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Gründe, um dankbar zu sein

Wann war das wieder? Ich denke, es war 1968. Damals – in Santa Barbara, Kalifornien – hatte es sich herumgesprochen, dass DER Erdbeben, mit dem alle rechneten – „the big one“, wie es hieß – , unmittelbar bevorstünde. Freund Jonathan, der bestens vernetzt war, hatte es von einem erfahren, der offenbar Bescheid wusste: Kalifornien sollte wie ein abgebrochenes Stück Knäckebrot im Pazifik untergehen.

Manche Bekannte nahmen die Warnung sehr ernst. Sie zeigten Kalifornien den Rücken und zogen nach New Mexico, um in der Wüste ein neues Leben im Sinne des Friedens und der Liebe zu führen.

Es passierte nichts. Kein Untergang. Erst 1971 bebte es in Los Angeles – war nicht schön, aber Kalifornien brach nicht wie ein Stück Knäckebrot in den Ozean ab.

Kein Untergang 1968, kein Untergang 2012 (aber wer hat letztere Geschichte wirklich ernst genommen?). Eigentlich sollten wir dankbar sein, dass wir eine naive Gattung sind, für die oft heißer gekocht als gegessen wird. Und damit komme ich zum Thema: die Dankbarkeit.

Ich denke, man sollte am Wendepunkt zum neuen Jahr für vieles dankbar sein. Hier, zum Beispiel, meine Liste…

Ich bin dankbar dafür, dass ich kein Geschäft führe, das auf die Verbreitung von Spam, von Phishing-Software, von der Verbreitung von Potenzsteigernden Mitteln spezialisiert ist.

Ich bin dankbar dafür, dass ich keine nutzlosen und womöglich lebensgefährlichen Arzneimittel übers Internet verhökere.

Ich bin dankbar dafür, dass ich keinen Menschenhandel betreibe und keine naiven junge Mädchen und Jungen mit verlogenen Versprechungen in die sexuelle oder die Arbeitssklaverei verschicke.

Ich bin dankbar dafür, dass ich mein Geld nicht mit Kinderpornographie verdiene.

Ich bin dankbar dafür, dass ich kein Diktator auf Lebenszeit bin, der in Saus und Braus lebt, während sein Volk darbt.

Ich bin dankbar dafür, dass ich nie auf die Idee komme, Gott würde mit mir sprechen oder mir durch ein heiliges Buch das Recht geben, andere Menschen zu verstümmeln oder zu ermorden.

Ich bin dankbar dafür, dass ich kein Geld vor dem Fiskus verstecke, weil ich nicht einsehe, dass auch ich am Gesellschaftsvertrag teilhaben sollte.

Ich bin dankbar dafür, dass ich niemals das Morden mit einer Ideologie rechtfertigen muss.

Ich bin dankbar dafür, dass ich nie das Bedürfnis hatte, mich an eine Massen- oder sonstige Vergewaltigung teilzunehmen.

Ich bin dankbar dafür, dass ich kein Chef bin, der seine Mitarbeiter auf die Straße setzt, um das gesparte Geld in die eigene Tasche zu wirtschaften.

Ich bin dankbar dafür, dass ich keine langjährigen Mieter kündige, um ein Haus in Luxusswohnungen zu verwandeln.

Ich bin dankbar dafür, dass ich niemals einem anderen Menschen einen Selbstmordgurt aushändigte, damit er/sie sich und andere in den Tod jage.

Ich bin dankbar dafür, dass ich noch nie einen Menschen als Rauschgiftkurier („Esel“ genannt) in die Welt geschickt habe, während ich vom Gewinn profitiere...

Das reicht für den Augenblick. Natürlich gibt es auch andere Gründe, weshalb ich dankbar bin. Sehr viele sogar. Meine Dankbarkeit, zum Beispiel, dass ich Sie, liebe Leser, liebe Leserinnen dieser manchmal skurrilen Glossen, habe. Denn das Schreiben ist wie eine Gleichung in der Mathematik. Der Schreiber steht auf der einen Seite des Gleichheitszeichens. Ohne Sie schreibt er für die Katz. Und jeder weiß: Katzen lesen nicht.

Seien Sie gebenedeit, liebe Leser und liebe Leserinnen des Sprachbloggeurs. Bleiben Sie gesund. Möge Ihnen das neue Jahr nur Gutes bringen. Falls es Ihnen nicht immer gut geht, mögen Sie das Schlechte mutig ertragen können.

Und möge der Weltuntergang weiterhin auf sich warten lassen.

Hier spricht das liebe Gott

Hallo, liebe Kristina und alle sonstige Kinden dieses Welts. Ich habe eure Rufen gehört und lasse durch mein Gesandtes, das Sprachbloggeur, mitteilen, dass ich das Welt am 21. Dezember aus verschiedene Grunden in das Weltallmüllanlage nicht habe katapultieren lassen. Das wisst ihr aber schon. Die Grunden wohl nicht.

Erstens: Es wäre nicht fair gewesen, zumal mein Bub vier Tagen später Geburtstag hat. Die Leuten haben so viel Geld für Geschenken ausgegeben. Ich dachte: Wäre schade für das Einzelhandel und für die Menschen, die auf das Bescherung warten.

Zweitens: Ich habe immer gelehrt, dass das Geben schöner ist als das Wegnehmen. So habe ich mir dann überlegt: Was kann ich euch dann schenken – außer das Erde selbstverständlich –, was Euch ein Freude machen würde.

Dann hatte ich das schöne Einfall: Ich schenke Euch ein neues deutsches Sprache, ein Sprache, das viel einfacher zu handhaben ist, als das, was ihr bisher geredet habt.

Kein Sorge. Das neue deutsche Sprache wird jedes verständlich sein. Nur das Anfang ist schwer – wie immer, nicht wahr?

Grundsätzlich geht es um ein kleines Versimplizieren. Das habe ich bereits mit das englische Sprache gemacht. Hat gut geklappt. Alles geht wie auf das Schnürchen.

