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Dem Fernseher fehlt die Pausetaste

Haben Sie gewusst, dass es vor 200.000 Jahren in Syrien Kamele gegeben hat, die zweimal so groß waren wie die heutigen? Das habe ich gestern im Internet erfahren.

Auch Menschen lebten damals in Syrien, so erfuhr ich an gleicher Stelle, und sie hatten Werkzeuge aus Feuerstein – oder war das rostfreier Stahl? Wenn ich schnell lese, verheddere ich mich manchmal in den Details.

Wie dem auch sei, das ist alles ziemlich lange her. Und letztendlich rätselte ich über eins: Wie haben es die Menschen damals geschafft, diese Riesenkamele zu besteigen, um sie durch die Wüste zu reiten?

Ich nehme jedenfalls an, dass sie sie durch die Wüste ritten. Wozu braucht man ein Kamel, wenn es keine Wüste gibt?

Und damit komme ich zum eigentlichen Thema: Mein Urlaub. Inzwischen liegt „die schönste Jahreszeit“ zwei Wochen zurück. Der Erholungseffekt ist natürlich längst verbraucht. Ich denke an diese Zeit wie an einen Traum, von dem man nur noch Bruchstücke ins Tagesbewusstein hinübergebracht hat.

Wir – das heißt, meine Frau und ich – verlebten diese zwei Wochen in einem winzigen Dorf etwa zehn Kilometer südlich vom Gardasee. Richtiges Landleben, will sagen, unentwegt Vespaverkehr, grollender Traktorenlärm. Möchtegern-Grandprix-Teilnehmer in alten Alfa-Romeos bretterten zu jeder Tageszeit um die Kurve, und mindestens dreihundert verbissene Radfahrer pro-Stunde strampelten am Frühstückstisch vorbei. Nur wenige winkten uns zu.

Nur eins hatten wir nicht – und deshalb der Hinweis auf Altsyrien: eine DSL-Verbindung. Jawohl. Stellen Sie sich vor: zwei Wochen ohne das WehWehWeh. Genug Zeit, um sich auszumalen, wie man ein sechs meter hohes Kamel besteigt (hätte ich davon schon gewusst).

Ich habe also zwei Wochen so gelebt wie unsere Vorfahren. „Abenteuerurlaub“ nennt man das heute. Diese Gegend ist von der heutigen Zivilisation so sehr unberührt, dass die Einwohner noch immer einen eigenen Dialekt des Italienischen sprechen, den der Außenstehende nicht versteht, egal wie gut er Italienisch kann. „Bresciano“ heißt die Sprache. Auf Italienisch sagt man, zum Beispiel „Pane di genero pane di cenere“. Wörtlich: „Das Brot des Schwiegersohns ist das Brot der Asche.“ Keine Ahnung, was das bedeuten soll. Es klingt jedenfalls auf Bresciono folgendermaßen: „Pa da zöndar pa da söndar.“ Alles klar?

Vielleicht fragen Sie sich, wie man zwei Wochen ohne Internet überlebt. (Diese Frage stellen freilich nur diejenigen, die noch kein iPhone oder sonstiges „Smartphone“ besitzen. Die sind natürlich überall erreichbar – auch in Altsyrien. Ich besitze kein „Smartphone“). Erschwerend für uns war auch die Tatsache, dass wir kein Auto hatten. Wir sind nämlich mit dem Zug nach Desenzano gefahren und wurden von unseren Freunden dort abgeholt. Nur in dieser Stadt, die mich an Pompeii erinnert, kann man ausländische Zeitungen finden. Wir kamen nur dreimal nach Desanzano.

Praktisch abgeschottet von der Außenwelt waren wir also. Wir waren ganz aufs Satellitenfernsehen angewiesen und hatten nur das gesamte Progamm aus Deutschland als Informationsquelle. Täuschen Sie sich aber nicht. Das ist nicht viel. Es war wie eine Reise in die Vergangenheit. Wir hockten alle miteinander um das Fernsehgerät, um das Neueste über Michael Jackson zu erfahren oder um „Tatort“ zu sehen. Es war wie zu Urzeiten. Denn stellen Sie sich vor: Es gibt im Fernsehen keine Pausetaste. Wenn man redet, läuft die Kiste einfach weiter. Man kann also leicht etwas verpassen. Ich sehe deshalb, ehrlich gesagt, keine Zukunft für diese alte Technologie und fürchte das Schlimmste: schon wieder neue Arbeitslose aus der Medienbranche.

Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen: Diese Glosse beginnt mit einer kurzen Reise in die weite Vergangenheit und endet mit Gedanken über die Zukunft der Medien . Ein ganzer Bogen wird also gespannt: von den Riesenkamelen zu den ollen Kamellen – oder wie man auf Bresciano sagt: „La bolp la pert al pel e mio i vise“. Ich halte eine Übersetzung hier für überflüssig.

Wie ich die Zeitung zu lieben lernte

Freund Rick war ein wilder Junge, und ich werde Ihnen hier nur die anständigsten Geschichten über ihn erzählen. Auch sie sind nicht ganz ohne.

Wer lernten uns in Santa Barbara kennen. Das war vor mehr Jahren als manche, die diese Zeilen gerade lesen, alt sind.

Er war ein wilder Junge, und wir lebten in einer wilden Zeit. „Achtundsechsiger“ bedeutet auf Deutsch „politisch aktiv“. Die meisten von uns in den USA damals haben nur wenig von der Politik und erst recht nichts von den Feinheiten des Marximus verstanden. Wir wollten die Welt unpolitisch verändern – durch die Liebe.

