da das Wort mit „die Hyperbel“ verschwistert ist.

Dem ist aber nicht so. Man sagt „der Hype“. Manche sogar „das Hype.“

Aber warum? Meine Frau ist der Meinung, dass die Neigung zur Übertreibung durchaus eine männliche Charaktereigenschaft ist. Vielleicht hat sie recht. Ich weiß es aber leider nicht. Und deshalb ist Deutsch so schwierig.

Wie dem auch sei. Ich bin überzeugt, dass wir es mit einem wertigen Neuling in der deutschen Sprache zu tun haben und sage: „Lieber Hype, du bist großartig! Willkommen in Deutschland. Fortan bist zu zuhause.“

Gestapo spielen mit Gary

Mein erster Deutschlehrer war mein Cousin Gary. Leider lebt er nicht mehr. Er hätte sich gefreut, dass ich über ihn schreibe.

Eigentlich hatte Gary kaum Deutschkenntnisse. Immerhin mehr als ich. Er konnte, zum Beispiel, „Achtung!“ sagen, wobei die Betonung auf der zweiten Silbe lag. Auch „Schweinehund!“ zählte zu seinen Lieblingswörtern der deutschen Sprache. Er sagte aber „Schweinhund!“ auch mit der Betonung auf der zweiten Silbe.

Gary hat mir auch das „Gestapospiel“ beigebracht. Sie kennen es wahrscheinlich nicht.

Am Anfang des Spiels warf er mich grob auf den Boden und setzte sich auf mich. Ich war ein dürres Kind mit dünnen Beinchen wie eine Schnake. Er war sieben Jahre älter und entsprechend schwerer. Er drückte meine Arme mit seinen Knien fest gegen den Boden und fragte als erstes – auf Englisch – mit Fantasiedeutschem Akzent: „Wat iss jor näm?“ Also, „What is your name?“.

Unterdessen kicherte ich viel, obschon es mir nicht ganz wohl zumute war. Denn ich fühlte mich wie plattgedrückt von ihm. Ich antwortete aber ganz aufrichtig mit meinem echten Namen.

Es folgten aber sogleich endlose Watschen. Die taten nicht schrecklich weh aber doch ein bisschen. Obendrein war ich fixiert gegen den Boden. Und während er mich ohrfeigte, brüllte Cousin Gary vergnügt…“Ju lei, ju lei!!“ Also, du lügst, du lügst. Ich lachte natürlich, aber nicht ohne eine Portion Unbehagen.

Dann kam die nächste Frage: „Wer du ju liff?“ Also, where do you live. Wieder versuchte ich ehrlich zu antworten – immer der Brave. Denn so einer war und bleibe ich…

„Ju lei! Ju lei!“ kreischte er, und es regnete wieder Watschen. Und ich? Ich lachte.

Nun die dritte Frage… nach meiner Telefonnummer und weitere Watschen, egal was ich antwortete, und Beschimpfungen, dass ich lüge. Bis dahin war ich den Tränen nahe. Doch das wusste Gary nie, weil ich noch immer lachte, wenn auch ein bisschen hysterisch.

Irgendwann pflegten meine Mutter und seine Mutter ins Zimmer zu stürmen. Sie rügten Gary und tröstete mich das arme Baby oder so.

Egal. Das Spiel machte Spaß, weil ich Gary sehr schätzte; und wir spielte es immer wieder gern.

Ja, so war mein Einstieg in die dt. Sprache und Kultur.

Eigentlich wollte ich heute über ein anderes Thema schreiben. Aber dann fiel mir die Geschichte mit Gary ein. Nicht allerdings von ungefähr, wie ich unten erklären werde. Heute wollte ich nämlich den Unterschied zwischen dem deutschen Wort „liberal“ und dem englischen „liberal“ (gesprochen „libbr’l“) erläutern.

Wieso komme ich darauf? Weil ich heute auf einen Kommentar in der New York Times gestoßen bin, geschrieben (auf Englisch?) von der deutsch-kroatischen Schriftstellerin Jagoda Marinic. Die Überschrift lautete „In Germany, liberals bond over Trump“. Zu Deutsch: In Deutschland, schließen sich die Liberalen zusammen“.