Das Anfang machen wir mit die Nomen. Jedes weißt: Nomen est omen.
Seid ehrlich. Geht euch dieses Kram mit „der“ und „die“ und „das“ nicht mal auf das Keks? Nicht schüchtern sein. Ich weiß, weil ich allwissend bin, dass das Antwort „ja“ ist. Also: Paff! Ab jetzt ist das ärgerliche Zeug weg. Paff! Wie Zauber. Fortan braucht ihr nie wieder darüber nachzudenken, ob ein Wort ein „der“, ein „die“ oder ein „das“ ist. Auch das „dem“ und „den“ und wie es alles heißt, halte ich für Pipifax. Alle Nomen werden ab jetzt mit „das“ versehen – zumindest, wenn es nur eins davon gibt und mit „die“ wenn es mehreren gibt.

Das Mehrzahl habe ich ebenfalls vereinfacht. Mit wenige Ausnahmen sollen von jetzt an alle Mehrzahlen mit „-en“ enden. Ist das nicht schön? Kein Mensch – vor alles unsere lieben Migrationshintergründleren nicht – braucht sich Sorgen zu machen, dass es ein Fehler macht.

Ach ja. Auch kein „er“ und „sie“ mehr. Alles nur „es“. Macht das Leben easy. Oder? Mehrzahl „sie“.

Was die Ausnahmen betrifft. Ein paar Mehrzahlen bleiben trotz alles unregelmäßig. Zum Beispiel Gott. Warum Gott? Tja. Man gönnt sich sonst nichts. Wenn von mehr als ein Gott das Rede ist (und ich hoffe, man wird nie auf dieses Idee kommen), dann heißt das Mehrzahl wie bisher „Götter“.

Auch Gott will sich als etwas besonders fühlen. Gell?

Es gibt andere Beispielen für das unregelmäßige Mehrzahl. Mir fallen momentan keine ein. Bei mein Arbeit ist das verständlich. Man hat anderes in das Kopf.

Übrigens: Dieses Vereinfachung funktioniert in Englisch ausgezeichnet. In dieses Sprache wird das Mehrzahl allerdings meistens mit „s“ markiert. Da Deutsch nicht Englisch ist, wollte ich es ein eigenes Form für das Mehrzahl geben. Schließlich braucht jedes Sprache ein eigenes Duftnote.

Ich habe noch weitere Planen für Änderungen. Doch diese behalte ich noch für mich. Wenn ich das Katze aus das Sack lasse, gibt es kein Überraschung später. Das Leben wird nur interessant, wenn es Überraschungen gibt.

Einstweilen liebe Kinden, frohes Weihnacht Euch – von ganz oben und mit ganzes Herz.

Wissen als Ware – und andere Binsenweisheiten

Bin ich vielleicht der allerletzte Mensch in Deutschland, der kein Smartphone hat? Überbleibsel eines aussterbenden Geschlechtes? Oder gibt es da draußen auch andere wie mich? Ich meine andere, die weder vergreist noch unter sechs Jahren sind?

Diese Fragen hätte ich bis vor etwa einer Woche noch stellen können.

Aber dann hatte ich Geburtstag. Und was schenkte mir meine Frau? Nein, kein Viagra, falls ein Witzbold auf diese Idee käme.

Sie hat mir ein Smartphone geschenkt! Und was für ein Smartphone: Es hat eine richtige Tastatur, die man von unten hinausschieben kann. Kenner bezeichnen diese Tastatur als ein „slide keyboard“. Womöglich auch ein aussterbender Genotypus.

Mit Ehrfurcht betrachtete ich diese unerwartete Gabe und rührte sie zwei Tage nicht an. Irgendwie hatte ich Angst davor. Was heißt „hatte“? Meinen Umgang mit diesem Gebrauchsgegenstand betrachte ich immer noch als schüchtern und vorsichtig. Zugegeben: Mein Sohn kam vorbei, um mir wenigstens erste Hilfe zu leisten.

„Ach“, sagte er, „Dieses Baby ist noch immer mit Gingerbread bestückt.“

„Mit Gingerbread?“ Zu Deutsch „Lebkuchen“.

„Ja, so heißt das alte Android-Betriebssystem. Aber wir machen schnell ein Upgrade zu ice cream sandwich, gell?“

Damit meinte er das neue Android-Betriebssystem, das Kenner als „ICS“ bezeichnen. Ich war beeindrückt. Ohne Witz: Die Benutzeroberfläche von „ICS“ sieht um einiges flotter aus als die vom Lebkuchen.

Mein kleines Smartphone mit eigener richtiger Tastatur ist im Grunde ein Minicomputer, mit dem man auch telefonieren kann. Via WLAN oder übers Handynetz komme ich flott ins Internet, kann surfen wie ein Weltmeister, wenn ich will. Was unter Umständen praktisch sein könnte. Aber wem erzähle ich dies? Das wissen Sie ohnehin schon besser als ich.

Also frage ich lieber etwas, was Sie vielleicht nicht wissen. Zum Beispiel: Wissen Sie was „bloatware“ ist? Zu Deutsch „Blähware“ oder „Aufblähware“. Vielleicht nicht…oder? Dieses Wort ist einer der vielen Neologismen des neuen Zeitalters. Wie „Malware“, „Firmware“, „Freeware“ usw. ist es ein Ableger von „Software“ und „Hardware“.

Mit „Bloatware“ meint man alle nutzlose Anwendungen (sprich „apps“), die man schon vorinstalliert auf einem neuen Smartphone findet. Auf meinem Schätzchen befinden sich, zum Beispiel, ein Golfspiel, mehrere Emailprogramme, Musikdownloadprogramme, Nachrichtenprogramme usw. Auch eine Facebook- und eine YouTube-Schnittstelle sind vorhanden. Alles, was Platz für Besseres wegnimmt. Manches läuft sogar im Hintergrund und entleert den ohnehin stets arg strapazierten Akku.

Der Witz ist: Wer versucht, Bloatware zu löschen, wie ich es mit dem Golfspiel probierte, erfährt in einer bedrohlichen Warnung auf dem Display, dass er damit das Software-Gleichgewicht seines Phones zur Explosion bringen könnte.

Inzwischen habe ich erfahren, dass man eines „rooters“, eines „Entwurzelers“ also, bedarf, um Bloatware effektiv loszuwerden. Der Umgang mit dem „rooter“ sei aber nichts für Anfänger, heißt es. Man solle sich mit dem Golfspiel lieber Frieden schließen, wenn man nicht wisse, wie man „rootet“.