Sind Sie noch da, liebe Leser? Keine Bange. Hier folgt kein Traktätchen über die Liebe. Wir haben geglaubt, dass wir jegliche Oberflächlichkeit und sonstige Trägheit des Willens durch eiserne Ehrlichkeit überwinden könnten.

Aber zurück zu Rick – nie „Ricky“ oder „Dick“ oder „Dicky“ oder „Richard“. Nur Rick. Er war kein Intellektueller und hatte nur ein Buch: Das Gesamtwerk des William Blake. Blake war Mystiker, der Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts in England lebte und manche unglaublich schönen Gedichte geschrieben hatte. Etwa die „Songs of Innocence and Experience“ – die Lieder der Unschuld und der Erfahrung. Wenn Sie mehr über ihn wissen wollen, besuchen Sie Wikipedia und Co. Auch Blakes „The Marriage of Heaven and Hell“ – Hochzeit des Himmels und der Hölle – zählten zu meinen Lieblingswerken. Eins der Sprichwörter der Hölle zitiere ich noch immer: „The road of excess leads to the palace of wisdom“. Zu Deutsch: Die Straße des Übermaßes führt zum Palast der Weisheit – was manchmal auch stimmt, wenn auch (leider) nicht immer. In meiner Jugend habe ich diesen Spruch jedenfalls zum persönlichen Motto erhoben.

Wahrscheinlich liegt die Schuld bei mir, dass Rick zum Blake-Fanatiker wurde. Seine Lieblingswerke von Blake waren aber nicht die oben erwähnten. Er vertiefte sich in die sogenannten „Prophetischen Büchern“. Es waren komplizierte Mythen in einer wirren Sprache über die Zukunft Amerikas, Frankreichs etc. Ich habe nix verstanden. Rick glaubte, in diesen Schriften aber den Schlüssel zur letzten Weisheit  entdeckt zu haben und zitierte gnadenlos daraus, als handelte es sich um die Bibel. Es war furchtbar lästig.

Doch er konnte auch auf einer sehr liebenswürdigen Art verrückt sein – zum Beispiel, als er in den Besitz einer Kreditkarte kam. Sie müssen verstehen: Damals waren Kreditkarten eine Weltneuheit. Wie er zu seiner Kreditkarte kam, weiß ich nicht mehr. Denn Rick war eigentlich mittellos. Mit der Kreditkarte konnte er sich aber plötzlich alles leisten, was sein Herz begehrte.

So lud er mich öfters ins Restaurant ein. Stolz zückte er die Zauberkarte und alles war erledigt. Wenn er Benzin für seinen Wagen brauchte, tankte er einfach und bezahlte mit der Karte. Es war wie im Traum.

Diese Konsumerorgie gipfelte in einem Flug nach Ohio, seiner Heimat. Doch dort lauerte die Bundespolizei-FBI schon. Es hat sich offenbar in den Ämtern herumgesprochen, dass Rick mit seiner Karte nur Schindluder trieb. Mein Freund Rick kehrte, wie er mir später stolz berichtete, im Flugzeug nach Kalifornien zurück – diesmal allerdings in Handschellen. Er kam komischerweise glimpflich davon. Ich erinnere mich an die Details nicht mehr.

Was soll ich sagen? Ich erzähle von einem Zeitalter, das der Gegenwart kaum weniger weit entrückt ist wie das römische Kaiserreich. Es herrschten andere Sitten als heute.

Mir fällt Rick heute ein, weil er mich zu einem Zeitungsleser gemacht hat. Um ehrlich zu sein: Damals las ich so gut wie keine Zeitungen, ich besaß auch keinen Fernseher und hörte im Radio keine Nachrichten. Ich war sozusagen schlecht informiert.

Eines Tages las mir Rick aus der Santa-Barbara-News-Press vor. Es war die Rubrik „Diverses“. Es standen nur die verrücktesten Dinge drin. Er erzählte mir , z.B., von einem Mann, der schwanger zu sein glaubte und die entsprechende ärztliche Vorsorge verlangte. Dann war da die Geschichte von dem Typen, der einen Bowlingball klauen wollte, dessen Finger aber in den Löchern stecken blieben. In diesem Zustand hat man ihn aufs Revier gebracht. Es dauerte drei Tage, bis die Finger endlich befreit werden konnten. Etc. Etc. Rick hat mir die Rubrik „Diverses“ täglich vorgelesen. Einmal sagte ich ihm: „Und ich habe immer geglaubt, dass Zeitungen langweilig sind.“

Dank Rick begann ich selbst die Zeitung zu kaufen. Zuerst habe ich nur das „Diverses“ angeschaut. Allmählich habe ich mich auch für andere Seiten interessiert. Inzwischen bin ich zum „Newsjunkie“ geworden. Ja, alles Rick zu Dank.

Thanks, lieber Rick, wherever you are.

Brief an Michael Jackson im Neverland

Sehr geehrter Herr Jackson,

Lieber Michael (ja, man kann sich Dir so nahe, so intim fühlen),

im Namen der ganzen Industrie möchte ich mich für Ihr/Dein plötzliches Ableben herzlichst bedanken.

Ich meine dies keineswegs respektlos. Wir hätten es ebenso begrüßt, wenn Sie/Du noch viele Jahre weiter gedeihlich auf Erden geweilt hätt/en/est. Denn egal, was Sie (Du) macht/en/est, waren/warst Sie/Du ein Publikumsmagnet.

Und das war für die Industrie schon immer ein Plus. Jeder wollte über Sie/Dich Bescheid wissen: wie es dazu kam, dass sich Ihre/Deine Hautfarbe verändert hatte; wie vielen Schönheitsoperationen Sie sich/Du dir unterzogen hatt/en/est; ob Sie/Du den Knaben in Ihrem/Deinem Bett wirklich unsittlich berührt hätt/en/est. Und und und.