Fakt ist aber: Der Titel passt nicht zum Inhalt des Textes, und ich weiß, warum: Frau Marinic verwendet in ihrem Text den Begriff „liberal democracy“ (die sie durch Mr. T. bedroht sieht). Dieser Begriff hat den Editor offenbar in die Irre geführt.

Denn Europäer – und damit meine ich nicht nur Deutsche – verstehen unter dem Wort „liberal“ etwas ganz anders als Amerikaner.

Und so kam ich auf meinen lieben Cousin Gary. Vor einigen Jahren sprachen wir am Telefon und kamen u.a. aufs Thema Politik, wobei ich den Neo-Liberalismus“ kritisierte. „Na, endlich bist du erwachsen,“ sagte Gary erfreut, „Du distanzierst dich von den „liberals“.

Seine Bemerkung hat mich zunächst ein wenig verwirrt. Bis es mir einfiel, dass dieses Wort in den USA einen anderen Sinn hat als in Europa.

„Libb’rl“ auf Amerikanisch bedeutet „Linker“. Der linke Flügel der SPD, die Grünen und natürlich die „Linke“ würde man im amer. Sinn, als „libbr’ls“ bezeichnen. Der europäische „Liberal“ ist in den USA vielmehr ein „conservative“ oder „pro-business“.

Das hab ich dann Gary erklärt. Hat er nicht gewusst, gab er zu. Er hat übrigens auch das Gestapospiel längst vergessen.

Streifzug durch die Geschichte Ihrer Bank

Fangfrage: Wie nennen Sie den Menschen, mit dem Sie über Ihr Depot konsultieren (falls Sie ein Depot haben)?

Es hat mir Mühe gekostet, obigen, sehr komplizierten Satz zu formulieren, damit ich die Antwort mit der Frage nicht gleich verrate.

Um Missverständnisse auszuräumen: Ich meine hier nicht den netten Menschen, mit dem Sie am Schalter Kontakt haben. Mit dem brauchen Sie keinen Termin zu vereinbaren.

Keinen Stress. Dies ist keine Prüfung, lediglich der Einstieg in einen sprachgeschichtlichen Exkurs.

Doch jetzt zur Sache.

Als ich 1975 in Deutschland ankam, bezeichnete man diesen Menschen als „Bankier“ (sprich: bahn-k‘jej), was eigentlich die Verdeutschung des französischen „banquier“ ist.

Dieses Wort ist ein klares Bekenntnis dazu, dass ein Hauch des exotischen (d.h. französischen) um diesen Beruf noch wehte. „Morgen habe ich einen Termin bei meinem Bankier.“ „Mein Bankier meinte, ich sollte eine Staatsanleihe kaufen.“ usw.

Auch ich habe die Vokabel „Bankier“ damals verwendet, obgleich ich selber nicht in der Lage war, einen zu haben, den ich als „meinen Bankier“ hätte beschreiben können. Ich habe mir das Wort einfach übernommen, weil es jeder sagte. So lernt man eine Fremdsprache.

Doch eines Tages gab es plötzlich keine Bankiers mehr – als wären sie beinahe über Nacht von einer mysteriösen Seuche weggerafft worden. Das Wort hörte man nicht mehr – außer im Gespräch mit älterer Herrschaft, die nicht auf dem Laufenden war bzw. sein konnte.

Auf einmal hieß der Mensch, mit dem ich über Aktien, Wertpapiere, Festgeld usw. redete, der „Banker“ (sprich: „bä(n)-kerr). Das Wort wurde eins zu eins aus dem Englischen übernommen. Wir schreiben das Jahr 1981 oder so. Der Gebrauch des Denglischen hatte gerade Hochbetrieb.