Rückblick: Ende der 1980er Jahre schrieb ich zum ersten Mal einen Artikel über die „Informationsrevolution“. Damals ahnten nur wenige, was mit diesem Begriff gemeint war. Ich zählte zu dieser auserkorenen Gruppe nicht.

Ich habe damals unter „Informationsrevolution“ verstanden, dass so viel Wissen zur Verfügung stehen würde, dass es einem schwindlig werden könnte. Man müsse lernen, eine vernünftige Auswahl zu treffen. Das war meine naive Schlussfolgerung.

Heute ist mir klar, wie naiv ich war. Bill Gates, Steve Jobs und Co. haben damals sehr wohl kapiert, was mit dem Begriff „Informationsrevolution“ gemeint war: nämlich, dass sie über ein Medium verfügten, mit dem sie Wissen in eine Ware verwandeln könnten. Nicht von ungefähr heißt es „SoftWARE“ und „HardWARE“. Die Vordenker der Info.-Rev. haben verstanden, dass man eines Tages Wissenswertes zu einem guten Preis werden verkaufen können. Die kostenlosen Angebote der ersten Jahre dienten nur dem Zweck, uns an die neue Technologie zu gewöhnen. Die „Bloatware“ steckte damals noch in den Windeln.

Nun bin ich als Besitzer eines Smartphones endgültig zum Wissensverbraucher avanciert: Zeitung, Nachrichten, Email – mir alles auch unterwegs verfügbar. Aber alles kostet was. Irgendwie.

Kein Mensch muss sich Sorgen machen, dass er an zu viel Wissen zugrunde gehen wird. Das war nur eine Lockvogelfantasie für die Landeier. Die Tage des exotischen, wunderschön gefährlichen Pflasters namens WehWehWeh sind längst gezählt. Alles bald schön gezähmt und nur gegen Bar – bzw. iBar – zu haben.

Mal ehrlich: War es aber nicht schon immer so – ich meine, was Information und Dienstleistungen betrifft? Wird man nicht in jeder Buchhandlung und in jedem Zeitungsgeschäft und in jedem Kaufhaus auch zur Kasse gebeten?

Nüchterne Überlegungen zum 21. Dezember 2012 (Sie wissen schon: Bum! oder Zack!)

Es gab einmal einen jungen Mann namens Ned Ludd.

Vielleicht kennen Sie den Namen. Seine Anhänger werden in der deutschen Sprache als „Ludditen“ bezeichnet – so habe ich es jedenfalls in Wikipedia gelesen – , und man bezichtigt diese Leute des „Luddismus“.

Woher Wikipedia diese Wörter hat, weiß nur der Autor des Artikels. Mein Duden kennt jedenfalls weder „Ludditen“ noch „Luddismus“.

Es ist ohnehin ungewiss, so Wikipedia, , ob besagter Ned Ludd jemals gelebt hat.

Was ich jedoch mit Sicherheit weiß: „luddite“ und „luddism“ sind beide ganz normale englische Vokabeln und werden tatsächlich von diesem Ned Ludd abgeleitet.

Der Legende (bzw. der Geschichte) nach packte der wutschnaubende Ned Ludd 1779 eine Axt und hackte auf zwei Strickmaschinen ein, damals neue, fortschrittliche Maschinen für die Herstellung von Strümpfen – Maschinen, die Strümpfe viel schneller als jeder Stricker bzw. Strickerin stricken konnten.

Ned Ludd geht in die Geschichte ein, so die Story, als eine Art Robin Hood, der durch seine kühne Aktion, gegen den Abbau von Arbeitsplätzen protestieren wollte.

Bis heute weiß aber niemand, ob er jemals wirklich gelebt hat. Er wurde dennoch am Anfang des 19. Jh. in England zum Vorbild für die wutschnaubenden Gegner der Industriellen Revolution. Die damaligen „luddites“ pflegten, wie einst Ned, die neuen automatischen Webstühle usw. mit Äxten kurz und klein zu hacken.

Irgendwie verständlich. Wer möchte wissen, dass man durch eine Maschine (damals ein skelettartiges Konstrukt aus Holz, Schrauben und etwas Strick) überflüssig gemacht werden könnte.

An Ned Ludd dachte ich neulich auf der Bank, als ich die Kassiererin fragte, die mir zeigte, wie ich alle üblichen Bankgeschäfte am Bankautomaten tätigen könnte: „Werde ich Sie nicht überflüssig machen, wenn ich das maschinelle Angebot stets in Anspruch nehme?“

„Nein, nein“, antwortete sie. „Schließlich haben wir unsere Arbeitssicherheit.“

Hmmm.

Nein, hier kein Predigt über die Gefahren des Fortschritts. Außerdem bin ich als Webseite-Betreiber mit Sicherheit kein Luddite. „Maschinenstürmer“ heißt das übrigens auf Deutsch. Ich bin trotzdem kein begeisterter Glücksreiter des Fortschritts.

Ich bin halt Realist. Und da ich in den historischen Texten bewandert bin, weiß ich, dass nach jedem Heute ein Morgen folgt. Oje. Wie peinlich. Hilfe! Alarm! Binsenweisheiten auf dem Vormarsch!

Neuer Gedanke: Meine Frau ist passionierte Leserin der Süddeutschen Zeitung. Ich hingegen bestelle diese Zeitung jedesmal ab, wenn meine Frau verreist ist. Heute erzählte sie mir, dass die SZ, laut ihrer Freundin M., in großen finanziellen Problemen steckt.

„Kein Wunder“, antwortete ich. „Die Werbeeinnahmen sacken ab. Das gilt nicht nur für die SZ, sondern für viele Printerzeugnisse.“

„Du sagst das mit einer gewissen Süffisanz. Ich weiß, dass du die SZ nicht magst…“

„…nein. Ich sage es, weil das Management der Printmedien, seitdem es den Computer gibt, immer ratloser wird. Es versäumt keine Chance, eine Chance zu versäumen. Die Visionären im eigenen Haus wurden längst auf die Straße gesetzt, weil sie zu viel verdienten. Man investierte lieber in teuren Finanzberater, die stets ahnungslos waren.“

Naja. Ich will dieses Gespräch nicht in die Länge ziehen. Da die Welt am 21. Dezember ohnehin aufhört zu existieren, hat sich das Thema Zeitungssterben von allein erübrigt.