Seit Jahren hatten wir unsere Freude an Ihren/Deinen Auftritten, egal ob wir über Sie/Dich hergezogen oder Sie/Dich gelobt hatten. Das Publikum gierte stets nach Neuigkeiten, und wir haben ihm damit geholfen. Auch Ihre/Deine geplante Comebacktour hätte uns lange beglücken können. Man denkt wehmütig an all jene Berichte, die hätten darüber erscheinen können. Tja.

Man hätte gedacht: Ihr/Dein Tod würde den sprichwörtlichen Strich unter die Rechnung ziehen. Denn alle munkelte, das Spiel sei ohnehin aus – aus Altersgründen undsoweiter. Es war aber nicht so. Weshalb nun dieser Brief. Ich muss es endlich deutlich sagen. Sie/Du hatt/en/est stets das perfekte Timing. Das darf um Gottes Willen nicht auf ethnische Weise ausgelegt werden. Ihr/Dein rhythmisches Gefühl war bis zum Schluss perfekt.

Dieses letzte, äußerste Kunststück – und damit meine ich Ihr/Dein Tod – war geradezu genial! Damit haben/hast Sie/Du den aufrichtigen Dank der ganzen Industrie wahrlich gedient . Fakt ist: Wegen der momentanen Weltwirtschaftskrise waren in den letzten Monaten die Werbeeinnahmen, schwächer denn je, regelrecht eingebrochen. Schon befürchteten wir das Schlimmste.

Dann kam die Nachricht. Im Nu haben wir unsere Sonderhefte veröffentlicht (reich mit Werbung – denn diese Hefte versprachen zukünftig wertvolle Sammlerstücke zu werden)! Es war, als hätte der Herr im Himmel unser inbrünstiges Gebet erhört! Im Fernsehen strahlten wir auf jedem Sender außerplanmäßige Dokus über Ihr/Dein tragisches Leben aus. Die Zeitungen berichteten über intime Details, die jeden interessierte. Ihren/Deinen ganzen Werdegang erzählte man als traurige Moritat, als ewiges Lehrstück für Kinder.

Ja, Sie/Du sind/bist wieder wer! Und zwar für alle Ewigkeit! „Michael Jackson“ wird für immer zu einem Markennamen. Von den Gewinnen werden Ihre/Deine Kinder und Kindeskinder generationenlang zehren können: Aufnahmen der Proben für die Comebacktour, Hunderte von unveröffentlichten Liedern! Huch! Ich weiß, dass Sie/Du in letzter Zeit hohe Schulden hatt/en/est. Betonung aber auf der Vergangenheitsform!

Ihr/Dein Neverland wird bald zu einer vielbesuchten Pilgerstätte. Neben Neverland wird Lourdes bald alt aussehen! Haha. Sie/Du können/kannst kaum ahnen, wieviele Milliarden mit diesem Geschäft locker gemacht werden. Finanzkrisen währen nie ewig. Aber die Gewinne von Michael-Jackson-Produkten werden endlos fließen. Jawohl! Generationen von Unternehmern werden davon profitieren.

Wäre ich ein religiöser Mensch, so würde ich behaupten, Sie/Du hätt/en/est die Industrie mit Ihrem/Deinem Tod erlöst. Das sage ich nicht bloß so. Das meine ich mit ganzem Herzen und deshalb diese aufrichtigen Dankbarkeitsbekundung.

Zugegeben: Wir, d.h., die Industrie und Sie/Du, hatten manchmal unsere kleinen Differenzen. Doch wir liebten Sie/Dich schon immer, verehrter Herr Jackson, lieber Michael. Ehrlich. Und wir wünschen Ihnen/Dir einen angenehmen Aufenthalt im ewigen Neverland.

Ergebenst/in Liebe,

Ihr/Dein S. Tranquillo

Im Namen der ganzen Industrie

Hoffentlich das Letzte, was Sie über die "Illuminati" lesen müssen

Nach Jahrzehnten im „Geschäft“ stelle ich unentwegt fest: Ich bin kein Journalist. Das weiß ich, weil ich noch nie einen „Knüller“ „kassiert“ habe.

So ist es auch im vorliegenden Beitrag. Alle Kollegen sind mit dem hier zu erörternden Thema längst fertig. Ich fange erst damit an.

Jede Zeitschrift, jede Zeitungsredaktion hat schon seit Monaten gewusst, dass Dan Browns Thriller „Die Illuminati“ verfilmt wird. Ihre „Storys“ über „Illuminaten“ und sonstige Geheimorden erschienen also pünktlich zur Premiere des Films.

Film und Blätter bilden in diesem Fall eine synergetische Einheit. Notabene: „Synergie“ (wörtlich „Zusammenwirken“) war, falls Sie es nicht wissen, das Schlagwort schlechthin der „Neuen Ökonomie“, die uns neulich die Weltfinanzkrise beschert hat.

Das nur nebenbei. Im oben erwähnten Fall hat die Synergie wirklich gut funktioniert. Film und Printmedien haben sich gegenseitig beflügelt. Einerseits bekamen die Filmgesellschaften und die Kinos kostenlose Werbung; die Blätter wiederum hatten Gelegenheit einen „Dauerbrenner“ zu thematisieren und erhielten die Illustrationen obendrein gratis vom Film.

Nachdem ich Sie nun in die Feinheiten des Geschäfts eingeweiht habe, die nächste Frage:

Warum geilen „Storys“ über die „Illuminati“, bzw. „Illuminaten“ so sehr auf? Glauben Sie mir. Die Chefredakteure finden stets neuen Anlass, um über diesen Themenkomplex zu berichten. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Ich habe mindestens zwei- oder dreimal darüber geschrieben – natürlich in den üblichen schillernden Farben.

