Frau Merkel war nicht amüsiert.
Stört Sie dieser Satz? Ich habe ihn letzte Woche (womöglich leicht abgewandelt) in den ZDF-Nachrichten gehört.
Ich habe gleich geseufzt.
Warum war Frau Merkel nicht amüsiert? Ich weiß es nicht mehr. Wahrscheinlich spielten die Gurkentruppen, Wildsäue und Rumpelstilzchen der vergangenen politischen Polterwoche eine Rolle.
(Notabene: Über die Gurkentruppen, Wildsäue und Rumpelstilzchen habe ich hier nichts zu sagen außer Eins: Die Politik war schon immer ein fruchtbarer Schauplatz für das schöpferische Schimpfen).
Aber weiter: Am Wochenende las ich in der FAZ ein Interview mit Frau Merkel. Die Reporter, Günter Bannas und Berthold Kohler, stellten folgende Frage: „In Frankreich ist man über das ‚größte Sparpaket in der Geschichte der Bundesrepublik’ nicht amüsiert…“etc. Welcher der beiden Reporter, die Frage stellte, die ich hier nur teilweise wiedergebe, ist mir unbekannt.
Ich habe schon wieder geseufzt.
Warum?
Weil ich vor zwanzig Jahren einen Artikel für die Münchener Abendzeitung geschrieben habe, in dem folgender Satz vorkam: „Die Queen war nicht amüsiert.“ Leider weiß ich nicht mehr, was der übrige Inhalt des Artikels war. Dieser eine Satz bleibt mir aber im Gedächtnis eingebrannt.
Warum?
Weil mir der zuständige Redakteur sagte: „Das können wir auf Deutsch nicht ohne Weiteres so stehen lassen, Herr Blumenthal. ‚Amüsieren’ hat in unserer Sprache eine ganz andere Bedeutung. Man ‚amüsiert sich’. Man lenkt sich also mit Heiterem ab. Oder man macht sich über einen anderen lustig. Vielleicht sollten wir es in Ihrem Text ein bisschen anders formulieren. Wir schreiben: ‚Die Queen war nicht amused’. Dann versteht jeder, was gemeint ist.“
Und so geschah es auch. Meine Queen war „amused“, durfte also nicht „amüsiert“ sein. Ich wiederum war weder amused noch amüsiert, sondern nur verdutzt. Ich meinte: Schon wieder bin ich über einen „falschen Freund“ (damals noch kein Begriff) gestoßen. Ich werde diese Sprache nie beherrschen lernen.
Typisch Ausländer: Wenn er die Fremdsprache mit Neuem, Dreistem beglücken will, wird seine Kreativität von den anderen als „Fehler“ gedeutet. Der Muttersprachler wiederum kann so falsch reden wie er will, und es fällt kaum auf. Seine Neologismen können sogar beflügeln.
Ich weiß nicht, welcher Deutsch-Muttersprachler als Erster „amüsieren“ (im englischen Sinn) ins Deutsche eingeführt hat. Ist doch egal. Fest steht: Eine Sprache ist wie eine Naturkatastrophe, sie kümmert sich nie um Urheberrechte. Auf jeden Fall: Wenn ich heute meinen damaligen Text der AZ anböte, wäre ich der damaligen Belehrung nicht mehr ausgesetzt. (Oder der Redakteur würde mir sagen: „Mir kommt dieses ‚amüsiert’ ein bisschen abgedroschen vor. Vielleicht versuchen wir es mit ‚amused’. Klingt allemal amüsanter.“)
Notabene: Es geht hier um bescheidene zwanzig Jahre. Während dieser kurzen Zeit wurde offenbar radikal neu über „amüsiert“ entschieden. Wenn ich ehrlich bin, find ich diesen Sprachwandel interessant und zum höchsten Grad „amüsierend“.
Falls „amüsierend“ in diesem Sinn noch kein deutsches Wort ist, warten Sie nur ab. In zwanzig Jahren wird alles wieder ganz anders sein. Denken Sie dann an den Sprachbloggeur, und reden Sie weiter.
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