Allerdings habe ich am 21. Dezember einen Termin bei meiner Physiotherapeutin um 15h, und da möchte ich, weil ich Rückenschmerzen habe, unbedingt hin. Die Welt darf also an diesem Tag nicht untergehen, oder es darf erst nach 16h untergehen. Schließlich will ich meine Massage bekommen. Bedenken Sie aber: Wenn es 15h in München ist, ist in Japan längst der 22. Dezember. Wie kann die Welt am 21. Dezember untergehen, wenn es irgendwo bereits der 22. Dezember ist?

Alles sehr kompliziert. In einer globalisierten Welt ist auch der Weltuntergang keine schlichte Sache mehr wie in den guten alten Zeiten, als Ned Ludd lebte…oder nicht.

Alles, was Sie zu wissen brauchen über Sodomie

Hier eine eine Million Euro Frage wie in den Quizsendungen: Die Bewohner der Stadt Sodom wurden in der Bibel für welches Verbrechen bestraft?

a) sie putzten ihre Zähne nicht, b) sie praktizierten ungeschützten Sex, c) sie nahmen zu viele Krankenetage oder d) die Männer heirateten Schildkröten.

Sorry, keine Joker, keine Telefonate mit klugen Verwandten, keine Hilfe vom werten Publikum.

Wer antwortet mit „Alle vier Möglichkeiten sind idiotisch. Dennoch meine ich, dass das mit dem Heiraten von Schildkröten der Sache am nächsten kommt“, auch der irrt sich. Falsch. Falsch. Falsch. Alles falsch.

Vielleicht möchten Sie wissen, wie ich auf obige dumme Frage komme. Die Antwort: Weil ich Dampf ablassen möchte – und zwar wegen des neuen Sodomie-Gesetzes, das momentan den Bundestag beschäftigt.

Bisher habe ich diese Sache ziemlich ignoriert. Artikel in der Zeitung oder im Internet über das geplante Verbot der intimen Beziehungen zwischen Menschen und ihren Tieren haben mich gar nicht interessiert.

Falls Sie meinen, ich sei vielleicht ein Tierhalter, irren Sie sich. Vor vielen Jahren hatten wir mal eine Katze. Sie hieß Catulla und schnurrte wie wenn der Wind durch eine löchrige Mülltonne bläst – noch genauer: durch eine asthmatische Mülltonne pfeift. Ich war aber nie richtig verliebt in Catulla.

Warum ich dazu komme, über die Tierschutznovelle zu schreiben, hat vielmehr mit meiner Frau zu tun. „Novelle“. Hmmm. Klingt wie etwas, das weder Kurzgeschichte noch Roman ist.

Wir waren nämlich am Samstag auf dem Weg zu einem Weihnachtsfest, als meine Frau von der „Novelle“ zu reden begann.

„Hast du nichts darüber gelesen?“ fragte sie.

„Alles ignoriert“, antwortete ich. „Mich hat es gar nicht interessiert.“
„Das ist typisch für dich. Du bist manchmal so arrogant mit deinem ‚mich hat’s nicht interessiert‘. Wegen des Desinteresses von Menschen wie dir passieren deshalb die schlimmsten Dinge. Passiv und stumm. Großartig!“
„Stimmt nicht“, erwiderte ich. „Einmal hatte ich vor vielen Jahren von einem Fall aus den USA in der Abendzeitung gelesen. Es hieß, dass ein Soldat wegen ‚Sodomie‘ angeklagt worden war. Der Journalist machte die zu erwartenden anzüglichen Bemerkungen über die ungebührliche Tierliebe des Soldaten. Es war klar. Er meinte, er habe sehr lustig geschrieben. Was er nicht wusste: Er war einem Übersetzungsfehler verfallen. ‚Sodomy‘ auf Englisch ist eine vornehme Umschreibung meistens für Analverkehr. Ich habe prompt bei der Zeitung angerufen, um auf den Fehler aufmerksam zu machen.“

„Immer musst du deine Geschichten erzählen, um von anderen Geschichten abzulenken.“

„Nein so war es nicht gemeint. Ich bleibe die ganze Zeit beim Thema. Übrigens: „Kennst du das englische Wort ‚buggery‘?“

„Ja. Es bedeutet ‚Analverkehr‘. Oder?“

„Ja, genau. Aber weißt du, woher es kommt.“

„Bitte…“

„…von den Bulgaren, damals der Name eines der Turkvölker, die im Mittelalter in Europa einfielen. Man machte aus dem Namen ein vulgäres Schimpfwort, um den Feind zu beleidigen.“

„Na schön, aber du lenkst schon wieder ab. Mir geht es um die dämliche Gesetzesnovelle. Wozu der ganze Aufwand, frage ich mich, wenn es echte Probleme gibt? Das regt mich nämlich auf.“

Meine Frau hat natürlich recht. Doch zurück zur biblischen Stadt Sodom und meine Eingangsfrage: Wissen Sie, was das große Verbrechen in Sodom war? Nein. es hatte nichts mit irgendwelchen sexuellen Handlungen zu tun. Es ging um etwas wirklich Schlimmes: Die Sodomiten haben nämlich die Gesetze der Gastfreundschaft missachtet. Das liest man sehr klar aus der Bibelgeschichte heraus. Nur deshalb wurden sie mit der völligen Vernichtung bestraft. Ein ärgeres Verbrechen gab es in der Antike nicht.

Siehst du, meine liebe Ehefrau, ich habe doch Interesse fürs Thema gezeigt.

Justin Biebers Tätowierungen…das Buch!

Vorstandsvorsitzender: Wurm! Sie wissen, was heute für ein Tag ist, oder?

Wurm: Ist es… mmm… nicht…mmm…Montag? o Herr der Schöpfung.

Vorstandsvorsitzender: Nicht so zögerlich, mein teures Würmchen. Entschuldigen Sie. Ich habe mir eine Freiheit erlaubt, die mir eigentlich nicht zusteht. Sie merken durch diesen Lapsus aber, dass ich bestens gelaunt bin! Ja, natürlich ist es Montag, doch nicht ein beliebiger Montag: Heute ist Cyber-Montag!

Wurm: Seiber-Montag?