Ich gebe zu: Die Antwort auf meine Frage ist gar nicht kompliziert. Bei den „Illuminati“ handelt es sich um jene geheimnisvollen Dinge, die uns fast automatisch neugierig machen. Denn jeder macht sich Gedanken über die, wie soll ich es sagen, mysteriöse Seite des Lebens.

In meiner Kindheit gab es in den USA eine (damals) sehr bekannte Komikerin namens Martha Raye. Sie erschien im Fernsehen zusammen mit einem ehemaligen Boxer Rocky Graziano, den sie „Bubu“ nannte. In ihren Skizzen passierte stets etwas geheimnisvoll Bedrohliches, was ihnen jedesmal einen Schreck einjagte. Leider fallen mir momentan keine Beispiele ein. Ich kann mich nur daran erinnern, dass Martha Raye bei diesen Gelegenheiten immer in die starken Arme von Rocky gesprungen ist. Dann sagte sie ihm, während er ebenso verschreckt aussah wie sie: „It’s bigger than the both of us, Bubu.“ Es ist größer als wir beide. Das Publikum lachte. Ich auch.

Nicht anders läuft es bei den Illuminaten und Co. Immerhin: Es geht um eine Geheimordnung, die im Hintergrund alles steuert – sowas ist schon aufregend. Kein Wunder, dass soviele Menschen in die großen Verschwörungstheorien geradezu verliebt sind. Mit „Aktenzeichen XY“ usw. gibt’s immer den kleinen Nervenkitzel. Und es passieren wirklich soviele Sachen, für die wir keine Erklärung haben. Das Leben ist letztendlich wie ein James-Bond-Film. Geheimkräfte sind stets am Werk, und man sucht nach dem Superhelden 007 und Co., die uns vor Bösewichten retten sollen. Dan Brown hat diese Sache bestens verstanden.

Verdammt aufregend die Geheimorden, und wer weiß? Vielleicht gibt es sie wirklich. Und wir sind nur Roboter usw.

Ehrlich gesagt, habe ich „Die Illuminati“ nicht gesehen. Dafür habe ich das Buch gelesen. Auf Englisch heißt es „Angels and Demons“. Was heißt gelesen? Die ersten 1200 Seiten waren tatsächlich spannend. Ein „page-turner“ sagen wir über ein spannendes Buch. Die zweite Hälfte fand ich aber ziemlich strapazierend.

Nun wissen Sie meine Meinung über die „Illuminati“. Wie gesagt: Hoffentlich ist dies das Letzte, was Sie über dieses Thema lesen müssen.

PS: Der Sprachbloggeur macht ab Freitag Urlaub. Vielleicht komme ich dazu während dieser Zeit neue Beiträge zu schreiben. Vielleicht mache ich eine „kreative Pause“. Ich mache es nach Lust und Laune. Das menschliche Gemüt ist bekannterweise wie das Wetter – es regnet stets, wenn man Picknick machen will.

Kommt Zeit, kommt Ratte: eine mutige Selbstentblößung

Mit obigem Titel verweise ich auf ein besonderes Problem des Fremdsprachlers – zumindest dieses Fremdsprachlers.

Bis auf den heutigen Tag muss ich stets achtgeben, dass ich gewisse deutsche Wörter einigermaßen richtig auszuspreche. Konkret: Ich habe häufig Schwierigkeiten, zwischen bestimmten langen und kurzen Vokalen zu unterscheiden. „Ratte“ und „Rat“, „Stadt“ und „Staat“, „ermannen“ und „ermahnen“.

Während Sie längst den Unterschied frohlockend automatisiert haben, muss ich, wenn ich solche Wörter über die Lippen bringe, jedes Mal eine bewusste Entscheidung treffen.

Ich bin überzeugt, ich bin nicht der einzige englische oder amerikanische Muttersprachler, der mit diesem Problem zu kämpfen hat. Komischerweise betrifft es fast ausschließlich die Aussprache des langen und des kurzen „A“. „Betten“ und „beten“ zu unterscheiden, schaffe ich meisterhaft. Auch „poppen“ und „popeln“, „Tuch“ und „Tucke“ rollen mir geradezu fließend von der Zunge.

Als ich aber neulich am Telefon Freund Fritz erzählte, dass die Altgriechen am Gastmahl den Wein aus Schalen und nicht aus Gläsern tranken, merkte ich, dass ich „Schalle“ gesagt hatte. Ich pausierte kurz und wiederholte das Wort – diesmal mehr oder weniger richtig als „Schaaaaaale“. Auch die Ausprache von „Gastmahl“ erforderte bei mir eine gewisse Konzentration. Ich neige dazu „Gaaaastmall“ zu sagen. Diese Gefahr, das kurze und das lange „A“ durcheinander zu bringen, begleitet mich - wie Ohrensausen stets im Hintergrund - täglich durchs Leben, . Sie können sich vorstellen, wie ich darunter leide.

Vielleicht fragen Sie sich, wie ich nachts, von so einer Bürde geplagt, überhaupt schlafen (oder „schlaffen“?) kann (oder „kan“)? Ganz einfach: Kleinmut war für mich schon immer ein Fremdwort.

Aber warum ausgerechnet das „A“? Notabene: Ich stelle mir diese Frage hier als einer, der Deutsch auf dem zweiten Bildungsweg gelernt hat, zum ersten Mal. Und siehe da! Die Antwort ist mir eben eingefallen (eingefahlen?).

Stets zu Ihren Diensten ist der Sprachbloggeur.