Dass aber der Bankier zum Banker wurde, hatte einen anderen Grund als Mode. Damals (genauer gesagt ab 1979) war etwas in der finanziellen Welt geschehen, das den Banker schleunigst zum Schlagwort erhob, so dass er alsbald Einzug in die dt. Sprache nahm:

Damit meine ich die Derregulierung der Banken, die dank einer Entscheidung des US-Kongresses ein Geldtsunami verursachte. Zur Erinnerung: Ab 1979 bekamen die Banken (zuerst in den USA, dann auch in Europa) die Freiheit, hauptgeschäftlich mit Geldanlagen zu brillieren. Wo früher die Bank als Hort der Ersparnisse des kleinen Manns galt, ging es fortan um Investitionen. Neu Deutsch: Investment Banking. Das Sparbuch wurde zum Nebenbrot.

Der Mensch, der den Kunden die Möglichkeit zu profitablen Investitionen animierte, hieß nun der Banker. Und so war die Situation einige Jahre, bis das Wort absolut selbstverständlich wurde.

Zwischen 1994-1998 lebte ich mit Familie in den USA. Während dieser Zeit habe ich offensichtlich einen sehr wichtigen Sprachwandel verpasst. Denn als wir nach Deutschland zurückkehrten, stellte ich fest, dass mein „Banker“ nun mehr „Berater“ hieß.

Warum nicht? hab ich damals gedacht. Immerhin will er – oder sie – mich beraten. Wie soll ich sonst den Irrgarten der Investitionsmöglichkeiten (bzw. Investmentmöglichkeiten) verstehen.

Ich wäre sogar gern dabei geblieben. Doch eines Tages stelle ich erneut fest, dass sich etwas im Bankgeschäft getan hatte. Und es hat mich mächtig überrascht. Ich redete zwar immer noch vom „Berater“. In den Schreiben meiner Bank aber hieß dieser Mensch plötzlich anders. Er (oder sie) war mein(e) „Betreuer/in“.

Und deshalb, liebe Investoren, Investorinnen, haben Sie heute auf der Bank eine(n) Betreuer/in. So jemanden hat man auch im Krankenhaus, in der Irrenanstalt und im Altersheim. Man soll sie nicht verwechseln, behauptet man auf der Bank.

Hier lernen Sie Englisch zu sprechen wie ein Native!

Heute Englischunterricht beim Sprachbloggeur!

Diesmal aber etwas besonders. Heute bringt Ihnen der Sprachbloggeurteam bei, wie man schnell eine gute Aussprache erreicht.

Notabene: Es handelt sich hier nur um die amerikanische Aussprache. Fürs Queen’s English sind wir beim Sprachbloggeur nicht zuständig. Sorry.

Die gute Nachricht vorab: Ums Amerikanische überzeugend zu speaken, brauchen Sie nur eine einzige Regel zu beherzigen. Ich setze freilich voraus, dass ihre Kenntnisse meiner Muttersprache sonst so weit sind, dass Sie ebenso viele Fehler machen wie ich. Wie aber gesagt: Es geht um eine einzige Regel!

Wissen Sie zufällig, wie Amerikaner die deutsche Sprache beschreiben? Sie behaupten, dass sie kehlig („guttural“) klingt, so als würden Deutsche beim Reden gurgeln. Wenn Amerikaner diese Fremdsprache nachahmen – auch wer da keine Kenntnisse (was für die meisten zutrifft) hat – der reiht endlose Kehllaute aneinander. Etwa: „Cha b’cha chu ach che lach lech chatsch. Achtung!“ So klingt Deutsch in den Ohren eines Amerikaners.

Wenn Sie meinen, dass das gemein und ignorant anmutet, denken Sie nur daran, was Deutsche übers Amerikanische sagen. „Die reden, als würden sie Kaugummi im Mund haben!“ Und dann spricht man eine Silbenreihe aus, die sich ungefähr folgendermaßen anhört: „Rrrrrörr börrrr föörrr, görrr mörrrr, yes!“ Notabene: Das „R“ in diesem Beispiel wird von Sprachwissenschaftlern als „alveolar“ bezeichnet, ein Laut, den es im Deutschen gar nicht gibt und der erinnert an einen Harley, wenn er an der Ampel steht, oder ans Knurren eines skeptischen Hundes.