Vorstandsvorsitzender: Aber, lieber Wurm, das müssen Sie ja schon selbst wissen! Wozu bezahle ich Sie…

Wurm: …entschuldigen Sie, wenn ich kurz unterbreche, o Herr, aber Sie haben mir mein Honorar seit zwei Monaten nicht mehr überwiesen…

Vorstandsvorsitzender: …Honorar? Ach ja, das stimmt. Wir haben Ihren unzeitgemäßen Angestelltenvertrag in einen schönen modernen freiberuflichen umgeschrieben. Jetzt sind Sie frei! Freuen Sie sich nicht? Na? Ich habe gefragt: Freuen Sie sich nicht?

Wurm: Ja, natürlich.

Vorstandsvorsitzender: Dann ist gut, aber Sie dürfen ruhig etwas lauter reden. Cyber-Montag, lieber Wurm, ist der Tag nach dem schwarzen Freitag. Das müssen Sie ja auch wissen. Oder?

Wurm: War wieder Börsencrash?

Vorstandsvorsitzender: Nein, Sie denken an den Schwarzen Montag.

Wurm: Gab‘s heute ein Börsencrash?

Vorstandsvorsitzender: Ach Wurm, ich sehe, Sie verlangsamen sich allmählich. Zeit vielleicht an den wohlverdienten Ruhestand zu denken, nicht? Wer arbeiten will, muss stets am Ball bleiben: In den USA heißt der erste Einkaufstag nach der Thanksgiving-Feier „black Friday“; ihm folgt „Cyber Monday“. Es ist nämlich der Aufbruch in den Weihnachtssaison! Ist das nicht wunderbar?

Wurm: Ach so, bläkk freidäj und seiber-monndäj. Jetzt verstehe ich.

Vorstandsvorsitzender: Nein, Sie verstehen nichts! Sonst würden auch Sie jauchzen. Schließlich leben wir in einer globalisierten Welt. Das müssen Sie ja wissen – und darum geht es. Aber zur Sache: Haben Sie mir die Vertreterzahlen mitgebracht? Ich möchte die Vorbestellungen für die Weihnachtsbücher anschauen.

Wurm: Jawohl, o Herr der Schöpfung, bitte.

Vorstandsvorsitzender: Danke. Was ist das hier für einen Titel? „Die Evolution der Evolution“?

Wurm: Ein sehr ausführlicher Überblick über die Evolutionstheorien von der Antike bis in die Gegenwart, o Herr. Ich habe es selbst gelesen. Sehr spannend geschrieben.

Vorstandsvorsitzender: Das freut mich für Sie, aber bitte, wer liest außer Ihnen so was? Schauen Sie nur: Es hat 450 Seiten. Papier ist heutzutage nicht gerade billig. Und die Druckkosten!

Wurm: Der Autor behauptet, er habe ein Stück Kulturgeschichte geschrieben, das man nicht in 150 Seiten zusammenfassen kann.

Vorstandsvorsitzender: Sie und der Herr Autor leben offenbar auf einem anderen Planeten. Schauen Sie nur! Knapp 460 Vorbestellungen. Auch die Sortimenter riechen den Braten. Kein Mensch braucht so viel über die Evolution zu wissen. Wer soll sich dafür interessieren? Außerdem: Wir verdienen nichts dran. Im Gegenteil.

Wurm: Er sagt, sein Buch sei ein Longseller, dass man es noch in zwanzig Jahren kaufen und lesen wird.

Vorstandsvorsitzender: Was kümmert mich, was in zwanzig Jahren sein wird. Wir haben momentan Cyber-Montag. Streichen, Wurm, streichen.

Wurm: Wir haben aber einen Vertrag mit dem Autor.

Vorstandsvorsitzender: Vertrag! Werden Verträge nicht auf Papier geschrieben. Streichen. Aussortieren. Wer so ein Buch schreibt, ist ohnehin zu dumm zu klagen. Außerdem habe ich eine Idee für einen Bestseller – nix Longseller. Und Sie werden es mir bis Cyber-Mittwoch schreiben! Ich habe die Idee vom Sprachbloggeur geklaut. Lesen Sie ihn auch, Wurm?

Wurm: Den Sprachbloggeur? Nur manchmal, o Herr. Mir sind seine Sachen zu mühsam. Ich verstehe nicht, worauf er hinaus will.

Vorstandsvorsitzender: Egal, was er will! Ich lese sowieso nur quer. Auserlesen heißt die Devise, lieber Wurm. Auserlesen. Letzte Woche hat unser obskurer Sprachbloggeur eine Glosse mit einem genialen Titel geschrieben. Haben Sie ihn nicht gesehen?

Wurm: Es tut mir leid, aber…

Vorstandsvorsitzender: Na, sehen Sie! Deshalb bin ich der Chef und Sie der…der… Der Titel, Wurm, war „Justin Biebers Tätowierungen“. Genial, nicht wahr!? Von dir will ich jetzt, mein treuer Wurm, ein ganzes Buch zu diesem spannenden Thema. Ich will Bilder, schöne, intime Bilder, viele Bilder! Und Text! Lauter private Enthüllungen! Sie dürfen alles erfinden, wozu Sie fähig sind. Und schnell! Sofort anfangen, bevor ein anderer auf die Idee kommt. Verstehen Sie endlich? Es weihnachtet und die Welt ist grausam.

Justin Biebers Tätowierungen

Ich habe sie gesehen: Justin Biebers Tätowierungen. Deutlich zu erkennen in Bildern, die ich im Spiegel-Online entdeckte. Es waren, glaube ich, zwei.

Was, so dachte ich, dieser Bub, der so viel Unschuld ausstrahlt, hat sich tätowieren lassen?

Nun wurde ich neugierig und googelte unter Stichwort „Justin Bieber tatoos“. Wer weiß? Hätte sein können, dass man sie ihm für eine Show draufgemalt hat – als Imageveränderer quasi, damit er ein Hauch erwachsener wirkt. Prompt servierte mir Google beinahe eine Million Treffer zum Thema. (Zum Vergleich: Als ich das Stichwort „Johannesevangelium“ eintippte, waren es etwa 453.000 Treffer).

Ich klickte eine Seite, die mir versprach, alle Infos über Justin Biebers Tätowierungen unverblümt zu vermitteln, und bald wusste ich Bescheid: nicht nur, dass sie echt sind seine Tätowierungen, sondern dass der Popstar acht Stück hat!