Und jetzt wird das Geheimnis gelüftet: Ich bringe gerade diese Vokale so restlos durcheinander, weil wir Englischmuttersprachler das lange „A“ nicht kennen! Jawohl! So einfach ist es. Vor allem kennen wir es in Amerika nicht. Wir verfügen zwar über Wörter die ähnlich lauten wie das lange „A“, wir sprechen sie aber stets kurz aus – zum Beispiel „cot“ (Feldbett) „rot“ (verfaulen) „sot“ (Trunkenbold). Die Engländer haben es vielleicht ein bisschen einfacher. Wo wir Amerikaner das „Bad“ ein „bäth“ nennen (das „th“ wird selbstverständlich gelispelt), sagt der Engländer etwas das vokalisch ans deutsche „Bad“ erinnert. Dennoch ist dem Engländer sein „bath“ allemal kürzer als dem Deutschen sein „Bad“.

Nun habe ich Ihnen eine Schwäche aufgedeckt, die Ihnen erlauben wird, mich (und mir Ähnlichen) aus der Allgemeinheit aufspüren zu können. Falls Sie mal einem begegnet sind, der sich mit obigem Sprachfehler bemerkbar macht, können Sie davon ausgehen, dass Sie es möglicherweise mit mir zu tun haben, oder zumindest einem wie mir. (Als Geheimforscher in Sachen Sprache bin ich ja manchmal in der Republik unterwegs).

Man weiß nie, wo ich zufällig auftauchen könnte, um meine frohe Botschaft des Sprechenmüssens zu verkünden.

Seien Sie aber versichert: Auch wenn es heißt, ich müsste meine Anonymität wegen eines einfachen Vokals preisgeben, werde ich nie und nimmer verstummen. Der Sprachbloggeur bleibt im Einsatz – stets dem Wort auf der Spur.

Ja, und so muss es sein. Wenn man aufhört auf das Wort zu achten, wird es dann eines Tages wirklich heißen: „Kommt Zeit, kommt Ratte“.

Was die Maus erzählte

Können Sie sich vorstellen, wie Ihnen die Welt erscheinen würde, wenn Ihre Netzhaut nicht in Ordnung wäre? Nein, das können Sie sich nicht vorstellen, wenn Sie es nie erlebt haben.

Hier also – im wahrsten Sinn des Wortes – ein Augenzeugenbericht:

„Ich schaute über den Bodensee, aber das Wasser kam mir nicht flach vor. Mitten in meinem Gesichtsfeld erblickte ich einen Buckel – ja, einen Buckel auf dem Wasser. Es war mir sofort klar, dass es diesen Buckel in Wirklichkeit nicht geben könnte. Aber meine schlechte Netzhaut nimmt die Welt wellenartig wahr. Und oben auf dem Buckel sah ich einen Katamaran schweben.“

Ende des Zitats. Der Urheber bleibt anonym. Jeder hat das Recht auf seine Privatsphäre.

Was ich sagen will: Das, was das Auge als die Wirklichkeit wahrnimmt, ist nichts anders als ein Konsens. Er entsteht, wenn die meisten Menschen die Welt auf einer gewisser Weise erleben.

Und nun die nächste Frage: Wie klingt der Ruf einer Türkentaube? Erst letzte Woche habe während meines morgenlichen Spaziergangs ein Türkentaubenpärchen entdeckt. Man findet sie fast immer zu Zweit. Ich lauschte, und es kam mir vor, als würden sie „hu-hu-HUU“ rufen. (Manche hören übrigens ein „ku-ku-KUU“). Aber nun wollte ich etwas genauer hinhören. Ich stellte fest, dass ich mir das „H“ eingebildet hatte. Der Ruf war eindeutig vokalisch. Etwa: „u-u-UU“ oder vielleicht „uh-uh-UUH“. Übrigens: Bei uns in den USA heißen sie „mourning doves“, also „Trauertauben“. Das „uh“ oder „hu“ oder „u“ oder „ku“ wird konsensmäßig als trübsinnig wahrgenommen. „Mourning“ ist allerdings gleichlautend mit „morning“. Vielleicht kommt der Name aber daher? Ich glaube, dass sie ohnehin viel häufiger frühmorgens in die Welt rufen.

Alles jedenfalls eine Frage der Wahrnehmung. Aus gleichem Grund wird das Hundegebell je nach Konsens wahrgenommen. Im Englischen hört man ein „woof“ oder „bow-wow“ oder „arf“. (Notabene: Das „W“ ist als „U“ auszusprechen). Im Deutschen meint man ein „wau-wau“ zu hören. Wenn man aber genau hinlauscht, wird es klar, dass das Hundegebell rein vokalisch ist. Dito das „miau“ der Katzen. Das „M“ bilden wir uns schlichtweg ein.

Ich gebe zu: Ich habe Ihnen nichts Neues beigebracht. Dieses Erkenntnis hat jeder Mensch, ohne dass sich ein Schlaumeier wie ich mit Sentenzen über die Wahrnehmung wichtig machen muss.

Dennoch: So offensichtlich es ist, dass das, was man sieht und hört, konsensabhängig ist, haben Philosophen seit Jahrtausenden daraus komplizierte Gedankensysteme gemacht.

Das wird sich vielleicht bald ändern. Denn nun haben fleißige Genetiker am Max-Planck-Institut in Leipzig Mäusen menschliche FOXP2-Gene verpflanzt.

Das FOXP2-Gen wird von den Jungfrankensteinern als maßgebend fürs Sprachliche in Menschen angesehen. Wer weiß? Vielleicht werden die Mäuse – und später wohl auch andere Tiere – mal richtig zu sprechen anfangen.