Nebenbei: Das „Alveolar-R“ ist eine avis rara (seltener Vogel) im phonologischen Repertoire. Ich kenn es sonst nur in manchen niederländischen Dialekten, im Gälischen und im Mandarin-Dialekt des Chinesischen.

So sieht es mit den Vorurteilen aus. Tatsache ist aber: Deutsche, die meinen, dass der Ami klingt wie einer, der seinen Mund voller Kaugummi hat und Amerikaner, die meinen, Deutsche reden „guttural“, also „kehlig“, irren beide.

Der beidseitige irrige Eindruck entsteht jedoch aus einem sehr logischen Grund.

Und damit kommen wir endlich zum Knacklaut.

Dieser im Deutschen stark vertretene Laut wird komischerweise nicht einmal durch einen eigenen Buchstaben dargestellt, und trotzdem ist er die Ursache dafür, dass Amerikaner meinen, dass sich Deutsch „guttural“ anhört und Deutsche, lästern, dass Amerikaner reden, als würden sie den Mund voll haben.

(Noch eine Beigabe: Im Arabischen kommt der Knacklaut eher auf seine Kosten und erhält ein eigenes Schriftzeichen, das man „hamsa“ nennt. Im Hebräischen dient der Buchstabe „alef“ dem gleichen Zweck).

Wo findet man diesen Knacklaut? (Sprachwissenschaftler sagen „Schwa“). Er steht im Deutschen unmittelbar vor jedem anlautenden Vokal. Wir werden es hier zur Veranschaulichung mit einem "*" darstellen: *Apfel, *er*innern. Hören Sie den „Knack“? Dank diesem "*" hört man im Deutschen überall Wortgrenzen. Deutsch klingt nicht „guttural“. Es macht sprachrhythmisch ein „tak tak tak tak…“ wie ein trabendes Pferd.

Im Englischen ist alles anders. Der Knacklaut fehlt fast immer (außer einer redet mit einem Idioten oder einem Ausländer). Wenn ein Deutscher “an apple“ sagt, hört man sofort ein „*an *apple“. *Er wird gleich *als Nichtmuttersprachler ge*outet. Der Amerikaner hingegen nuschelt etwas dahin, das für deutsche Ohren wie „na-pell“ klingt. „*An *apple *a day keeps the doctor *away“ mutiert für den amer. Muttersprachler zu „na-pallad day keepsa-do-kterra-way“.

Englische Sätze klingen für jemanden, der nur die Schriftsprache kennt, wie Leiber ohne ein Gerippe. „If you want to go“ wird zu „ffya-wanna-go“.

Ja, liebe Lesende. Das ist das Prinzip. Üben Sie fleißig. Bald klingen Sie so unpräzise wie ich.

Genug des Sprachunterrichts für heute.

Vogelschiss und andere zersetzende Erzeugnisse

Es ist lange her, dass Jimmy Carter Präsident der Vereinigten Staaten war. Manche (vor allem in Europa) waren damals mit seiner Wahl unglücklich, und sie lästerten. Da er aus der Landwirtschaft stammte und Erdnüsse anbaute, beschimpfte man ihn als „Erdnussfarmer“, als würde das bedeuten, er wäre unfähig, sein Land zu regieren.

Netter Trick. Mit einem einzigen Wort (manchmal sind es mehrere) kann etwas oder jemand entwertet werden.

Und damit sind wir bei den Schlagworten gelandet, auch „Slogan“ genannt. Letzteres stammt übrigens aus dem Keltischen und bedeutet „Schlachtruf“, da der Gebrauch eines Schlagwortes stets etwas Kämpferisches und Aggressives beinhaltet.

Der Trump Donald ist in dieser Taktik ein Meister. Er erfindet Spitznamen für alle und alles. Kandidat Trump bezeichnete seine Gegnerin Hillary Clinton als „Crooked Hillary“, also die „linke“, die „korrupte“ Hillary. Er wiederholte den Slogan so oft, bis er überall haftete.