Mir fiel in dem Augenblick ein Artikel ein, den ich vor ein paar Wochen in der Zeitung (war es die Abendzeitung?) gelesen hatte. Eine amerikanische Kollegin aus dem show business hatte sich eine Kritik über Justin Bieber erlaubt. Leider habe ich den Namen dieser Kollegin schon vergessen, obwohl sie selbst eine bekannte Entertainerin ist. Ich versuchte den Namen vermittels des Stichwortes „Kritik an Justin Bieber“ ausfindig zu machen. Im Meer der Bieber-Kritiker fand ich sie aber nicht wieder. Auch Google hat seine Grenzen.

Wie dem auch sei. Diese Kollegin bemäkelte, dass der junge Sänger keine Strategie für die Zeit habe, nachdem er nicht mehr jung und frisch aussehe. Außerdem, meinte sie, habe er keine Zukunft als Entertainer, weil sein Publikum – meist weiblich und sehr jung – heranwachse, das Bedürfnis nach ihm, sozusagen, herauswachsen. Er hingegen bleibe – wie ein Peter Pan – in seinem ewigen „Neverneverland“ zurück.

Ob die Kollegin recht hat, möchte ich hier nicht beurteilen. Dazu fühle ich mich nicht berechtigt.

Ich schreibe heute über Justin Bieber aus einem anderen Grund. Weil er für mich ein passendes Symbol für die Reinheit der Sprache darstellt.

Für die Reinheit der Sprache?

Was ich damit meine: Manche erwarten von einer Sprache, dass sie ewig und unveränderlich schön und makellos bleibt, wie ein junger Mensch in der Blüte der Jugend unveränderlich schön und makellos zu bleiben scheint. In Wirklichkeit aber werden sowohl Sprachen wie auch Menschen älter.

Ich weiß. Ich erzähle nichts Neues. Wenn es um Menschen geht, ist jeder bestens über diesen Vorgang informiert – nicht aber, wenn es um Sprache geht.

Zufällig entdeckte ich fast zeitgleich mit meinen Recherchen über Justin Biebers Tätowierungen ein Buch mit dem Titel „Student Grammar of Spoken and Written English“, dass beim englischen Verlag Longman erschienen ist. Der Autor heißt – welch Zufall – auch Biber, wenn auch ohne „E“ – Douglas Biber.

Diese „deskriptive“ Grammatik ist ein Muss für all diejenigen, die ihre Englischkenntnisse vertiefen wollen. Mr Biber u. Kollegen (nein, er ist nicht der alleinige Autor) beschreiben die englische Sprache aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln: als formelle Schriftsprache und als informelle gesprochene Sprache.

Dieses Buch ist übrigens bereits 1999 erschienen. Ich hingegen bin erst letzte Woche daran gestoßen. So war ich immer.

Um nochmals auf Justin Bieber zu kommen: Meine Überraschung, dass, dieser Popstar plötzlich Tätowierungen hatte, die ihm seine Aus-dem-Ei-gepelltheit raubten, ist nicht abwegiger als der Wunsch mancher, einer Sprache eine starre Unveränderlichkeit aufzuzwingen – was oft in der Schriftsprache geschieht. Ein tätowierter Justin Bieber ist wie eine gesprochene Sprache: lebendig, poppig, veränderlich und vor allem unvorhersehbar.

Eine Sprache ist also wie ein Jungstar. Sie wird schleichend älter, bekommt ihre Narben, lässt sich tätowieren, lässt sich einen Bart wachsen etc. Die Vergangenheit hingegen lebt weiter nur zwischen den zwei Deckeln eines hübschen Buches.

Like sehr schwieriges Englisch

Heute Englischunterricht beim Sprachbloggeur.

Ich war am Sonntag in der Pinakothek der Moderne in München und setzte mich kurz bei der Besichtigung einer Ausstellung über die Geschichte der Architektur (sehr interessant, empfehlungswert) auf eine Bank hin.

Bald nahm neben mir ein Amerikaner mit seiner deutschen Freundin Platz. Vielleicht waren sie Studenten. Sie sprachen Englisch miteinander.

Normalerweise lausche ich den Gesprächen anderer nicht. Ich bin eher Voyeur (eine Tätigkeit, die die Fantasie beflügelt) als „eavesdropper“. „To eavesdrop“ (sprich: „iews-dropp“) bedeutet „lauschen“. „Eaves“ sind „Dachvorsprünge“. Als „eavesdrop“ bezeichnete man im Mittelalter einen Auffangtrog für Regenwasser, der vor dem Hauseingang oder neben einem Fenster stand. Ein „eavesdropper“ war jemand, der an fremden Türen und Fenstern lauschte.

Mein Sitznachbar redete sehr laut und deutlich. Es war unmöglich, nicht zu eavesdroppen. Er erzählte seiner Freundin, dass er auf einer Party gewesen wäre und dass jemand ihn sehr spät in der Nacht angequatscht hätte: „And I say: ‚Like it’s four o’clock! I’m going to bed!’”

Aber so what.

Mich interessierte lediglich seinen Gebrauch des Wortes “like”. Denn ich überlegte in diesem Moment, dass man dieses „like“ ins Deutsche schwer übersetzen kann.

Fest steht aber: Die Verwendung dieses „like“ ist in der amerikanischen Sprache weit verbreitet. Man hört es vor allem bei jungen Menschen. Like man kann fast jeden amerikanischen Satz mit dieser Vokabel anfangen. Like es ist beinahe unmöglich einen Satz ohne „like“ zu beginnen, wenn man es so haben will. Like ich weiß, wovon ich rede. Like auch ich habe in meiner Jugend meine Sätze mit „like“ kräftig angepfeffert.

Ahnen Sie schon, wie dieses „like“ zu übersetzen ist?

Ich jedenfalls like kaum. Es gibt nämlich keine richtige eins-zu-eins Übersetzung. Like man, like you don’t know what you’re talking about.
Vielleicht wäre „Fakt ist“ eine Möglichkeit. Ein „Fakt ist“ scheint jedenfalls in den meisten oben geschriebenen Beispielen sinnvoll zu sein. Auch „hey“, wäre machbar. Oder „Pass mal auf“ oder „weißt du“ usw. Like dieses „like“ ist eigentlich nur ein Füller. Es übermittelt dem Hörer des Satzes sonst keine neue Information. Es scheint vielmehr ein Sprachelement zu sein, das allein dem Satzrhythmus und dem Zeitgeist dient.