Wenn schon, dann weiß ich, was die Mäuse als erstes zu sagen haben werden. Etwa Folgendes: „Pfui! Der Käse schmeckt scheußlich! Schon wieder einer dieser billigen Fertigkäse aus dem Supermarkt! Ich mag lieber einen würzigen alten Gouda oder einen pfiffigen Gruyère. Immer diese verdammten Sparmaßnahmen beim Max Planck! Warum müssen ausgerechnet wir die Folgen eurer Scheißfinanzkrise ausbaden? Ihr Menschen haben wirklich nicht alle Tassen im Schrank. Wetten, dass euch der Horizont des Bodensees flach vorkommt.“

Hier wird das Geheimnis des Ursprungs der Sprache gelüftet

Vorgestern abend war „Der Sprachbloggeur“ im Internet unerreichbar. Da der darauffolgende Tag den zwanzigsten Jahrestag der Niederschlagung der Studentenbewegung am Platz des himmlischen Friedens in Peking markierte, hätten Sie vielleicht denken können, dass die lange Hand der chinesischen Regierung den „Sprachbloggeur“ ausgeschaltet hatte, weil die Chinesen befürchteten, ich hätte die Absicht, etwas über den damaligen Protest zu veröffentlichen.

Wäre schon möglich, dass ich zu den unzähligen potenziellen Staatsfeinden gezählt werde.

Aber nein. Die Chinesen spielten hier, soweit ich das beurteilen kann, keine Rolle. Der Server, Heimat dieser Glosse, war einfach abgestürzt, und somit war jede Spur dieser wie auch anderer von diesem Server abhängigen Internetseiten verschwunden. So schnell passiert es im Zeitalter der elektronischen Information.

Doch nun habe ich das Thema Platz des himmlischen Friedens aufgegriffen. Und ich komme nicht umhin darüber zu staunen, wie zwanghaft die chinesische Regierung jene schrecklichen Ereignisse von vor zwanzig Jahren unterdrückt.

Eigentlich tun mir die Kaderisten leid - müssen soviel Lärm machen, um Schweigen zu erzwingen.

Hier haben wir es mit einem Bilderbuchbeispiel des Verstummens der Sprache zu tun – mit einem Bild der Antisprache also.

Doch jetzt weiter zum Geheimnis der Geburt der Sprache.

Vielleicht kennen Sie die alte Geschichte. Der Lehrer fragt: „Fritzchen, was ist ein Zeitwort?“

Fritzchen zuckt mit den Achseln. „Ich weiß es nicht.“

„Ich werde es dir erklären“, sagt der geduldige Lehrer. „Zeitwörter sind Wörter, an die man ein ‚ich’, ‚du’, ‚wir’ und so weiter anhängen kann. Das ist ja einfach, nicht wahr?“

Fritzschen schüttelt den Kopf.

„Gut, dann sag mir ein Beispiel.“

Fritzchens Augen leuchten: „Ich Esel, du Esel, wir Esel…“

Fritzchen ist nichts vorzuwerfen. Er hat verstanden, dass Sprache aus Einzelwörtern besteht, Einzelwörtern, die man notfalls miteinander verbinden kann.

Oder noch ein Beispiel. Ich sage „Hilfe!“ oder „Feuer!“. In beiden Fällen klingt es so, als würde ich einen Befehl erteilen. Doch diese Wörter sind – grammatisch gesprochen – Substantive, keine Verben. Auch Bleistift ist ein Substantiv. Sagt man aber „Bleistift!“, dann hat man wieder etwas Ähnliches produziert wie „Hilfe!“ oder „Feuer!“ „Bleistift!“ sagt man, wenn man dringend einen braucht.

„Hilfe!“ ruft man, wenn man Hilfe braucht. Wer käme auf die Idee „Unterstützung!“ oder „Beistand!“ zu schreien. „Feuer!“ sagt man, wenn es brennt, nicht aber „Brand!“

Nur ein paar Beispiele, um Ihnen Einblick in den Ursprung der Sprache zu gewähren. Die ersten Wörter waren stets Ausdrücke der Unmittelbarkeit. Um richtige Gedanken zu fassen, braucht man Ruhe. Das kam freilich erst später.

Ruhe lässt sich auf Chinesisch mit „himmlischer Friede“ übersetzen. Ja, und gerade den wünschen wir den Kaderisten eindringlich. In China muss man die Sprache offensichtlich neu erfinden, damit die chinesischen Server nicht ganz abstürzen.

Deutsch denken

Letzte Woche war ich im Paradies. So heißt das Obstgeschäft um die Ecke, und glauben Sie mir, der Name ist gut gewählt. Doch ich will hier nicht nur Schleichwerbung machen. Ich will von einem Gespräch berichten, das ich im Paradies mitgehört habe.

Während eine Kundin mit den Augen genau folgte, legte die Geschäftsführerin, nennen wir sie Frau M., zwei Papayahälften auf die Waage.

Frau M.: „Welchen möchten Sie?“

Kundin: „Den.“

Frau M.: „Das da?“

Kundin: „Ja.“

Frau M. nahm das bevorzugte Stück, lieferte einen kurzen, heiteren Kommentar zur Qualität der Ware und tütelte den guten Teil ein. Ende der Geschichte.

Ist Ihnen hier etwas Außergewöhnliches aufgefallen? Ich vermute: nein. Ich gehe vielmehr davon aus, dass sich obiges Gespräch täglich tausendfach in diversen Obstmärkten wiederholt – ohne die geringste Irritation zu verursachen.

Nur ich musste rätseln.

Nachdem die Kundin das Paradies verlassen hatte, fragte ich Frau M., „Sagen Sie, woran haben Sie eben gedacht, als Sie die Kundin ‚Welchen möchten Sie?’ gefragt haben?"