Die New York Times, weil sie seiner Art Politik kritisch gegenüberstand, wurde zur „failing New York Times“, etwa, ,“in die Pleite versinkend“ reduziert. Der Tweeter-in-Chief der Vereinigten Staaten verwandelte diese Losung durch endlose Wiederholungen in eine Zauberformel, die die Zeitung schwächen sollte. Bisher allerdings hat der Zauber in die andere Richtung gewirkt: Die NY Times hat an Lesern gewonnen. Na ja. Kommt auch mal vor.

Ähnlich der Washington Post: Trump beschimpft sie, da sie das Eigentum des Amazon-Gründers Jeff Bezos ist, als „Amazon Washington Post“. Auch sie gedeiht.

All dies lediglich als Einleitung zu einem Fall des Sloganismus, der mich seit Tagen irritiert. Und jetzt muss ich leider in trübem Wasser waten. Es geht um den sog. „Vogelschiss“-Zitat des AfD-Chefs Alexander Gauland. Gauland wurde in den Medien fast einhellig angegriffen. Es ging um folgenden Satz. Ich zitiere: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“

Der Aufruhr darüber war riesig. Historiker, Journalisten, Verbände aller Arten und Couleuren einigten sich zum Angriff gegen den offensichtlich „Hitler-verharmlosenden“-Gauland.

Aber warum? Bitte nicht schimpfen, liebe Lesende, wenn ich diese Frage stelle. Warum die Aufregung? Ich habe den Satz mehrmals gelesen und verstehe die negative Reaktion immer noch nicht. Zugegeben: Gauland ist Chef der AfD, und es gilt momentan als salonfähig, diese Partei zu missbilligen. Vielleicht, weil sie gewisse Themen für sich beansprucht, die die anderen, sog. bürgerlichen Parteien zu sehr vernachlässigt haben, Themen, über die viele Menschen, die keine Nazis sind, ernsthaft nachdenken.

Von daher nimmt man jede Gelegenheit wahr, auch diese mit dem Vogelschiss, um die AfD mit Schimpf zu bekleckern. Man braucht das Wort „Vogelschiss“ bloß zu sprechen, und zack! jeder weiß, worum es geht.

Ich bin kein AfD-Anhänger. Dennoch halte ich diesen Angriff bezüglich des Vogelschisses für opportunistisch und zynisch. Diese unsachliche Kritik wird noch rätselhafter, wenn man die Sätze der Gauland-Rede, die den mit dem Vogelschiss vorangehen, zur Kenntnis nimmt. Ich zitiere:

"Wir haben eine ruhmreiche Geschichte, daran hat vorhin Björn Höcke erinnert. Und die, liebe Freunde, dauerte länger als die verdammten zwölf Jahre. Und nur, wenn wir uns zu dieser Geschichte bekennen, haben wir die Kraft, die Zukunft zu gestalten. Ja, wir bekennen uns zu unserer Verantwortung für die zwölf Jahre. Aber, liebe Freunde, Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte."

Okay, ich persönlich halte nicht alles, was in den letzten 1000 Jahren in den deutschen Ländern geschehen ist, für „ruhmreich“ – auch wenn man von den besagten „Vogelschiss“-Jahren absieht. Die Gauland-Rede ist aber nun mal eine politische (sprich: nicht besonders differenzierte) Rede gewesen, und man will sie in diesem Zusammenhang einordnen.

Doch warum soll man die Nazis nicht mit „Vogelschiss“ vergleichen? Wenn Sie meinen, Vogelschiss sei etwas Triviales, dann irren Sie sich. Jeder Denkmalschützer kann ein Lied von der zersetzenden Wirkung dieses Naturstoffes singen.

Und nun wird aus „Vogelschiss“ ein Schlachtruf. Lustig. Oder vielleicht nicht so lustig. Den Schuss-nach-hinten gibt’s auch. Siehe oben.

Was! Hab ich heute was Politisches geschrieben?! Furchtbar! Ich verspreche Besserung. Ab nächster Woche wieder das übliche, der täglichen Welt entrückte Zeug.

Der Sprachbloggeur hilft Ihnen zu Ihrem Bestseller

Denken Sie dran mal ein Buch zu schreiben, genauer gesagt einen Knüller, über den jeder spricht? Dann sind Sie hier richtig!