Im Deutschen kenne ich Ähnliches. Zum Beispiel „Du“ in dem Satz: „Du, ich hab drüber nachgedacht.“ Dieses „Du“ lässt sich ins Englische mit „you“ oder „hey you“ kaum übertragen. Dafür könnte ich es aber mit „like“ übersetzen: „like I was thinking about it“. Ob dies für alle „Du’s“ gilt, weiß ich nicht. Du, das müsste ich mir überlegen.

Auch „schon“ taucht im Deutschen häufig als unübersetzbare Füllerpartikel auf. Zum Beispiel: „Ich denk schon, er hat recht.“ Wie soll ich dieses „schon“ ins Englische übersetzen? Eine Möglichkeit: mit „like“! Etwa: „Like I think he’s right“.

Vielleicht könnte man „like“ mit dem Füller „ja“ übersetzen. „Ich bin ja kein Idiot.“ „Like I’m not an idiot.“

Streng genommen bedeutet dieses „like“ „ähnlich wie“ und ist etymologisch mit dem deutschen „gleich“ verwandt. Außerdem mit „Leiche“. „Leiche“ sagte man dereinst nicht nur, um einen toten Körper, sondern jeden Körper zu bezeichnen. Irgendwann bekam dieses Wort die Nebenbedeutung „Vergleich“ und schließlich gebrauchte man es im Sinne von „wie“. Das Suffix „-lich“ – wie in „freundlich“, „ängstlich“ und „abenteuerlich“ – ist in Wirklichkeit nichts anders als eine abgeschwächte „Leiche“. Das englische „like“ machte die gleiche Entwicklung durch und steht heute ebenfalls als Suffix da: „-ly“ wie in „quickly“, „correctly“ usw.

Das alles nur nebenbei, um zu zeigen wie radikal die Sinnwandlung von Wörtern vonstatten gehen kann. Heute hat „like“ manchmal keine Bedeutung mehr und ist in der Umgangssprache trotzdem wichtiger denn je geworden.

Sprache und Macht

Dass die Welt grausam ist, weiß ich seit meinem zwölften Lebensjahr. Ich hatte in diesem Alter eine Arbeit bei einer Apotheke als Lieferjunge, belieferte die ganze Gegend mit Medikamenten und diversen Salben. Manchmal radelte ich zu den Kunden – auch nachdem mein Fahrrad einen Plattfuß bekam. Ich wusste nämlich nicht, dass man ein Platten reparieren kann. Das zähe Strampeln machte mir aber nichts aus.

Das war freilich nicht die Grausamkeit, von der hier die Rede sein soll. Die geschah eines Tages – ganz überraschend – , als ich eine französische Familie, die ums Eck von der Apotheke wohnte, eine Bestellung vorbeibringen sollte.

Damals hatte ich in der Schule zwei Jahre Französisch mit Fleiß und Eifer – schon gelernt. Ja, die Liebe zu Sprache zeigte sich bei mir früh. Die Vorstellung, eine richtige Fremdsprache zu sprechen, fand ich aufregend. Es war zwar nur Schulfranzösisch, und ich konnte auch die einfachsten Dinge, etwa: „Dein Hosentürl ist offen“ oder „Das Omelett schmeckt wie aufgewärmte Kotze“ usw., noch nicht sagen; aber immerhin.

Sprache bedeutet immer, neue Welten öffnen und erforschen. Dazu braucht man aber Zeit.

Ich liebte diese Fremdsprache aber, nicht nur weil sie die Sprache von Maurice Chevalier (kennt man ihn noch?) und Charles de Gaulle war, sondern die Sprache von „Parie“, von der Liebe, von der Hochkultur und von den Helden der Résistance.

Ich stand vor der Tür und klingelte. Ich vernahm eine Stimme hinter der Tür, die „Yes?“ oder „Oui?“ murmelte. Das weiß ich nicht mehr. Ich antwortete mit dem Namen der Apotheke und hörte, wie Menschen miteinander parlierten. Nun hatte ich die Idee, dass auch ich in dieser Situation Französisch reden könnte, d.h., ein wahrhaftiges Gespräch in der Fremdsprache führen. Die Tür ging auf. Eine unfreundlich dreinschauende Frau stand da.

Bonjour, Madame!“, posaunte ich stolz. „Ici votres médicaments. Vous payez trois dollars et trente-cinq cents.“ So ungefähr dürfte ich es gesagt haben. Immerhin: Es war mein allererster Versuch, mich in einer Fremdsprache zu verständigen.

Zu einem Gespräch kam es aber nicht. Der unfreundliche Mensch, der mir gegenüberstand, antwortete etwas, und zwar äußerst knapp auf akzentuiertes Englisch und bezahlte – ohne mir ein Trinkgeld zu geben. Kein „merci bien“, nicht einmal ein „thank you“. Die Madame nahm die Tüte aus meiner Hand und ließ die Tür einfach wieder zufallen. Es war zwar kein Zuknallen, aber so kam es meinem unschuldigen Herzen dennoch vor. Die Enttäuschung stand mir im Gesicht.

Mir fiel dieses lang verschüttete Ereignis wieder ein, als wir, meine Frau und ich, neulich in Paris waren. Mittlerweile kann ich übrigens problemlos auf Französisch sagen, dass ein Omelett wie aufgewärmte Kotze schmeckt (ça a un goût de dégueulis réchauffée) oder „dein Hosentürl ist offen“ (ton fermeture est ouvert).

Wir waren in der Pinacothèque de Paris, um eine Hiroshige-Ausstellung zu besuchen. Ich fragte eine Museumsmitarbeiterin – auf Französisch – , wie es weiter geht. Die Ausstellungsräume waren nämlich labyrinthartig und auf verschiedenen Ebenen eingeteilt. Die junge Dame antwortete auf Englisch: „Ju aw tu go hupp.“ Das heißt: You have to go up. Sie sprach halt mit Akzent. Es hat mich aber irritiert, dass sie Englisch geantwortet hatte. Ja. Die alte Wunde ging wieder auf.