Frau M. kennt mich lange genug, um zu wissen, dass ich meine Fragen nicht von ungefähr stelle. Dennoch wusste sie immer noch nicht, worauf ich hinaus wollte. „Wie meinen Sie das?“

„Ich meine: Sie haben eben ‚Welchen möchten Sie?’ gesagt, und ich habe nach einem grammatischen Bezug gesucht. Ich fragte mich: Warum hat sie ‚welchen’ und nicht ‚welche’ gesagt? Ich habe nämlich an ‚die Hälfte’ gedacht. Sie offensichtlich nicht.“

„So genau habe ich das Ganze nicht in Erinnerung.“

„Irgendeinen Bezug hatten Sie in Gedanken sicher. Denn die Kundin hat mit ‚Den da’ gleich geantwortet. Sie reagierte also auf Ihr ‚“Welchen?’, als wüsste sie, um was für ein ‚den’ es sich handelte. Doch dann setzten Sie mit ‚Das da?’, also mit einem Neutrum, fort., was niemanden zu stören schien.“

„Man redet halt im Eifer des Gefechts“, lachte Frau M. „Hauptsache man hat sich verständigt. Aber ich habe wahrscheinlich an einen ‚Teil’ gedacht.“

„Aha! Das würde das ‚Wen’ erklären. Sie haben an ‚Teil’ gedacht, ich wiederum an ‚Hälfte’. Ein anderer hätte die zwei Teile bzw. Hälften vielleicht als ‚Stücke’ aufgefasst. Dann hätte er gefragt, ‚Welches möchten Sie?’“

„Sie machen mich ganz verrückt mit Ihrer Fragerei. Soviel denke ich nicht, wenn ich spreche. Ich rede einfach darauf los.“

Tja. Ein deutsches Phänomen, liebe Muttersprachler. Obiges Gespräch könnte ich schwerlich ins Englische übersetzen, ohne es reichlich mit Fußnoten zu versehen. Fazit: Wer Deutsch spricht, muss nicht nur auf das Gesprochene achten. Er muss in der Lage sein, zugleich die Gedanken seines Gesprächspartners zu lesen. Sonst würde er nie verstehen, was mit „den da“ gemeint ist. Das habe ich erst jetzt im Paradies kapiert.

Der Sprachbloggeur deutet das Pfingstwunder

Mir fällt gerade der passende Spruch zu Pfingsten ein. Es handelt sich um ein amerikanisches Idiom, das kaum älter als dreißig Jahre sein dürfte. Es zählt meines Erachtens zu den schönsten Redewendungen meiner Muttersprache: „When the going gets tough, the tough get going“. Etwa: Wenn alles beschwerlich wird, dann setzen die Hartnäckigen erst recht an.

Die verbale Schlichtheit des Englischen lässt sich im Deutschen leider nur schwer nachbilden.

Ich probiere es dennoch: Schlägt es dich nieder, dann nieder mit dem Schlag. Naja. Der Schuh passt nicht ganz, aber man empfindet die Schlichtheit der Ausdrücksweise immerhin ein bisschen nach.

Was hat dies mit Pfingsten zu tun? Eigentlich nichts. Da Sie aber bis hierher gelesen haben: Vielleicht gibt es noch Überraschungen und Neuigkeiten zu erleben.

Zum Beispiel das Wort „Pfingsten“. Eigentlich eine schreckliche Verunstaltung einer griechischen Vokabel. Auf Griechisch hieß dieser Feiertag „Pentekoste“, was eigentlich „fünfzig“ bedeutet, genauer gesagt, der fünfzigste Tag nach Ostern, aber das wissen Sie bestimmt schon längst . Die Germanen waren mitnichten in der Lage, dieses griechische Wort korrekt auszusprechen. Manche schafften gerade noch ein unbeholfenes „Pinkoston“ zu sagen. Doch auch das war für die Mehrheit wohl zuviel. Für Germanen war das Aussprechen eines „P“s am Anfang eines Wortes eine wahre Herausforderung. Es wurde meistens in ein „Pf“ verwandelt, ein nasser Genuss für jeden Gegenüberstehenden.

Ich brauche Ihnen über die Geschichte dieses Feiertags eigentlich nichts zu erzählen. Die kennt ohnehin fast jeder . Für den einen oder anderen, der nicht vielleicht Bescheid weiß, hier nur ganz kurz: „Pentekoste“ ist ein Begriff aus dem Wortschatz Griechisch sprechender Juden in der Antike. Letztendlich war er die Übersetzung des hebräischen „Schewuot“, des Namens eines jüdischen Feiertags. Das Wort bedeutet auf Hebräisch „Wochen“. Gemeint sind sieben Wochen, also fünfzig Tage. Das sind die fünfzig Tage nach dem Passachfest – christlich gesagt: nach Ostern. Fünfzig? Warum nicht neunundvierzig? Immerhin geht es um sieben mal sieben. Aus dem gleichen Grund, warum wir „acht Tage“ sagen und eine Woche meinen.

Das besondere am Pfingsten war das Pfingstwunder. Luther schreibt in seiner Übersetzung des Neuen Testaments, dass man begann „zu predigen in anderen Zungen“. Die englische „King James Bible“ übersetzt mit „to speak in tongues“. Auf Griechisch hieß es „lalein heterais glossais“, wörtlich „in anderen Zungen zu brabbeln“.

Keiner weiß genau, was damit gemeint ist. Manche mutmaßen, dass alle in verschiedenen Sprachen redeten und sich trotzdem gegenseitig verstanden haben. Schon möglich. Das wäre praktisch das Gegenteil der Sprachverwirrung am Babelturm. Andere verstehen unter diesem „in anderen Zungen predigen“ ein sinnloses Gebabbel, das trotzdem auf geistiger Ebene verständlich war. In der heutigen Psychologie heißt „Glossolalie“ das Hervorbringen fremdartiger Laute im Zustand religiöser Ekstase – so jedenfalls Duden.

