Ich war letzte Woche drauf und dran, meine Kanditatur für das Amt des Bundespräsidenten zu verkünden. The more the merrier, sagen wir auf Englisch – in etwa aber nicht wörtlich: Je später der Abend, desto schöner die Gäste.
Glauben Sie mir, ich wäre der perfekte Kandidat gewesen. Vor allem, weil ich nicht so dünnhäutig bin wie mein Vorgänger. Wie hieß er denn wieder? Entschuldigung: Ich hatte schon immer ein schlechtes Namensgedächtnis.
Als Ursula von der Leyen ins Gespräch kam als Kronprinzessin, war ich noch überzeugter, dass ich und nicht sie der bessere Kandidat wäre. Verstehen Sie mich nicht falsch. Sie ist ziemlich in Ordnung. Nur: Ich finde meine Frisur schöner als ihre.
Doch dann begann es im Politeintopf richtig zu kochen. Urplötzlich wurde von der Leyen aus der Suppe gelöffelt, und zack! hat Merkel den Wulff der Presse vorgestellt. Ich glaube, sie hat dabei dasselbe Redemanuskript benutzt wie damals, als sie den Vorgänger vorgestellte. Natürlich hat sie den Namen geändert.
Meine erste Reaktion: Wulff ist mir beestimmt nicht gewachsen. Verzeihen Sie mir, wenn ich das so deutlich sage. Ich habe aber endlich verstanden: Mit falscher Bescheidenheit kommt man nicht weit. Auch in seinem Fall gefällt mir die Frisur nicht. Zugegeben: In den Aufnahmen von ihm als junger Draufgänger hat er schöne Haare gehabt. Heute kommt er mir vor wie Barbies (ex)Freund Ken. Einfach zu glatt. Sonst habe ich nichts gegen ihn. Ich frage nur: Christian wer?
Dann die nächste Überraschung: Die Sozialdemokraten und die Grünen haben Gauck vorgeschlagen. Wirklich ein schlauer Schachzug, aber einer, der mir persönlich weh tut. Denn Gauck kann tatsächlich einiges, was ich nicht kann. Er kann nämlich aufräumen. Ihm ist gelungen, einen ganzen Raum voller alter Unterlagen zu sortieren und bearbeiten. Das habe ich in meinem Arbeitszimmer seit Jahren noch nicht geschafft. Ich beuge mich vor Menschen wie Gauck, die so verdammt methodisch ordentlich sind.
Ich merke, dass ich gegen so einen schnell den Kürzeren ziehen würde. Also werde ich doch auf meine Kandidatur verzichten. Meinen Anhängern sage ich schon jetzt: Sorry aber Fakten sind Fakten. Vielleicht ist meine Entscheidung letztendlich doch richtig. Immerhin: Nun muss ich mich nicht mehr darum bemühen, bis spätestens Ende Juni die deutsche Staatsangehörigkeit zu beantragen und zu erhalten.
Trotz alledem bin ich überzeugt, ich wäre ein Gewinn für Deutschland gewesen: multikulti und dennoch in der Lage, beinahe fließend Deutsch zu sprechen – wenn ich hie und da auch mal ein paar Fehlerchen mache. Aber he! Wer ist denn perfekt? Haben Sie gewusst, dass Giorgios Papandreou Fehler macht, wenn er Griechisch spricht? Kein Wunder. Er wurde wie ich in den USA geboren und spricht Englisch – oder wie man in Deutschland sagt „Amerikanisch“ – vielleicht besser als ich. Mein Problem: Ich kann mich in keiner Sprache fehlerfrei ausdrücken. Deswegen bin ich Schriftsteller geworden. Das wäre in der Politik vielleicht auch ein Vorteil. Ich glaube, dass Gauck die deutsche Sprache perfekt beherrscht. Das dürfte wohl auch bei Christian Wulff der Fall sein.
Schade, dass ich nicht Bundespräsident werde. Ich könnte die 280.000 Euro jährlich plus Dienstwagen, Fahrer, Büro, Angestellte, Spesen usw. nämlich gut brauchen. Übrigens: Ich wäre aber bestimmt sparsamer gewesen als alle andere Kandidaten – auch Gauck. Denn ich wäre bereit gewesen, den ganzen öffentlichen Salat für bescheidene 250.000 Euro zu waschen. Außerdem wäre ich bereit gewesen, meinen Dienstwagen selbst zu fahren – und ihn sogar wöchtentlich in die Waschanlage zu lotsen. Auch über den „Ehrensold“ hätte ich mit mir reden lassen. „Ehrensold“. So nennt man die Rente eines Bundespräsidenten, bzw., Bundeskanzlers: Man bekommt das gleiche Gehalt wie zu Amtszeit plus Dienstwagen, Fahrer usw. – und zwar ein Leben lang. Ich wäre bereit gewesen, lausige hunderttausend zu akzeptieren plus eine Monatskarte für die U-Bahn und eine Bahnkarte 2. Klasse. Ich hätte der Republik reichlich Kohle gespart, was angesichts der jetzigen schwierigen Wirtschaftslage nicht zu verschmähen wäre.
Na, liebe Frau Merkel, lieber Herr Westerwelle? Was meinen Sie? Komme ich vielleicht doch in Frage? Bier ist Bier, Schnapps ist Schnapps, aber Geld ist nunmal Geld. Nicht wahr?
Wer hätte gedacht, dass ich mich in meinen alten Jahren zu einem deutschen Patrioten mausern würde? Echte Patrioten werden aber nicht geboren. Sie tauchen in Zeiten der Not von alleine auf.
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