Oder vielleicht haben Sie dieses Buch bereits geschrieben und sogar an die Verlage als Exposé mit Textprobe rumgereicht, um lediglich ein paar Absagen oder gar keine Antwort zu ernten.

Geben Sie aber nicht auf! Denn sollte es Ihnen gelingen, Ihr Buch doch groß rauszubringen, werden diejenigen, die es abgelehnt haben, Sack und Asche tragen. Umso mehr, wenn sie die tollen Kritiken lesen und die Verkaufszahlen bei Amazon begaffen.

Dann, liebe/r Bestsellerautor/in, werden Sie Lesungen überall in Deutschland – vielleicht auch in Österreich und in der Schweiz – halten. Man wird Sie vom Flughafen abholen und in schönen Hotels oder Pensionen unterbringen, wo der Frühstückstisch aussieht wie Weihnachten im Jachtklub.

Ihre Gastgeber, d.h., diverse Journalisten und Kulturbetreibende, werden sie geistreich unterhalten, schmeicheln, Sie umwerben, so dass Sie am Ende des Tages furchtbar erschöpft und schrecklich einsam ins Bett fallen werden. (Ja, so ist das Leben im Hotel).

Derweil aber werden sich die Bücher wie „heiße Tamales“ (Amerikanismus) verkaufen, und man wird Sie, solange Interesse besteht, inbrünstig bewundern.

Vergessen Sie aber nicht: Wir schreiben das Jahr 2018. D.h.: Sie müssen, um Ihr Projekt gute Erfolgschancen zu gewährleisten, einiges an Zeit investieren.
Damit meine ich: Vergessen Sie nicht, Ihre Präsenz bei Instagram, Linkedin, Whatsapp, Twitter usw. zu kultivieren. Im Augenblick ist die Sache mit Facebook noch etwas unsicher, aber wer weiß? Vielleicht ist Facebook bald wieder im Kommen. Ach ja, und YouTube. Wäre toll, wenn Sie ein YouTube-Publikum hätten. Noch besser: wenn ein Video von oder mit Ihnen, viral gegangen ist!

Ach ja. Und vergessen Sie ja nicht, Ihren Blog zu kultivieren. Ein Blog ist stets die halbe Miete. Es sieht echt blöd aus, wenn die Leute nach Ihrer Präsenz suchen und Sie nur bei Instagram, Linkedin, Whatsapp, Twitter usw. finden. Ja, so ist das Showbusiness. Denken Sie an die Kardashian-Familie!

Übrigens: Sie können es auch ruhig eine Weile mit dem Schreiben lassen – ich meine, nachdem Sie Ihren Knüller bereits geschrieben haben, damit Sie sich ganz auf das Tamtam konzentrieren können. Sie sind nun schließlich ein Unternehmen, eine Art Tante Emma Geschäft der Kulturwelt.

Will sagen: Täglich müssen Sie Ihren „Garten“ (Sie wissen, was ich damit meine) begießen, bis Ihr Name so bekannt ist, dass keiner fragen wird: „Wer ist denn das? Ich kenn den Namen nicht.“

Nebenbei: Falls Sie Ihr Buch noch nicht verkauft haben, wäre ein/e Agent/in vielleicht nützlich. Sie sind wie goldene Brücken! Achtung: Sie möchten aber becirct werden.

Ja, der Preis gehört Ihnen…fast.

Übrigens, worum geht es in Ihrem Buch? Egal. Das Thema muss halt packen. Packen, packen packen. Schaffen Sie das? Hören Sie, dies ist eine ernste Frage. Packt es, ich meine, trifft es einen Nerv? Egal was für einen!

Aber wenn Sie sonst alles richtig gemacht haben, wird das Buch selbst beinahe zu Nebensache! Komisch, gell?

Nein, ich meine es nicht so. Ich weiß, dass Ihnen Ihr Buch sehr wichtig ist. Ich will Ihnen nur helfen, es zu verkaufen. Das ist nicht schlimm, oder?

Notabene: Bin auf Entdeckungsreise. Neues erst im neuen Monat wieder.

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