So etwas habe ich selbst erlebt, als ich vor vielen Jahren einmal in der Stadt Buffalo im US-Bundesstaat New York auf eine „holy roller“ Kirche stieß. „Heilige Wälzende“ heißt das wörtlich. Es handelte sich um fundamentalistische Christen. Ich war auf der Jefferson Avenue mit einem Bekannten unterwegs. Plötzlich hörten wir aus einem Haus ein fürchterliches Schreien. Wir wurden prompt neugierig. Jugendliche sind häufig so mutig oder dumm. Soviel wir wüssten, war gerade ein Gewaltverbrechen im Gang . War aber nicht der Fall. Vielmehr entdeckten wir „holy rollers“, die ekstatisch herumtanzten, während der Prediger ihnen etwas vorpredigte – zum Rhythmus eines begleitenden Schlagzeugs. Bei manchen der heiligen Wälzenden sah man nur noch das Weiße ihrer Augen. Manche fielen sogar in Ohnmacht. Andere machten komische Geräusche, die mit Sprache nichts zu tun hatte – Glossolalie also.

Vielleicht waren es „Pentekostale“. Das weiß ich aber nicht. Ich habe sie nicht gefragt. Sie redeten aber in Zungen und waren, da bin ich mir sicher, überzeugt, dass sie sich gegenseitig verstanden haben. Schlägt es dich nieder, dann nieder mit dem Schlag.

Die Informationsrevolution: eine vorläufige Bilanz

Vorab eine Statistik. Es gibt in Deutschland genau dreitausendsiebenhundertdreiundfünfzig Fernsehsender und zwölftausendvierhundertneunundzwanzig Zeitschriften.

Die Frage: Wie schaffen sie es, genügend Inhalt – auf Neudeutsch „Content“ – zu finden, um abertausend Stunden Sendezeit und Millionen gedruckte Seiten zu füllen?

Ich übertreibe freilich maßlos mit meiner Statistik. Maßlos übertreiben tun wir Schriftsteller aber gerne, um die Aufmerksamkeit des Lesers auf unseren Text zu ziehen. (Nun habe ich Ihnen einen „trick of the trade“ verraten).

Zurück zu meiner Frage: Auch wenn es sich um nur dreißig oder vierzig Sender handelt und „nur“ mehrere Hundert Zeitschriften, Zeitungen usw., wie gelingt es ihnen, täglich, wöchentlich oder monatlich immer wieder Neues zu präsentieren?

Die Antwort liegt auf der Hand: Das tun sie nicht!

Das tun sie nicht, und trotzdem leben wir im Informationszeitalter. Vielleicht erinnern Sie sich: Vor zwanzig Jahren wurde in den Medien ständig darüber berichtet, dass sich die Menge an Information jährlich verdoppelt – oder hieß es verzehnfacht oder verhundertfacht? Ich weiß es nicht mehr. Es hieß jedenfalls, dass sich die Informationsmenge derart potenziere, dass der Menschen eigene Computer – sprich das Hirn – mit dem Angebot bald restlos überfordert werden würde. Überall stieß man auf aufrichtige Vorschläge (auch ich habe damals welche geschrieben), wie man mit der kommenden Datenlawine umzugehen habe.

Was ist aus dem drohenden Hirninfarkt im Infoüberflusszeitalter geworden? Hand aufs Herz. Fühlen Sie sich im Jahr der Terabytes vom Angebot überwältigt?

Ein kurzer Rückblick für jüngere Leser: Fernsehzuschauer in Deutschland hatten bis 1989 die Möglichkeit, zwischen ZDF, ARD und einem Regionalsender zu wählen. In Bayern hatten wir auch ORF. Mehr war nicht drin. Trotzdem guckte man nur eine Sendung auf einmal an. Damals gab es den Spiegel, den Stern, die Zeit, die Bunte oder Quick. Als „Wissensmagazin“ hatte man PM und das „Zeitmagazin“. Eigentlich schon damals zuviel für ein einziges Hirn zu verarbeiten. Man traf also eine Wahl.

Und heute? Ich glaube, es hat sich nichts auf dem Gebiet der Medien verändert – wenn man vom Internet absieht. Man konsumiert weiterhin nur soviel Informationen, wie man verarbeiten kann/will.

„Aber Herr Sprachbloggeur, das Angebot ist nunmal größer, und das bedeutet, dass es doch mehr Content gibt als früher“, sagt ein Skeptiker.

„Nein. Wenn überhaupt, dann vielleicht eher weniger“, antworte ich provokativ.

„Wie kann das sein, wenn das Angebot de fakto größer geworden ist?“

„Weil alle das Gleiche bringen: Berichte über aussterbende Tiere, Klimaerwärmung, Jubiläumsberichte (200 Jahre Darwin, 60 Jahre BRD, 70 Jahre 2. Weltkrieg), Leben nach dem Tod, Poltergeister, Islam etc.“ Jede Redaktion weiß ganz genau, was die andere macht. Man will nur selten Neues wagen. Denn die Marketingleute haben Angst, einen Fehler zu begehen.“

Lieber Leser, wirklich Neues finden Sie momentan nur im WehWehWeh – zum Beispiel, wenn Sie den Sprachbloggeur und alle seine Links lesen. Hier gibt es wirklich ein Überangebot, und Sie werden bestimmt Tolles verpassen. Momentan auch kostenlos – für Konsumer und Hersteller. Aber keine Sorge. Eines Tages bin auch ich ein Angesteller bei Google. Dann darf ich wieder schreiben, was die anderen gerade schreiben. Dafür habe ich dann mehr Geld in der Tasche. .

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