War es eine Wiederholung meines Jugendtraumas? Das habe ich zunächst gemeint. Doch dann überlegte ich, ob ich die Situation vielleicht verkehrt herum interpretieren sollte. Das heißt: Hätte ich ihr, zum Beispiel, eine Freude machen können, wenn ich Englisch geantwortet hätte?

Was tat ich aber?

Ich sagte: „Merci“, und ging kaltschnäuzig weiter.

In dem Augenblick war mir klar, dass ich eine Glosse mit dem Titel „Sprache und Macht“ schreiben musste, um jene Grauzone zu erforschen, die entsteht, wenn zwei Menschen, die verschiedene Muttersprache haben, aufeinander stoßen und man sich für eine gemeinsame Sprache entscheiden muss.

So einfach ist so eine solche Situation nämlich nicht. Es kommt viel öfters als man denkt zu einem Duellieren mit Worten. Man will sich verständigen, findet aber keine Sprache. Komisch, nicht wahr?

Halloween abschaffen! Ein Plädoyer

O Graus! Schon wieder diese Zeit der Kunststoffgeister. Schon wieder muss ich mich aufregen. Schon wieder feiert man Halloween in Deutschland.

Vor ein paar Tagen war ich in Paris. Auch dort wird es „Soirées Halloween“ geben. Brumm.

Nein! Ich schweige nicht länger. Geben Sie mir meine Feier zurück! Ich will sie nicht so leichtsinnig aus der Hand geben.

Ich weiß. Ich ärgere mich vergebens. Erst gestern las ich in der Zeitung, dass Halloween in Deutschland zu einer Großindustrie geworden ist – nimmt Platz drei der Feiertage hinter Weihnachten und Ostern ein.

Feiertag? Wer wirklich feiert, das sind die Marketinggenies, die es verstanden haben, einen Anlass zu erfinden, Süßigkeiten, Gruseldeko und Polyesterkostüme schmackhaft zu machen. (Mehr darüber unten).

Drehen wir den Spieß kurz mal um: Oktoberfest in den USA. Das kennen Sie schon, oder? Und Sie schmunzeln gern darüber, oder? In den USA werden hunderte „Oktoberfeste“ – im Oktober – gefeiert. Ursprünglich wohl die Erfindung nostalgischer Auswanderer aus Bayern. Heute ist es ein „deutsches“ Fest unter Amerikanern geworden.

Als ich eines Tages in San Francisco mit meiner damaligen deutschen Lebensabschnittspartnerin die Market Street herunter flanierte, hielten wir vor einem Friseurladen an und lasen im Schaufenster einen Anhang: „Jubel, Trubel Heiterkeit! Oktoberfest San Francisco!“ hieß es.

Meine deutsche Lebensabschnittspartnerin lachte laut. „Ach, ihr Amerikaner“, sagte sie. „Der Spruch ist hier völlig falsch. Man spricht nur während Fasching von ‚Jubel, Trubel, Heiterkeit‘. Total irre.“

„Bedeutet ‚Trubel‘ etwas wie ‚trouble‘?“ fragte ich, stets der Sprachinteressierte.

„Nein, es heißt nur, dass viel los ist. ihr Amerikaner. Ihr seid Naivlinge.“
Was soll ich denn über Halloween in Deutschland meinen?

Nebenbei: Als ich 1975 in München ankam, war diese Feier so gut wie unbekannt – außer in den amerikanischen Kasernen, was aber verständlich ist.

Fakt ist: Das deutsche Halloween ist eine Erfindung der 1990er Jahre. Hier ein Zitat aus dem „Stern“ vom 31. Oktober 2011:

„Die ‚Fachgruppe Karneval im Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI)‘ erhebt für sich den Anspruch, Halloween im Alleingang nach Deutschland gebracht zu haben. Die Fachgruppe entstand, nachdem 1991 wegen des Golfkriegs der Karneval abgesagt wurde, was den Kostümherstellern brutale Einbußen bescherte.“

Macht das nicht nachdenklich? Ja, und wer feiert in Deutschland Halloween? Es sind meistens junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 30, die bereit sind, Geld für teure Kunststoffkürbislampionen und sonstiges Gruselzubehör auszugeben und gerne einen Anlass zum Feiern suchen.

In Amerika handelt es sich hingegen um ein Fest für Kinder. Diese bekleiden sich und marschieren Tür zu Tür (heutzutage unter Aufsicht der Eltern), um Süßigkeiten zu erbetteln. „Trick or treat!“, rufen die schrillen Kinderstimmen aus. „Süßes oder Saures“ heißt das auf Neudeutsch. Mit 13 oder 14 hört der Spaß auf. Die Teenies machen untereinander Feste vielleicht.

Hallowe’en ist ein Erntefest. Notabene: Man setzt einen Apostroph zwischen die „E“s. „Hallowe’en“ ist nämlich ein Wort aus dem Englischen eines früheren Jahrhunderts und steht für „hallow“, also „heilig“ „e’en“, oder „even“, also „Abend“. Es ist der heilige Abend vor „All Hallows“, also „Allerheilige“.

Erwachsene Amerikaner– vor allem auf dem Land und in den Kleinstädten –feiern auch aber anders als die Kinder. Sie basteln Menschenfiguren aus einer mit Blättern gefüllten Hose und einem mit Blättern gefüllten Hemd. Obendrauf kommt ein ausgestopfter Sack als Kopf und da drauf ein Strohhut. Diese Figuren setzt man auf einen Stuhl auf der Veranda. Weiß der Himmel, wie alt dieser Brauch ist. Oft werden Maiskolben, Kürbisse und sonstige Herbsterzeugnisse auf die Veranda oder ins Fenster gestellt. Wie gesagt: ein Erntefest.

Vielleicht geht Hallowe’en auf eine alte keltische Feier zurück. Das ist aber eine sehr komplizierte Frage, und ich werde hier nicht drauf eingehen.
Ich will nur darauf hinweisen, dass es meine Feier und nicht Ihre ist.

Außerdem wird Hallowe‘en NUR am 31. Oktober gefeiert. Niemals davor und niemals danach.

Meine bescheidene Bitte an alle vernünftige Deutsche, Franzosen usw.: Schaffen Sie Halloween ab. Bitte.

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